Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Eine Projektgruppe der HRK hat sich im letzten Jahr mit dieser Problematik beschäftigt. Die Studie „Die Zukunft der Kleinen Fächer – Potenziale, Herausforderungen, Perspektiven“ kommt zu dem Ergebnis, dass es im Wesentlichen zwei Bereiche gibt, in denen politisches Umdenken erforderlich ist, um die kleinen Fächer in ihrer Existenz und in ihrer Struktur zu erhalten. Zum einen bedarf es einer finanziellen Förderung weg von quantitativen und drittmittelbestimmten Kriterien, hin zu einer Förderung auf der Basis spezieller qualitativer Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Zum anderen ist Unterstützung auf Bundes- und Länderebene bei der Koordinierung einer möglichst vielfältigen Präsenz der kleinen Fächer in den deutschen Hochschulen erforderlich. Wir als SPD-Fraktion schließen uns diesen Forderungen an und erwarten von der Landesregierung entsprechende Maßnahmen.

Sie, Herr Minister Pinkwart, haben im letzten Jahr Ihre Absicht erklärt, die kleinen Fächer nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken. Eine von Ihnen in Auftrag gegebene Untersuchung zur Situation der kleinen Fächer liegt uns jedoch noch nicht vor, obwohl ihre Fertigstellung bereits für Ende letzten Jahres angekündigt war.

Frau Kollegin!

Ich bin mit meiner Rede gleich fertig. – Ich hoffe jedoch, dass Ihr Bekenntnis zu den kleinen Fächern nicht ausschließlich seiner Medienwirksamkeit im Jahr der Geisteswissenschaften geschuldet war, sondern dass Sie den Ankündigungen auch Taten folgen lassen. Die Antwort Ihres Ministeriums auf meine Kleine Anfrage von Anfang des Jahres, wie das Land die kleinen Fächer 2008 unterstützen wolle, macht mich allerdings skeptisch. Der Verweis auf das Globalbudget der autonomen Hochschulen ist nämlich nicht genau das, was die kleinen Fächer zu ihrer Unterstützung brauchen.

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Ich folge dem weisen Ratschlag des Präsidenten und sage an dieser Stelle nur noch: Ich bin gespannt auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Apel-Haefs. – Für die CDU-Fraktion erhält das Wort Professor Dr. Sternberg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Apel-Haefs, ich kann gleich an Ihren Auftakt anschließen. Es geht tatsächlich um Orchideenfächer. Orchideen sind schön, kostbar, selten und besonders wirkungsvoll. So ungefähr werden die kleinen Fächer in dem Ergebnis der Projektgruppe der Hochschulrektorenkonferenz auch beschrieben, die 2007 – Sie haben es gerade schon erwähnt – ihre Stellungnahme zu den kleinen Fächern vorgelegt hat.

Darin werden als Chancen der kleinen Fächer genannt: international beachtete Forschungsleistungen, Eignung für transdisziplinäre Fragestellungen, Pflege spezialisierter Infrastrukturen, Grundlagenarbeit bei der Erschließung von Quellen, Sicherung und Prüfung des kulturellen Gedächtnisses, Ausbildung interkultureller Kompetenz und vor allen Dingen – das scheint mir ganz wichtig zu sein – Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen.

Meine Damen und Herren, ich weiß, wovon ich rede. Ich habe an der Universität Münster an einem winzigen Fach studieren und auch arbeiten dürfen, nämlich in der Koptologie. Das ist ein Unterfach der Ägyptologie. In dieser Koptologie gibt es nur eine Professur – in ganz Deutschland wohl überhaupt nur zwei –, aber international eine Community. Und alles, was weltweit koptologisch passiert, hat in Münster auch eine Andockung. Unter anderem ist der Direktor des Koptischen Museums in Kairo natürlich in Münster promoviert worden.

Es geht bei den kleinen Fächern vor allen Dingen um die klassischen Universitäten. Bei uns sind dies Bonn, Köln und Münster sowie als neue Universität fast nur Bochum. Das heißt, die Politik hat bei ihren Neugründungen diese Fächer offensichtlich für nicht so wichtig erachtet, wie es die Universitäten selber getan haben.

Meine Damen und Herren, zu dem Thema ist im Jahr der Geisteswissenschaften viel geschrieben worden. Ich möchte darauf hinweisen, dass auch bei uns in Nordrhein-Westfalen einige kleine Fächer schon seit Langem fehlen. Ich erwähne nur einmal die Turkologie. Wir haben in NordrheinWestfalen keine Turkologie. Man kann in Deutschland nicht grundständig Turkologie studieren, obwohl in diesem Land sehr viele Türken leben. Das ist nur ein Beispiel.

Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen aber etwas für die kleinen Fächer getan. Es ist unter der sachkundigen Leitung des renommierten Freiburger Althistorikers Professor Gehrke, der übrigens

auch Mitglied dieser Hochschulrektorenkommission war, eine Kommission eingesetzt worden. Der Bericht kommt in den nächsten Monaten, und wir werden darüber diskutieren. Aber, Frau ApelHaefs, einer der Antworten auf Ihre Kleinen Anfragen, die Sie in der Sache gestellt haben, haben Sie schon entnommen, dass sich die Zahl der Stellen in den kleinen Fächern in NordrheinWestfalen in den letzten Jahren von 252 auf 280 erhöht hat,

(Ulrike Apel-Haefs [SPD]: Welche denn?)

dies natürlich nicht in allen Fächern und auch nicht in gleicher Weise. Und die neuen gesetzlichen Möglichkeiten schaffen Chancen, zum Beispiel durch Bachelor- und Mastereinrichtungen. In Bonn wird etwa im Bachelor-Bereich eine AsienWissenschaft als übergreifendes Fach angeboten, um dann im Masterstudiengang dies auf Tibetologie und Kaukasiologie und vieles andere mehr zu spezialisieren.

Auch das Hochschulfreiheitsgesetz bietet neue Möglichkeiten. Die Universitäten entscheiden selbst auf der Grundlage ihrer eigenen Profilbildung und Steuerung. Nur über die Zielvereinbarungen steuern wir noch. Es ist auch nicht mehr die starre KapVO, die alles an der Universität bestimmt und die auch nach Auskunft der HRK das wichtigste Hemmnis für kleine Fächer darstellt.

Also, meine Damen und Herren, eigentlich ist doch alles gut. Und jetzt liegt dieser Antrag vor. Warum eigentlich der Antrag? Die SPD entdeckt auf einmal die kleinen Fächer und legt einen Antrag vor, dem zwei Kleine Anfragen in den letzten Wochen vorausgingen. Übrigens ein kleiner Hinweis an Frau Kraft, die jetzt nicht da ist: Romanistik gehört nicht zu den Orchideenfächern. Diese würde ich schon eher in die Kategorie der blühenden Stauden tun. Die wirklich kleinen Fächer sind sehr viel kleiner. Ich nenne nur einmal die unter den Studierenden sehr beliebte europäische Ethnologie, die früher einmal Volkskunde hieß.

Sie sagen in Ihrem Antrag, es gäbe Einsparungen durch unser Hochschulfreiheitsgesetz. Wie kommen Sie eigentlich darauf? Das Gegenteil stimmt. Es gibt selbstverständlich keine Einsparungen durch das Hochschulfreiheitsgesetz. Wir haben heute Morgen vom Minister gehört, dass wir eine Mittelsteigerung von 450 Millionen € per anno für die nordrhein-westfälischen Hochschulen haben. Davon kommen allein 200 Millionen € aus Mitteln der Studienbeiträge, die die Universitäten in eine deutlich verbesserte finanzielle Situation bringen.

Sorgen bestehen in den Hochschulen vor allen Dingen aus dem sogenannten Qualitätspakt von

1999. In den Hochschulen ist dieser Qualitätspakt als „Qualpakt“ bekannt. Er ist damals von einer SPD-Ministerin, ab 2002 dann von Frau Kraft, der heutigen Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion, verantwortet worden. Im Qualitätspakt wurden die Hochschulen aufgefordert, bis 2009 insgesamt 2.000 Stellen abzubauen, und sie wurden für diesen Aderlass mit Barmitteln im Gegenwert geködert. Das ist der eigentliche Generalangriff auf die kleinen Fächer gewesen, meine Damen und Herren.

Sie haben in den Verhandlungen sogar empfohlen, möglichst auf Fächer mit nur einer Professur zu verzichten. Genau das sind die kleinen Fächer. Das ist der eigentliche Skandal.

(Beifall von CDU und FDP)

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Meine Damen und Herren! Das bemerke nicht nur ich, sondern das sagt auch die gewiss nicht CDU-nahe „Westfälische Rundschau“ vom 30. Mai.

Meine Damen und Herren, Ihnen von der SPD ist Freiheit verdächtig. Sie unterstellen den Hochschulen, nach ökonomischen Kriterien zu handeln, und Sie billigen der Hochschulverwaltung keine übergeordneten Interessen zu. Das ist es eben. Die Hochschulen wissen selbst, was sie brauchen. Die Hochschulen können die Relevanz besser beurteilen, und nicht jeder modische Kulturwirtschaftsstudiengang muss auch sinnvoll sein. Das können die Hochschulen entscheiden.

Wir werden über das Gutachten, über Diskussionen, über Projektmittel und über Zielvereinbarungen zu steuern wissen, dass Nordrhein-Westfalen ein blühendes Land für kleine Fächer bleibt.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Sternberg. – Für die FDP-Fraktion erhält das Wort Herr Lindner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hat irgendjemand von Ihnen bei der Rede der Sprecherin der SPD auch nur ein konkretes Beispiel wahrgenommen, wonach aufgrund des Hochschulfreiheitsgesetzes kleine Fächer geschlossen worden sind? – Sie hat keines genannt. Meine entsprechende Nachfrage haben Sie ja dann nicht zugelassen. Das hätte Sie vielleicht kompromittiert.

