Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD – ich hatte es vorhin bereits gesagt – hat eine dritte Lesung beantragt. Der Antrag ist fristgerecht eingegangen. Damit sind die Voraussetzungen für eine dritte Lesung gegeben. Zur Vorbereitung der dritten Lesung kann eine Überweisung an einen Ausschuss beschlossen werden. Die SPDFraktion hat die Rücküberweisung an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform beantragt.

Über diesen Antrag muss ich eine Abstimmung herbeiführen.

(Peter Biesenbach [CDU] meldet sich zu Wort.)

Herr Biesenbach, Sie wollen etwas dazu sagen. Ich nehme an, Sie werden sagen, dass Sie diesen Antrag ablehnen. – Bitte schön, Herr Biesenbach, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident, ich bin deutlich differenzierter. Wir werden natürlich dem Antrag auf eine dritte Lesung stattgeben.

Das brauchen Sie nicht.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das sind Min- derheitenrechte!)

Darauf hat die antragstellende Fraktion einen Anspruch.

Die Rücküberweisung werden wir dagegen ablehnen.

Das hatte ich mir auch so gedacht. Wir stimmen also nicht über die Durchführung einer dritten Lesung ab; die ist verfassungsgemäß gesichert. Es geht ausschließlich um die Frage der Rücküberweisung, über die abgestimmt wird. Wer für die Rücküberweisung ist,

den bitte ich um das Handzeichen. SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – Die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag auf Rücküberweisung abgelehnt.

Ich stelle damit fest, dass in der Plenarsitzung am Freitag, dem 20. Juni 2008, die Tagesordnung entsprechend ergänzt werden muss. Hierüber muss dann vor Eintritt in die Tagesordnung befunden werden.

Damit, meine Damen und Herren, verlassen wir zügig den Tagesordnungspunkt 16 und kommen zum Tagesordnungspunkt

17 Gewalt an Schulen wirkungsvoll entgegentreten

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/3489

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses

für Schule und Weiterbildung

Drucksache 14/6885

Ich wäre dankbar, wenn wir diesen Tagesordnungspunkt auch schnell erledigen könnten, obwohl es ein wichtiges Thema ist.

Der Antrag wurde vom Plenum an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung überwiesen. Dort sollte die Beratung erfolgen und erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung hier darüber debattiert werden. Die Beschlussempfehlung liegt vor.

Für die antragstellende Fraktion der Grünen hat Frau Beer das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Innenleben unserer Schulen ist ein Spiegel der gesamten Gesellschaft. Es ist ein Fehler zu glauben, dass das Gewaltproblem unserer Gesellschaft von den Schulen gelöst werden könnte. Wir dürfen deswegen nicht einfach dieses Problem auf ihren Schultern abladen und sie damit überfordern. Wir dürfen sie allerdings mit dem Problem auch nicht allein lassen.

Trotzdem ist Schule der richtige Ansatzpunkt, um Gewalt wirkungsvoll entgegenzutreten; denn sie ist neben der Familie der zentrale Lern- und Lebensort für alle Kinder und Jugendlichen. Für viele Kinder und Jugendliche ist sie das sogar mehr als in der Familie.

Es ist Aufgabe der Landespolitik, genau hinzuschauen und zu analysieren, was Gewalt in unse

ren Schulen befördert, wie Schulen ausgestattet sein müssen, um Gewalt entgegenwirken zu können, was Lehrkräfte tun können und wie sie hierfür ausgebildet sein müssen.

Dieser Antrag hat wahrhaft eine wechselhafte Geschichte. Ich bedauere sehr, dass es uns nicht gelungen ist, einen interfraktionellen Antrag zu diesem wichtigen Thema hinzubekommen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die grüne Fraktion hat den Antrag, der heute beraten wird, bereits vor eineinhalb Jahren vorgelegt. Wir standen damals alle unter dem Eindruck der Gewalttat des Amoklaufs in Emsdetten, und wir hatten uns natürlich auch an den Amoklauf von Erfurt erinnert. Je mehr aber der Schock von Emsdetten nachgelassen hat, desto weniger wollten sich CDU und FDP dem Thema zuwenden. Im November des vergangenen Jahres – rund um den Jahrestag des Amoklaufes an einer Schule in Emsdetten – teilten CDU und FDP in einem Gespräch der Obleute mit, dass doch kein Interesse an einem interfraktionellen Antrag besteht. Wenige Stunden später mussten wir uns alle mit dem angeblich geplanten Amoklauf in einer Schule in Köln auseinandersetzen. Plötzlich und zum Glück war danach wieder ein gemeinsamer Antrag im Gespräch.

Es gab unter allen Fraktionen in vielen Fragen einen sehr breiten Konsens, was wir im Land leisten können, um erfolgreich gegen Gewalt an Schulen vorzugehen. Ich will nur die Bedeutung multiprofessionellen Personals, die Zusammenarbeit der Schulen mit der Polizei, die Stärkung der Zusammenarbeit mit Eltern und die Aufnahme von Aspekten der Kommunikations- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen gerade in der Ausbildung der Lehrkräfte und der Erzieherinnen und Erzieher nennen.

