Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Flankierend benötigen wir in Nordrhein-Westfalen ein Sicherheitskonzept für den ÖPNV in Gänze, welches auch die neuen Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit abdeckt und ihnen gerecht wird. Ein solches Konzept sollte die Landesregierung zügig gemeinsam mit den Zweckverbänden erarbeiten.

Die Landesverkehrswacht Nordrhein-Westfalen hat die „Vision Zero“. Das heißt, kein Mensch soll zukünftig mehr im Straßenverkehr ums Leben kommen. Dies liegt in weiter Ferne und ist noch unerreichbar. Ein ähnliches Ziel wünsche ich mir jedoch für den ÖPNV: Kein Mensch soll mehr in Bussen, Bahnen, S-Bahnen, U-Bahnen und Straßenbahnen überfallen werden. Es lohnt sich, auch an dieser Vision zu arbeiten. Wir alle wollen erreichen, dass mehr Menschen vom Auto auf den ÖPNV umsteigen, aber das wird nur gelingen, wenn man sich in Bus und Bahn sicher fühlt.

Fahrgäste, Zugbegleiter und Fahrpersonal in Nordrhein-Westfalen erwarten von der Landesregierung schnelle Maßnahmen für mehr Sicherheit in Bus und Bahn. Bitte übernehmen Sie Verantwortung und tragen Sie unseren Antrag mit. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rehbaum. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Löcker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus einem VRR-Bericht aus dem letzten Jahr geht hervor, dass die Anzahl der Gewalttaten in Bussen und Bahnen nicht zugenommen hat, dass die Übergriffe aber durchaus hier und da brutaler geworden sind. Trotzdem fühlen sich die Fahrgäste – so ist es nachzulesen in dem Bericht aus dem letzten Jahr – relativ sicher.

Die Anzahl der Übergriff im ÖPNV ist im vergangenen Jahr stabil geblieben; auch das kann man

nachlesen. Einige Beispiele: In Essen kamen im Jahre 2015 auf 120 Millionen transportierte Fahrgäste 200 Straftaten. Wir sind uns einig, dass es 200 zu viel sind; das ist völlig klar.

Die „Kooperation östliches Ruhrgebiet“, also Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG, Dortmunder Stadtwerke und weitere, mit über 370 Millionen transportierten Fahrgästen im Jahr 2015 – spricht auf Anfrage von einem zunehmend raueren Klima. Entgleisungen und Respektlosigkeiten gegenüber Fahrgästen und auch Personal sind an der Tagesordnung. Insgesamt spricht die „Kooperation östliches Ruhrgebiet“ in ihrem Bericht aber auch davon, dass Vorfälle von Vandalismus und die Zahl der Übergriffe zurückgegangen sind.

Somit stellt sich die Frage: Warum ist das so? Es lohnt sich ein Blick in die entsprechenden Geschäftsberichte der Unternehmen.

Das Prinzip „Der Fahrgast soll sich betreut und potenzielle Täter beobachtet fühlen“ ist schon lange Alltag in den Verkehrsunternehmen, in den Bussen, Bahnen und Straßenbahnen. Der kontrollierte Vordereinstieg, Videoanlagen in allen Bussen und Bahnen, die sogenannte Überfalltaste, Herr Rehbaum, die Livebildschaltung bei Übergriffen in die entsprechenden Leitstellen, das zertifizierte Deeskalationstraining mit der Polizei und den Polizeipräsidien vor Ort für alle Fahrerinnen und Fahrer zur Konfliktvermeidung sind Alltag in den Unternehmen. Ich erwähne auch die Ausbildung von Beschäftigten, die Schaffnerinnen und Schaffner werden können,

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

und das Begleitpersonal. All diese Aktivitäten kann man in den Geschäftsberichten nachlesen.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Was bleibt also von Ihren Vorschlägen als sogenanntes Vorsorgeprogramm für mehr Sicherheit in Bussen und Bahnen?

Jetzt kommen Sie mit Ihrem Vorschlag zum Einbau geschlossener Fahrerschutzkabinen hinzu. Da sage ich: Hätten Sie sich lieber mal in den Verkehrsunternehmen informiert. Da ist die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG nach zehn Jahren Einsatz von Fahrerschutzkabinen bereits weiter. Weniger Sicherheit für Fahrerinnen und Fahrer und auch für Fahrgäste, und daher wurde das Ganze wieder abgeschafft.

Im Jahr 2008 hat das Land das KompetenzCenter Sicherheit mit eigenen Mitteln auf den Weg gebracht. Das KompetenzCenter Sicherheit ist Dienstleister für die Verkehrsunternehmen, für alle, die mitmachen und die Akteure sind. Es berät die Unternehmen dahin gehend, dass ihre Programme auch Wirkung zeigen. Ich denke, die Mittel des Landes für das KompetenzCenter als Wissensbörse sind gut angelegt. Wir merken: Es wirkt.

