Daneben hat man sich auf eine Lohnuntergrenze für 1,2 Millionen Arbeitnehmer geeinigt: Ab dem 1. Mai 2012 gilt sie für die rund 900.000 Zeitarbeitnehmer – unabhängig davon, ob sie in einem Betrieb eingesetzt sind oder sich in einer verleihfreien Phase befinden. Außerdem wird es für die Wach- und Sicherheitsbranche und für den Bereich der Aus- und Weiterbildung eine Lohnuntergrenze geben.
Die FDP-Führung hat den Kompromiss am Sonntag einstimmig gebilligt. Guido Westerwelle hat das Ergebnis insgesamt als Erfolg der Liberalen gewertet,
(Lachen von der SPD – Minister Guntram Schneider: Ach du lieber Gott! – Heike Geb- hard [SPD]: Das ist wie Kabarett!)
weil eine Balance zwischen den Interessen der Leistungsempfänger und natürlich auch den Interessen der Steuerzahler gefunden wurde.
Bei der Lösung für die Zeitarbeit wurde festgestellt, dass die Zeitarbeit auch in Zukunft als Jobmotor erhalten bleibt und zugleich vor Lohndrückerei geschützt wird. Sie hätten mit Ihren Vorschlägen, equal pay am ersten Tag einzuführen, die Jobmaschine „Zeitarbeit“ völlig platt gemacht und damit natürlich den Langzeitarbeitslosen in NordrheinWestfalen erheblich geschadet.
Sie können auch gerne zuhören, Frau Ministerpräsidentin. Sie sind herzlich eingeladen. – Er unterstützt zwar die Einigung bei der Zeitarbeit, pocht aber nach wie vor auf den allgemeinen Mindestlohn – wohlwissend, dass er dieses Ziel bei den Verhandlungen mit CDU und FDP aus guten Gründen nicht erreichen kann. Auch die Erhöhung der Regelsätze gefällt unserem Arbeitsminister nicht.
Kurt Beck, der sich für die SPD maßgeblich an der Einigung beteiligt hat, muss erneut klargeworden sein, dass Undank in seiner Partei häufig auch sein eigener Lohn ist. Interessant wäre es auch gewesen zu erfahren, was die Verhandlungsführerin der SPD, Frau Schwesig, von der Kritik aus den eigenen Reihen hält. Sie zeigte sich laut „FAZ“ noch am Montag zufrieden und betonte, dass man Änderungen bei Bildung, Regelsätzen und Mindestlohn versprochen habe, was gelungen sei.
Es gibt also ein sehr differenziertes Bild in der SPD. Wenn Teile der SPD das mühsam erreichte Ergebnis sofort infrage stellen, ist das unfair gegenüber den eigenen Verhandlungsführern und unseriös gegenüber den Verhandlungspartnern anderer Parteien.
Besonders fragwürdig ist das Verhalten der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion der SPD, die dazu geraten hat, die Frage der Regelsätze gleich wieder vor das Verfassungsgericht zu bringen.
Sie sind zwar für das bis heute gültige Gesetz verantwortlich. Das hat sie aber nicht daran gehindert, verfassungsrechtliche Bedenken vorzuschieben und die Verhandlungen in der Nacht zu Montag vorsorglich zu verlassen. Gerade die Grünen, die sich gerne als wahrer Hüter demokratischer Regeln geben, haben eine wichtige Regel der Demokratie verletzt, die besagt, dass man sich nicht auf und davon macht, wenn es brenzlig wird, und dass man kompromissbereit und kompromissfähig sein muss. Fähig, Farbe zu bekennen und auch einmal konkret zu werden, passt wahrscheinlich nicht zur grünen Wellnesspolitik.
Sie haben nicht nur den Verhandlungspartnern vor den Kopf gestoßen, sondern in besonderer Weise auch die Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Die Grünen in NRW legen noch einen drauf, indem sie das Ergebnis vom Sonntag für schlicht nicht zustimmungsfähig halten. Die Grünen waren in dieser Woche die Aussteiger der Woche. Aussteiger werden nicht selten auch zu Absteigern.
(Beifall von der FDP – Sören Link [SPD]: Damit kennen Sie sich ja aus! – Heiterkeit von Serdar Yüksel [SPD] – Rüdiger Sagel [LINKE]: Da sind sie ja in guter Gesellschaft mit Ihnen!)
Seit der Kabinettsitzung am Dienstag wissen wir, dass sich NRW bei der Abstimmung im Bundesrat enthalten will. Das ist für das größte Bundesland ein Armutszeugnis. Glücklicherweise gilt eine Mehrheit für den Kompromiss am Freitag im Bundesrat als sicher.
