Protokoll der Sitzung vom 19.06.2008

Es muss ganz deutlich gemacht werden, mit welch naivem Anspruch dabei eigentlich vorgegangen und die Relevanz der Kopfnoten für ein Einstellungsverfahren zugrunde gelegt wird.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Die Aussage, die auch eben noch einmal deutlich gemacht worden ist, dass Noten wie in Geogra

phie oder in Geschichte wenig relevant sind, aber die Kopfnoten große Relevanz besitzen, ist bezeichnend und entlarvend, denn die Kopfnoten dienen offensichtlich nur dazu, eine schnellstmögliche Auswahl in Bewerbungsverfahren durchzuführen.

(Beifall von der SPD)

Ich frage mich allen Ernstes: Welcher Handwerksbetrieb ist eigentlich nicht in der Lage, innerhalb der Probezeit beim Auszubildenden genau die Faktoren festzustellen, die angeblich vorher durch Kopfnotenverfahren auf dem Zeugnis dokumentiert sind?

Letzter Punkt, und da wird es mal wieder peinlich für die Landesregierung.

(Unruhe)

Vielleicht hören die Abgeordneten der Regierungskoalition aufmerksam zu, weil sie angesprochen sind.

(Beifall von der SPD – Wolfgang Schmitz [CDU]: Oberlehrer! – Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Es war wieder einmal bezeichnend, dass direkt nach den ersten Protesten gegen die Kopfnoten die ersten Fluchtreaktionen stattgefunden haben. Man distanzierte sich, an erster Stelle seitens der FDP. Dann wurde die Evaluation in Aussicht gestellt: Wir überprüfen das alles noch einmal. Dann schauen wir, wie viele Kopfnoten wir eigentlich brauchen. – Das war die Kernaussage.

Jetzt frage ich mich vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Schülerinnen und Schüler an Schulen in evangelischer Trägerschaft keine Kopfnoten erhalten, die Schülerinnen und Schüler von öffentlichen Schulen dennoch an diesem Experiment weiter teilnehmen müssen, bis die Landesregierung ihre Evaluation abgeschlossen hat oder die Regierungskoalition zu einer Meinungsbildung gekommen ist, was dort eigentlich stattfindet. Es findet in diesem Lande ein flächendeckendes Experiment auf dem Rücken der Kinder mit Alleinstellungsmerkmal in NordrheinWestfalen statt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Vermeidung des drohenden Gesichtsverlusts ist dieser Landesregierung in diesem Fall wichtiger als unsere Kinder. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Große Brömer. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Recker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe fast 18 Jahre lang Klassen von Hauptschulen unterrichtet, überwiegend die Abschlussklassen 10a und 10b, und kann Ihnen sagen: Viele dieser jungen Menschen, die nicht überbegabt waren, haben alleine deshalb eine Chance bekommen, weil sie Qualitäten genau in dem Bereich hatten. Diese hätten sonst nie die Möglichkeit gehabt, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn eine Lehrperson den jungen Menschen nicht aufzeigen kann, wo zum Beispiel im Arbeits- und Sozialverhalten Defizite sind, sodass diese absolut keine Konsequenzen haben, dann dürfen wir uns über manche Entwicklungen in der Gesellschaft heute nicht mehr wundern. Das haben Sie mit verursacht.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Schule auf das Leben vorbereiten soll, dann gehört nicht nur fachliches Wissen dazu, sondern auch die Erziehung der jungen Menschen. Zum Leben gehört eben auch das Rüstzeug, in einem Betrieb und in einem Unternehmen zu bestehen.

Junge Menschen brauchen Freiraum, aber sie brauchen auch Grenzen. Um in genau diesem Abwägungsprozess ein Miteinander vernünftig zu entwickeln, bedürfen wir der Kopfnoten. Darum sagen wir Ja, und wir stehen dazu. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Recker. – Für die Grünen hat sich noch einmal Frau Beer gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Kollegin Pieper-von Heiden für ihren Beitrag sehr dankbar. Diesen Beitrag werde ich an die Schulen im Land schicken. Das reicht für die Kabarettvorstellungen der nächsten drei Jahre. Man muss das nur vorlesen, dann hat man Spaß in allen Gremien.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das war wirklich unterirdisch und zeigt, wie viel Ahnung Sie von Schule haben.

