Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

Danke schön, Herr Kuschke. – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Einmahl das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung wird im Antrag der SPD dazu aufgefordert, die Euregio Maas-Rhein bei der Umsetzung der Zukunftsvision Euregio Maas-Rhein, die am 16. November 2007 in Aachen beschlossen wurde, vorbehaltlos zu unterstützen. Darüber hinaus soll sich die Landesregierung bei der Europäischen Kommission für die Anerkennung der Euregio Maas-Rhein als europäische Experimentierregion einsetzen.

Lassen Sie mich hierzu einige grundsätzliche Anmerkungen machen: Die Förderung und Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist nicht nur ein zentrales Anliegen der Landesregierung, sondern auch das stetige Bestreben der Koalition der Erneuerung.

Mit einem umfangreichen Antrag zum Ausbau und zur qualitativen Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden haben wir unseren Gestaltungsanspruch auf diesem wichtigen Themenfeld bereits im Februar 2006 klar artikuliert.

Wir haben in diesem Antrag verdeutlicht, dass bereits einiges bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erreicht worden ist, vieles aber gerade vor der Hintergrund des immer stärker zusammenwachsenden Europas stetig weiterentwickelt, intensiviert und qualitativ gestärkt werden muss. Mit unserem Antrag haben wir vor allen Dingen in den folgenden Bereichen ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt: Wirtschaft, Raum- und Infrastrukturplanung, Landwirtschaft, Umwelt, Natur- und Verbraucherschutz, Kultur, Jugend und Bildung sowie Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie.

Ein Schwerpunkt unserer parlamentarischen Initiative vom Februar 2006 war die Aufforderung an die Landesregierung, eine detaillierte Bestandsaufnahme zu den Potenzialen und Entwicklungsperspektiven der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu erstellen. Die Landesregierung hat hierauf reagiert und im Dezember des letzten Jahres einen 127 Seiten starken Bericht zum ge

genwärtigen Stand der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vorgelegt.

Auf dieser Grundlage gilt es nun, den Dialog mit allen Verantwortlichen zu suchen, um gemeinsam Verbesserungspotenziale zu definieren und Vorschläge zu deren Umsetzung zu erarbeiten.

Der Antrag der SPD-Fraktion ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich, denn er spiegelt nicht den aktuellen Stand der guten und engen Zusammenarbeit zwischen den vier Euregios, an denen Nordrhein-Westfalen beteiligt ist, wider.

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass die Euregios in erster Linie eigenverantwortlich arbeiten sollen. Dass sie in diesem Zusammenhang, wie am Beispiel der Euregio Maas-Rhein geschehen, ihre Zukunftsvisionen formulieren, ist legitim und wünschenswert. Die in dem Zukunftspapier der Euregio Maas-Rhein genannten Potenziale und Entwicklungsmöglichkeiten sollten bezüglich ihrer Umsetzung aber wie bisher in der Verantwortung vor Ort bleiben. Deshalb heißt es in der Resolution mit dem Titel „Ein Blick über den Horizont“ auch ausdrücklich:

„Die Grenzregionen stellen einen Indikator für gelungene europäische Integration dar. Möglichkeiten, aber auch Hindernisse, die der effektiven grenzüberschreitenden europäischen Zusammenarbeit im Wege stehen, kommen in den Grenzregionen zuerst zum Ausdruck und werden dort am deutlichsten erfahren. Auch die Lösungen für diese Hindernisse sollen von regionaler Ebene angestoßen werden.“

Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Kuschke. Möchten Sie diese zulassen?

Aber gerne.

Herr Kuschke, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege. Nur zu meinem Verständnis: Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie, wenn eine Region selbst zum Ziel erklärt, eine Experimentierregion sein zu wollen, unterstützen, dass die Landesregierung das fördert?

Herr Kollege, ich habe über den Begriff „Experimentierregion“, zu dem ich gleich noch kommen wollte, etwas nachgeforscht. Unser Euregio-Büro in Aachen, Herr Hansen, hat dafür nur ein leichtes Lächeln übrig, weil in der EU

das Wort „Experimentierregion“ eine völlige Fata Morgana ist.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Nein!)

