Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Ich denke, dass wir gerade mit der Umsetzung dieser EU-Dienstleistungsrichtlinie unserem Ziel näherkommen, die Leistung zum Kunden zu bringen. Denn Potenzial liegt in der Neugestaltung vor allen Dingen der Prozesse im Backoffice-Bereich. Es geht um integriertes E-Government, also die Integration von Verwaltungshandeln. So ist die Verflechtung mehrerer Instanzen zur Integration von Geschäftsprozessen bisher auch aus organisatorischen Gründen getrennter Verfahren möglich. Auch fachlich zusammenhängende Abläufe von Prozessketten können zusammengefasst werden. Die öffentliche Hand wird insgesamt schneller, kostengünstiger und darum wiederum wirtschaftsfreundlicher arbeiten können.

Wir haben es also mit der Entscheidung zur Verortung eines einheitlichen Ansprechpartners selber in der Hand, wohin letztlich die Reise geht.

Meines Erachtens stehen zurzeit nur noch zwei Varianten im Raum, nämlich das Kommunalmodell und das Kooperationsmodell. Ich habe an der Anhörung teilgenommen; das Kammermodell ist aus meiner Sicht nicht mehr gefragt und wohl vom Tisch, denn die Kammern haben sich im Rahmen

der Anhörung im Hauptausschuss eindeutig für das Kooperationsmodell ausgesprochen.

Es gilt aber, Vor- und Nachteile der beiden Varianten im Vorfeld einer Entscheidung abzuwägen. So verfügen die Kammern über Kompetenzen auf dem Gebiet der Beratungstätigkeit und der Sachkompetenz. Sie weisen eine ausgeprägte Wirtschaftsnähe verbunden mit einem Verständnis für betriebliche Abläufe vor. Sie kennen die Anliegen der Dienstleister. Darüber hinaus sind die Kammern über ihre Dachverbände bundesweit aufgestellt und miteinander vernetzt. Die Industrie- und Handelskammern verfügen sogar über ein Netz von Auslandshandelskammern in anderen EUMitgliedsstaaten und nicht nur dort.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kuschke?

Bitte schön.

Das ist nett. Bitte schön, Herr Kuschke.

Herr Kollege, vielen Dank. Ich frage noch einmal, weil ich das für beachtlich halte: Ihr Eindruck ist also, dass das Kammermodell als eine der drei Möglichkeiten sozusagen vom Tisch ist?

Völlig richtig verstanden, Herr Kuschke. Das ist nach unserer Auffassung das Ergebnis der Anhörung. Das kann man nicht anders bewerten. Es gibt nur noch das Kooperationsmodell oder das Kommunalmodell. Die beiden sind übriggeblieben.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Auch als Hinweis an die Landesregierung!)

Ich denke, dass wir das so richtig sehen.

Noch einmal: Die Industrie- und Handelskammern sind auch international vernetzt. Damit sind Verknüpfungen an transnationale Strukturen möglich. Einen großen Nachteil sehe ich allerdings darin, dass die Kammern grundsätzlich nur für ihre Mitglieder zuständig sind. Nicht verkammerte Berufe benötigen einen zusätzlichen, einheitlichen Ansprechpartner bei einer anderen Institution.

Die Kommunen bieten bereits heute über ihre Wirtschaftsförderungsgesellschaften bzw. -ämter den Unternehmen kommunale Dienstleistungen in gebündelter Form an. Viele Kommunen setzen bereits Behördenlotsen ein und haben sogenannte One-stop-shops eingerichtet. Das gilt auch im

Genehmigungsfall, bei dem die Wirtschaftsförderer eine koordinierende Funktion für die Unternehmen anbieten.

