Protokoll der Sitzung vom 02.03.2016

Sie haben deswegen zwei Kronzeugen für sich benannt.

Der erste Kronzeuge ist ein Institut, von dem ich gerade gehört habe, dass Sie es dann auch noch selbst beauftragt haben. Dieses Institut erklären Sie in Ihrem Antrag dann gleich zu der Wissenschaft. Die Meinung eines Institutes ist die Meinung eines Institutes, aber nicht unbedingt der gesamten Wissenschaft.

(Ralf Witzel [FDP]: Haben Sie eine andere Si- mulationsrechnung durchgeführt?)

Vielleicht würden Sie bessere Anträge vorlegen, wenn Sie sich gelegentlich einmal die Mühe machen würden, zuzuhören. – Vielleicht hätten Sie auch einmal erwähnen können, dass genau dieses Institut zum Beispiel die Abschaffung des Umsatzsteuervorwegausgleichs ausdrücklich gelobt hat – eine Position, die auch diese Landesregierung immer vertreten hat.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Der zweite Kronzeuge, den Sie dann bemühen müssen, ist Wolfgang Schäuble. Da schlagen Sie sich also in der Debatte wieder einmal auf die Seite der Bundesinteressen, wie Sie es immer tun, und bleiben nicht auf der Seite der Länder und Nordrhein-Westfalens. Sie reden nämlich ständig gegen die Interessen dieses Bundeslandes und tun das in diesem Punkt ausdrücklich auch wieder.

Es stellt sich die Frage: Warum sind Sie hier auf einer politischen Geisterfahrt gegen alle anderen? Das hat aus meiner Sicht insbesondere zwei Gründe.

Zum Ersten reduzieren Sie diese Debatte ausschließlich auf die Frage „Wer hätte denn mehr Geld oder noch mehr Geld bekommen können?“ und blenden, wie Sie es bei allen Themen tun, das Thema „Gerechtigkeit und Solidarität“ vollkommen aus.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Als Land haben wir immer wieder gesagt: Wir sind bereit, schwächere Länder zu unterstützen. Wir wissen, dass schwächere Länder Unterstützung brauchen, und wollen dies tun. – Das findet sich jetzt auch in diesem Kompromiss wieder. Das ist richtig so. Aber Ihnen ist das augenscheinlich egal.

Zum Zweiten sind Sie auf Ihre eigene Rhetorik hereingefallen. Sie haben sich so lange eingeredet, Nordrhein-Westfalen sei ein schwaches Land, dass Sie das mittlerweile selbst glauben. Nein, NordrheinWestfalen ist ein starkes Land. Deswegen ist Nordrhein-Westfalen weiterhin in der Lage, Unterstützung für andere Länder zu leisten. Das ist auch gut und richtig, solange es in vernünftigem Umfang erfolgt.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ich habe ja schon einmal gesagt: Sie messen das eindeutig an der Frage, wer wie viel Geld mehr bekommt. Uns dagegen ist auch wichtig, ob das Verfahren gerecht und solidarisch ist.

Dieses Land – auch dieser Landtag – ist ohne Ihre Stimmen, aber mit breiter Mehrheit und einer klaren Positionierung in diese Verhandlungen gegangen.

Erstens. Wir wollen ein gerechteres System. – Das haben wir eindeutig erreicht. Daran können wir einen Haken machen.

Zweitens. Wir wollen mehr Transparenz, insbesondere durch den Wegfall des Umsatzsteuerfinanzausgleichs. – Auch das ist erreicht worden. Daran können wir ebenfalls einen Haken machen.

Drittens. In Nordrhein-Westfalen muss mehr von dem Geld bleiben, das die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes erwirtschaften. – Auch das ist erreicht worden. Auch daran können wir einen Haken machen.

Dies zeigt: Es handelt sich bei dem hier gefundenen Kompromiss um einen guten Kompromiss für Nordrhein-Westfalen und um einen guten Kompromiss für den Föderalismus. Sie sollten wirklich einmal überlegen, dass Sie, wenn sich alle Länder darauf verständigen und parteiübergreifend von einem guten Kompromiss gesprochen wird, mit Ihrer Solitärstellung vielleicht falsch liegen.

