Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

Wir alle müssen akzeptieren, dass veränderte Lebenssituationen neue Wege und Instrumente erfordern. Ich hoffe, wir werden im weiteren Beratungsverfahren im Sportausschuss auf der Grundlage der von uns vorzulegenden Konzeption der neuen Sportschulen das Thema konstruktiv erörtern können und zu einer für den Nachwuchsleistungssport in Nordrhein-Westfalen guten Lösung kommen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister. - Als Nächstes hat der Abgeordnete Becker von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben schöne Berichte über die Fernsehgewohnheiten des Herrn Müller gehört, wir haben erfahren, dass er in den Stadien der Welt zu Hause ist, aber wie er sich die Sportschulen in Nordrhein-Westfalen vorstellt, darüber hat er nichts gesagt. Ich kann das verstehen und werte das als Zeichen der Verunsicherung.

Diese Verunsicherung kann jedoch an einer Tatsache nichts ändern: Wir reden hier und heute nicht über das Verbundsystem Schule und Leistungssport, weil wir von der Opposition es so toll finden, darüber zu reden, obwohl es viel zu sagen gäbe, sondern wir reden darüber, weil Sie von der Regierungsseite womöglich durch unbedachte Äußerungen und unsaubere Formulierungen Spekulationen und Irritationen hervorgerufen haben, die hier und heute einer Klarstellung im Parlament bedürfen, die Sie schuldig geblieben sind.

(Beifall von der SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir alle und nicht nur Herr Dr. Vesper haben uns gefragt, was mit dem Terminus Sportschulen gemeint ist; denn diesen Begriff gibt es im Verbundsystem Schule und Leistungssport bislang nicht. Es gibt Partnerschulen des Leistungssports - hier arbeiten Leistungsstützpunkte der Sportfachverbände intensiv in Form von Hausaufgabenbetreuung, Stütz- und Förderunterricht mit den beteiligten acht Schulen zusammen -, sportbetonte Schu

len - hier werden an ausgewählten zurzeit 28 Standorten mit Bundes- und Leistungsstützpunkten Sportklassen eingerichtet, in denen über diese schulischen Hilfen hinaus weitere Hilfen wie integriertes Vormittagstraining angeboten werden - und Eliteschulen des Sports; hier werden im kooperativen Verbund von Leistungssport, Schule und Wohnen Bedingungen geschaffen, damit sich talentierte Nachwuchsathletinnen und Nachwuchsathleten auf künftige Spitzenleistungen im Sport bei Wahrung ihrer schulischen Bildungschancen vorbereiten können.

Diese Eliteschulen des Sports müssen bestimmten Qualitätskriterien des Deutschen Sportbundes entsprechen, was kontinuierlich überprüft wird. Wie Sie, die Sie bereits in der letzten Legislaturperiode dem Landtag angehört haben, seit dem 4. April 2005 aufgrund der Antwort der damaligen Landesregierung auf die Anfrage 2229 in der 13. Wahlperiode wissen, nimmt NordrheinWestfalen in diesem Bereich eine Spitzenstellung ein. Von bundesweit 38 Eliteschulen des Sports befinden sich fünf in Nordrhein-Westfalen, mehr als in Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg. Alle Standorte erhalten die Anerkennung als Eliteschule des Sports bis zum Jahre 2008.

Nicht nur, aber auch deshalb können wir festhalten: Die Zusammenarbeit von alter Landesregierung, Landessportbund, Sportstiftung NRW und den Sportfachverbänden hat sich im Verbundsystem Schule und Leistungssport bewährt.

