Protokoll der Sitzung vom 14.05.2008

weltausschuss hat ja mit den Stimmen von CDU und SPD eine Vollauktionierung beschlossen. Ich halte das ausdrücklich für richtig. Also könnten wir eventuell – das ist ja das Angebot – einstimmig aus dem Landtag heraus Berlin auffordern, bei der Auktionierung das aus Nordrhein-Westfalen stammende Geld nach Nordrhein-Westfalen zurückzulenken, damit der Beschäftigungseffekt bei uns in unserer Bauindustrie eintritt. Da wäre das Potenzial für eine Gemeinsamkeit.

Zweite Gemeinsamkeit: Wenn Nordrhein-Westfalen irgendwo eine außerordentliche Stärke hat in dem, was wir tun müssten, dann sind es der Einsatz der Kraftwärmekoppelung, also die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme, und der Ausbau der Nah- und Fernwärme vor allen Dingen in den Ballungsgebieten. Da liegen wir mit 10 % unter dem Bundessschnitt. Wir liegen weit hinter den Dänen mit 60 % Kraftwärmekoppelung und hinter den Niederländern mit 40 %. Der größte Irrsinn ist doch, dass es rund um das Ruhrgebiet einen Kranz von Kondensationskraftwerken gibt, aber 60 % der Energie in die Umgebung geblasen und innen drin mit importiertem Erdgas geheizt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das heißt, auch der Ausbau der Kraft-WärmeKopplung müsste hochgradig konsensual sein. Ich kenne keine anderen Stimmen. Aber auch er muss finanziert werden. Wir wissen genau: Das, was im Landesetat steht, und das, was Berlin im Moment vorsieht, ist nicht ausreichend, um die Aufgabe zu bewältigen. Ein solcher Ausbau hat nur positive Effekte, weil auch er teure Importe, die immer teurer werden, substituiert. – Das sind also zwei mögliche Konsenspunkte.

Der dritte Konsenspunkt ist das Ziel: 20 % Einsparung beim Strom. Ich glaube nicht, dass das zu schaffen ist. Wir werden in unserem Konzept keine 20 % vorsehen. Aber es herrscht absoluter Konsens in dem Versuch, das zu erreichen.

Nur: Was heißt das konkret? – Unser Konzept enthält als einen dicken Brocken die Umstellung der Nachtspeicherheizungen. Denn mit Strom zu heizen, ist das Teuerste und Umweltschädlichste, und es wird immer teurer werden. Wir haben in NRW 450.000 Nachtspeicherheizungen, allein in Essen 60.000. Wenn wir sie umstellen wollen, müssen wir erhebliche Gelder in die Hand nehmen, weil das allein von den Privaten nicht zu gewährleisten ist. Wir gehen von einem Zuschussprogramm in der Größenordnung von 40 % aus, das Sie leisten müssen, um das zu schaffen. Der Bund möchte das.

Wir sollten uns auch insofern wieder geschlossen in Richtung Berlin aufstellen und fordern: Das Geld, um diesen Umbau zu finanzieren, muss aus der Auktionierung fließen; mit positiven Effekten wiederum, was die Heizkostenbelastung angeht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es gibt also mindestens drei oder vier mögliche konsensuale Bereiche. Ich lasse die Windkraft einmal außen vor, weil ich da ja die notorischen, aus meiner Sicht ideologischen Festlegungen der FDP kenne. Ich halte auch das für einen Irrweg. Denn wenn wir in den nächsten Jahrzehnten weiterkommen wollen, müssen wir da mehr tun. Aber da will ich gar keinen Konsens verlangen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Bei der Gebäudesanierung, bei der Kraftwärmekopplung und beim Einsparen müssten wir aber über alle Fraktionen hinweg Konsens haben. Da hat die Ministerin Recht. Wir können das gerne versuchen. Wir können einmal gucken, ob wir uns nicht zusammen aufstellen. Nur wenn es finanziert werden soll, dann muss es über die Auktionierung kommen. Ich sehe keine anderen Möglichkeiten, die Milliardensummen, die da notwendig sind, über einen konstanten Zeitraum von zehn Jahren zu organisieren.