Bei der Ansiedlung des einheitlichen Ansprechpartners bei den 54 kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen ist nicht nur eine hohe örtliche Präsenz gegeben, sondern es wäre auch rechtlich der geringste Anpassungsbedarf erforderlich. Dagegen lässt die Konnexitätsfrage die kommunale Lösung unattraktiver erscheinen. Bei der Realisierung des Kooperationsmodells können dagegen die Stärken der Kommunen und Kammern miteinander verknüpft werden. Fragen des Datenschutzes sowie neue Schnittstellen sprechen aber aus meiner Sicht weniger für dieses Modell.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Mein skizziertes Für und Wider von dem einen oder anderen Modell soll Ihnen hier im Plenum verdeutlichen, dass die Entscheidung, die zu treffen ist, gewichtig sein wird und auch nicht einfach ist. Deshalb gilt – ich wiederhole mich –: Qualität vor Schnelligkeit. Wir können aus den genannten Gründen Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Steffens das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Boeselager, einen Punkt in Ihrem Redebeitrag fand ich erstaunlich. Sie sagen: Das Planspiel war unzureichend. Das Planspiel hat die Landesregierung gemeinsam mit allen anderen Beteiligten geplant und konzipiert. Das heißt, man hat von vornherein ein Planspiel aufgelegt, das aber am Ende vollkommen – wie Sie gesagt haben – unzureichend war und nur ein Drittel der Fragen abgedeckt hat.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Planspiel, das mit allen Beteiligten abgestimmt war, auf das sich die Kammern und die Kommunen eingelassen haben, am Ende dermaßen unrelevant sein soll, wie Sie es hier darstellen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Alles, was ich von den Kommunen höre, ist eine komplett andere Einschätzung. Die Kommunen sagen nämlich sehr wohl, dass dieses Planspiel, wenn es auch Fragen offen gelassen hat, was überhaupt nicht infrage gestellt wird, ein eindeutiges Ergebnis hatte, nämlich dass die Kommunen

sehr viel deutlicher als alle anderen Konstellationen dazu in der Lage sind, genau diese Koordinierung vorzunehmen.

Ich stelle mir daher die Frage, warum man nicht das, was in der Anhörung gesagt wurde und was beim Planspiel herausgekommen ist, zur Grundlage nimmt und sagt: Okay, dann müssen wir auf dieser Grundlage wenigstens alle anderen offenen Fragen klären.

Ich habe das Gefühl, dass es auf die Fragen, die damit verbunden sind – eine wichtige Frage ist die Finanzierung –, immer noch keine Antworten gibt. Da würde jedes Modell – das kann man unabhängig von der Verortungsfrage klären – Probleme mit sich bringen. Wir werden aber nicht zu einer Entscheidung kommen – eine kommunale Entscheidung würde auch keinen Sinn machen, wenn man diese anderen Fragen nicht geklärt hat –, bis diese Fragen geklärt sind. Sie hätten auch vonseiten der Landeregierung schon längst geklärt sein können. An der Stelle muss mehr passieren.

Wenn ich mir anschaue, dass wir eine Regelung brauchen, damit diese Kontaktstellen bereits Ende 2009 stehen können, frage ich mich: Wie eng soll das Zeitfenster noch werden? Warum wird die Anhörung nicht wirklich ausgewertet? Warum werden diese Ergebnisse nicht transparent und zügig diskutiert,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

damit man auf der Grundlage dessen, was die Expertinnen und Experten gesagt haben, auch gemeinsam zu einem Ergebnis kommt? Soll das in Hinterzimmern oder irgendwo an anderer Stelle mit weiteren Informationen, die eingeholt werden, jenseits des parlamentarischen Raumes stattfinden? Oder soll das unter Beteiligung des Parlamentes stattfinden? Daran möchte ich viele Fragezeichen setzen.

Wir können daher dem Antrag der SPD zustimmen und haben damit überhaupt keine Schwierigkeiten, sondern denken, dass man hier ganz klar regeln muss, dass das Parlament bei diesen Entscheidungen nicht außen vor bleibt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir haben eben von dem Vertreter der FDP gehört, ein Modell sei schon einmal vom Tisch. Das ist eine wesentliche Erkenntnis für heute. Ich möchte die Ministerin bitten, dass sie das hier bestätigt, damit wir all die zahlreichen Zuschriften, die wir bekommen, in der Richtung beantworten und sagen können: Es geht nur noch um Kooperation oder um das kommunale Modell. Ein Modell

ist also vom Tisch; das ist eine wesentliche Erkenntnis für heute.

