Wir sind allerdings der Meinung, dass das Strafrecht Bewusstsein schafft. Sie müssten, wenn Sie das machten, was Sie vorhaben, den komplizierten Weg wählen, zu erklären, unter § 240 – besonders schwerer Fall der Nötigung – falle auch die Zwangsheirat. Sie müssten einen riesengroßen Appendix machen, um das auf einer Postkarte zu erläutern.
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass der Straftatbestand Zwangsheirat ein eigener § 234b des Strafgesetzbuches wird, damit exakt beschrieben wird: Was wollen wir in Zukunft bestrafen, und was wollen wir nicht bestrafen?
Ich kann mir vorstellen, dass wir andere Wege finden, wie wir das kommunizieren – aber nicht mit dieser Postkartenaktion und nicht auf diesem Weg, wo doch mit den Migrantenselbstorganisationen mühsam eine gemeinsame Sprachregelung gefunden worden ist.
Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche: Herr Kollege Kuschke möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?
Herr Kollege Laschet, Sie haben völlig zu Recht dargestellt, wie breit die Gemeinsamkeiten dort sind. Jetzt reden wir über ein Mittel, über ein Instrument. Wenn wir jetzt nicht in dieser klassischen parlamentarischen Falle sind, dass etwas Richtiges von den Falschen gefordert wird – was übrigens auch wir manchmal falsch machen –, muss es doch möglich sein, hier einen Weg zu finden.
Meine Frage ist: Hätte Frau Kollegin Steffens mehr Erfolgschancen gehabt, wenn sie diese Anregung nicht in einem Antrag, sondern in einem an den Minister gerichteten Schreiben formuliert hätte? All diejenigen, die sich mit den Postkarten, die es schon gibt, beschäftigt haben – kluge Menschen, die Mitarbeiter von Werbeagenturen und alle anderen –, hätten dann auch einen Weg gefunden, um das richtig auf die Bühne zu bringen.
Eine Briefkorrespondenz – oder andere Korrespondenzen – der Kollegin Steffens mit dem Herrn Minister kann immer hilfreich sein. Aber es geht hier nicht darum, dass das abgelehnt wird, weil Sie es beantragt haben.
Dann müssten Sie morgen in der Aktuellen Stunde – wenn das Spiel nicht mehr gilt – Jubelarien auf die Landesregierung dafür anstimmen, dass wir 50 Millionen € mehr ausgeben.
Sie werden morgen das Gleiche umgekehrt machen. Darum geht es nicht. Ich habe ja versucht, es von der Sache her zu begründen. Ich kann mir vorstellen, dass wir irgendwann, erst recht wenn es den Straftatbestand gibt, eine Postkarte drucken lassen, auf der steht: Zwangsverheiratung ist strafbar. – Damit habe ich gar kein Problem.
Nur: In diese Kampagne, die eine ganz andere Herangehensweise hat und die uns die Chance gegeben hat, Migrantenorganisationen mitzunehmen – denn sie sprechen die Sprache der Menschen, um die es geht – und eine Vertrauensbasis aufzubauen, passt es nicht hinein. Deshalb ist der Antrag im Hinblick auf die Kampagne ein falscher Antrag.
Dafür, dass wir über das Thema nachdenken sollten, wenn wir eine Präzisierung im Strafgesetzbuch haben, sind auch die Koalitionsfraktionen
und das Ministerium offen. Nur glaube ich nicht, dass es der erste Schritt ist, dass die Kinder zu dem Vater gehen und sagen: Schau mal, das ist strafbar. – Vielmehr ist als Erstes durchzusetzen, dass ein junger Türke die Ehre und die Freiheit seiner Schwester auch als seine Ehre auffasst, dass wir also zu einer neuen Definition von Ehre kommen. Das erreicht man behutsamer, als wenn man gleich mit dem Strafgesetzbuch droht. Das ist eine andere Herangehensweise. Wir haben uns für sie entschieden, und ich glaube, sie ist auch richtig.
Vielen Dank, Herr Minister. – Ich habe noch eine weitere Wortmeldung für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von der Kollegin Steffens. Bitte schön, Frau Kollegin.
Ich wollte es eigentlich kurz machen, aber Frau Westerhorstmann und Herr Minister Laschet haben es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht gegönnt. Deshalb spreche ich doch noch.