Wir sollten uns jetzt gemeinsam auf den Weg machen, den Bund davon zu überzeugen, diesen Kompromiss auch anzunehmen und umzusetzen. Das

wäre ein gutes Zeichen für Nordrhein-Westfalen. Aber darum geht es Ihnen nicht, Herr Witzel. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Optendrenk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Länderfinanzausgleich ist zweifellos ein wichtiges Instrument, um die Finanzkraftunterschiede der Länder solidarisch auszugleichen. Hier stehen Bund und Länder gemeinsam vor der Herausforderung einer Neugestaltung nach dem Jahr 2019. Es ist unzweifelhaft, dass eine Neuordnung dringend geboten ist. Die heutigen Strukturen sind nicht transparent, undurchsichtig und wenig nachvollziehbar. Es gibt regelmäßig ritualisierte Neiddebatten und gegenseitige Vorwürfe, entweder nicht leistungsbereit oder nicht solidarisch zu sein. Einen Teil haben wir schon heute hier gehört.

Die CDU ist sich ihrer Verantwortung für NordrheinWestfalen sehr bewusst. Wir nehmen diese Verantwortung wahr. Wir haben bereits im Januar 2013 einen entsprechenden Antrag zu einem Eckpunktepapier zur Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vorgelegt und haben uns zwei Jahre später gemeinsam mit SPD und Grünen darauf verständigt, einen Antrag vorzulegen, der die Interessenlage des Landes Nordrhein-Westfalen bei diesen Verhandlungen unterstützen soll. Das ist sicherlich für eine Opposition nicht selbstverständlich. Aber wir haben an dieser Stelle sehr klar gemeinsam

(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD] und Martin- Sebastian Abel [GRÜNE])

Verantwortung übernehmen wollen und stehen auch dazu.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Der dort zugrunde gelegte Ansatz ist offenbar unter den Ländern und, soweit man das nachvollziehen kann – zumindest im Grundsatz, nicht der Höhe nach –, auch mit dem Bund konsensfähig. Aber, Herr Minister, dieser Grundansatz ist das eine. Was haben Sie denn in den Verhandlungen im Interesse des Landes daraus gemacht? Was haben Sie aus der ganzen Rückendeckung gemacht, die Sie in bei einem solchen Thema durchaus ungewöhnlicher Weise auch von der größten Oppositionsfraktion bekommen haben?

Vor genau drei Monaten ist dieses Modell zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen von den Ländern vorgelegt worden. Die Ministerpräsi

dentin sprach anschließend hier im Landtag von einem guten Tag für Nordrhein-Westfalen und einem guten Tag für den Föderalismus. Aber ist das wirklich ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen gewesen?

Nordrhein-Westfalen liegt nach dem, was da als Einigungsvorschlag von den Ländern erarbeitet worden ist, in einer Pro-Kopf-Betrachtung auf dem vorletzten Platz. Auf dem vorletzten Platz! Und das soll ein gutes Verhandlungsergebnis sein? Das unterstellt ja, dass man sich vom letzten Platz auf den vorletzten Platz bewegen will. In der Tat wäre das kein gutes Ergebnis für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und Ralf Witzel [FDP])

Bezeichnenderweise hat uns die Landesregierung zur Frage der Aufteilung der zu erwartenden Mehreinnahme nach dem Modell der Länder im Haushalts- und Finanzausschuss bisher explizit nichts vorgelegt. Wir haben schriftlich danach gefragt, und wir haben mündlich danach gefragt. Sie sagen uns aber nicht, wie sich, wenn denn der Bund zustimmt, die 1,5 Milliarden € aufteilen, die das Land nach Ihrer Vorstellung mehr bekommen soll. Welche Summe soll im Landeshaushalt verbleiben? Was wird zur Entlastung der kommunalen Haushalte eingesetzt? Was steht also auf welcher Ebene zur Haushaltskonsolidierung zur Verfügung?

Herr Finanzminister, es ist heute die Zeit, dass Sie die Fragen beantworten. Das Parlament hat das verdient. Und das, glaube ich, müssen wir auch erwarten, wenn wir Ihren Kurs weiterhin unterstützen sollen.

