Es gibt also akuten Handlungsbedarf, meine Damen und Herren. Die Versorgung des Schulschwimmens mit Lehrerinnen und Lehrern, die überhaupt Schwimmunterricht erteilen können, muss verbessert werden.
Wir brauchen ein Wasserflächenmanagement. Ein gutes Beispiel ist die Landeshauptstadt Düsseldorf. Wir hatten dort auf unserer Fachtagung in einem Vortrag erfahren, dass man die Belegung sogar ins Internet gestellt hat, damit Schulen sehen können, wo noch Wasserflächen frei sind, wo sie ihre Kinder zum Schwimmenlernen hinbringen können. Meine Damen und Herren, das muss Schule machen in ganz Nordrhein-Westfalen.
Wir brauchen den Neubau und die Sanierung von Schwimmbädern. Dort, wo ein Bedarf ist, muss das Land den Kommunen helfen. Was macht das Land aber stattdessen? – Das Land kürzt die Zuweisungen an die Kommunen. Sie fleddern sozusagen die kommunalen Finanzen. Wenn am Ende die Schwimmbäder auch noch dicht gemacht werden, werden Sie fragen: Was sollen wir jetzt machen? – Sie werden sagen: Jetzt machen wir keinen Schwimmunterricht mehr, sondern die Kinder sollen alle auf der roten Aschenbahn ein bisschen Laufen lernen. – Meine Damen und Herren, so jedenfalls stellen wir Grüne uns die Problemlösung nicht vor.
Was wir brauchen, ist die Unterstützung für qualifiziertes Personal. Was aber tun Sie in der Landesregierung? – Sie schaffen den Extraetat für die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Bereich Sport ab. Sie packen alles in einen Topf. Damit ist gar nichts mehr garantiert, meine Damen und Herren.
Was muss garantiert werden? – Wir brauchen die Rettungsfähigkeit, die heute ein Lehrer/eine Lehrerin nur erklärt. An der Stelle wollen wir eine Nachschulung. Wir wollen, dass innerhalb von vier Jahren – spätestens nach fünf Jahren – die Rettungsfähigkeit nachgewiesen wird. Wir brauchen eine Ausbildung in Qualität. Wir brauchen sozusagen Didaktik und Methodik im Erstschwimmunterricht. All das fehlt unseren Lehrerinnen und Lehrern.
Meine Damen und Herren, Sie wissen schon, was wir die Landesregierung im Sportausschuss gefragt haben: Wie viel Lehrschwimmbeckenkapazitäten stehen eigentlich welchem Bedarf gegenüber? – Die Antwort der Landesregierung: Das können wir nicht sagen, das wissen wir nicht.
Nächste Frage: Wie viele Lehrkräfte erteilen eigentlich Schwimmunterricht in NordrheinWestfalen? Wie viele davon fachfremd? – Meine Damen und Herren, was kann man von dieser Landesregierung erwarten? – Antwort: Das wissen wir nicht. Interessiert uns auch nicht richtig! Wir wollen es lieber nicht wissen, weil wir wissen, dass es ein Fiasko ist.
Nächste Frage: Wie viele Schülerinnen und Schüler werden im ersten Schulhalbjahr 2008 insgesamt im Schwimmen unterrichtet? Wie viele Schülerinnen und Schüler pro Schule und Stufe konnten davon schwimmen? – Meine Damen und Herren, die Antwort der Landesregierung lautet – Sie werden es nicht glauben –: Das wissen wir nicht, und wir wollen es auch lieber gar nicht wissen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erwartet von diesem Hohen Haus, dass es die Landesregierung auffordert, eine Konzeption vorzulegen, wie wieder alle Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen in der vierten Klasse Schwimmen lernen. Darauf aufbauend soll die Landesregierung ein Handlungskonzept vorlegen, das dieses Ergebnis auch wirklich sicherstellt. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie Ihre Redezeit nicht voll ausgeschöpft haben. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, findet heute noch ein Festakt statt. Deshalb lautet meine herzliche Bitte an Sie, mit der Zeit wie mit etwas Kostbarem umzugehen.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! „25 % können nicht schwimmen!“, so heißt der Titel des Antrags. Ich möchte zwei Sätze daraus zitieren:
„2005 beschloss beispielsweise der Schwimmverband NRW die Resolution ‚Kinder müssen schwimmen lernen’, um auf die Defizite in diesem Bereich hinzuweisen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.“
Das war zur Zeit, als laut Ihrer Aussage alle noch schwimmen konnten, Herr Groth. Damit haben wir schon einmal den ersten Verursacher festgestellt. – In Ihrem Maßnahmenkatalog heißt es:
„Der Landtag stellt fest, dass das Schwimmenlernen in NRW wieder einen hohen Stellenwert erhalten muss.“
Genau daran arbeiten wir. Das Schwimmen hat eine hohe Priorität. Übrigens kennen auch wir die Zahl von 25 %. Wir alle wissen, dass tödliche Schwimmunfälle die zweithäufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen sind. Diesem Problem stellen sich die Landesregierung und die sie tragende Koalition durchaus – übrigens nicht erst seit Ihrem Antrag.