Ich fände es erfreulich, wenn ein Produkt der Debatte wäre, zu versuchen, solche Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und uns in Richtung Berlin aufzustellen. Das sollten wir probieren. Denn eines muss klar sein: Berlin wird mit den Finanzmitteln, die es zur Verfügung gestellt hat, die Meseberger Beschlüsse und die konsensualen positiven Ziele nicht umsetzen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Der fraktionslose Abgeordnete Sagel hat das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Wenn man bei Matthäus nachguckt, kann nicht viel dabei herauskommen. Denn der ist bekanntermaßen oberhalb des Halses nur Kreisklasse. Deswegen will ihn in Deutschland auch niemand haben.

Dasselbe könnte man auf die Energie- und Klimaschutzstrategie der Landesregierung in NordrheinWestfalen anwenden. Denn das ist ein widersprüchliches Konzept, ein Heißluftballon, der bald platzen wird. Thobens und Rüttgers Konzept heizt die Umwelt an und ist ein Sammelsurium von Un

konkretem. Es beschreibt ein Ziel ohne einen Weg. Im Vordergrund steht – das kann man in dem Konzept auch nachlesen – die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Belastungen sollen ausgeglichen werden. Die Versorgungssicherheit ist ein weiteres Thema, aber nicht der Klima- und Umweltschutz. Deswegen bleiben in diesem Konzept auch alle wesentlichen Fragen offen.

Bis 2020 eine Einsparung von 81 Millionen t CO2 entspricht 40 % des Reduzierungsziels, das in Berlin vorgegeben worden ist. Doch wie man bei einem Kraftwerksneubau ohne KWK dieses Ziel erreichen will, bleibt völlig offen. Es ist ein umweltpolitisches Totalversagen der NRW-Landesregierung. Denn 177 Millionen t CO2 werden hier in den Kraftwerken produziert. Eine reine Erneuerung von Kohlekraftwerken plus längere Laufzeiten von Atomenergie ist ein absurdes Szenario. Das gilt insbesondere auch für das, was die FDP vorgetragen hat.

Die Modernisierung, ohne dass die Abschaltung von alten Anlagen geklärt ist, zur Reduzierung von 30 Millionen t CO2 ist ungeklärt und reines Wunschdenken. Die Bundesregierung spricht zum Beispiel nur von 15 Millionen t, hingegen hat die CDU-Fraktion kürzlich einmal von 12, 4 Millionen t in NRW gesprochen.

Das macht deutlich: Sie haben kein klares Konzept. Das Ganze hat allein den Charakter eines Appells an die Industrie. Man hofft! Das Prinzip Hoffnung steht im Vordergrund. Vor allem ist das von Ihnen hier vorgestellte, absurde Szenario ohne Finanzkonzept.

Aus meiner Sicht muss der Ausstieg aus der gefährlichen Atomenergie und aus der äußerst klimaschädlichen Braunkohleverstromung an erster Stelle stehen; das hat höchste Priorität. Irgendwann, mittelfristig, muss man natürlich auch aus der Steinkohleverstromung aussteigen. Man muss auf optimale Energieeinsparung setzen. Denn Strom, der eingespart wird, ist der umweltfreundlichste Strom. Solar-, Wind- und Wasserenergie sowie Geothermie und Biogas sind weitere wesentliche Aspekte. Für eine Übergangszeit sind Gaskraftwerke verstärkt zu nutzen und alle Kraftwerke mit Kraftwärmekopplung zu betreiben.

Es ist dafür dringend erforderlich, die Energieversorgung zu dezentralisieren. Wir müssen von diesen vier „Besatzern“, den vier großen Stromkonzernen, wegkommen, die wir in der Bundesrepublik haben. Wir müssen dezentralisieren, rekommunalisieren und die Stromnetze vergesellschaften. Wir müssen auf Wärmeisolierung und ener

giesparende Technologien setzen. Das schafft zudem zahlreiche neue Arbeitsplätze, vor allem in der Bau-, Metall- und Elektroindustrie.