Die zweite Erkenntnis, die ich den Reden der Koalitionsfraktionen entnommen habe, ist, dass es vor der Sommerpause keine Entscheidung mehr geben wird. Ich fände es aber wichtig, dass wir eine klare Aussage zu dem Zeitplan hören: Wann wird das Parlament wie daran beteiligt, damit wir gemeinsam zu einem Ergebnis kommen, und zwar im Interesse derjenigen, die daran beteiligt sind, und vor allem derjenigen, die hinterher die Probleme mit der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie haben?

Ich bin gespannt auf die Antworten der Ministerin. Ich denke, dass wir das Thema nach der Sommerpause wieder auf der Tagesordnung haben werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD erstaunt. Er bemängelt die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie und die Intransparenz des Verfahrens. Dies betrifft insbesondere die Einbindung der kommunalen Spitzenverbände und des DGB. Diese Kritik ist nicht nachvollziehbar.

Bereits in der Befassung des Vorgängerantrags „Transparenz schafft Vertrauen“, mit dem sich zahlreiche Ausschüsse befasst haben und der immer noch nicht abschließend entschieden ist, haben wir als Landesregierung umfassend informiert. Hinsichtlich des einheitlichen Ansprechpartners haben sowohl auf Leitungsebene im Wirtschaftsministerium als auch auf Arbeitsebene mehrere Gespräche sowohl bilateral als auch multilateral stattgefunden.

Mit dem zitierten Planspiel und dem versandten Fragebogen haben wir einen partizipativen Ansatz verfolgt. Mich erstaunt, dass die kommunalen Spitzenverbände zitiert werden, die angeblich über unsere zeitlichen Planungen hinsichtlich der Entscheidung über die Verortung des einheitlichen Ansprechpartners nicht informiert seien. Dies haben wir seinerzeit eindeutig mit dem Versand des Fragebogens kommuniziert.

Zur Einbindung des DGB! Wegen Arbeitsrechts? – Dieses ist von der Richtlinie explizit ausgenommen. Gleiches gilt für Arbeitnehmerentsendung. Hierfür wurde seinerzeit noch in der Entwurfsphase der Richtlinie mit Erfolg gekämpft. Es ist nicht verpflichtend, über den einheitlichen Ansprechpartner arbeitsrechtliche Fragestellungen abwickeln zu lassen. Wegen der Normenprüfung? Diese ist von den normsetzenden Stellen durchzuführen. Dies betrifft den Bund, die Länderressorts, die Kommunen mit ihrem Satzungsrecht, die Kammern, eventuell die Hochschulen, gegebenenfalls noch andere Körperschaften des öffentlichen Rechts mit eigener Normsetzungsbefugnis.

Ziel ist es schließlich, die Aufnahme und Ausübung einer unternehmerischen Dienstleistungstätigkeit zu erleichtern. Ziel ist auch, eine bessere Rechtsetzung für die Unternehmen zu erreichen, bürokratische und diskriminierende Hindernisse abzubauen.

Die Gewerkschaften sind damit nicht originär befasst.

Ich möchte nicht wiederholen, was seinerzeit bereits in den Ausschüssen mündlich und schriftlich von der Landesregierung berichtet wurde. Sie sagten selbst, dass hochkomplexe Fragestellungen mit der Umsetzung der Richtlinie verbunden sind.

Frau Ministerin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kuschke?

Bitte schön.

Bitte, Herr Kollege Kuschke.

Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich hätte das bis vor wenigen Sekunden nicht für möglich gehalten. Ich habe vermutet, sie hätten trotz der Aussage des DGB gesagt, der DGB sei beteiligt worden.

Habe ich Sie richtig verstanden: Sie haben es nicht für nötig gehalten, den Deutschen Gewerkschaftsbund bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in Nordrhein-Westfalen zu beteiligen?

Er kann zu den Fragen, die