Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Außerdem haben wir mit der wissenschaftlichen Leitung der SPRINT-Studie des Deutschen Olympischen Sportbundes vereinbart, dass wir die Ergebnisse für Nordrhein-Westfalen wissenschaftlich ausgewertet und aufbereitet bekommen.

Meines Wissens hat sich die vorherige Landesregierung die Analyse der Ergebnisse für NordrheinWestfalen nicht vorlegen lassen. Ich stelle mir die Frage, warum das nicht geschehen ist. Jetzt, sehr geehrter Herr Groth, ist es leicht, zu fragen, wie es mit dem Schwimmunterricht aussieht, wie viele Kinder am Schwimmunterricht teilnehmen. Sie wissen selbst, Schwimmen ist Teil des Sportunterrichts.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Sie wissen es nicht!)

Darüber haben wir natürlich Unterlagen. Aber Sie hätten mich genauso gut fragen können, wie viele Kinder in welchem Umfang Algebraunterricht bekommen haben. Hier geht es um den Mathematikunterricht. So leicht ist das nicht auszudifferenzieren.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Sie haben nicht auf diese Frage geantwortet!)

Meine Damen und Herren, dass der Schwimmunterricht vor allem an den Grundschulen ausfällt, können Sie, wie Sie sagen, seriös und glaubhaft belegen. Da ich diese Daten, die Sie uns eben vorgestellt haben, nicht habe, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir diese Daten und Fakten zu Ihrer pauschal geäußerten Kritik beibringen könnten.

Gleiches gilt für Ihre Annahmen zu den sich permanent verschlechternden Rahmenbedingungen für den Schwimmunterricht. Zumindest die Zahl der Lehrkräfte sollten Sie dafür nicht verantwortlich machen. Wie Sie wissen, hat das Land – das ist bereits gesagt worden; ich unterstreiche es dennoch noch einmal – nach den letzten Landtagswahlen sehr viele neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Von diesen Neueinstellungen hat auch der Schulsport stark profitiert.

Wenn Sie weiterhin behaupten, die Maßnahmen und Projekte im Rahmen der Landesinitiative des Innenministeriums und die Vereinbarung des Schulministeriums seien nur geeignet, um Problemspitzen abzumildern, ist das meines Erachtens ein herber und böser Schlag ins Gesicht unserer engagierten Kooperationspartner. Mit ihnen arbeiten wir nämlich vertrauensvoll zusammen.

Sie fordern, dass die Nichtteilnahme am Schwimmunterricht aus religiösen Gründen mehr Beachtung finden muss. – Fakt ist, dass die Schulen dieses nur scheinbare Problem selbst gelöst und vernünftige Absprachen mit den Beteiligten getroffen haben.

Meine Damen und Herren, eine Reihe Ihrer Forderungen ist längst in der Umsetzungsphase. Einige Beispiele dazu: die Nichtschwimmerkurse, die wir in den Ferien als schulische Veranstaltung durchführen, die Entwicklung und Erprobung von Fortbildungsmodulen für den guten Schwimmunterricht und die Erarbeitung eines Qualifizierungsmoduls, das den Erwerb der Rettungsfähigkeit und eine Grundausbildung zur Methodik und Didaktik des Schwimmunterrichts einschließt. In diesem Punkt, sehr geehrter Herr Groth, stimme

ich Ihnen ein zweites Mal zu: Die Auffrischung der Rettungsfähigkeit halte auch ich für sehr sinnvoll.

Der Schwimmunterricht wird in NordrheinWestfalen auch zukünftig von Fachlehrkräften erteilt. Der sich ausweitende Ganztagsbereich bietet auch hier eine große Chance.

Frau Ministerin, es tut mir leid, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ein langer letzter Satz: Sehr geehrter Herr Präsident, Ihr Vorgänger im Vorsitz hat eben den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit drei Ausrufezeichen vorgelesen. Ich greife diese Ausrufezeichen auf und sage zum Schluss: Meine Damen und Herren, Sie bleiben mit Ihrem Antrag weit hinter dem zurück, was wir konkret und konstruktiv mit unseren Partnern auf den Weg gebracht und bereits umgesetzt haben!!! – Danke.

(Beifall von CDU und FDP – Ralf Witzel [FDP]: So sind die Grünen!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Groth, Sie wollen doch nicht im Ernst noch einmal reden?

(Ewald Groth [GRÜNE]: Doch!)

Ich sage noch einmal: Die Zeit läuft uns weg. Es tut mir herzlich leid. Wir haben heute einen Festakt. Sie wissen, wann dieser beginnt. Hierfür haben wir einiges vorzubereiten. Meine Bitte, sich kurz zu fassen, ist keine Scherzbemerkung gewesen.

Das möchte ich gerne tun, Herr Präsident, aber es gilt auch, dieses Land zu regieren und nicht nur zu feiern.

Frau Sommer, bei Ihnen ist aus meiner Sicht der Sport in Nordrhein-Westfalen sehr gut angesiedelt, weil Sie für diese Frage ein Herz haben. In dieser Frage unterstütze ich Sie gegenüber dem eigentlichen Sportminister, der sich sehr viel weniger kümmert als Sie.

Das gilt jetzt auch für Herrn Müller: Um diejenigen, die es gelernt haben, müssen wir uns nicht mehr kümmern. Das ist okay. Aber wir können daraus nicht „Privat vor Staat“ machen nach dem Motto: Auch wenn man es zu Hause nicht lernt, in der Schule kümmern wir uns auch nicht darum. Sie haben die Aufgabe, dass dies in den Schulen Nordrhein-Westfalens vernünftig abgearbeitet wird.

Seit drei Jahren, seit Beginn Ihrer Regierungszeit, steigen die Nichtschwimmerzahlen. Materiell sind bei der Initiative „Quietschfidel“ maximal 200 € drin. Dafür können sich die Vereine, die nur mit Ehrenamtlichen arbeiten, Poster kaufen. Von diesen Postern lachen dann Frau Sommer und Herr Wolf herunter. – Vielen Dank.

(Beifall bei GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Bitte, Herr Rasche.

Herr Präsident, es tut mir leid. Aber Herr Groth will immer das letzte Wort haben. Das muss er aber nicht immer auch bekommen. Lieber Herr Groth, wenn es Ihnen in Zukunft nicht gelingt, auf Showanträge zu verzichten und stattdessen sachliche Anträge zu stellen, werden die Grünen baden gehen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank. – Damit sind wir am Ende der Beratung. Ich darf darauf hinweisen, dass der Landtag heute nicht feiert, sondern arbeitet. Es gibt heute Abend einen Festakt anlässlich des 60. Jahrestages der Staatsgründung Israels. Deshalb muss ich die Bemerkung von Herrn Groth in dieser Form zurückweisen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/6860 an den Sportausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform sowie an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration. Die abschließende Beratung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Sind Sie damit einverstanden? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

8 Vielfalt statt Einfalt – Bestandsgarantie für Kleine Fächer

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/6862

Ich eröffne die Beratung und erteile der Kollegin Apel-Haefs für die antragstellende SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben Orchideen und kleine Fächer gemeinsam? – Sie sind selten, besonders und brauchen ein bestimmtes Biotop, um zu gedeihen.

(Zuruf von der CDU: Wie SPD-Wähler!)

Die Umweltbedingungen, unter denen sich die kleinen Fächer entfalten können, sind jedoch in Deutschland in ihrem Gleichgewicht zunehmend gestört, sodass sich die Sorge breitmacht, dass die kleinen Fächer auf Dauer nicht überlebensfähig sind.

Was sind kleine Fächer? – Nach der Definition, die die Hochschulrektorenkonferenz bei der Kartierung der kleinen Fächer, die sie 2007 vorgestellt hat, zugrunde legt, sind kleine Fächer die Sammelbezeichnung für etwa 120 Fächer, die jeweils über wenige Lehrstühle verfügen, auch ansonsten wenig Personal haben und nur an wenigen Standorten vertreten sind. Das Spektrum reicht von Afrikanistik über kognitive Neurolinguistik bis hin zu vorderasiatischer Archäologie.

Sie sind in ihrer Vielfalt ein ganz spezifisches Merkmal der deutschen Hochschullandschaft und genießen in der Regel – ähnlich wie die deutschen Geisteswissenschaften, zu denen sie auch überwiegend gehören – international ein hohes Renommee.

