Protokoll der Sitzung vom 17.09.2010

Das tut Frau Kraft im Übrigen nicht erst seit Mittwoch, sondern bereits seit dem Wahltag nicht mehr. Seit dem 9. Mai 2010 hat sie das Wort „Datteln“ öffentlich nicht mehr geäußert. Anscheinend hat sie es aus ihrem Wortschatz gestrichen.

Meine Damen und Herren, umso mehr reden die Grünen ganz offen über ihre Ziele. Sie haben dieses Kraftwerk längst zum Abschuss freigegeben. Durch Minister Remmel und ihren Parteivorsitzenden Lehmann haben sie mehrfach verkünden lassen, dass das Kraftwerk Datteln ihrer Ansicht nach keine Zukunft hat.

Diese Aussage ist im Übrigen vonseiten der SPD unwidersprochen. Stattdessen versucht man – wie auch hier mit dem vorgelegten Entschließungsantrag der Minderheitskoalition –, die Verantwortung auf die Vorgängerregierung abzuschieben, obwohl Sie genau wissen, dass dieser Gerichtsentscheid unerwartet kam und völlig neu war.

Herr Kollege Römer, es wird Ihnen nichts nützen, die Verantwortung wegzudrücken; denn Sie sind

es, die die gesetzliche Grundlage jetzt so verändern, dass dieses Kraftwerk am Ende scheitern wird, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Sie stehen jetzt in der Verantwortung. Sie sind verantwortlich, falls Datteln scheitert und das Image des Investitionsstandortes NordrheinWestfalen deutlich beschädigt wird.

Natürlich ist es richtig, dass ein politisches Bekenntnis keine Rechtsgrundlagen ersetzt. Aber die Investoren und vor allen Dingen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land müssen doch wissen, was diese Landesregierung will. Sie lehnen sich zurück und sagen, die Landesregierung baue keine Kraftwerke. Das stimmt zwar. Aber wenn eine Landesregierung aufhört, politische Unterstützung für Arbeitsplätze zu geben, dann suchen sich Investoren andere Orte, an denen die Unterstützung noch gegeben ist. Aufgrund der Rücknahme des LEP und der Wiedereinführung des § 26 LEPro wird es die Verantwortung dieser Landesregierung sein, wenn am Ende in Datteln eine Investitionsruine im Wert von 800 Millionen € stehen bleiben sollte.

Was die Landesregierung hier verhindert hat, ist 1:1 aus dem Grünen-Wahlprogramm entnommen.

(Ralf Witzel [FDP]: Leider! Das ist schlimm!)

Dazu darf man den Grünen wirklich gratulieren, Herr Kollege Priggen. Sie setzen Ihre Ziele durch. Die SPD macht dieses Spiel auch noch mit und merkt gar nicht, wie überflüssig sie damit wird.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Sie hat ihren Industrieflügel und ihren Arbeitnehmerflügel völlig vernachlässigt und aufgegeben.

(Beifall von der FDP und von Bernhard Schem- mer [CDU])

Meine Damen und Herren, deshalb appelliere ich an dieser Stelle an die Kollegen der SPD: Kommen Sie zum industriepolitischen Konsens in NordrheinWestfalen zurück! Nehmen Sie unseren Antrag als Einladung an, damit wir heute ein klares Signal für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen setzen können! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Herter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wüst und Herr Brockes, es ist zwar interessant, Ihre wortreichen Ablenkungsmanöver anzuhören. Gestern und vorgestern ist hier aber schon öfter etwas über Eigen

tore gesagt worden. Sie setzen sich kritisch mit dem auseinander, was die neue Landesregierung vorhat

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Brockes, ich habe Ihnen doch auch zugehört –, vergessen dabei aber, dass es im Wesentlichen Versäumnisse der alten Landesregierung sind,

(Dietmar Brockes [FDP]: Nein!)

die zu den Situationen geführt haben, in denen wir uns befinden. Grund ist damit auch nicht die Äußerung von Herrn Minister Remmel, wie in Ihrem Antrag behauptet, sondern Ihr katastrophales Versagen im Genehmigungsverfahren.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Wir müssen uns heute nur aus einem einzigen Grund wieder damit beschäftigen. Dieser Grund ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 3. September 2009.

