Protokoll der Sitzung vom 17.09.2008

Die beste Versorgung ist aus Sicht der Freien Demokraten ohnehin diejenige, die sich wirklich auf den Bedarf des einzelnen Menschen unter Berücksichtigung seiner gesellschaftlichen Bezüge kon

zentriert. Wir haben doch auch in anderen Bereichen die Erfahrung gemacht, dass eine individuelle Ansprache immer wichtiger wird. Vor diesem Hintergrund diskutiere ich gerne im Ausschuss weiter über dieses Thema. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Romberg. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits anlässlich der Debatte zur Großen Anfrage 16 der Grünen am 21. Februar 2008 habe ich die besondere Bedeutung der Bekämpfung der Sucht und die suchtpolitischen Schwerpunkte unserer Sozial- und Gesundheitspolitik ausführlich dargestellt.

Mit der Großen Anfrage 19 greifen die Grünen diese Thematik mit nahezu identischen Fragestellungen erneut auf. Sie begründen dies im Wesentlichen mit fehlenden statistischen Angaben sowie einer angeblich nicht ausreichenden Darstellung geschlechtsspezifischer Aspekte in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 16.

Liebe Frau Steffens, ich kann mich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass es sich bei dieser erneuten Anfrage eher um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Landesregierung handelt als um eine Initiative zur Verbesserung der fachlichen Grundlagen für eine sachgerechte sucht- und drogenpolitische Diskussion.

(Widerspruch von Barbara Steffens [GRÜNE])

Die Landesregierung hat bereits in ihrer Antwort auf die Große Anfrage 16 deutlich gemacht, dass Sucht eine Krankheit ist, deren Entwicklung und Verlauf von einer Vielzahl personen-, umwelt- und suchtmittelbezogener Einflussfaktoren bestimmt wird. Es ist absolut selbstverständlich, dass die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede beim Konsum- und Missbrauchsverhalten von Frauen und Männern heute zum allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft in der Sucht- und Drogenhilfe gehört. Weiterhin gilt, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern zwischenzeitlich Eingang in alle Bereiche unseres Gesundheitswesens gefunden hat.

In der Sucht- und Drogenpolitik ist die geschlechtsspezifische Weiterentwicklung der Präventions- und Hilfeangebote schon frühzeitig zu einem Schwerpunkt gemacht worden. Sie durchzieht als Querschnittsaufgabe das gesamte Präventions- und Hilfesystem und gehört zu den zentralen Bestandteilen des 1998 beschlossenen Landesprogramms gegen Sucht, das von den beteiligten Institutionen eigenverantwortlich umgesetzt wird. Wie ich Ihnen bereits

mitgeteilt habe, soll dieses Programm durch ein ebenfalls als Gemeinschaftsinitiative angelegtes Landeskonzept gegen Sucht abgelöst werden.

(Britta Altenkamp [SPD]: Wann denn?)

Wegen des seinerzeit besonderen Handlungsbedarfs im Bereich der Hilfen für drogenkranke Frauen hatte das Land bereits vor mehr als zehn Jahren eine Landesfachstelle Frauen & Sucht eingerichtet. Diese Fachstelle hat im Auftrag des Landes die Entwicklung und Umsetzung frauenspezifischer Ansätze im Sucht- und Drogenhilfesystem maßgeblich unterstützt. Die Landeskoordinierungsstelle für soziale und berufliche Integration Suchtkranker führt diese wichtige Entwicklungsarbeit unter einem erweiterten Blick auf beide Geschlechter fort. Mein Eindruck ist aber, dass die Grünen die alten Strukturen mit aller Macht wiederherstellen wollen.

Ich möchte an dieser Stelle jedoch nochmals klarstellen, dass es nicht um den Aufbau eigenständiger frauen- oder männerspezifischer Hilfeangebote gehen darf. Den speziellen Belangen von Frauen und Männern ist vielmehr innerhalb der bereits bestehenden Präventions- und Hilfestrukturen Rechnung getragen.

Ein vorrangiges Anliegen der Landesregierung ist es, durch Informations- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie durch eine gezielte Förderung von entsprechenden Vernetzungsstrukturen zur nachhaltigen Verankerung geschlechtsspezifischer Aspekte in allen Bereichen des bestehenden Suchthilfesystems beizutragen. Es ist heute allgemein anerkannt, dass diese Faktoren unverzichtbare Elemente einer erfolgversprechenden Suchthilfe sind. Die Beachtung und Umsetzung dieser fachlichen Standards liegen in der Verantwortung der zuständigen Leistungsträger.