Es gibt keine rechtliche Grundlage dafür. Das ist mir ganz deutlich gesagt worden. Sie können sich heute natürlich bei der EU als Experimentierregion für Bienenzucht, Nahverkehr, für alles Mögliche melden. Wenn Sie ein Konzept haben, dann wird möglicherweise die EU erklären, dass Sie für diesen besonderen Bereich Experimentierregion sind. Aber eine besondere Förderung oder irgendeine Art von Vorteil haben Sie daraus bei der EU nicht. Letztendlich ist es immer Sache der einzelnen Euregios, zu sagen, wo sie ihre Schwerpunkte sehen. Das hat die Euregio Maas-Rhein in ihrem Zukunftspapier im November 2007 sehr klar und eindeutig definiert. Natürlich muss sie bei der Umsetzung unterstützt werden, aber die Ziele zu definieren, ist nicht Sache von Düsseldorf, sondern geschieht vor Ort.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP] – Wolf- ram Kuschke [SPD]: Darum geht es nicht!)

Zu Recht weist die Resolution auf die Möglichkeiten hin, die sich aus der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit ergeben. Eine sogenannte europäische Testregion oder eine Experimentierregion für internationale Zusammenarbeit wird in der Zukunftsvision angeregt,

(Wolfram Kuschke [SPD]: Das ist es doch genau!)

wobei die fünf Mitgliedskörperschaften der Euregio Maas-Rhein ausdrücklich von einer „Europäischen Vorbildregion“ sprechen und den Begriff „Experimentierregion“ eher ablehnen. Wir sind zudem der Auffassung, dass alle vier Euregios eine hohe Anerkennung seitens der Europäischen Kommission in der täglichen Praxis bereits heute umfassend erfahren.

Der Antrag der SPD-Fraktion formuliert im Hinblick auf die Euregio-Thematik keine neuen Erkenntnisse und weist mit seinen Forderungen nicht in die Zukunft. Wir werden ihn im Zuge der Ausschussberatungen kritisch begleiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege Einmahl. – Für die FDP spricht nun Herr Brockes.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Pflege internationaler Beziehungen und die Zusammenarbeit mit ausländischen Staaten und deren Regionen sind von großer Bedeutung für Nordrhein-Westfalen.

Richtigerweise soll die Vertiefung der Beziehungen zu den Benelux-Staaten in den verschiedensten Politikfeldern auch weiterhin ein Schwerpunkt nordrhein-westfälischer Europapolitik bleiben. Deshalb haben die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit und die Vertiefung der europäischen Integration für Nordrhein-Westfalen höchste Priorität.

Die Zukunft unseres Landes hängt wesentlich davon ab, in welchem Umfang sich das öffentliche und private Handeln den internationalen Chancen und Herausforderungen stellt.

Mittlerweile hat sich auf europäischer Ebene eine große Zahl an interregionalen Netzwerken etabliert – Netzwerke, in denen Regionen aus verschiedenen Mitgliedstaaten ihre europäischen Interessen bündeln, gemeinsame Projekte realisieren und Erfahrungen austauschen. Natürlich arbeitet Nordrhein-Westfalen in mehreren solcher Netzwerke mit.

Im Grenzgebiet zwischen NRW und seinen Nachbarländern Belgien und den Niederlanden haben sich zwischen 1958 und 1976 insgesamt vier Euregios entwickelt. Diese decken das gesamte Grenzgebiet unseres Bundeslandes ab: von Süden nach Norden die Euregio Maas-Rhein, die Euregio Rhein-Maas-Nord, die Euregio RheinWaal und die EUREGIO.

Die europaweit erste Euregio – die EUREGIO mit Sitz in Enschede und Gronau – ist dabei in historischer Perspektive die erste grenzüberschreitende Arbeitsgemeinschaft in Europa überhaupt und feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen.

Mit den vier Euregios haben sich feste Strukturen der grenzüberschreitenden Kooperation etabliert. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit unseren direkten Nachbarländern in den Euregios stellt den zentralen Pfeiler der Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und seinen europäischen Nachbarn dar. Die Zusammenarbeit gilt in ganz Europa als besonders eng und vorbildhaft. Zu beachten ist, dass die Euregios primär autonom und eigenverantwortlich arbeiten und die Verantwortung zunächst bei den Akteuren vor Ort liegt.