Herr Minister Laschet, ich habe kein Problem damit, wenn ich im Antrag streiche „in die Aufklärungskampagne ‚ihre Freiheit, seine Ehre’“, wenn Sie also nur eine Postkarte außerhalb der Kampagne machen. Es geht mir nicht um Ihre Kampagne. Ich dachte, das wäre ein Angebot an die Koalitionsfraktionen, weil ich sonst an jeder Stelle erklärt habe, wie unzureichend die Kampagne ist. Ich könnte auch wiederholen, was alles im Rahmen der Kampagne bezüglich der Mädchenhäuser fehlt. Das wollte ich aber nicht.
Vielmehr habe ich einen Antrag vorlegen wollen, mit dem wir nicht auf Konfrontation gehen. Ich habe auch nicht wieder die Leier heruntergerasselt, die allerdings von Ihnen bezüglich dieses Antrags wieder gekommen ist. Nein, der Antrag ist nicht Ihr Antrag; es ist ein gemeinsamer Antrag. Wir haben von unserer Fraktion mehr hineingeschrieben als Sie. Aber Sie haben hinterher nicht versucht, einen gemeinsamen daraus zu machen. Das könnten wir alles wieder aufwärmen. Das wollte ich aber nicht.
Ich wollte nur sagen: Es gibt in diesem Land sehr viele Mädchen, die sagen: Ich möchte mich, weil ich schon so emanzipiert und so weit bin, mit meinen Eltern auseinandersetzen. Ich möchte meinem Vater den Gesetzestext zeigen. Das soll offiziell sein, damit er mir glaubt. Das ist nicht nur in
der besagten Veranstaltung, sondern auch in anderen Veranstaltungen mittlerweile von vielen Mädchen, die hier leben, gesagt worden.
Wir könnten auch eine grüne Postkartenkampagne starten, wenn hier kleinkariertes und machtarrogantes Verhalten von der CDU-Fraktion an den Tag gelegt und gesagt wird: So etwas machen wir nicht. – Das ist aber ein Wunsch von Mädchen in diesem Land. Ich dachte, wir hätten einen Konsens,
Was kostet denn der Druck einer Postkarte, auf der für die Mädchen, die es brauchen, ein solcher Text steht? Das sind Peanuts. Deswegen: Machen Sie doch daraus, bloß weil es ein Antrag von uns ist, keinen Glaubenskampf! Von mir aus können wir den Antrag auch im Laufe des Verfahrens zurückziehen, wenn Sie sagen, Sie machen so etwas, und wenn es der Gesichtswahrung der CDU-Fraktion dient, nicht einem Grünen-Antrag zustimmen zu müssen.
Ich möchte, dass den Mädchen geholfen wird. Und den Mädchen ist geholfen, wenn sie eine solche Postkarte haben,
sich dann mit ihrem Vater auseinandersetzen und ihm nicht nur sagen können: „Papi, ich will es nicht“, sondern auch: „Das ist verboten. Lass es sein!“
Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht, sodass wir am Schluss der Beratung sind und zur Abstimmung kommen können.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/6525 an den Ausschuss für Frauenpolitik – federführend – sowie an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, bitte Hand aufzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist diese mit Zustimmung aller Fraktionen angenommen.
17 Neuwahl eines stellvertretenden Mitgliedes der achten Amtsperiode für den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) beim Europarat
Eine Debatte hierzu ist nicht vorgesehen, sodass wir unmittelbar zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 14/6514 kommen können. Wer dem zustimmen möchte, bitte Hand aufzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dieser Wahlvorschlag bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und im Übrigen mit Zustimmung der Fraktionen von SPD, CDU und FDP angenommen und Herr Kollege Dr. Berger als stellvertretendes Mitglied gewählt.
18 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsrechtliche Prüfung der §§ 146 Abs. 3, 134 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes (NJVollzG) vom 14.12.2007
Auch hier ist eine Debatte nicht vorgesehen, sodass ich über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/6486 abstimmen lasse, eine Stellungnahme nicht abzugeben. Wer dieser Empfehlung folgen möchte, bitte Hand aufzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist mit Zustimmung aller Fraktionen die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses angenommen.