Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/7355

Die Fraktionen haben sich entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung darauf verständigt, heute keine Debatte zu führen, sondern erst nach Vorlage einer Empfehlung des federführenden Ausschusses.

Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7355 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Hauptausschuss. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Wir kommen zu:

14 AIDS-Politik gestalten – Konzept zur Prävention weiterentwickeln

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/7064

Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Steffens von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag gestellt, weil wir, wenn man sich die Zahlen und die Entwicklung ansieht, glauben, dass sich das Gefühl und die Stimmung, Aids und HIVInfektionen seien beherrschbar, ein bisschen in der Bevölkerung verbreiten. Dieses Thema sollte man wirklich aufgreifen, denn es ist so nicht.

Seit dem ersten Aids-Bericht vor 25 Jahren haben wir zwar eine Verbesserung in der medizinischen Versorgung, in der Lebensqualität infizierter Menschen und Aids-Erkrankter und eine deutliche Erhöhung der Lebenserwartung, aber wir haben keine Entwarnung. Es ist nach wie vor so, dass Aids nicht heilbar und auch mit Medikamenten schwer erträglich ist.

Deswegen glauben wir, dass man auch jetzt wieder hier in Nordrhein-Westfalen genau bilanzieren und schauen muss, wie die Entwicklung ist.

(Unruhe)

Ich weiß nicht, was an dem Thema so lustig ist,

(Glocke)

aber Sie werden sich in Ihren Redebeiträgen gleich äußern können. Ich finde das Thema AidsPrävention und Aids-Infektion durchaus nicht lustig.

Die steigenden Infektionszahlen, die wir trotz allem nach wie vor haben, sprechen für sich, wenn wir uns Nordrhein-Westfalen ansehen. In Nordrhein-Westfalen leben mittlerweile 12.900 HIVInfizierte, davon 10.600 Männer – daran sieht man, es ist deutlich ein stärkeres Problem der Männer –, 2.300 Frauen und ca. 80 Kinder. Das zeigt, es ist ein Problem, das unterschiedliche Generationen betrifft.

Wenn man sich jetzt ansieht, was wir an Angeboten – Präventionsmaßnahmen und Beratungsangebote – haben, dann kann man sagen: Natürlich haben wir gerade mit der Aidhilfe viele Angebote, sehr viele Ideen und auch sehr viele Bereiche abgedeckt, aber bei Weitem nicht genug. Wir brauchen einfach mehr für Nordrhein-Westfalen.

Deswegen fordern wir zum einen die Erstellung – ich will in der Kürze der Zeit nur auf einige Punkte eingehen – einer geschlechtsdifferenzierten Berichterstattung für Nordrhein-Westfalen. Wir brauchen sehr unterschiedliche Ansätze im Zugang, im Zuspruch bei Frauen wie bei Männern, denn es sind keine vergleichbaren Zielgruppen. Ob ich jetzt innerhalb der Schwulenszene Männer, die mit Männern Sex haben, versuche zu erreichen, oder ob ich Alleinerziehende versuche zu erreichen – da brauche ich ganz unterschiedliche Ansprachen. Also, wir wollen eine differenzierte Berichterstattung.

Wir wollen aber auch, dass für NordrheinWestfalen ein Aids-Präventionsplan erstellt wird mit einem entsprechenden Umsetzungsprogramm, weil dieses auch international gefordert wird und sinnvoll ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen auf jeden Fall die Infrastruktur der Aids-Beratung in Nordrhein-Westfalen mit der bestehenden Trägerstruktur erhalten, aber glauben auch, dass wir darüber hinaus in bestimmten Bereichen Ausweitungen brauchen. Gerade die Trägerstruktur hat sich spätestens seit der Debatte um die Kommunalisierung stark verunsichert gezeigt. Ich sage einmal: Da gibt es an der einen oder anderen Stelle massive Probleme.

Wir wollen auch, dass die Rahmenbedingungen für Menschen, die erkrankt sind – dies betrifft sowohl die Absicherung von Menschen, die von HIV oder Aids betroffen sind, als auch das soziale Sicherungssystem –, verbessert werden, dass wir auf Bundesebene Initiativen von NordrheinWestfalen ergreifen, denn es sind einfach zusätzliche Mehrbedarfe da, die aber bisher nicht erstattet werden. Wir wollen auch, dass bei Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, HIV und Aids eine andere Bedeutung als bisher haben, und dass Menschen, die infiziert sind und im Herkunftsland keinen Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten haben, nicht abgeschoben werden.

Ich glaube, dass es ein Thema ist, worüber wir uns als Landtag intensiver austauschen müssen als heute und hier. Deswegen ist es für uns ein Aufschlag. Der Antrag wird im Ausschuss diskutiert werden. Ich glaube, dass es Sinn macht, wenn wir dazu noch einmal eine umfassende Anhörung durchführen, damit wir uns als Parlament damit beschäftigen. Wir sollten diejenigen, die in dem Bereich beraten, diejenigen, die in dem Bereich betroffen sind, und diejenigen, die in dem Bereich behandeln, gemeinsam anhören, um dann zu bilanzieren: Was haben wir in Nordrhein

Westfalen erreicht, was ist in Nordrhein-Westfalen noch erhalten und was ist in Nordrhein-Westfalen notwendig?