Wir dachten bislang, Sie von der heutigen Regierungsseite wären der gleichen Auffassung. Wie sonst erklären sich Wortbeiträge Ihrer Vertreter in der letzten Legislaturperiode, zum Beispiel am 6. Juni 2002 im Landtag und am 3. November 2003 im Sportausschuss, in denen Sie die Weiterentwicklung und den Ausbau der Eliteschulen des Sports gefordert haben, was ja auch vollkommen richtig ist und unsere vollste Unterstützung finden würde? Auf einmal ist jedoch die Rede von Sportschulen. Wir haben gedacht, dass dies ein Versprecher ist. Sie meinen bestimmt Eliteschulen des Sports. Doch statt der erwarteten Klarstellung folgen Allgemeinplätze zur Erklärung und Begründung, die - das hat der Kollege HansTheo Peschkes mehr als deutlich gemacht - keinen Mehrwert gegenüber den bestehenden Sportschulen erkennen lassen. Im Gegenteil: Bei näherer Betrachtungsweise stellen sich die Sportschulen der Landesregierung als Etikettenschwindel heraus. Das muss hier einmal klargestellt werden.

(Beifall von der SPD)

Ich stelle fest: Das Verbundsystem Schule und Leistungssport ist mit seinen derzeit 41 Einrichtungen ein bewährtes Instrument zur Talentsichtung und Talentförderung im Sportbereich. Es hat sich vor allem bewährt, weil es mit den Partnern des Sports gemeinsam entwickelt und aufgebaut wurde, aber sicherlich auch deshalb, weil es bislang von allen im Landtag vertretenen Parteien gestützt und getragen wurde.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müller von der CDU?

Okay.

Ich habe nur noch eine Redezeit von zwei Minuten.

Das Verbundsystem Schule und Leistungssport ist mit den Partnerschulen des Leistungssports, den sportbetonten Schulen und den Eliteschulen des Sports ausreichend diversifiziert. Wir sollten es ausbauen und weiterentwickeln, statt es mit neuen Überschriften zu verwässern. Deshalb sollten wir jetzt mit der gebotenen Klarheit und Sachlichkeit die Verwirrung aufklären, die durch sprachliche Unschärfen im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung entstanden sind, und sagen, dass es bei dem bewährten dreistufigen Verbundsystem bleibt. Wir sollten das Geld, das für die Schaffung eines neuen Typus Sportschule vorgesehen war, in das Verbundsystem investieren und sagen: Das Verbundsystem wird ausgebaut und weiterentwickelt, und zwar nicht von oben herab, sondern gemeinsam mit den Partner des Sports. - Kurz: Wir sollten den Antrag der SPD-Fraktion zur weiteren Bearbeitung in die Ausschüsse überweisen und ihn anschließend annehmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön. - Es hat sich noch einmal der Abgeordnete Müller von der CDU gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Vesper, in aller von Ihnen erbetenen Humorlosigkeit: Sie haben in Ihrem Antrag, wenn auch sehr vage, eine Verbindung zu den Sportschulen der DDR hergestellt und dies auch heute wieder getan. Ich frage Sie: Wie erklärt man sich denn die Medaillenflut der australischen Schwimmer bei der Schwimmwelt

meisterschaft? Hat das auch etwas mit den Sportschulen der DDR zu tun? Ich halte es - gelinde gesagt - für einen dicken Hund - Sie können ruhig grinsen -, dass Sie versuchen, diesen Antrag mit solch einem Attribut herunterzuspielen. Das ist nicht in Ordnung, und das lassen wir uns nicht gefallen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

- Die Dinge sind doch in Ihrem Antrag nachzulesen, und Sie haben es heute gesagt, was immer Sie damit bezwecken.

Herr Dr. Vesper, Sie sind ein Ex-Minister und ich ein kleiner Abgeordnetenneuling.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

- Das wird sich ändern; da können Sie mir vertrauen.

(Heiterkeit)

Das, was Sie, Herr Dr. Vesper, gesagt haben, ist ja nicht verkehrt. Es hat doch hier auch niemand behauptet, dass vorher alles schlecht gewesen wäre. Dies habe ich, glaube ich, sogar ausdrücklich gesagt. Darüber hinaus wissen wir Sportkundigen doch alle, dass die fachliche Entscheidung des Trainings natürlich ausschließlich bei den Sportverbänden und nicht bei der Politik liegt. Die Politik kann nur die Rahmenbedingungen setzen. Das wissen Sie als ehemaliger Fachminister ganz genau. Ich habe allerdings feststellen müssen: Sie haben sehr schön von gestern geplaudert. Von morgen habe ich aber sehr wenig gehört.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Müller. - Herr Vesper hat sich ebenfalls noch einmal gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Müller, vielleicht nur so viel: Ich habe überhaupt keinen Antrag gestellt. Dies ist ein Antrag der SPD-Fraktion.