Dennoch sage ich hier klar und deutlich: Mehr ist möglich und mit Blick auf die Entwicklung auch nötig. Sicherheit in Bussen und Bahnen ist aber vor allem Aufgabe der kommunalen Verkehrsunternehmen und der Deutschen Bahn, je nachdem, wer Akteur ist. Wenn die Deutsche Bahn mehr Videokameras auf Bahnsteigen installieren will, dann muss sie das sagen und auch dafür sorgen. Es ist politisch gut gemeint, wenn das hier vorgeschlagen wird. Meiner Meinung nach geht es jetzt darum, diese Aktivitäten im KompetenzCenter Sicherheit zusammenzubringen.

Im nächsten Jahr und darüber hinaus wird mehr Geld dafür zur Verfügung stehen, dass wir schwerpunktmäßig die Überwachung ausbauen. Das muss doch das Prinzip sein. Es kann doch nicht sein, dass wir landesweit flächendeckend überall entsprechende Anlagen aufstellen und meinen, damit hätten wir unseren Job erledigt. Vielmehr müssen wir mehr miteinander reden.

Einer Überweisung in den Fachausschuss hätten wir gerne zugestimmt, Herr Rehbaum. Das sage ich Ihnen offen; denn ich glaube, dass die Diskussion nötig und richtig ist. Aber dafür waren Sie heute leider nicht zu gewinnen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Löcker. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Beu.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele Faktoren tragen zu einem gelingenden öffentlichen Personenverkehr bei. Dafür braucht es eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Verkehrsverbünde brauchen Informationen über das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer, um attraktive Angebote anbieten zu können. Wir brauchen einen funktionierenden Wettbewerb der Verkehrsunternehmen.

Derzeit reden wir im Verkehrsbereich viel über weitergehende Zusatzleistungen für die Kundinnen und Kunden. Aber es ist noch mehr: DB AG und GDL verdanken wir die nicht neue Erkenntnis, dass das Wetter und das Personal, dass die Kolleginnen und Kollegen auf der Lok und am Lenkrad, im Stellwerk und an den Gleisen für das Gelingen des Fahrbetriebs essenziell sind.

Doch es braucht vor allem eines: Geld. Denn alles steht und fällt mit einer auskömmlichen Finanzierung des öffentlichen Personenverkehrs. Hier will ich die Aufzählung beenden, auch wenn ich weit von Vollständigkeit entfernt bin. So viele Faktoren braucht es für einen guten öffentlichen Personenverkehr.

Nun haben die Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion einen zweifelsohne sehr wichtigen Punkt aus dieser großen Vielzahl herausgepickt und dazu einen Antrag gestellt. Als regelmäßige Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Verkehrs ist den Damen und Herren der antragstellenden CDU-Fraktion die dortige Sicherheit ganz besonders wichtig. Dies kann ich durchaus nachvollziehen.

Das ist jedoch ein altes und nicht per Verordnung lösbares Problem. Ich persönlich kann mich noch gut an eine Heimfahrt von einem Fußballspiel eines rheinischen Vereins erinnern, der damals noch auf europäischer Ebene gegen einen Klub aus Schottland spielte. Damals flogen nicht nur Scheiben aus der KVB-Bahn. Das Ganze ist aber 35 Jahre her.

Es verwundert schon ein wenig, dass die antragstellende Fraktion gerade jetzt das Thema wieder in den Fokus stellt. Wie bereits gesagt, ist die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln ein immerwährendes, ernstzunehmendes und wichtiges Thema sowohl für die Fahrgäste als auch für das Personal.

Schauen wir uns also die vier Forderungen im Einzelnen an.

Da wäre erstens ein „Sofortprogramm für mehr Sicherheitspersonal“.

Die Ausstattung mit und der Einsatz von Sicherheitspersonal im Schienenpersonenverkehr werden seit vielen Jahren von den Zweckverbänden in den Vergabeverträgen mit den Verkehrsunternehmen vertraglich festgeschrieben. Das ist zudem laut Gesetz eine Aufgabe der kommunalen Hoheit. Sollen wir als Landesgesetzgeber die kommunale Selbstständigkeit vom Tisch fegen und etwas von oben herab flächendeckend anordnen? Das würden sich zuerst Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde lautstark verbitten. So kenne ich sie zumindest in den Gremien der Aufgabenträger.

Anders verhält es sich lediglich bei Anlagen der Deutschen Bahn. Durch die unterlassene Unterhaltung etlicher Bahnhöfe und Bahnsteige durch das Bundesunternehmen in NRW – an manchen Orten kann man fast von Verwahrlosung sprechen – entstanden erst die zu kritisierenden Angsträume. Gleichzeitig wurde das Bahnpersonal flächendeckend zurückgezogen.