Im Jahr 2006 hat die Landesregierung ein Gutachten bei Prof. Kurz und Dr. Fritz in Auftrag gegeben, um sich auf wissenschaftlicher Basis mit diesem Thema zu beschäftigen. Die beiden Herren schreiben:
„Dank an dieser Stelle der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und den Gemeindeunfallversicherungen Rheinland und WestfalenLippe, die durch ihre finanzielle Unterstützung diese Untersuchung ermöglicht haben.“
In der Kürze der Zeit und wegen der Bitte des Präsidenten kann ich nur ganz knapp zwei wichtige Daten aus diesem Gutachten vortragen. Die Frage „Wo hast du schwimmen gelernt“, beantworten 36 % der Kinder mit „in der Familie“, 25 % mit „in einem Kurs“ und 14 % mit „in der Schule“. Das löst nicht das Problem der 25 % Nichtschwimmer, ist aber interessant für den nächsten Auszug, nämlich den Zusammenhang zwischen Schwimmfähigkeit und soziodemografischen sowie sportiven Variablen.
Es geht also um die Frage, wo Nichtschwimmer am häufigsten vorkommen. Dies ist bei folgenden Parametern der Fall: Schulform: Hauptschule und Gesamtschule; Regionstyp: Ballungszentrum; Religion: muslimisch; Sportvereinsmitglied: nie Mitglied. – Das alles können wir vertiefen. Wenn man sich dem Thema aber seriös widmen will, reicht es nicht aus, Herr Groth, sich ihm mit irgendwelchen und zum Teil auch noch unrichtigen pauschalen Attacken zu nähern.
Zu den Lehrern. Nach meiner Kenntnis sind seit dem Schuljahr 2005/2006 insgesamt 2.700 Lehrer eingestellt worden; weitere 300 sollen sich in der Pipeline befinden. Dabei handelt es sich nicht nur um zusätzliche Sportlehrer, aber das möchte ich zu der Behauptung sagen, die Landesregierung täte bei den Lehrern nichts. Die Landesregierung ist durch Gutachten und durch das Aufstocken der Lehrerstellen tätig geworden.
Von Ihnen und leider auch von der SPD-Fraktion kenne ich schon die Abqualifizierung von „QuietschFidel“, was ich für einen dicken Hund halte; das muss ich Ihnen einmal sagen. „QuietschFidel“ ist mit über zehn Kooperationspartnern einvernehmlich beschlossen worden. Natürlich geht es dabei nicht nur um konkrete Maßnahmen, sondern auch darum, überhaupt ein Bewusstsein bei all denjenigen zu wecken, die mit dem Schwimmen zu tun haben.
Sie qualifizieren das schon seit einem Jahr als PR-Aktion ab. Alles, was Ihnen nicht passt, ist eine PR-Aktion. Ich kann mich noch an PRAktionen aus Ihrer Regierungszeit erinnern, bei denen wirklich Mücken zu Elefanten aufgeblasen worden sind und die nicht immer einen Tiefgang und Inhalt hatten wie dieses Projekt.