(Beifall von der SPD)

Schon deswegen liegen Sie also falsch.

(Holger Müller [CDU]: Ich habe „Anfrage“ ge- sagt!)

- Nein, Sie haben „Antrag“ gesagt. Wenn Sie die Anfrage meinen, muss ich feststellen: Das habe ich eben doch klar gesagt. Sie müssen schon genau zuhören, Herr Müller. Dass man bei Sportschulen an die Sportschulen der DDR denkt, wird

auch in der Sportwelt eifrig diskutiert. Die Auswüchse sind ja nicht zu bestreiten. Ich habe aber ausdrücklich gesagt, dass ich niemandem unterstelle, dass er dies hier einführen wolle.

Herr Kollege Wolf, ich entschuldige mich auch in aller Form bei Ihnen, wenn ich Ihnen unterstellt haben sollte, dass Sie die Koalitionsverhandlungen irgendwie feuchtfröhlich durchgeführt hätten. Sie haben sie nicht feuchtfröhlich durchgeführt, sondern bierernst.

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist hiermit dann auch klargestellt. Da wollte ich Sie nun wirklich nicht angreifen.

Ich will zum Abschluss der Debatte gerne noch drei kurze Punkte feststellen. Vorweg darf ich sagen: Natürlich bin ich nicht dagegen, wenn es neue Instrumente gibt, die sinnvoll sind und die den Sport weiterbringen. Selbstverständlich! Wer sollte dagegen sein?

Ich habe nur gefragt - das ist der erste Punkt -: Was sind diese Sportschulen eigentlich? Ordnen Sie sie doch einmal in das bisherige bewährte System der Förderung des Sports an unseren Schulen ein. - Ich stelle fest, dass auch diese Debatte hier keine Klarheit darüber gebracht hat. Es ist nicht klar, worin sich die Sportschulen zum Beispiel von den Partnerschulen des Leistungssports oder den Eliteschulen des Leistungssports unterscheiden. Das stelle ich einfach fest.

Der zweite Punkt: Ist das, was hier vorgesehen ist, denn eigentlich mit dem organisierten Sport besprochen? Nach meinen Gesprächen mit den Vertretern der Sportbünde und der Verbände weiß auch der organisierte Sport nichts davon, was diese Sportschulen eigentlich konkret sein sollen.

Der dritte Punkt: Lieber Herr Wolf, wenn Sie und auch die Kollegen von den Regierungsfraktionen zu Recht die große Bedeutung des Sports für unsere Schulen und die große Bedeutung der Schulen für die Entwicklung des Leistungssports betonen, dann hätte ich mir doch gewünscht, dass Sie die Zuständigkeit für den Schulsport nicht aus dem Sportministerium herauslösen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn das ist der entscheidende Punkt, an dem die Verbindung zwischen Schule und Sport am besten festzustellen ist. Das haben Sie leider nicht geschafft, lieber Kollege Wolf. Sie wissen selbst, dass die gesamte Fachwelt das eigentlich bedauert.

Meine Damen und Herren, manchmal kaufe ich Wein auch nach der Schönheit des Etikettes; das gebe ich gerne zu. Zufrieden bin ich aber erst, wenn der Wein, wenn ich ihn dann trinke, auch schmeckt. Und das wollen wir hier bei diesem Etikett dann auch sehen. - Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Dr. Vesper. - Herr Dr. Wolf, bitte schön.

(Ralf Jäger [SPD]: Aber jetzt mal ein biss- chen lustiger!)

Zunächst einmal stelle ich fest: Eine perfide Unterstellung wird dadurch, dass man versucht, sie im Nachhinein zu verharmlosen, nicht besser.