Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

Die offene Frage bleibt: Ist denn die Rote Liste wirklich wichtig für die Beschreibung, was in Zukunft passiert? Die Rote Liste beschreibt den Idealzustand der genetischen Vielfalt im Jahre 1830, im Übrigen nicht bei 18 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen, sondern bei 12 Millionen Menschen in Europa. Die Entwicklung beschreibt eine Rote Liste eben nicht.

Nun zum konkreten Teil: Bezüglich der Umsetzung der Konvention über die biologische Vielfalt ist Deutschland verpflichtet, eine Biodiversitätsstrategie vorzulegen. Dies ist im Dezember 2007 passiert. Insofern haben wir unsere Aufgaben erfüllt. Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden,

(Svenja Schulze [SPD]: Die Umsetzung in NRW!)

meine Damen und Herren, rechtzeitig und vor der Konferenz. Was wir zusätzlich tun, haben wir in unserem Entschließungsantrag aufgelistet. Diese Strategie ist mit den Umweltverbänden im Übrigen abgesprochen. Ich füge dazu, weil ich betroffen bin: Die Landeigentümer und die Nutzer sind nur informiert und um eine Stellungnahme gebeten worden. Abgesprochen war das mit den Umweltverbänden.

Die Aufgabe der Landwirtschaft wurde genauer in einem gestrigen Gespräch dargestellt. Ich nenne Ihnen drei Worte aus diesem gestrigen Gespräch, die man definiert hat. Es ging um die Begriffe Umweltschutz und Artenschutz, mehr integrativ statt segregativ; wir können im Ausschuss diskutieren, was wir da gemeint haben. Dann ging es darum, mehr zu kooperieren und die dynamische

Betrachtung zu beobachten. Das sind die drei Hauptbegriffe, die gestern festgelegt worden sind.

Die konkrete Umsetzung bei Kulturland und Agrobiodiversität muss an dieser Stelle noch erarbeitet werden. Übrigens, Herr Remmel, Ihre Horrorszenarien bezüglich der normalen Landwirtschaft – ich bezeichne sie auch als integrierte Bewirtschaftung von Landwirtschaft – treffen in keinem Fall zu. Die Arten haben sich vermehrt.

Ich gebe Ihnen jetzt ein konkretes Beispiel. Ich habe zwar nur noch sechs Sekunden, ich sage es Ihnen trotzdem. 1965 wurden auf unserem Betrieb acht Erntegüter geerntet aus einer Auswahl von ca. 122 Sorten. 1985 waren es noch sechs Erntegüter, aber die Sorten haben sich erhöht auf ca. 150. Im Jahre 2005

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

hatten wir 230 Sorten zur Verfügung, auch bei sechs Arten, die ich angebaut habe. Eine Verengung sehe ich da nicht. Wenn Sie es nicht glauben, Herr Remmel, ich lade Sie persönlich in meinem Betrieb ein, damit Sie endlich einmal von Ihrem grünen Schreibtisch wegkommen und Ihre Augen in die Natur stecken. Da kann ich Ihnen Dinge zeigen, die Sie in Ihrem Leben vielleicht noch nie gesehen haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kemper. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Remmel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Drei Mal hat heute, um im Bedeutungsbereich christliche Herleitung zu bleiben, den Herr Deppe aufgemacht hat, der Hahn gekräht: Beim Kies, beim Wald und beim Artenschutz haben Sie heute hier drei Mal Natur und Heimat verraten – das ist in der Debatte deutlich geworden –, und zwar verraten an die FDP.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vier Mal hat die FDP heute fundamental der CDU widersprochen.

(Ralf Witzel [FDP]: Absurd)

Beim Kiesabbau wollen Sie nichts wissen von zwei Mal fünfzehn Jahren, da wollen Sie bei zwei Mal 25 Jahren bleiben. Beim Staatswald wollen Sie mehr verkaufen, und Sie wollen eigentlich gar nicht verkaufen. Der Artenschutz soll nur da stattfinden, wo unverdichtete Räume sind. Sie wollen

zumindest einen flächendeckenden Natur- und Artenschutz, auch wenn Sie es nur verbal vor sich hertragen.