Meine Damen und Herren, wenn die SPD in ihrem Antrag fordern würde, die Euregios insgesamt als Zukunftswerkstätten zu stärken und ihnen die

notwendige Unterstützung zukommen zu lassen, könnte ich dem grundsätzlich zustimmen. Ich müsste allerdings hinzufügen: Das macht die Landesregierung schon längst, wie Sie etwa im Bericht der Landesregierung zur grenzüberschreitenden Arbeit von Dezember 2007 detailliert nachlesen können.

Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Kuschke. Wollen Sie sie zulassen?

Bitte sehr.

Bitte schön, Herr Kuschke.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, damit kein Missverständnis entsteht – das gilt auch für die Aussage des Kollegen Einmahl –: Das Rechtsinstrument ist natürlich der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit.

Meine Frage lautet: Wären Sie denn bereit, unserem Antrag zuzustimmen, wenn wir darin eine Änderung vornehmen und von einer europäischen Test- und Vorbildregion sprechen würden? In dem Papier „Ein Blick über den Horizont – Die Zukunftsvision der Euregio Maas-Rhein“ heißt es nämlich – ich zitiere –:

„Die Euregio Maas-Rhein verdient Anerkennung als europäische Test- oder Vorbildregion.“

Werter Kollege Kuschke, Sie haben beim Kollegen Einmahl eben schon einmal versucht, die Diskussion, die wir sicherlich noch im Ausschuss führen werden, jetzt hier im Plenarsaal vorzuziehen. Ich glaube, Sie konnten den Ausführungen des Kollegen Einmahl und auch meinen Ausführungen entnehmen, dass wir generell an einer Verbesserung und Intensivierung der Zusammenarbeit interessiert sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Allerdings ist Ihr Antrag nicht unbedingt die richtige Vorlage dafür; denn darin sind neben Kunstbegriffen wie Ihrer Nordwestregion auch noch andere Defizite zu sehen. Sie kaprizieren sich viel zu sehr auf eine Region. Meines Erachtens müssen wir uns als Landespolitiker aber viel stärker die Gesamtsituation und alle Euregios anschauen, um generelle Beschlüsse zu fassen, anstatt uns ein Beispiel vor Ort herauszupicken, das wir dann besonders würdigen.

Meine Damen und Herren, das Engagement vor Ort in der Euregio Maas-Rhein ist ein guter Weg und sicherlich unterstützenswert. Wir sollten uns jetzt aber nicht nur ein Beispiel zu eigen machen; denn es gibt noch eine Vielzahl anderer Beispiele dafür, wie euregionale Zusammenarbeit vor Ort gut funktioniert.

Ich möchte an dieser Stelle abschließend den Hinweis des Kollegen Einmahl wiederholen, dass die Aktivitäten von den Menschen vor Ort ausgehen müssen. Sie müssen von unten kommen und wachsen und dürfen nicht vom Land von oben vorgegeben werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Jetzt hat Frau Löhrmann für die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen den Vorstoß der SPD, die Euregios einmal genauer in den Blick zu nehmen. Uns sind die Euregios auch sehr viel wert. Wir haben sogar ein eigenes Faltblatt zu dieser Thematik herausgegeben, das ich gerne an Interessierte verteile. Die Debatte war ja auch – um das einmal so vorsichtig auszudrücken – von einer gewissen konsensualen Grundorientierung geprägt.

Uns ist natürlich nicht nur diese eine Euregio wichtig. Uns sind alle vier Euregios wichtig, an denen die Akteure aus Nordrhein-Westfalen beteiligt sind; denn wir finden, dass alle diese Euregios sehr gute Arbeit leisten.

Der Schwerpunkt des Zukunftspapiers, auf das sich die SPD in ihrem Antrag bezieht, ist die Euregio Maas-Rhein. Unter dem Thema Lebensqualität werden darin folgende Unterpunkte aufgeführt: