Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

und Abteilungsleiter „Steuern“ der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gebeten hat, Vorschläge für einen verbesserten Steuervollzug durch Steuervereinfachung herauszuarbeiten und der Finanzministerkonferenz im Herbst dieses Jahres vorzulegen. Es sind also alle aufgefordert, nicht nur Nordrhein-Westfalen, Vorschläge zu machen.

Den Vorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP, Steuergesetze bereits vor ihrem Inkrafttreten – das ist so im Antrag formuliert – auf Praktikabilität hin zu überprüfen, begrüße ich deshalb. Aufgrund der Komplexität des Steuerrechts sollte eine derartige Prüfung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens durch den Finanzminister wahrgenommen werden. Ich halte es für richtig, dass im Kontext mit der Beratung von Steuergesetzen deren Administrierbarkeit für Bürger und Verwaltung in einem weitaus größeren Rahmen als bisher überprüft wird.

Lassen Sie mich zu einem zweiten Komplex, nämlich zum Risikomanagement und der ITUnterstützung als Instrument der Qualitätssteigerung kommen. Die nordrhein-westfälische Steuerverwaltung arbeitet seit mehreren Jahren mit effizienten Risikomanagementsystemen. Zwischen Veranlagung und Betriebsprüfung gibt es dabei koordinierte Systeme, die darauf ausgerichtet sind, den Prüfungsaufwand möglichst zielgenau in die risikoträchtigen Fälle zu investieren, also eine strategische Neuausrichtung der Betriebsprüfung, die ja unter Ihrer Zeit eingeleitet worden ist. Das war gut so. Wir machen das mit Vehemenz weiter.

Mit Ausnahme der Größtbetriebe, die in der Regel einer fortlaufenden Prüfung unterliegen, werden die übrigen Betriebe von den Außendiensten grundsätzlich nur geprüft, sofern sich im Rahmen eines Risikomanagementverfahrens ein relevantes Risiko herauskristallisiert hat. Aufbauend auf diesen Systemen werden derzeit auf BundLänder-Ebene im Rahmen der Vereinheitlichung der IT-Verfahren, also Konsens, unter der Federführung von NRW und Bayern automationsgestützte Risikomanagementsysteme entwickelt.

Neben dem Steuerrecht und der Technik gibt es einen weiteren besonders wichtigen Faktor, der die Leistungsfähigkeit unserer Finanzverwaltung sicherstellt: die Leistungskraft und die Motivation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich weiß, dass sie in den letzten Jahren auch im Gehaltsbereich erhebliche Einbußen haben hinnehmen müssen. Dies war Teil der Haushaltskonsolidierung des Landes. Dazu stehe ich; das sage ich auch ganz offen. Aber so einfach wie Sie, Herr Peschkes, können Sie es sich nicht machen. Sie

haben das angefangen. Sie haben die Nullrunde eingeführt, das Weihnachtsgeld halbiert, das Urlaubsgeld gestrichen.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Immer un- ter der Maßgabe der Überprüfung!)

Denken Sie bitte immer daran, was Sie damals für richtig gehalten haben. Ich stehe dazu, dass wir das, schmerzlich wie es war, zur Haushaltskonsolidierung machen mussten.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Wer wollte das zurücknehmen? Es war doch Ihr Chef!)

Zu einem dritten Punkt, dem Auseinanderfallen zwischen den Gehaltsforderungen im Tarifbereich und im Beamtenbereich, möchte ich Folgendes sagen: Ich werde mich angesichts dieser Ausgangssituation sehr dafür einsetzen, ein tiefergreifendes Auseinanderfallen zwischen den Gehaltsanpassungen im Tarif- und Beamtenbereich möglichst zu vermeiden. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Land auf das Ergebnis des jeweiligen Tarifabschlusses nur begrenzten Einfluss hat, da die Arbeitgeberseite durch die Tarifgemeinschaft der Länder vertreten wird. Bereits beim jeweiligen Tarifabschluss muss ich aus Landessicht die Gehaltsanpassungen im Tarifbereich im Auge behalten und diese im Hinblick auf die Gesamtbelastungen des Landes bei Übertragung auf die Beamten würdigen. Denn der Gleichlauf in der Gehaltsentwicklung und der Kurs einer vernünftigen Haushaltskonsolidierung müssen weiterhin in Einklang stehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil der Personalausgaben für Beamte – das wissen Sie – wesentlich größer ist als die Personalausgaben für Tarifbeschäftigte.