(Zuruf von Manfred Palmen [CDU])

September 2009, Herr Palmen! Es geht also um den Regierungsmurks der alten Landesregierung von CDU und FDP. Nur deshalb droht in Datteln eine Investitionsruine.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Vielleicht sollten Sie zur Kenntnis nehmen, was das Gericht Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat:

Erstens. Der B-Plan der Stadt Datteln mit der Nr. 105 ist deshalb nichtig, weil es nicht stimmt, was Sie als Landesregierung festgestellt haben: dass die entsprechende Planung mit der Landesplanung übereinstimmt. Das haben Sie aber der Stadt Datteln so mitgeteilt.

Zweitens hat das Gericht das Abstandsgebot von 1,5 km zwischen Kraftwerk und Wohnbebauung thematisiert. Auch hier gilt: Im Juni 2006 hat Ihre alte Landesregierung die immissionsschutzrechtliche Unbedenklichkeit bestätigt.

Damit hat das Gericht die beiden wesentlichen Punkte – meines Erachtens richtig und nachvollziehbar – benannt. In Ihrem Regierungsversagen liegt also der Grund dafür, dass das Kraftwerk Datteln jetzt als halbe Investitionsruine in der Landschaft steht.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Herr Kollege Herter, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wüst zulassen?

Ehrlich gesagt, möchte ich das nicht tun, weil ich hier im Zusammenhang erörtern will

(Zurufe von der CDU: Oh! – Manfred Palmen [CDU]: Was für ein Zufall!)

ja, es ist so –,

(Manfred Palmen [CDU]: Sie wissen gar nicht, worum es geht! – Weitere Zurufe von der CDU)

wie wir Ihren Fehler heilen wollen, Herr Wüst. Das tun wir jedenfalls nicht dadurch, dass wir eine Lex E.ON erlassen und damit die Akzeptanz von entsprechenden Planungsverfahren in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich infrage stellen. So werden wir Ihre Fehler nicht heilen; denn so sind Ihre Fehler nicht zu heilen, Herr Wüst.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Herr Laumann hat gestern in Erwiderung auf Frau Kraft sinngemäß gesagt – das ist durchaus interessant –: Es geht um das politische Durchsetzen des E.ON-Kraftwerks Datteln; schieben Sie die Verantwortung nicht auf die Gerichte. – Genau diese Haltung hat das E.ON-Kraftwerk Datteln vor die Gerichte geführt. Genau diese Haltung hat die Nichtigkeitserklärung durch das Oberverwaltungsgericht ausgelöst, weil Sie nach dem Motto vorgegangen sind: Was nicht passt, wird passend gemacht – und das auch noch so dilettantisch, dass es kaum auszuhalten war.

(Zuruf von Manfred Palmen [CDU])

Investitionssicherheit fußt, meine sehr verehrten Damen und Herren – Herr Palmen, Sie als Jurist wissen das ganz sicher –, auf rechtssicheren Genehmigungen und nicht auf politischen Lippenbekenntnissen, wie Sie sie heute hier im Landtag verlangen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Für Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP – ich befasse mich ja mit Ihnen, Sie müssen nicht dazwischenbrüllen –, hält das OVG-Urteil noch eine andere Botschaft bereit: Politischer Durchsetzungswille steht eben nicht über Recht und Gesetz. Politischer Durchsetzungswille äußert sich darin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Projekte mit gerichtsfesten Genehmigungsverfahren zu begleiten. Genau das ist der Stadt Datteln zugesagt und auch im Koalitionsvertrag sowie im Entschließungsantrag der beiden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen festgehalten worden.

Aber darum geht es Ihnen in Wahrheit gar nicht. Nachdem Sie E.ON selbst in die Lage gebracht haben, in der E.ON jetzt ist, wollen Sie nicht nur diese Situation der neuen Landesregierung in die Schuhe schieben, nein, Sie besitzen auch noch die Frechheit, den Popanz einer angeblichen Industriefeindlichkeit aufzubauen. Sie haben das industriepolitische Klima in diesem Land versaut: indem

das Genehmigungsverfahren nicht ordentlich durchgeführt worden ist.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Jetzt, Herr Palmen, ist das Ganze ein Spiel mit dem Feuer,

(Zuruf von Manfred Palmen [CDU])

mit den Zukunftschancen des Industriestandorts NRW, bei dem es nur Verlierer geben kann, vor allem unter denjenigen, die Arbeitsplätze in NRW schaffen sollen.