Ich möchte zum Schluss kommen; im Ausschuss können wir den Antrag noch intensiv beraten. Vielleicht haben Sie sich bis dahin das Gutachten zu Gemüte geführt. Dort steht auch anderes Wissenswertes drin. Natürlich haben wir immer ein Problem mit der Zahl der Schwimmstätten. Nach Untersuchungen des Deutschen Olympischen Sportbundes gibt es ca. 1.350 Sportstätten in Nordrhein-Westfalen. Damit belegen wir im Bundesdurchschnitt durchaus einen guten Platz. Sicher haben wir bei der Erteilung des Schwimmunterrichts logistische Probleme.
Bei der Organisation dieser logistischen Probleme müssen wir sicherlich auch Fantasie haben. Herr Kollege, ich hoffe, dass ich Ihr Gerüst mit einigen sachlichen Zahlen etwas verstärken konnte, und freue mich auf die gemeinsamen Beratungen im Ausschuss. – Schönen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Müller. – Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Peschkes das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Anfang habe ich gedacht, Kollege Müller setzt sich halbwegs ernsthaft mit dem Thema auseinander, was ihm wohl nicht wirklich möglich ist. Gleichwohl stelle ich fest, Herr Kollege Müller, dass Sie heute sehr milde gestimmt sind. Vielleicht ist das auch dem Aufstieg des 1. FC geschuldet. So moderat kennt man Sie sonst nicht.
Aber das Thema ist viel zu ernst. Wenn Ertrinken die zweithäufigste Todesursache von Kindern ist, sollte man den Spaß beiseitelassen. Man muss feststellen, dass rund ein Viertel der Grundschuldkinder nicht schwimmen kann. Das sollte uns nicht nur alarmieren, sondern muss abgeschafft und geändert werden.
Vor einiger Zeit hatte man durchaus den Eindruck, als wäre sich die Landesregierung dieser Problematik bewusst. Das galt mehr für den Innenminister als für die Schulministerin. Dieser Umstand macht im Übrigen deutlich, dass für den Schwimmunterricht und für das Schwimmen zwei verschiedene Ministerien zuständig sind, nämlich das Innenministerium und das Schulministerium. Das zeigt die ganze Krux und mit welchen Schwierigkeiten wir es hier zu tun haben.
Der Innenminister taucht plötzlich in der Schwimmszene auf und präsentiert eine QuietschFidel-Kampagne – ich muss sagen, das ist eine Kampagne –, und er startet sie großflächig: schöne Fotos, der Innenminister
im Kreis fröhlicher Kinder. Das war im Januar 2006. Damals habe ich gedacht – das ist wirklich so, Herr Kollege Müller –, die PR-Maschine läuft wie geschmiert. Aber immerhin hatte der Innenminister ein wichtiges Thema aufgegriffen. Deswegen habe ich es ihm durchgehen lassen. Heute wissen wir: Das war nur eine PR-Aktion, und mehr war das Ganze nicht.
So schnell, wie der schwimmende Innenminister aufgetaucht ist, so schnell ist er auch wieder abgetaucht.
Mittlerweile ist das dreißig Monate her. Und was hat das bisher bewirkt? Was ist seitdem geschehen? – Fakt ist: Jedes Jahr im Mai eine Aktionswoche; Fakt ist: Es sind einige Schwimmkurse ge
fördert worden, aber erreicht wurden von den Nichtschwimmern nur ganz wenige Prozente. Das haben meine lieben Kolleginnen und Kollegen aus dem Sportausschuss in der Sitzung in Bocholt übereinstimmend festgestellt. Das Problem ist damit leider nicht gelöst worden.
Ich stelle fest: Die Situation der Nichtschwimmer hat sich nicht wesentlich verbessert. Die Anzahl der Nichtschwimmer ist nahezu gleich geblieben. Die DLRG läuft im Übrigen Sturm und wendet sich an die Politik. Was soll sie auch tun? Sie hofft zumindest.
Und wie stellt sich die Situation nach den gravierenden Erkenntnissen in der Sportausschusssitzung in Bocholt dar? – Aus dem Innenministerium ist außer den genannten Aktionswochen nichts entstanden, und im Schulministerium, Frau Sommer, tagt immer noch eine Arbeitsgruppe, um ein Programm aufzulegen.