In diesem Zusammenhang könnte man auch die Rolle der Bundespolizei erwähnen, welche für die Sicherheit an den Bahnhöfen zuständig ist. Das blendet die CDU hier aus; vielleicht weil Antworten auf die Frage nach der Personalausstattung der Bundespolizei die Bevölkerung verunsichern könnten.

Die zweite Forderung ist ein „Sicherheitskonzept für den ÖPNV in NRW“. Da haben wir die gleiche Situation. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Verkehrsverbünde und fördert das KompetenzCenter Sicherheit, das gute Arbeit macht. Hier werden

Daten von Verkehrsunternehmen über sicherheitsrelevante Vorfälle zusammengeführt. Anhand derer können die Sicherheitspartner vor Ort adäquat auf Probleme reagieren und diese lösen. Damit ist eigentlich auch die Forderung der FDP nach Unterstützung von Ordnungspartnerschaften landesseitig bereits erfüllt. Vielleicht wäre es hilfreich, die Verkehrsunternehmen und kommunalen Aufgabenträger noch einmal gesondert auf diese Möglichkeiten hinzuweisen.

Bei der dritten Forderung nach einem „Testprogramm für Fahrerschutzkabinen“ fühlt man sich gedrängt zu fragen, ob der CDU das Wohl der Fahrgäste weniger schützenswert erscheint als das der Fahrerinnen und Fahrer.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Boah!)

Um aber bei der Sache zu bleiben, möchte ich hinzufügen: Fahrerschutzkabinen sind ein Thema, das wir schon verschiedentlich diskutiert haben. Das ist auch eine Aufgabe, die die Arbeitgeber, nämlich die Verkehrsunternehmen, nach § 618 Abs. 1 BGB selber lösen müssen. Sie haben darüber dann in Gesprächen mit den Betriebsräten und auch den anderen Playern vor Ort jeweils im Einzelfall zu entscheiden, und das wollen und werden wir hier auch nicht zentral landesweit regeln. Ich möchte wiederum feststellen, dass es keine Lösung von oben herab gibt, die für alle passt und die man verordnen kann.

Kommen wir zum nächsten Thema.

Herr Kollege Beu, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Rehbaum würde Ihnen gern eine Frage stellen.

Ja, wenn die Zeit angehalten wird, gern.

Ja, die wird immer angehalten. Das ist gar keine Frage.

Vielen Dank, dass ich diese Frage stellen darf. – Die Aussage, wir könnten von oben herab nichts anordnen, die Sie schon mehrfach getroffen haben, passt natürlich nicht zu dem, was Sie ansonsten alles gern von oben, von Landesseite, anordnen. Es geht an dieser Stelle auch nicht um eine Anordnung, sondern um die Möglichkeit

(Dietmar Bell [SPD]: Frage!)

ja, ja –, zum Beispiel ein Testprogramm für Fahrerschutzkabinen oder zusätzliches Zugbegleitpersonal zu finanzieren. Sind Sie sicher – jetzt stelle ich die Frage –, dass die Verkehrsunternehmen ausreichend vom Land finanziert sind, um zusätzliche Sicherheit zu schaffen?

Sie wissen doch selber, Herr Rehbaum, dass die entsprechenden kommunalverfassten Aufgabenträger selber bestimmen können, was sie mit den durchgereichten Regionalisierungsmitteln anfangen.

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Sie hätten letztendlich auch die Möglichkeit, in den Ausschreibungen entsprechendes Sicherheitspersonal nicht nur für die Abendstunden – das wird schon heute in den meisten Verkehrsverbünden praktiziert –, sondern auch für andere Zeiten vorzugeben. Dass sie dann unter Umständen nur Angebote bekommen, die ungünstiger sind als die heutigen, muss in den zuständigen Gremien diskutiert werden. Das heißt, Gelder stehen im Prinzip zur Verfügung.

(Henning Rehbaum [CDU]: Genug!?)

Wie die Gelder eingesetzt werden, Herr Rehbaum, ist dann Sache der Aufgabenträger. Das ist gesetzlich auch so geregelt.

Die vierte Forderung schließlich erledigt sich von selbst, denn sie ist bereits heute erfüllt. Wir haben schon heute eine „Förderung der Videoüberwachung im ÖPNV“ durch das Land NRW. Auch die Verkehrsunternehmen sind großflächig aktiv geworden. Sie haben in Kameras und Videoanlagen für Bahnen und Busse, Bahnsteige und Aufzüge investiert. Wir konnten vor Ort selbst feststellen, dass trotzdem die Privatsphäre und der Datenschutz gewährleistet sind. Dies funktioniert. Ich sage nur zur Erinnerung: Maßnahmen der Sicherheit sind nach dem ÖPNV-Gesetz NRW explizit förderungsfähig.