Trotzdem haben wir keinen gemeinsamen Antrag hinbekommen. Woran hat es gelegen? – Scheidepunkt war die Frage der institutionellen Gewalt im Schulsystem, auf die sich die FDP in der Formulierung nicht hat einlassen können. Ich möchte Ihnen diese Formulierung, die ich vorgelegt habe, damit wir einen gemeinsamen Antrag hinbekommen, einmal vortragen. Wir hatten formuliert:

„Die Schule muss reflektieren, wo sie dazu beiträgt, dass Schülerinnen und Schüler Angst, Beschämung und Perspektivlosigkeit erleben. Ein negatives Lernklima wirkt demotivierend und aggressionsfördernd. Kinder und Jugendliche brauchen echte Zuwendung und Anerkennung durch Erwachsene und gerade auch durch ihre Lehrerinnen und Lehrer. Tief emp

fundenes Desinteresse, Isolation und Frustration steigern Aggression und Gewaltbereitschaft. Ausgrenzung und fehlende Anerkennung durch Gleichaltrige wirken sich ebenso aus.“

Das war für die FDP nicht akzeptabel.

(Beifall von den GRÜNEN – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Hört, hört!)

Ich finde, das ist sehr bedauerlich. Denn das ist doch das pädagogische Einmaleins. Das ist das, was das Schulklima, die Beziehung zwischen Schülern und Lehrern, ausmachen sollte. Das konnte die FDP leider nicht mittragen.

Ich möchte daran erinnern, was der Berliner Bildungsforscher und ehemalige Direktor des MaxPlanck-Institutes und Leiter des BLK-Modellprojektes „Demokratie leben und lernen“ schon 2002 nach dem Amoklauf in Erfurt gesagt hat: Worüber müssen wir reden? Wir müssen darüber reden, dass in der Institution Schule eine strukturelle Gewalt, die in extremen Fällen eine irrationale gewaltsame Reaktion hervorruft, drinstecken kann. – Worüber müssen wir reden? Edelstein sagt: Über die allgemeine Struktur, in die sich dieser tragische Fall einfügt! Viele Schüler fühlen sich in der Schule ohnmächtig ausgeliefert. Sie reagieren allerdings in der Regel nicht mit aggressiver Gewalt, sondern viel häufiger mit Schulangst, mit Depression, in einzelnen Fällen geht das sogar bis zum Schülerselbstmord.

Das alles wollen Sie negieren. Sie haben leider unseren Vermittlungsvorschlag nicht angenommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben auch nicht darauf gehört, was in der letzten Anhörung zum Thema Turbo-Abitur vorgetragen worden ist, dass nämlich durch Ihre sogenannten Schulreformen mehr Kinder im System scheitern. Sie sollten sich das sehr zu Herzen nehmen.

Wir müssen ernst machen in unserem Schulsystem, dass nach der skandinavischen Philosophie gebaut werden muss: Kein Kind darf beschämt werden. Mechanismen, die in der Schule zur Beschämung und zur Aussortierung führen, müssen wir abbauen, sonst gibt es keine demokratische Legitimation in unserem Schulsystem. Wir verlieren sie zunehmend, wenn wir weiter Kinder ausgrenzen und abhängen. Das sollten wir uns alle vor Augen führen.

Eine Ablehnung des Antrags wäre bedauerlich. Doch hoffe ich, dass Sie diesem Antrag vielleicht in einem letzten Anflug von Gemeinsamkeit noch

zustimmen können. Ansonsten hätten wir leider eine desolate Situation und präsentierten dem Land, dass wir nicht gemeinsam handlungsfähig sind.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Doppmeier das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vom Titel her „Gewalt an Schulen wirkungsvoll entgegentreten“ können wir alle dem Antrag nur zustimmen. Wenn wir allerdings in die Einzelheiten des Antrags gehen, muss ich Ihnen, Frau Beer, sagen, Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit. Sie sagten ja, der Antrag ist bereits eineinhalb Jahre alt. Vielleicht hätte man dann mal genauer hinschauen müssen. Denn in dem Bereich „Gewalt an Schulen entgegenwirken“ sind wir doch schon viel besser aufgestellt, als Sie es darstellen.

Lassen Sie mich ein paar Teile aus Ihrem Antrag nehmen: Darin steht zum Beispiel die Forderung, dass Schulen durch multiprofessionelles Personal mehr in der Gewaltprävention unternehmen sollen. Haben Sie das Prinzip der eigenverantwortlichen Schule nicht gelesen?

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

All das ist vor Ort bereits möglich.

In Ihrem Antrag bemerken Sie: Aufgaben der Schulen haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Das ist richtig. Aber genau hier haben wir doch schon angesetzt: mehr Freiräume für innovative schulische Vorhaben, wie zum Beispiel im Bereich der medienpädagogischen Förderung. Hier wurde bereits ein gemeinsamer Antrag, wie Sie sich erinnern, Frau Beer, erstellt: Initiative Kinder- und Jugendmedienschutz 2007. Er greift die gewünschte Medienerziehung in der Ausbildung von Erziehern und Lehrkräften auf.