Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

(Zurufe von der FDP)

Trotzdem und trotz aller Kuriositäten will ich an der Stelle dankbar sagen: Die Farbe der Landesregierung – das ist klar – ist rot-grün. Es gibt natürlich einiges, was wir zu dem Thema und zu den unterschiedlichen Positionen besprechen können.

Das können Sie hier in Nordrhein-Westfalen einer Landesregierung, die sich ganz eindeutig zum Asylpaket II bekannt hat, die ganz deutlich von dieser Bundesregierung die Umsetzung fordert, und uns nicht allen Ernstes vorwerfen. Sie müssten sich vielleicht – das will ich jetzt tun – mit diesen zahlreichen gut gemeinten, nein, bösartig gemeinten Vorschlägen, die immer wieder in die Diskussion eingeworfen werden, beschäftigen, zum Beispiel mit dem Plan A2. Ich glaube, was Frau Klöckner da hatte, ist kein Plan.

(Simone Brand [PIRATEN]: Das ist Schwachsinn!)

Es gibt immer wieder Menschen, denen nach dem Genuss von Umfrageergebnissen die rationalen Lösungen abhandenkommen, denn das, was Frau Klöckner vorschlägt, ist nach meiner Meinung und nach der Meinung meiner Fraktion nichts anderes als – ich drücke es einmal biblisch aus – alter Wein in neuen Schläuchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Klöckner hat den Kritikern in der CDU und in der CSU vor einer Woche noch den Rat erteilt: „Einfach mal die Klappe halten.“ Dazu sage ich: Diesen Rat hätte sie besser

selbst berücksichtigt anlässlich ihrer Vorschläge. Denn was fordert die Dame? Tagesaktuelle Werte. – Das ist eine neue Umschreibung für Obergrenzen.

Wenn Humanität gilt, gilt sie nicht nur bis zu 200.000 Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, sondern sie gilt auch für den 200.001. Menschen, der bei uns ankommt und weit darüber hinaus. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen hier nicht darüber diskutieren, wie wir die Anzahl der Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, begrenzen,

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

sondern wir müssen über Fluchtursachen reden. Wir müssen über gerechte Verteilung auf EU-Ebene reden. Und wir müssen natürlich auch über die Tatsache reden, wie wir die Außengrenzen unserer EU definieren,

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

wobei „schützen“ in diesem Zusammenhang immer ein schwieriger Begriff ist.

Lassen Sie mich darüber hinaus an der Stelle etwas zu der Frage – wie nennt die Dame das – der Grenzzentren sagen. Das haben wir auch schon gehabt. Das hieß damals „Transitzonen“. Das ist Unfug, war Unfug und wird Unfug bleiben.

Man sollte angesichts der aktuellen Zahlen einmal hochrechnen: Wenn jeden Tag ca. 3.000 bis 4.000 Menschen kommen, bedeutet das, dass wir innerhalber kurzer Zeit von 75.000 Leuten sprechen, die man dann grenznah unterbringen soll. Allein das zeigt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das größtmöglicher Unsinn ist und nicht dazu dient, an der Stelle die Debatte zu versachlichen. Vielmehr leiten diejenigen, die das fordern, Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber – das war gestern kaum zu überbieten – bei der Union gilt im Augenblick offensichtlich der Grundsatz: Schlimmer geht immer. – Denn das, was sich Herr Seehofer im Schriftverkehr herausnimmt, nach dem Motto „Mahnschreiben unter Fristsetzung mit

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Ablehnungsan- drohung!)

Ablehnungsandrohung, andernfalls Prozess am Hals“,

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

zeichnet ein Bild von der Regierungsfähigkeit von Teilen der Union: Das ist eine Katastrophe.

Obergrenzen, Grundgesetzänderungen, verstärkter Einsatz der Bundespolizei an der bayerischen Grenze zum Zwecke verstärkter Zurückweisung,

anderenfalls sehen wir uns vorm Verfassungsgericht wieder. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre einer Opposition unwürdig, so vorzugehen. Wenn das ein Teil der Bundesregierung veranstaltet, halte ich das für einen ganz, ganz schwierigen Vorgang. Rechnerisch kann ich Herrn Oppermann und anderen nur recht geben: Man kann zur Not in Berlin auch ohne die CSU regieren.

(Beifall von der SPD)

Aber nun zurück zur Frage der FDP: Was wollen wir an der Stelle denn in Nordrhein-Westfalen machen, außer gemeinsam Vorschläge zu unterstützen, die vernünftig sind, und uns auf nationaler Ebene zu einigen. Dass dann immer wieder andere Sand ins Getriebe schütten,

(Zurufe von der FDP)

kann man das doch dieser Landesregierung nicht vorwerfen.

Lassen Sie mich – das ist von Herrn Dr. Stamp angesprochen worden – noch etwas zu der Frage sagen, wie repräsentativ drei Ortsvereine für die deutsche Sozialdemokratie sind, insbesondere unter dem Aspekt der kommunalen Hintergründe. Ich glaube, wir haben in diesem Parlament, wir haben als SPD auf Bundesebene auf unserem Bundesparteitag, wir haben als nordrhein-westfälische Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an der Eindeutigkeit unserer Haltung niemals Zweifel aufkommen lassen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Ministerpräsidentin dafür, dass sie das noch einmal sehr deutlich gemacht hat.

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Sie sollten hier nicht herummosern und versuchen, sich irgendwo als satisfaktionsfähige Partei einzuklagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Vielmehr sollten Sie die Haltung unserer Landesregierung und damit die NRW-Position, die meiner Ansicht nach die einzig vernünftige ist, unterstützen, statt uns hier mit unsinnigen Debatten die Zeit zu stehlen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Kuper.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist mit „Uneinigkeit der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik“ überschrieben. Dieser Titel ist aber nur teilweise korrekt; denn die Bundesregierung ist sich einig. Fraktionen, Parteien und die Öffentlichkeit diskutieren. Meine ehrliche Meinung ist: Das ist gut so. Wir leben Gott sei Dank in einer Demokratie. Eines ihrer Wesensmerkmale ist die freie Meinungsäußerung und die Diskussion über wichtige Inhalte.

Gleichwohl erwarten unsere Bürgerinnen und Bürger, dass den Worten alsbald Taten folgen. Daran sollten alle in unserer Republik konstruktiver arbeiten. Daher müssen auch Sie in der Landesregierung Farbe bekennen. Insoweit gebe ich der Überschrift und dem Titel der Aktuellen Stunde recht.

(Beifall von der CDU)

Wenn wir unserer Bevölkerung in der gegenwärtigen Flüchtlingskrise schnelle Lösungen suggerieren, werden wir noch mehr Enttäuschungen herbeiführen. Enttäuschungen führen dazu, dass sich Menschen von Politik abwenden oder gar radikalen Kräften zuwenden.

Nichtsdestotrotz muss über den Umgang mit der Flüchtlingskrise diskutiert werden.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das ist eine Po- litikkrise!)

Dabei muss man aber auch sehen, was bereits angepackt wurde. In den letzten Wochen und Monaten ist eine Menge passiert. Hier zeigen sich auch erste Wirkungen bei der deutlichen Reduzierung der Flüchtlingszahlen.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Von in Spitzenzeiten 8.000 eintreffenden Flüchtlingen am Tag sind die Zahlen aktuell auf 650 eintreffende Flüchtlinge am Tag gesunken. Das ist gut so. Das gilt es nachhaltig zu stabilisieren.

(Beifall von der CDU – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Wie denn?)

Keinen Streit und keine wirkliche Diskussion gibt es über das eigentliche Ziel in der Flüchtlingspolitik. Es besteht nämlich Einigkeit über das Ziel, eine spürbare, dauerhafte, nachhaltige Reduzierung der Flüchtlingszahlen zu erreichen; denn jeder muss anerkennen, dass die Belastungen für Länder, Städte, Gemeinden und Hilfsorganisationen sowie Bürgerinnen und Bürger ansonsten zu groß werden.

Die SPD und die grün-rote Landesregierung praktizieren aber Ablehnung und Verweigerung gegenüber jeglichen neuen Vorschlägen, ohne eigene substanzielle Beiträge zu leisten.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

Sie hier in NRW machen es Kommunen und Hilfsorganisationen keineswegs leichter. Im Gegenteil: Sie erschweren es an vielen Stellen.

(Beifall von der CDU)

Ich nenne einige Beispiele. Mit Ihrer Entscheidung in 2014, die Erstaufnahme nicht in landeseigenen Immobilien durchzuführen, sondern die Gebäude per Ordnungsverfügung im Wege der Amtshilfe von Kommunen zu akquirieren, haben Sie den Kommen in NRW 50.000 Plätze zur dauerhaften integrativen Unterbringung weggenommen und eine Doppelbelastung für die NRW-Kommunen verursacht.

(Beifall von der CDU)

Mit Ihrer bisherigen Entscheidung – ebenfalls aus 2014 –, die aus sicheren Herkunftsländern eintreffenden Westbalkanflüchtlinge – Ausnahme: Albaner – in die Kommunen weiterzuleiten, anstelle sie, wie beim Bund-Länder-Flüchtlingsgipfel vereinbart, in zentralen Landeseinrichtungen zu belassen, haben Sie geschätzt 30.000 Menschen in die Kommunen hineingegeben, die asylrechtlich ohne jede Bleibeperspektive sind. Damit haben Sie in den Kommunen aber die Integrationskapazitäten sehr stark zusätzlich beansprucht.

(Beifall von der CDU)

Ein weiterer Punkt: Ihre ungleiche und ungerechte Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen innerhalb Nordrhein-Westfalens haben Sie erst jetzt auf massive Kritik hin korrigiert. Damit haben Sie dazu beigetragen, dass kreisangehörige mittlere und kleinere Kommunen in NRW überfordert worden sind und 30.000 Menschen zu viel aufnehmen mussten.

Fazit: Die Aufnahmebelastung für unsere Gemeinden und Hilfsorganisationen hätten Sie als Landesregierung um ein Drittel reduzieren können. Hier haben Sie wieder einmal mehr eine Chance für uns in NRW verpasst.