Ich möchte Ihnen eines vorrechnen – da kann das Matheabitur auch nicht klappen, wenn Sie so wenig Anwendungsbezug in der Rechnerei haben –: Wenn sich die Lehrer in einer Schule mit 600 Schülern über die Kopfnoten verständigen sollen und es wird pro Schüler nur eine Minute dafür angesetzt, dann brauchen die Lehrer 600 Minuten. Der Tag ist dann hinüber. So wenig Zeit ist für dieses „wertvolle Instrument“ überhaupt noch übrig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was haben Sie im Land angerichtet? – Wir haben regionale Kopfnotenkartelle: „Sehr gut“ in Köln, „Gut“ in Dortmund, das ist die unterschiedliche Landschaft. Wir haben Pauschalnoten in den Schulen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Einheitsnoten!)

Das ist Ihre individuelle Förderung. Einheitsnoten haben Sie in diesem Land provoziert. Es gibt keine einheitliche Auslegung der Handreichung. Diese Kopfnoten sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Sie haben den Lehrerinnen und Lehrern einen Bärendienst erwiesen, die mit dem Anspruch dort herangehen, den Sie hier so proklamieren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Darüber hinaus schaffen Sie eine Zweiklassengesellschaft; die müssen sie abschaffen. Sie halten den öffentlichen Schulen dauernd das Vorbild der privaten Schulen vor. Jetzt haben sich die evangelischen Schulen zu Recht dieses Privileg erstritten, keine Kopfnoten zu vergeben. Das soll allen Schulen zur Verfügung gestellt werden, denn sonst sind sie weiterhin im Kopfnotenzwang. Das ist eine Zweiklassengesellschaft. Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen dürfen nicht benachteiligt werden. Es muss jetzt eine Lösung her. Die können Sie heute schaffen. Ansonsten haben Sie den nächsten Rechtshandel am Hals.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass die Beratung beendet ist.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/6977, den Gesetzentwurf Drucksache 14/6157 abzulehnen. Wer ist dafür, diese Beschlussempfehlung anzunehmen und den Gesetzentwurf abzulehnen? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD und Grüne. Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist mit

den Stimmen der Koalitionsfraktionen die Beschlussempfehlung des Ausschusses angenommen und der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe auf:

10 Mehr Studierende brauchen mehr studentischen Wohnraum – Ausbau von studentischem Wohnraum und energetisches Sanierungsprogramm koppeln

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/6951

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Stinka das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Die Universitäten und Fachhochschulen haben unlängst Alarm geschlagen. Die geburtenstarken Jahrgänge und der doppelte Abiturientenjahrgang werden dafür sorgen, dass Hörsäle, Bibliotheken und Seminarräume in wenigen Jahren aus den Nähten platzen. Die Herausforderungen für die Kapazitäten an den Hochschulen sind benannt.

Daneben wird zugleich auch der Bedarf an Wohnraum steigen. In Nordrhein-Westfalen leben zwar relativ viele Studentinnen und Studenten im Hotel Mama. Die Motive dafür liegen auch nahe. Es sind zum einen die hohen Kosten, die mit dem Mieten einer eigenen Wohnung verbunden sind, zum anderen aber auch die Problemlagen im Bereich der Energie. Ein Drittel seiner Mittel muss ein Student ausgeben, um sich eine Unterkunft zu besorgen.

Eine günstige Variante für das studentische Dach über dem Kopf stellt das Wohnheim dar. 10 % der Studierenden in Nordrhein-Westfalen leben in einem solchen Wohnheim. Kosten entstehen auch dort. Vor allem die Energiekosten sind nicht von Pappe. Die Gebäude sind zum Teil in einem schlechten energetischen Zustand, was vor dem Hintergrund der Einführung des Energiepasses in den nächsten Wochen sicherlich noch einmal deutlich gemacht wird.

Die logische Folgerung kann für uns Sozialdemokraten nur lauten, nicht nur in Studienplätze zu investieren, sondern auch in die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur. Dazu fordert unsere Fraktion die Landesregierung auf; denn nur so werden die Voraussetzungen geschaffen, dass

ein Studium ordentlich begonnen, vernünftig verlaufen und auch erfolgreich abgeschlossen werden kann.

Nach einer konservativen Rechnung unsererseits brauchen die Hochschulstandorte schon bei der Realisierung des ersten Hochschulpakts bis zu 3.000 zusätzliche Wohnheimplätze. Wie hat die Landesregierung bisher darauf reagiert? Leider Fehlanzeige!

Deshalb erneuern wir in unserem vorliegenden Antrag die Forderung, insbesondere im Bestand an Wohnhäusern wie bei den Hochschulen ein energetisches Sanierungsprogramm durchzuführen und dadurch sowohl die Standards zu erhöhen als auch die energetische Qualität zu verbessern. So wird auch Freiraum für nötige Investitionen in die von uns beantragten zusätzlichen Wohnraumplätze geschaffen.