Das 5-ha-Ziel, was den Flächenverbrauch angeht, hat Herr Ellerbrock zum Popanz erklärt. Das ist die Leitlinie von Herrn Uhlenberg. Vier Mal fundamental widersprochen! Vielleicht können Sie das nachvollziehen, Herr Uhlenberg. Im Übrigen hat der NABU schon im letzten Jahr erklärt, dass das Bündnis für Natur gescheitert ist.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Vielleicht können Sie dann nachvollziehen, warum bei einer solchen Konstellation NordrheinWestfalen ein schlechter Gastgeber für diese Konferenz ist. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluss der Beratung.

Entgegen der ursprünglich in der Tagesordnung vorgesehenen Verabredung, dass dieser Antrag direkt abgestimmt wird, haben sich die Fraktionen darauf verständigt, den Antrag an den Fachausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Das gilt auch für die Entschließungsanträge.

Ich lasse abstimmen über die Überweisung des Antrags Drucksache 14/6697 einschließlich der Entschließungsanträge Drucksachen 14/6753 und 14/6777 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit der Maßgabe, dass die Abstimmung dort in öffentlicher Sitzung abschließend erfolgt. Sind Sie damit einverstanden? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist diese Überweisungsempfehlung angenommen.

Ich rufe auf:

8 Ausgebeutet – Günter Wallraffs Anstoß aufnehmen:

Ausweitung der Niedriglohnbeschäftigung und prekären Beschäftigungsformen muss gestoppt werden – NRW muss für gerechte und existenzsichernde Arbeitsentgelte eintreten!

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6693

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollegin Steffens das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt einen Anlass, der uns zu der Auffassung brachte: Wir müssen das Thema jetzt umfassend auf die Tagesordnung setzen. Das war, wie wahrscheinlich viele von Ihnen im „Zeit“-Magazin gelesen haben, die letzte Recherche von Günter Wallraff. Darin wird an einem ganz konkreten Beispiel deutlich, welche Lebenssituation und Lebensrealität Niedriglöhner in dieser Gesellschaft haben.

Wir wollten heute aber nicht nur über dieses Beispiel, sondern über die ungeschützten, prekären und atypischen Beschäftigungsverhältnisse in der gesamten Breite diskutieren. Ein Drittel der Arbeitnehmerinnen in Deutschland ist in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen, das heißt in Teilzeitjobs, Minijobs, befristeten Arbeitsverhältnissen, was immer mehr zunimmt, oder Leiharbeitsverhältnissen. Wenn wir uns den Bereich der Leiharbeitnehmerinnen ansehen, dann stellen wir fest, dass sich die Anzahl von 2003 bis 2006 verdoppelt hat. Hinzu kommen Soloselbstständige und Scheinselbstständige.

Das bedeutet, ein immer größer werdender Teil von Menschen befindet sich in Beschäftigungsverhältnissen, die extrem unsicher und existenzbedrohlich sind. Darüber hinaus ist ein immer größer werdender Teil von Menschen im Niedriglohnbereich beschäftigt. Im Jahre 2006 waren 6,6 Millionen oder 22,6 % der Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Diese Zahlen kann man nicht einfach so stehen lassen, sondern hier muss man aktiv werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn man sich ansieht, was mittlerweile Unternehmen machen, dann stellt man fest, dass der gesamte Bereich der Prekariats wächst, dass immer mehr Unternehmen versuchen, den Wettbewerb ausschließlich über Lohnkosten und Arbeitsbedingungen auszutragen. Viele von Ihnen kennen die Berichte aus der letzten Zeit: Bahn will Billigtöchter gründen, 9.000 Jobs in 30 Gesellschaften ausgegliedert. Da werden perspektivisch nicht die Tariflöhne der Bahn bezahlt. Als weiteres Beispiel nenne ich, was die Metro-Gruppe mit Real macht. Hier wird einfach ein neues Unternehmen gegründet, nämlich die Dritte Real. Mit dieser Dritten Real unterwandert man dann massiv die eigenen Tariflöhne. Ein weiteres Beispiel ist die BKK, die mit Spectrum│K eine neue Gesellschaft

gründet und versucht, die Arbeitsbedingungen ein Stück weit abzusenken. Jeden Tag kann man eigentlich ein neues Unternehmen finden, das die eigenen Tariflöhne und Arbeitsbedingungen, die ausgehandelt wurden, unterwandert.