Unser Ministerpräsident Herr Dr. Rüttgers hat im Januar anlässlich der gewerkschaftlichen Arbeitstagung des Deutschen Beamtenbundes in Köln zugesichert, dass Tarifbeschäftigte und Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen ab 2009 hinsichtlich der Anpassung ihrer Bezüge nicht mehr unterschiedlich behandelt werden.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Er hat schon einmal etwas anderes zugesichert!)

Diese Aussage ist anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes zur Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge 2008 von den Koalitionsparteien mehrfach bestätigt worden. Ich gehe davon aus, dass dieser Maßstab bleibt.

Ich komme zu einem vierten Punkt, der angemessenen Nachbesetzung frei werdender Stellen in der Finanzverwaltung im Hinblick auf eine ausgewogene Altersstruktur. Neben der Besoldung geht es mir auch um eine angemessene Personalaus

stattung. Die Finanzverwaltung hat ihre Verpflichtung zur kw-Realisierung bereits weitgehend erbracht. Sie hat das Problem der demografischen Entwicklung nicht erst seit diesem Jahr im Blick und hat entsprechende Erhebungen und Analysen dazu durchgeführt. Mir ist bewusst, dass wir schon jetzt bei der Festlegung des Einstellungsbedarfs für die nächsten Jahre auf die sich verändernde Altersstruktur reagieren müssen.

Mein Ziel ist es dabei, die Einstellungen in allen Laufbahnen anstelle des zyklischen Einstellungsverhaltens der letzten Jahre und Jahrzehnte – das kennen Sie mehr als genug – deutlich zu verstetigen und am mittel- bis langfristigen Bedarf auszurichten. Dies wird sich auch im Haushaltsentwurf 2009 widerspiegeln. Nur so können wir eine gesunde Altersstruktur der Belegschaft insgesamt gewährleisten und eine zeitweise Überalterung der Finanzverwaltung mit allen daraus resultierenden negativen Folgen vermeiden. Die Finanzverwaltung kann sich mit unserem Konzept rechtzeitig im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte positionieren und die Kapazitäten unserer Ausbildungseinrichtungen gleichmäßig und effizient nutzen.

Nun zu den Zukunftsperspektiven für Realschulabsolventen: Die Landesregierung hat die Entscheidung von Rot-Grün, den mittleren Dienst sukzessive abzuschaffen, aufgehoben. Wir haben uns entschieden, wieder junge Beamtinnen und Beamte des mittleren Dienstes in der Steuerverwaltung auszubilden. Ich habe Ihren damaligen Antrag so verstanden, dass Sie das heute ebenfalls so sehen. Sie haben das in der letzten Zeit nicht mehr so laut vorgetragen. Es könnte ein bisschen geräuschvoller sein. Das würde sicherlich unsere gemeinsamen Bemühungen unterstützen.

(Beifall von Christian Möbius [CDU])

Die Wiederaufnahme der Ausbildung für den mittleren Dienst ist intensiv vorbereitet worden. Dies war erforderlich, weil sich seit dem letzten Einstellungszeitpunkt in 2001 nicht nur das Steuerrecht, sondern auch die aufbau- und ablauforganisatorischen Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Finanzämtern gravierend verändert haben.

Auf die insgesamt – das haben Sie bisher noch nicht gehört – 100 angebotenen Stellen für Nachwuchskräfte im mittleren Dienst der Finanzverwaltung sind in 2008 ca. 1.800 Bewerbungen eingegangen. Die eingeleiteten Maßnahmen wie zum Beispiel Pressemitteilungen und Werbemaßnahmen der Finanzämter sind, wie diese Zahlen zeigen, auf reges Interesse gestoßen.

Ich werde mich dafür einsetzen, diese Tendenz in zukünftigen Haushalten zu verstetigen und auszubauen. Insofern komme ich gerne Ihrem Wunsch nach, den Realschulabsolventen durch eine Ausbildung im mittleren Dienst unserer Verwaltung eine Perspektive zu bieten. Ab 2012 soll der Finanzverwaltung in Wuppertal eine Ausbildungseinrichtung für den mittleren Dienst zur Verfügung stehen, die dem heutigen Standard derartiger Einrichtungen entspricht. Die Planungen für den Neubau des gemeinsam von der Justiz-, Polizei- und Finanzverwaltung genutzten Areals sind bereits fortgeschritten.