Zum Antrag der FDP: Ich glaube nicht, dass die Fortschreibung des aktuellen Systems am Schluss das Richtige wäre. Das aktuelle System hat zu wenig Akzeptanz

(Ralf Witzel [FDP]: Richtig!)

und auch zu wenig Transparenz. Die Einigung unter den Ländern war schwer genug. Es ist wahrscheinlich relativ unrealistisch, zu vermuten, dass es auf dem Weg bis zu einer Einigung insgesamt mit dem Bund noch zu einem neuen Modell kommen wird. Dafür sind die Verhandlungen zu schwierig.

Trotzdem haben Sie recht, wenn Sie sagen: Es muss alles auf den Tisch. Ich glaube auch, dass die rein kommunikative Betrachtung, die die Landesregierung bisher vorgenommen hat, in der Sache nicht weiterträgt. Die Schuldenbremse ist nämlich auch kein Kommunikationsinstrument, sondern ist ab 2020 schlicht einzuhalten. Insofern hat die Landesregierung eine hohe Verantwortung, einerseits die Fakten auf den Tisch zu legen. Auch die Tabellen, die zweifellos der Einigung zugrunde liegen – es wäre ja unrealistisch, zu vermuten, dass hinter einem so großen Projekt nicht Detailberechnungen stecken, sondern es sich nur um eine politische Einigung handeln soll –, müssen auf den Tisch des Hauses kommen,

damit wir uns auf der Basis von Fakten ein eigenes Bild verschaffen und das der Bevölkerung entsprechend sagen können.

Wenn dann wieder davon geredet wird, der Bund müsse aber noch dieses und jenes leisten, habe ich eine große Sorge, Herr Minister. Durch die Art und Weise, in der Sie jetzt die Debatte – auch mit Herrn Söder und anderen – wieder angefangen haben, bevor es eine Einigung über die langfristige Bundesbeteiligung gibt, gefährden Sie nach meiner Einschätzung sehr massiv die Einigung über die langfristige Finanzierung. Man kann nicht von jemandem erwarten, dass er ständig immer nur geben soll. Dann wird er irgendwann einmal sagen: Nein, ich mache das nicht mehr mit.

Ich glaube, dass es einer konstruktiven Haltung bedarf. Sie sollten sich überlegen, zu welchem Zeitpunkt wir welche Unterstützung verlangen sollten. Sie können nicht immer nur nach anderen rufen. In den letzten Jahren haben Sie hinreichend gezeigt, dass Sie es mit der Konsolidierung des Landeshaushaltes auf der Ausgabenseite nicht ernst gemeint haben. Wen Sie nach dem Motto „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ vorgegangen wären, wäre es auch leichter mit den Forderungen an den Bund.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege Optendrenk, bitte bleiben Sie noch einen kleinen Moment hier. Ich komme erst jetzt dazu, Sie zu fragen, ob Sie eine rechtzeitig angemeldete Zwischenfrage von Herrn Kollegen Ellerbrock zulassen würden.

Dann nehmen wir sie noch mit – vorab verbunden mit der Bitte an den Kollegen Ellerbrock, nicht wieder das Mikrofon auf seine Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Eingeweihte Kollegen wissen, was ich meine.

(Heiterkeit)

Bitte, Herr Kollege.

Holger Ellerbrock (FDP: Okay. Ich bemühe mich einmal. – Herr Kollege Optendrenk, Ihren Worten habe ich entnommen, dass Sie unterstellen, Herr Kollege Witzel habe hier ein neues Modell aufbauen wollen. Meines Erachtens gehen Sie mit dieser Annahme fehl. Mit dem, was die Fraktion oder der Kollege Witzel hier vorgetragen hat, war nur Folgendes gemeint: Diese Verhandlungen, die hier so gefeiert wurden, sind im Endeffekt eine Wählertäuschung; denn mit dem alten Modell wäre letztendlich mehr Geld nach Nordrhein-Westfalen geflossen als mit der neuen Darstellung.

Das Zweite ist: Warum haben wir das gemacht?

Ihre Frage, bitte, Herr Kollege.

Wir haben es gemacht, weil die Landesregierung sich geweigert hat, eine eigene Simulationsrechnung durchzuführen und die Daten offenzulegen. Deswegen ist das gemacht worden. Das habe ich bei Ihnen nicht verstanden.