Bereits bei der Beantwortung der Großen Anfrage 16 haben wir alle uns bekannten und zugänglichen Datenquellen herangezogen. Die geforderten landesweiten trägerbezogenen Daten liegen weder der Landesregierung noch anderen Stellen vor. Sie müssten in einem sehr aufwendigen Verfahren zunächst bei sämtlichen Kommunen und Einrichtungsträgern erhoben werden. Hinzu kommt, dass das erhobene Datenmaterial erst im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie aufbereitet werden müsste, um sinnvolle und zielführende Aussagen treffen zu können. Jedenfalls steht der mögliche Nutzen in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem erheblichen finanziellen und verwaltungsmäßigen Aufwand.

Wir werden uns jedoch auch weiterhin für eine generelle Verbesserung der Datenlage einsetzen. So werden wir gemeinsam mit Kommunen und freier Wohlfahrtspflege die Arbeiten am Aufbau einer Landessuchthilfestatistik fortführen. Hierzu nutzen wir den in der Sucht- und Drogenhilfe bereits bundesweit eingesetzten sogenannten Deutschen Kerndatensatz.

Unabhängig hiervon gilt, dass die der Landesregierung vorliegenden Daten und wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Suchtentwicklung eine ausreichende Handlungsgrundlage für eine zielgerichtete Sucht- und Drogenpolitik sind. Die Bekämpfung der Sucht bleibt schon angesichts der Dimension der Suchtproblematik ein Schwerpunkt der Gesundheits- und Sozialpolitik der Landesregierung. Wir sehen uns weiterhin in der Pflicht, das breit gefächerte Präventions- und Hilfeangebot für suchtkranke und suchtgefährdete Menschen weiterzuentwickeln.

Sucht ist ein vielschichtiges gesamtgesellschaftliches Problem. Deshalb können wir auch in Zukunft erfolgversprechende Lösungsansätze nur gemeinsam entwickeln und umsetzen. Bislang gab es in den wesentlichen Grundaussagen über den richtigen Weg in der Sucht- und Drogenpolitik einen parteiübergreifenden Konsens. An diesem Konsens ist mir auch in Zukunft sehr gelegen. Ich hoffe und baue auch weiterhin auf eine breite parlamentarische Unterstützung zum Wohle der suchtgefährdeten und suchtkranken Menschen in unserem Land. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Beratung und stelle fest, dass die Große Anfrage 19 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erledigt ist.

Wir kommen zu:

7 Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7433

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Wolf das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt hat eine ausgesprochen bürokratisch klingende Überschrift: Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums. Dabei geht es in Wirklichkeit darum, überflüssige Bürokratie zu bekämpfen.

Es handelt sich um das Mantelgesetz des Innenministeriums zur Prüfung und Verlängerung von Vorschriften im Gesamtkonzept des Befristungspro

jekts. Wie Sie alle wissen, hat Nordrhein-Westfalen als erstes Land in Deutschland das gesamte Landesrecht befristet. Unser Land ist damit führend bei der Bekämpfung überflüssiger Gesetze und überflüssiger Bürokratie.

Die Befristungsgesetzgebung wurde in der 13. Wahlperiode mit Zustimmung aller im Landtag vertretenen Parteien eingeführt, was ich persönlich sehr erfreulich finde. Überflüssige Bürokratie zurückzudrängen, ist kein leichtes Geschäft. Umso wichtiger ist ein breiter politischer Rückhalt im Parlament.

Meine Damen und Herren, zur sachgerechten Verfolgung der Ziele der Bürokratievermeidung, des Bürokratieabbaus und der Normverschlankung hält es die Landesregierung für zwingend geboten, an den Befristungsgesetzen in der bisherigen Form festzuhalten. Dieses Instrument hat sich aus Sicht der Landesregierung als umfassend und tauglich erwiesen, die mit seiner Einführung in der 13. Wahlperiode verfolgten Ziele tatsächlich zu erreichen.

Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf betrifft die Verlängerung von Normen im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums. Es handelt sich um Vorschriften, bei denen die Evaluierung der Verlängerungsnotwendigkeit ein zwingendes Interesse am Fortbestand der Norm ergab, ohne dass die Verlängerung in ein anderes Gesetzgebungsvorhaben hätte aufgenommen werden können. Um den Normsetzungsaufwand auch für das Parlament möglichst gering zu halten, wurde die Form des Mantelgesetzes für die gebündelten Verlängerungsbeschlüsse gewählt.