Ich möchte abschließend noch etwas zur Schaffung von Leistungsanreizen durch ein modernes Besoldungs-, Laufbahn- und Versorgungsrecht sagen. Mit der Föderalismusreform sind seit September 2006 die Kompetenzen für das Laufbahn-, Besoldungs- und Versorgungsrecht auf die Länder übergegangen; darauf hat Herr Groth vorhin noch einmal hingewiesen. Die Zuständigkeit für die Regelung einheitlich geltender Statusrechte und -pflichten obliegt im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung weiterhin dem Bund.

Die Landesregierung wird die ihr zugewachsenen Kompetenzen für ein modernes und flexibles Dienstrecht im Land nutzen. Ziel ist dabei auch, überkommene bürokratische Vorschriften zu vereinfachen und für mehr Flexibilität im Dienstrecht zu sorgen. Ein über Jahrzehnte gewachsenes und im Wesentlichen funktionierendes Dienstrecht sollte nach Auffassung der Landesregierung allerdings nicht im Eilverfahren verändert werden. Herr Groth, Sie hätten das ja am liebsten schon gestern eingerichtet gesehen. Erste Gespräche mit den Verbänden haben auf verschiedenen Ebenen bereits stattgefunden, weitere werden folgen.

Unser Ziel ist es, bei dieser Dienstrechtsreform die Verbände sowie die Beamtinnen und Beamten – wie man so schön sagt – mitzunehmen. Eine erfolgreiche Reform kann nur zusammen mit den Betroffenen gelingen. Die Zielvorstellung der Landesregierung ist es, mit Hochdruck alle Vorbereitungen zu treffen, um die Reform zu Beginn der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten zu lassen. Kernpunkt der Reform im Besoldungsrecht wird sein, dem Prinzip „Leistung muss sich lohnen“ im Beamtenrecht in Zukunft eine deutlich stärkere Bedeutung zu verschaffen.

An dieser Stelle geht uns der Bund mit seinem Dienstrechtsneuordnungsgesetz nicht weit genug. Die Landesregierung ist sich darin einig, dass es im Rahmen einer Reform der Besoldungsstrukturen hin zu einem flexibleren Besoldungsrecht eine zusätzliche Leistungsbesoldung geben soll. Wir

werden auch darüber nachzudenken haben, wie dies praktisch umgesetzt werden kann. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Finanzminister. – Für die SPD spricht nun Herr Trampe-Brinkmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorab zu dem bisher Gesagten einige Anmerkungen machen. Herr Minister, ich gestehe Ihnen zu, dass Sie mit der Wiedereinführung des mittleren Dienstes Realschulabgängern eine Chance geben wollen. Sie meinen sicherlich Schulabgänger mit dem mittleren Bildungsabschluss und vergessen wieder einmal die Hauptschule.

(Beifall von Ewald Groth [GRÜNE])

Wenn Ihre Koalition sich schon für die Erhaltung des dreigliedrigen Schulsystems einsetzen will, dann tun Sie es bitte schön auch korrekt und verschaffen Sie den Hauptschülern, die in der Schule die gleiche Qualifikation erlangt haben, entsprechende Möglichkeiten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Eine zweite Anmerkung möchte ich zu dem von Ihnen angesprochenen Schuldenberg machen. Zu den Zahlen ist Folgendes zu sagen: In den Jahren 2001 bis 2003 hatten wir als rot-grüne Landesregierung Steuermindereinnahmen in Höhe von 7 Milliarden € zu verzeichnen, und zwar in einer sehr schwierigen Ausgabensituation.

(Christian Möbius [CDU]: Weil Sie nicht ge- gengesteuert haben! – Gegenruf von Gisela Walsken [SPD]: Was haben Sie denn ge- gengesteuert?)

Wir haben mit allen möglichen Mitteln, wie zum Beispiel einem Doppelhaushalt, versucht, gegenzusteuern. Herr Möbius, Sie hatten Steuermehreinnahmen im letzten Jahr in Höhe von 7 Milliarden € und in diesem Jahr bis Mai schon in Höhe von über 800 Millionen €. Dennoch hat Ihnen die Präsidentin des Landesrechnungshofes, Frau Scholle, die ich heute hier begrüßen darf, in ihrem in der letzten Woche bei der Landespressekonferenz vorgelegten Bericht ins Stammbuch geschrieben, dass der Risikoschirm für die WestLB in Höhe von 5 Milliarden € wie ein Damoklesschwert über unserem Haushalt hängt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie sollten mit Aussagen zu diesem Thema deshalb sehr vorsichtig sein.