Ich glaube, wenn man diese Dinge berücksichtigt, dann kommt man zu einem vernünftigen Energiekonzept. Das, was Sie vorhaben, beschreibt, wie gesagt, ein absurdes Szenario.

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Jetzt hat für die SPD-Fraktion noch einmal der Abgeordnete Römer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu zwei Punkten, die die Frau Ministerin angesprochen hat, etwas sagen: zum Ersten zu ihrem Hinweis, dass sie in Verhandlungen mit der Energiewirtschaft steht und dem Landtag ein Verhandlungsergebnis vortragen will, und zum Zweiten zu der Frage, wie in der dritten Handelsperiode mit den Zertifikaten umgegangen werden soll.

Vorab aber ein Hinweis für den Kollegen Kemper, der uns heute mit Zitaten konfrontiert hat. Herr Kollege Kemper, ich will Sie dann auch mit einem Zitat konfrontieren und daran deutlich machen, warum es Ihnen bisher so schwergefallen ist, zu einer vernünftigen Klimaschutzpolitik zu kommen. Das Zitat stammt von Ihnen selbst. Sie haben Anfang 2007 – nachzulesen im Plenarprotokoll vom 25.01.2007 – dem Hohen Hause noch gesagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Wir brauchen kein Klimaschutzkonzept für Nordrhein-Westfalen.“

Ich hätte von Ihnen heute das Eingeständnis erwartet, dass Sie zur Einsicht gelangt sind. Aber weil Ihre Einstellung ja bislang anders war, konnte auch nichts Vernünftiges herauskommen. Das, was die Frau Ministerin heute vorgelegt hat und was Sie beklatscht haben, ist eine Ansammlung von Hoffnungen, von Wünschen und von Erwartungen. Nichts, aber auch gar nichts ist mit konkreten Maßnahmen hinterlegt.

Frau Ministerin, selbstverständlich wollen wir Ihnen – auch hier im Landtag – in der Frage helfen, inwieweit das, was Sie durch Kraftwerksmodernisierungsprogramme an Einsparungen erreichen wollen, in der Realität wirklich abgesichert ist. Ich verspreche Ihnen: Wir werden eine Anhörung machen und mit der Energiewirtschaft darüber reden, ob die von Ihnen avisierten Einsparziele tatsächlich erreicht werden können. Möglicherweise hilft Ihnen das sogar in den Verhandlungen.

Nach drei Jahren Regierungsverantwortung hätte ich mir jedenfalls gewünscht, dass Sie nicht mit dem Wunsch gekommen wären, Sie wollen in die Verhandlungen eintreten und uns irgendwann ein Ergebnis vorlegen, sondern dass Sie uns bereits ein Ergebnis präsentiert hätten. Ich hätte mir auch gewünscht, dass Sie an unsere Seite getreten wären. Das wäre notwendig gewesen im Hinblick auf unsere Forderung: RWE muss endlich die von ihm eingegangenen Vereinbarungen einhalten und die fünf uralten 150 MW-Blöcke in Frimmersdorf abschalten. Sie als Landesregierung versagen da! Sie helfen überhaupt nicht!

(Beifall von der SPD)

Dann will ich etwas auf Ihre Bemerkung erwidern, auch zukünftig sollten die Zertifikate im Emissionshandel weitgehend kostenlos zugeteilt werden. – Darüber ist zu reden, Frau Thoben. Herr Priggen hat ein paar Beispiele genannt. Ich will auf einen grundsätzlichen Punkt aufmerksam machen. Der RWE-Vorstand begründet zurzeit ja eben gerade mit dem Hinweis auf den Emissionshandel, dass solche Uraltblöcke wie in Frimmersdorf weiter am Netz bleiben müssen. Wir müssen aber doch darauf achten, dass wir mit dem Emissionshandel zukünftig das genaue Gegenteil erreichen, erreichen, dass neue Kraftwerke gefördert werden und dass eben nicht die alten am Netz bleiben können. Deshalb muss der Neubau von effizienten Kraftwerken viel attraktiver gemacht werden.