Ich glaube, dass wir das so hinbekommen sollten, um dann zu sehen, ob es noch haushaltsrelevante Bedarfe gibt und ob wir nicht, um die Neuinfektionen ein Stück verhindern zu können, als Land mehr in der Pflicht sind, als es bisher der Fall ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Steffens. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Kleff.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 12.900 Menschen leben in NRW mit dem HI-Virus. Davon sind 900 an Aids erkrankt. In den nächsten Jahren ist jährlich voraussichtlich mit 600 neuen HIVInfektionen zu rechnen. Jährlich kommen etwa 260 neue Aidskranke hinzu, und etwa 150 Menschen sterben jährlich an dieser Krankheit.

Diese Zahlen, so meine ich, rechtfertigen und begründen auf jeden Fall den seit 1988 eingeführten Weltaidstag, der jährlich am 1. Dezember begangen wird. Rund um den Globus erinnern zu diesem Datum verschiedenste Organisationen an das Thema Aids und rufen dazu auf, die Präventionsarbeit weiterzuentwickeln und Solidarität mit Infizierten zu zeigen.

Es ist ebenfalls richtig, das Thema Aids immer wieder im Plenum zu behandeln. Aids darf an öffentlicher Wahrnehmung nicht verlieren. Daher ist diese Debatte erneut eine gute Gelegenheit, das Thema wieder ins Gespräch zu bringen. Insoweit begrüßen wir den zu beratenden Antrag.

Die Forderungen, die in Ihrem Antrag, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, gestellt werden, sind jedoch bereits erfüllt bzw. sind in Bearbeitung der Landesregierung.

Übereinstimmend stelle ich fest, dass trotz des großen medizinischen Fortschritts Aids nach wie vor, und zwar überall auf der Welt, tödlich ist. Es gibt eine Tendenz zu Aids als chronischer Krankheit, mit der man über Jahre leben kann. Es findet zwar eine Behandlung statt, aber letztlich ist keine Heilung möglich. Das einzige wirksame Mittel zur Eindämmung dieser Krankheit ist immer noch der Schutz vor einer Infektion durch Beachtung entsprechender Verhaltensregeln. Darauf einzuwirken muss das Ziel fast aller Aids-Präventionsmaß

nahmen sein. Wir müssen aber immer auf einen folgenschweren Irrtum aufmerksam machen. Viele denken einfach: Aids betrifft mich doch nicht.

Nun konkret zu den Forderungen im Antrag:

Erstens. Zunächst stelle ich fest, dass in der Koalitionsvereinbarung vom 16. Juni 2005 die Weiterentwicklung der Präventionsarbeit festgeschrieben ist. Hierbei wird selbstverständlich die unterschiedliche Situation der verschiedenen Zielgruppen auch geschlechtsdifferenziert berücksichtigt.

Zweitens. Bereits mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 hat der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales dem zuständigen Ausschuss mitgeteilt, dass eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und des MAGS eingerichtet worden ist. Durch die in Arbeit befindlichen Rahmenvereinbarungen wird der ziel- und wirkungsorientierte Einsatz der Landesmittel sichergestellt.

Ich weise darauf hin, dass trotz aller notwendigen Sparmaßnahmen auch für 2009 eine unveränderte fachbezogene Pauschale in Höhe von 2,3 Millionen € vorgesehen ist und für die zielgruppenspezifische Aufklärung 690.000 € zur Verfügung stehen.

Drittens. Bei Drogenabhängigen ist zur Reduzierung des Ansteckungsrisikos das vom Land geförderte Projekt Spritzenautomaten zu nennen.

Viertens. Gefangenen wird die Untersuchung ihres Blutes auf HIV angeboten, und sie werden über Schutzmaßnahmen informiert.

Was die Forderungen im Antrag an den Bund angeht, ist festzustellen:

1. dass die Bundesregierung den Entwurf eines Eigenheimrentengesetzes vorgelegt hat, nach dem auch bei Beziehern von Erwerbsunfähigkeitsrente eine Riesterförderung vorgesehen ist,

2. dass das SGB XII den Trägern der Sozialhilfe die Möglichkeit einräumt, zusätzliche Aufwendungen zu berücksichtigen,

3. dass von der Abschiebung eines Ausländers abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat eine erhebliche Gefährdung für Leib oder Leben besteht. Ob und wann eine solche Gefahr letztlich besteht, wird im Asylverfahren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Einzelfall geklärt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen aufgestellten

Forderungen sind von der Landesregierung aufgegriffen und dort in besten Händen.

Aids macht aber weder vor den Toren NordrheinWestfalens noch vor den Grenzen der Bundesrepublik oder vor Europa halt. Es handelt sich um eine weltweite Gefahr. Deshalb ist eine Koordinierung der Maßnahmen unter dem Dach der Weltgesundheitsorganisation unverzichtbar.

Einer differenzierten Betrachtung und Beratung des Antrags im Ausschuss stimmen wir zu. Denn auch dadurch wird das Thema wieder in die Öffentlichkeit getragen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)