Herr Möbius, ich wollte heute eigentlich gar nicht so kritisch werden, aber wenn Sie schon auf die Versorgungsrücklage anspielen, muss ich Ihnen Folgendes dazu sagen: Schauen Sie sich das Geschäft doch einmal genau an. Sie nehmen 245 Millionen € aus der Personalkasse und schreiben in dem Deckungsvorschlag, das seien Einsparungen im Personalhaushalt. Dann nehmen Sie noch ungefähr 600 bis 700 Millionen € dazu und packen das Geld in eine Versorgungsrücklage, die irgendwann in Zukunft fällig wird.

Vergleichbar ist das mit folgendem praktischen Beispiel: Sie legen heute 20.000 €, die Sie für ein Auto angespart haben, auf ein Sparbuch, das mit 1 % verzinst wird, besorgen sich aber 20.000 € auf dem Kreditmarkt, für die Sie 6 bis 7 % Zinsen bezahlen müssen. Dass es einfacher und billiger sein soll, sich Geld am Kreditmarkt zu leihen und vorhandenes Geld niedrig verzinst auf dem Sparbuch anzulegen, ist eine Arithmetik, die ich aus kaufmännischer Sicht nicht nachvollziehen kann.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Fragen dazu haben wir Ihnen schon zwei-, dreimal gestellt. Bisher gab es aber keine substanzielle Antwort darauf.

Herr Groth hatte die Diskussion zur Ruhegehaltsfähigkeit der Polizei- und Feuerwehrzulage vor dem Hintergrund Ihrer Aussagen in dem Antrag zur Finanzverwaltung berechtigterweise noch einmal angesprochen. Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede zu diesem Thema selbst gesagt, dass der Prozess zur Abschaffung der Ruhegehaltsfähigkeit 1995 mit dem Fünften Versorgungsbericht, der der Bundesregierung vorgelegt wurde, begann und 1998 dann umgesetzt wurde. Erinnern Sie sich daran, dass damals ein Mann namens Helmut Kohl Bundeskanzler war? Die Ruhegehaltsfähigkeit haben nicht wir abgeschafft, sondern das ist unter anderer Verantwortlichkeit geschehen.

(Gisela Walsken [SPD]: Erwischt! Ertappt, Herr Minister!)

Lassen Sie uns ergebnisoffen in die Anhörung gehen. Ich bin schon überrascht darüber, dass Sie eine Zahl nennen, die wir so nicht nachvollziehen können. Aber der Kollege Engel, wie auch der Kollege Möbius, hat ja gesagt, dass wir zunächst einmal die Anhörung abwarten sollten, bevor wir entscheiden, wie wir als Parlament mit diesem Thema in Zukunft umgehen werden.

„Wer setzt sich für die öffentlichen Finanzbeamten ein??“ – Diese mit zwei Fragezeichen versehene Frage stellte Hans Jürgen Manns, örtlicher Personalratsvorsitzender und Mitglied des mittleren Dienstes im Finanzamt Werdohl. Allein schon die Frage, die mit einem doppelten Fragezeichen versehen ist, deutet darauf hin, welche Resignation, welche Frustration und Enttäuschung nach drei Jahren schwarz-gelber Regierungsverantwortung Einzug in die Amtsstuben gehalten hat.

Kollege Peschkes hat eben schon gesagt, dass wir diese Situation schon im Vorjahr mit unserem Antrag „Initiative Finanzverwaltung“ aufgegriffen haben; das brauchen wir an dieser Stelle nicht weiter auszuführen.

Inhaltlich bewertet von der Deutschen SteuerGewerkschaft, der wir das Papier natürlich auch zugeleitet haben, unterscheidet sich Ihr Antrag nicht wesentlich von unserem.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU] – Gegen- ruf von Gisela Walsken [SPD])

Wenn wir auch ergebnisoffen in die Debatte um Ihren Antrag einsteigen – jetzt greife ich das Wort auf –, lassen Sie mich auf drei Punkte hinweisen, die wir nicht mittragen können:

Sie fordern die Landesregierung auf, ein Auseinanderfallen von Gehaltsanpassungen bei Tarifbeschäftigten und Beamten 2009 zu vermeiden. Weiter heißt es: „In einem für den Haushalt tragfähigen Umfang sollen die Beschäftigten vom Aufschwung partizipieren.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie an dieser Stelle doch einfach das „soll“ weg und sagen stattdessen: Wir machen das. – Das ist ganz einfach.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)