Da alles mit allem ein Stück weit zusammenhängt, muss man diese Debatte eigentlich zusammen mit der Debatte um die Rente führen, die ja in der letzten Zeit gerade von Seiten der CDU, aber auch der Koalitionsfraktionen insgesamt geführt worden ist.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Denn wer im Niedriglohnbereich beschäftigt ist, wer ungeschützt beschäftigt ist, wer immer wieder Phasen der Arbeitslosigkeit erlebt, der hat natürlich keine Absicherung im Alter. Klar ist: Wer zu Beschäftigungszeiten schlecht abgesichert ist und wenig Einkommen hat, erwirbt auch nur geringe Rentenansprüche. Wer sagt, wir müssen für die Rentnerinnen und Rentner etwas tun, der muss auch für die Arbeitsgesellschaft etwas tun, der muss sehen, dass wir einen Mindestlohn und andere Beschäftigungsbedingungen bekommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hier und heute haben wir einen ersten Aufschlag gemacht. Der vorliegende Antrag ist relativ umfassend, weil wir, wie gesagt, im Ausschuss die Diskussion in der gesamten Breite führen wollen. Wir werden keine direkte Abstimmung fordern, sondern wir wollen die Debatte dazu. Darüber hinaus möchten wir, dass sich das Land nicht einfach zurückzieht und sagt, dass dies alles in der Kompetenz des Bundes liegt. Auch das Land trägt viel Verantwortung. Wer, wie gesagt, die Rentendiskussion hoch hängt, der muss auch diese Diskussion um die prekären Beschäftigungsverhältnisse aufgreifen und sagen, wie man, wenn man für die Menschen etwas tun will, die heute in diesen Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, eine Ausgründung verhindert, die Beschäftigungsverhältnisse sichert und einen Niedriglohn verhindert.

Von daher möchten wir eine breite Debatte darüber und gemeinsam Lösungen für dieses Land finden. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Tenhumberg das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie von Bündnis 90/Die Grünen nehmen als Aufhänger für den

heutigen Antrag vermutlich die Story „Günter Wallraff undercover: Wo Arbeit wehtut“, um eine Vielzahl von arbeitsmarktpolitischen Problembereichen und Steuerungsmaßnahmen zum wiederholten Male im Parlament aufzugreifen.

Ich lege Wert darauf, festzustellen, dass die weit überwiegende Zahl der Unternehmen in Nordrhein-Westfalen ordnungsgemäße Arbeitsbedingungen vorhält und sich bei der Entlohnung an die Tarifvereinbarungen hält. Die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zahlen überwiegend anständige Löhne für anständige Arbeit.

Ihre Zahlen und Fakten entnehmen Sie, Bündnis 90/Die Grünen, aus dem Report des jungen Instituts Arbeit und Qualifikation, IAQ, das am 1. Januar 2007 dem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen zugeordnet wurde, sowie einer alten Untersuchung aus dem Jahre 2005 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Die Themen sind im Landtag bereits mehrmals diskutiert worden.

Auch im Rahmen der Diskussion über den Sozialbericht Nordrhein-Westfalen, der eine negative Abschlussbilanz der alten rot-grünen Regierungszeit darstellt, haben wir die Themen besprochen. Selbstverständlich sind wir gerne bereit, erneut in eine Diskussion einzusteigen. Ich sage aber auch: Wir diskutieren nicht nur, wir handeln.