2007 war das Jahr der Geisteswissenschaften. Die Geisteswissenschaften und damit auch die sogenannten Orchideenfächer standen im Fokus der Medien und der Debatten. Anträge zur Stärkung der Geisteswissenschaften wurden im Bundestag gestellt und verabschiedet, Untersuchungen zur Situation der Geisteswissenschaften in Auftrag gegeben und erstellt. Der ehemalige Rektor der Heinrich-Heine-Universität hier in Düsseldorf, Gert Kaiser, hat die Geisteswissenschaften einmal als eine Art gesellschaftliches Grundnahrungsmittel bezeichnet. Das Motto des Jahres der Geisteswissenschaften lautete: „Die Geisteswissenschaften. ABC der Menschheit“.

Gerade die kleinen Fächer tragen in ihrer Vielfalt dazu bei, die Komplexität menschlichen Denkens und Handelns sichtbarer und begreifbarer zu machen. Leider ist es so, dass man ein Jahr häufig einer Spezies widmet, die zu den bedrohten Arten zählt. Das trifft auf die Geisteswissenschaften im Allgemeinen und auf die kleinen Fächer im Besonderen zu.

(Christian Lindner [FDP]: Nennen Sie doch einmal Beispiele!)

Sie sind doch gleich dran, Herr Lindner. – Ihre große wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung steht in einem krassen Widerspruch zu der erkennbaren Tendenz, sie derzeit vorrangig aus der Perspektive möglicher Kürzungs-, Einsparungs- und Streichungsmaßnahmen zu betrachten. Ich darf an dieser Stelle die Hochschulrektorenkonferenz zitieren:

„Damit brechen umfangreiche Wissensbestände und Forschungspotenziale weg, und es entstehen Verluste, die die gesamte Hochschullandschaft in einem Bereich schwächen, der traditionell zu ihren besonderen Stärken gehört.“

Frau Kollegin ApelHaefs, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Lindner, FDP?

Nein, ich möchte jetzt erst einmal meine Ausführungen beenden. – Ist ein kleines Fach erst einmal von der wissenschaftlichen Landkarte verschwunden, lässt es sich auf international wettbewerbsfähigem Niveau – wenn überhaupt – allenfalls mittel- bis langfristig reetablieren. Es gibt verschiedene Ursachen, die dafür verantwortlich sind. Eine Förderungspraxis, die sich nahezu ausschließlich an Drittmittelquoten und Absolventenzahlen orientiert, wird der spezifischen Arbeitsweise der kleinen Fächer nicht gerecht. Gerade deren Forschung ist häufig langfristig angelegt, was kurzfristigen Renditeerwartungen entgegensteht.

In Zeiten von Globalhaushalten geraten die kleinen Fächer auch innerhalb der Hochschulen unter zunehmenden Legitimationsdruck. Unter dem Druck von Profilbildung im nationalen und internationalen Wettbewerb werden bei der Mittelverwendung vielfach die anwendungsorientierten ökonomischen Mehrwert versprechenden Fächer bevorzugt. Dass eine solche Prioritätensetzung vielfach parallel und ohne überregionale Koordination vollzogen wird, verschärft die Gefährdung der kleinen Fächer zusätzlich.

Hohe Akkreditierungskosten bei einer unter rein ökonomischen Gesichtspunkten ungünstigen Professoren/Studenten-Relation verstärken die Tendenz zur Konzentration kleiner Fächer an wenigen Hochschulen. Für die häufig interdisziplinär arbeitenden Fächer bedeutet das die Gefahr, aus dem notwendigen wissenschaftlichen Umfeld herausgebrochen zu werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine Projektgruppe der HRK hat sich im letzten Jahr mit dieser Problematik beschäftigt. Die Studie „Die Zukunft der Kleinen Fächer – Potenziale, Herausforderungen, Perspektiven“ kommt zu dem Ergebnis, dass es im Wesentlichen zwei Bereiche gibt, in denen politisches Umdenken erforderlich ist, um die kleinen Fächer in ihrer Existenz und in ihrer Struktur zu erhalten. Zum einen bedarf es einer finanziellen Förderung weg von quantitativen und drittmittelbestimmten Kriterien, hin zu einer Förderung auf der Basis spezieller qualitativer Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Zum anderen ist Unterstützung auf Bundes- und Länderebene bei der Koordinierung einer möglichst vielfältigen Präsenz der kleinen Fächer in den deutschen Hochschulen erforderlich. Wir als SPD-Fraktion schließen uns diesen Forderungen an und erwarten von der Landesregierung entsprechende Maßnahmen.