Die Landesregierung nimmt die Befristungsgesetzgebung sehr ernst. Sie achtet insbesondere sorgfältig darauf, dass die Befristungsgesetzgebung in der Regierungspraxis nicht zum einem bloßen Verlängerungsmanagement heruntergestuft und gewissermaßen zu einem stumpfen Schwert wird. Die ressortübergreifende Normprüfungsstelle, die im Januar 2007 eingerichtet wurde, hat daher den Auftrag, die Verlängerungsvorschläge der Fachreferate und -ressorts im Einzelnen auf strikte Notwendigkeit zu überprüfen.

Im Jahr 2009 werden zahlreiche Verfallklauseln wirksam werden. Die Frage der Verlängerung notwendiger Vorschriften wird dann einen noch breiteren Raum in der parlamentarischen Praxis einnehmen. Auch insofern wird es einer strengen Prüfung der Gesetze und Verordnungen, die für eine Verlängerung anstehen, bedürfen, um der Befristungsgesetzgebung in der Staatspraxis des Landes zu einer möglichst großen Wirksamkeit zu verhelfen.

Abschließend ein Wort zu den einzelnen Rechtsänderungsbeschlüssen: Die Diskussion muss aus Zeitgründen der Ausschussarbeit vorbehalten bleiben. Dort sollte sie auch intensiv unter den Leitzie

len von Bürokratievermeidung und Normverschlankung geführt werden.

Die Befristungsgesetzgebung war in der 13. Wahlperiode ein sehr ambitioniertes Projekt aller Parteien. In der 14. Wahlperiode geht es nun darum, dieser Gesetzgebung in der Staatspraxis zum praktischen Durchbruch zu verhelfen. Ich appelliere an Sie alle, die Landesregierung darin nach Kräften zu unterstützen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister Dr. Wolf. Eine weitere Beratung ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen also zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/7433 an den Innenausschuss. Wer stimmt der Überweisung zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu:

8 Fahrradmitnahme in ICE-Zügen der Deutschen Bahn AG ermöglichen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7449

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Wißen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fahrrad und Eisenbahn sind die umweltfreundlichsten Verkehrsmittel in unserem verkehrsreichen Lande und werden von vielen Reisenden auch im Fernverkehr gern kombiniert. So hat der ADFC ermittelt, dass 2008 etwa 250.000 Fahrradtickets allein für den Fernverkehr verkauft wurden. Das zeigt sicherlich die Beliebtheit dieses Modells. Aber vor zehn Jahren, im Jahre 1998, gab es noch 600.000 verkaufte Tickets.

Woran liegt das? Das liegt nicht etwa daran, dass die Menschen früher dieses Angebot lieber wahrgenommen hätten, sondern daran, dass es früher mehr Möglichkeiten gab. Früher konnte man im ICE und in den D-Zügen sein Fahrrad auch auf Fernverkehrsstrecken mitnehmen. Das ist heute weitgehend nicht mehr möglich, weil mittlerweile bei etwa zwei Dritteln des Fernverkehrs der DB ICE-Züge eingesetzt werden.

Leider ist es schade, dass aus diesem Grunde die umweltfreundlichen Verkehrsmittel Fahrrad und Zug zunehmend nicht mehr kombiniert werden können.

Erklärtes Ziel der DB AG ist, künftig im Fernverkehr nur noch ICEs einzusetzen. Wenn das so ist, meine Damen und Herren, ist es gerade wichtig, auch die ICEs für die Fahrradmitnahme freizugeben. Denn hierbei können geradezu ideale Verkehrsmittel miteinander kombiniert werden.

Der Fahrradtourismus spielt eine immer größere Rolle. Gerade im Tourismusland Nummer eins, in Nordrhein-Westfalen, wäre es daher sinnvoll, die Fahrradmitnahme im ICE zu ermöglichen. Leider zielte insbesondere die DB AG darauf ab, dies zu verhindern. Ich meine, dass sich das verkehrsreichste Land Nordrhein-Westfalen als Land mit den meisten Zügen und mit den meisten Fahrrädern dieser Initiative nicht verschließen sollte, insbesondere nicht, wenn schon die EU und der Landtag von Baden-Württemberg eine Fahrradmitnahme im ICE fordern.

(Beifall von der SPD)

Wie in den anderen Parlamenten sollten wir diese beiden hervorragenden Verkehrsmittel Fahrrad und Fernzug miteinander kombinieren.