Ich schlage Ihnen Folgendes vor – lassen Sie uns darüber reden –: Es muss völlig klar sein, dass unsere heimische Industrie – ich nenne nur die Stahlindustrie, die Zementindustrie und andere CO2-emittierende Industrien in Nordrhein-Westfalen, die im globalen Wettbewerb stehen – selbstverständlich auch zukünftig Sicherheit darüber braucht, dass sie im Gegensatz zur Energiewirtschaft eine kostenlose Zuteilung der Emissionszertifikate erhält. Darüber braucht die Stahlindustrie – die nordrhein-westfälische Stahlindustrie mahnt das ja an – möglichst schnell Klarheit, Frau Thoben.

Ich wünschte mir, dass Sie sich als Landesregierung – wie wir das damals in unserer Regierungsverantwortung bei der Frage von REACH getan haben – endlich offensiv in den Brüsseler Prozess einmischen, damit Klarheit für die Industrie herrscht.

(Ministerin Christa Thoben: Ich gebe Ihnen einfach alle meine Briefe, Herr Römer!)

Nun will ich etwas zur Energiewirtschaft sagen. Der Kollege Priggen war ja ein bisschen zurück

haltend. Ich nehme einmal den derzeitigen Zertifikatepreis von 25 €/t. Daraus leitet sich ab, dass der Emissionshandel in Nordrhein-Westfalen – ca. 220 Millionen t, 80 % davon in der Energiewirtschaft – 4,4 Milliarden € bewegen würde, und zwar, Frau Thoben, unabhängig davon, ob die Zertifikate verschenkt oder zu einem bestimmten Anteil versteigert werden.

Aber es muss doch um die Ziele gehen! Die sind für mich völlig klar: Wir wollen die durch den Emissionshandel in Nordrhein-Westfalen zukünftig bewegten Finanzmittel hier in Nordrhein-Westfalen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes und zur Erreichung von Klimaschutzzielen verwenden. Deshalb müssen wir gemeinsam – da haben Sie uns an Ihrer Seite – dafür kämpfen, dass diese Mittel auch in Nordrhein-Westfalen zum Einsatz kommen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Keinen Cent für den Bundesfinanzminister! Alles muss nach Nordrhein-Westfalen! Da wünschte ich mir, Frau Thoben, wir könnten das gemeinsam tun. Dann wären wir auch in der Lage, all denjenigen, die – auch in der Energiewirtschaft – Sorgen haben, klarzumachen, dass eine vernünftige Strategie für die dritte Handelsperiode NordrheinWestfalen und der nordrhein-westfälischen Energiewirtschaft zugute kommt.

Lassen Sie uns darüber weiter reden, notfalls auch streitig. Ich freue mich darauf.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Jetzt hat noch für die CDUFraktion der Abgeordnete Lienenkämper das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Die heutige Aktuelle Stunde und die bisherige Diskussion geben zunächst einmal Anlass, Folgendes festzustellen:

Erstens. Die Landesregierung hat ein konkretes, innovatives, ambitioniertes und realistisches Energiekonzept für Nordrhein-Westfalen bis 2020.

Zweitens. Das scheint einigen hier nicht zu passen, denn sonst kann ich mir das bekritteln, das ich vor allen Dingen von der SPD-Fraktion gehört habe, nur schwerlich erklären.

Drittens. Die Landesregierung hat endlich in der Energiepolitik die richtigen Schwerpunkte gesetzt.

(Beifall von der FDP)

Klimaschutz ist wichtig. Genau so wichtig sind aber Versorgungssicherheit und Preis.

(Beifall von der FDP)