Bedauerlicherweise sind solche Anträge von der SPD durchaus typisch. Flott mal eine Behauptung, flott wird mal ein Vorwurf formuliert. Aber wenn es dann um die Begründung geht, sind die Initiativen der SPD doch schnell an ein Ende gekommen.

Genauso haben wir das hier wieder erlebt. Wir stellen fest: Es gibt durch das Hochschulfreiheitsgesetz keine Kürzungen. Ganz im Gegenteil: Es hat mit den Rektoren und Kanzlern eine Arbeitsgruppe gegeben, in der mögliche finanzielle Auswirkungen geprüft worden sind. Die Sprecher hier im Landtag haben selbst mit Herrn Ronge zusammengesessen, um solche Auswirkungen zu diskutieren. Zum anderen gibt es aufgrund der Zielvereinbarungen, die mit den Hochschulen geschlossen werden, nach wie vor eine klare landesweite Steuerung, welche Fächer und wo diese Fächer angeboten werden.

Allerdings will ich schon hinzufügen, dass es keine Bestandsgarantie geben kann, weil sich die Welt verändert, weil sich die wissenschaftlichen Erkenntnisinteressen verändern. Deshalb muss es auch möglich sein, bestimmte kleine Fächer zu schließen, um an anderer Stelle neue Schwerpunkte zu etablieren, neue Interessen der Wissenschaft auch mit Stellen zu hinterlegen. Nichts wäre für den Wissenschaftsbetrieb schlechter, schädlicher als Stillstand. Deshalb brauchen wir eine Bewegung auch im Bereich der kleinen Fächer. Da ändern sich Interessen, da ändert sich auch die Lage.

Zum anderen ist Bewegung, ist Veränderung ja auch möglicherweise geeignet, Qualitätssteigerungen zu erreichen. Natürlich gibt es blühende Biotope wie die Koptologie in Münster. Ich habe das heute hier gelernt und mit großer Sympathie von Herrn Prof. Dr. Sternberg gehört. Aber es kann eventuell an anderer Stelle sinnvoll sein, Strukturen zusammenzuführen, Zentren zu errichten, um einen Austausch zwischen mehreren Forschern und einer größeren Zahl von Studierenden zu ermöglichen.

Deshalb heißt kleine Fächer zu fördern nicht, sie an jeder Hochschule zu fördern. Sinnvoll kann es auch sein, in der Hochschullandschaft insgesamt die Existenz eines solchen Faches zu garantieren,

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

ohne an jedem Ort jedes Fach vorzuhalten.

Es handelt sich hier um einen typischen Antrag der SPD im Hochschulbereich. Ich kann Ihnen keine Hoffnung machen, dass dieser dann im Ausschuss eine Mehrheit findet. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lindner. – Für die Grünen hat jetzt Frau Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Apel-Haefs, das würde ich mir auch wünschen, dass die Landesregierung mittels Zielvereinbarungen die bestehenden Strukturen der sogenannten kleinen Fächer in Nordrhein-Westfalen aufrechterhält.

Natürlich würde ich es ebenfalls sehr begrüßen, wenn sich diese Landesregierung auch außerhalb der Hochschulen für die kleinen Fächer stark machen würde, sei es bei Finanzminister Linssen oder auch gegenüber dem Bund bei der Weiterführung des Hochschulpaktes 2020. Nur: Leider helfen Ihre gesamten, gut gemeinten Beteuerungen nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP. Bisher hat diese Regierung nichts in dieser Richtung getan.

(Beifall von den GRÜNEN)

Keinerlei Unterstützung! Im Gegenteil: Dass überall mehr oder weniger konkret über die Schließung kleiner Fächer, über den Abbau von Professuren oder die Streichung von Mitteln diskutiert wird, ist eine direkte Folge der Hochschulpolitik dieser Landesregierung.

(Christian Lindner [FDP]: Sagen Sie uns ein Beispiel!)

Gucken Sie sich in Bonn zum Beispiel die Indologie oder die Orientalistik an. Gucken Sie sich die Philosophie an, wo im Augenblick überall darüber diskutiert wird.

(Christian Lindner [FDP]: Ein Zentrum für Philosophie ist doch eingerichtet!)

Nicht nur, dass Sie mit Ihrem Hochschulfreiheitsgesetz einen sogenannten freien Wettbewerb eröffnet haben, lieber Herr Pinkwart

(Lebhafte Zurufe von CDU und FDP)

es geht doch da zurzeit um Stellenabbau oder nicht? Bekommen Sie die Briefe nicht? –,