Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Vielen Dank, Frau Kollegin Warden. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Kerkhoff.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema „Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherungen“ ist im Koalitionsvertrag der Großen Koalition im Bund Folgendes festgehalten – ich zitiere –:

„Der allgemeine paritätisch finanzierte Beitragssatz wird bei 14,6 Prozent festgesetzt, der Arbeitgeberanteil damit bei 7,3 Prozent gesetzlich festgeschrieben.“

Ich sage Ihnen: Das, was dort vereinbart wurde, gilt. Es gilt für diese Wahlperiode in Berlin. Deshalb geht auch der Hinweis an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, an dieser Stelle vertragstreu zu sein.

(Beifall von der CDU)

In der Ausschusssitzung in der vergangenen Woche hat Minister Schmeltzer bei einem anderen Thema ausdrücklich Wert darauf gelegt, vertragstreu zu sein. Das gilt auch hier. Deshalb gibt es überhaupt keinen Bedarf, an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt darüber zu diskutieren. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kerkhoff. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Ünal.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Eine faire Lastenverteilung der Kosten für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh

mern sowie Arbeitgebern ist für uns ein wichtiges Thema.

Eine Wiederherstellung der paritätischen Beteiligung an den Beiträgen der gesetzlichen Krankenversicherung ist angezeigt, sonst tragen ausschließlich die Versicherten die Last steigender Versicherungsbeiträge. Dabei ist die paritätische Finanzierung ein hohes Gut, das bereits 1951 in der Finanzierung der Sozialversicherungen verankert worden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Reihe gesetzlicher Änderungen hat dazu geführt, dass wir heutzutage überhaupt keine paritätische Finanzierung der Krankenversicherungen mehr haben. Zuerst wurde 2015 der allgemeine Beitragssatz auf 14,6 % festgesetzt. Somit ist der Arbeitgeberanteil auf 7,3 % festgelegt.

Aber mit diesen Änderungen haben die Kassen die Möglichkeit bekommen, dass sie, wenn sie mit diesen Beiträgen nicht klarkommen, einkommensunabhängige Zusatzbeiträge erheben. Einige Krankenkassen haben diese Zusatzbeiträge entweder jetzt schon erhoben oder angekündigt, das zu machen. So gesehen ist es nicht gerecht, dass man einseitig die Versicherten mit diesen Zusatzbeiträgen belastet.

Ohne diese Änderung würde die einseitige finanzielle Belastung der Versicherten in der Zukunft zunehmen; denn in den kommenden Jahren werden auch die Zusatzbeiträge erheben. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen rechnet mit Zusatzausgaben von bis zu 12 Milliarden € bis 2019. Diese 12 Milliarden € müssen alleine die Versicherten tragen. Das ist ungerecht. Deswegen muss man wieder zu der paritätischen Finanzierung zurückkehren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits mit dem Koalitionsvertrag in NRW haben die Grünen und die SPD das Thema der gerechten und solidarischen Finanzierung der Krankenversicherung auf die Agenda gesetzt. Hierzu gehört neben der paritätischen Finanzierung auch die Weiterentwicklung der solidarischen Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Richtung einer Bürgerversicherung.

Die Landesregierung in NRW hat deshalb folgerichtig die Forderungen nach einer fairen Lastenverteilung bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung längst aufgegriffen und gemeinsam mit anderen Bundesländern einen entsprechenden Entschließungsantrag vorgelegt, wie die Kollegin Warden vorgetragen hat.

Damit vollzieht die rot-grüne Landesregierung einen wesentlich weitergehenden und konsequenteren Schritt, als es der Herr Abgeordnete Schwerd in seinem Antrag vorgeschlagen hat. Diese parlamentarische Initiative ist gut gemeint, aber auch überholt. Wir werden die Landesregierung natürlich bei der Bundesratsinitiative unterstützen und in diese

Richtung weitergehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag springt auf den SPD-Zug auf, der bereits fährt, wie wir eben gehört haben. Die SPD fordert wieder einmal eine hälftige Finanzierung der vollständigen Beiträge durch die Arbeitgeber. Kurz vor den drei Landtagswahlen wird jetzt also eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, und das gesamte linke Lager holt wieder die alte Klamotte einer sogenannten Bürgerversicherung hervor.

(Beifall von der FDP)

Das wäre aber der völlig falsche Weg. Sie wollen eine Einheitsversicherung. Sie wollen die noch vorhandenen Reste eines Preiswettbewerbs nivellieren, indem Sie das Preissignal eines Zusatzbeitrages verwässern. Sie wollen mit der privaten Krankenversicherung das einzige System abschaffen, das sich durch die Bildung von Altersrückstellungen auf den demografischen Wandel vorbereitet. Sie wollen Arbeit mehr belasten und riskieren so Beschäftigung.

(Beifall von der FDP)

Sie verkennen dabei, dass Arbeitnehmer mit ihrer Arbeitsleistung den gesamten Bruttolohn einschließlich Lohnnebenkosten erwirtschaften müssen.

Wenn Sie von Parität reden, vergessen Sie, dass die Beiträge von Minijobs oder die Entgeltvorzahlung im Krankheitsfall auch allein von den Arbeitgebern getragen werden.

Die FDP-Fraktion findet diesen Antrag populistisch. Ich kann ihn außerdem nicht ernst nehmen. Zustimmen werden wir ihm auch nicht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Sommer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen – nicht mehr ganz so viele auf der Tribüne, dafür hoffentlich mehr im Stream!

Lieber Daniel Schwerd, inhaltlich stimmen wir in vielen Dingen überein. Das einzige Problem ist: In diesem Antrag wird gefordert, die Landesregierung zu

beauftragen, eine Bundesratsinitiative zu starten. Das haben wir jetzt schon x-mal gehört. Diese gibt es aber dummerweise schon, und zwar mit genau der gleichen Zielrichtung. Es macht also keinen Sinn, die Landesregierung aufzufordern, das zu tun, was sie sowieso gerade macht.

Ich bin gerne dabei, der Landesregierung irgendwelche Versäumnisse vorzuhalten – davon gibt es genug –, aber gerade an dem Punkt macht es keinen Sinn, weil sie da schon unterwegs ist. Das Einzige, was sie bis jetzt nicht gemacht hat, ist, im Bundesrat für eine Mehrheit zu sorgen. Das ist, glaube ich, auch relativ schwierig.

Herr Kollege Kerkhoff hat gerade auf Vertragstreue gepocht. Ich würde übrigens darauf bestehen, dass die CDU das immer macht. Ich hatte vorhin schon eine UN-Charta zu Wohnsitzauflagen zitiert.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Bei internationalen Verträgen pocht die CDU nicht auf Vertragstreue.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Das gilt bei mir nur für Koalitionsverträge!)

Die Vertragstreue gilt also nur für Koalitionsverträge. Ich werde nie ein Auto bei euch kaufen.

(Beifall von den PIRATEN)

Lieber Daniel Schwerd, inhaltlich gehen wir d'accord. Es wird im Bundesrat wahrscheinlich keine Mehrheit dafür geben. Die Landesregierung hat sich trotzdem auf den Weg gemacht. Es wird jedoch an der Blockadehaltung des großen Koalitionspartners im Bund scheitern. Auch das kann man der Landesregierung schwerlich vorhalten. Daher empfehle ich, den Antrag abzulehnen, weil er leider überflüssig ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Steffens.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit,

Emanzipation, Pflege und Alter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, der Antrag ist überflüssig. Damit will ich auch gern in das Thema einsteigen.

Herr Kollege, mit ein wenig Internetaffinität hätten Sie die Bundesratsdrucksache schon längst finden können. Seit dem 12. Januar sind auch schon die Meldungen im Netz erhältlich, dass Reinland-Pfalz diese Initiative ergriffen hat. Sie haben Ihren Antrag viel zu spät gestellt. Er kann keine Zustimmung finden, weil wir dies schon lange gemeinsam mit anderen Bundesländern – Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Thüringen – auf den Weg gebracht haben.

Es ist trotzdem schön, dass die Zahl der Kritiker an der unfairen Lastenverteilung in der GKV weiter wächst. Ich freue mich auch darüber, dass der eine oder andere aus den Reihen dabei ist, die dies bisher nicht kritisiert haben.

Herr Kerkhoff, es ist übrigens spannend, dass Sie hier sagen, das sei ein Vertragsbruch, wohingegen Karl-Josef Laumann im Bund mit der CDA ganz massiv eine Rückkehr zur Parität fordert. Zum Glück gibt es dann wenigstens den einen oder anderen in der CDU,

(Beifall von den GRÜNEN)

der die Dimension dessen, wie sich die GKVBeiträge den letzten Jahren entwickelt haben, versteht.

Deswegen ist es wichtig, dass wir diesen Antrag so stellen. Er ist auf Bundesebene aus verschiedenen Gründen, nämlich wegen der Rückkehr zur Parität, von besonderer Bedeutung und Notwendigkeit.

Herr Kerkhoff, Sie reden davon, dass man sich an Verträge halten müsse. Man muss aber auch einen Blick zurückwerfen und fragen, was in den letzten Jahren passiert ist. Es gab die unterschiedlichsten Reformen auf Bundesebene, die dazu geführt haben, die Parität schrittweise auszuhebeln. Zumindest gab es dann noch ein System, in dem die versicherungsfremden Kosten auf Bundesebene in einen Fonds eingezahlt worden sind. Aber auch die vorhandenen Rücklagen und das, was eine schnelle Einführung von Zusatzbeiträgen verhindert hätte, sind in anderer Weise verfrühstückt worden.