Aus diesem Anlass möchte ich noch einmal auf die Verhandlungen der letzten zwei Monate zurückblicken. Die Ausgangslage war bekanntlich alles andere als einfach. Die FDP hat sich mehrfach ermahnend zu Wort gemeldet und mehr Vernunft in den Gesprächen eingefordert.
Christian Lindner – gestern noch von Frau Kraft zitiert – hat zum Beispiel deutlich gemacht, dass es nicht um einen Kuhhandel zulasten der Steuerzahler gehen dürfe, sondern dass das Ziel der Reform primär darin bestehe, die Höhe der Regelsätze statistisch sauber zu begründen.
All diejenigen, die sich jetzt bitter darüber beklagen, dass die Regelsätze noch immer zu niedrig seien – dazu gehören auch zahlreiche Sozialverbände –, müssen sich diese Tatsache noch einmal vor Augen führen. Man darf nicht ausblenden, dass das Bundesverfassungsgericht von der Politik keine Erhöhung der Regelsätze, sondern eine transparente Grundlage verlangt hat.
In der Wochenzeitung „Die Zeit“ war am 17. Februar zu lesen, dass es für die Verhandlungsprobleme vor allem zwei Gründe gab: die reformpolitischen Wunden der SPD und der Grünen sowie das sogenannte Superwahljahr mit seinen taktischen Manövern.
Vor allem die über lange Zeit starre Haltung der SPD hat dazu geführt, dass die Empfänger von Hartz-IV-Leistungen schon viel zu lange auf erhöhte Regelsätze und das Bildungspaket für Kinder warten müssen. Im Gegensatz dazu hat sich die FDP dafür ausgesprochen, die neuen Regelsätze sofort auszuzahlen. Dazu hätte es lediglich einer Verwal
tungsvorschrift bedurft, denn das Geld ist im Haushalt eingestellt. Somit existiert eine gesetzliche Grundlage.
Unserer Meinung nach ist es kein gutes Zeichen, wenn die Schwächeren in unserer Gesellschaft zu Leidtragenden des politischen Gezänks und taktischer Spielchen werden.
(Beifall von der FDP und von der CDU – Rüdiger Sagel [LINKE]: Das müssen Sie ge- rade sagen! – Zuruf von Stephan Gatter [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)
Die Enthaltung dieser Landesregierung im Bundesrat wird Nordrhein-Westfalen am Freitag blamieren. Sie schadet den 400.000 Kindern in NordrheinWestfalen im SGB-II-Bezug. Sie enthalten sich bei über 1 Milliarde € Entlastung für die Kommunen pro Jahr.
So eine Landesregierung schadet NordrheinWestfalen. Sie verhält sich politisch unfair und ist für dieses Land unbrauchbar. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Für die Fraktion Die Linke spricht Frau Kollegin Dr. Butterwegge.
Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Zu Beginn meiner Rede möchte ich im ersten Punkt einen Blick zurück wagen, genauer: zurück zum Jahreswechsel
2004/2005. Die neoliberale Agenda-Politik des damaligen Bundeskanzlers Schröder hatte bereits einige Säulen des Sozialstaats in ihren Grundfesten untergraben. Genannt seien nur die Gesundheitsreform 2004 und die Teilprivatisierung des Rentensystems.
Aber nun folgte die größte Systemumwälzung mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die durch Hartz IV als neues, repressives Sicherungssystem ersetzt wurde, welches das vorgebliche Fördern ob des intensivierten Forderns vergaß. Armut per Gesetz wurde hierdurch für Millionen Betroffene festgeschrieben. Die Abkehr vom Anspruch der Lebensstandardsicherung war zugleich ein sozialpolitischer Paradigmenwechsel.
Mit Hartz IV schuf Rot-Grün aber auch ein soziales Sicherungssystem, das den gesamten Arbeitsmarkt unter einen Prekarisierungsdruck gesetzt hat. Erwerbslose müssen seither unabhängig von ihrer Qualifikation alle angebotenen Jobs annehmen. Zudem liegt das Leistungsniveau so weit unter der
Diese Funktion von Hartz IV konnte aber nur in Verbindung mit einem Niedriglohnsektor erreicht werden. Gerhard Schröders Politikziel war die Schaffung eines solchen, dessen Etablierung er sich auf dem Weltwirtschaftsgipfel 2004 in Davos stolz rühmte – Zitat –: