Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Zum einen sind die Oberschlesier als Patenlandsmannschaft zu nennen, zum anderen aber auch Institutionen wie das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen, das Haus Schlesien in Königswinter sowie die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus hier in Düsseldorf.

Über das Wie sollten wir in den Ausschüssen diskutieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dass wir das machen sollten, steht für die CDUFraktion außer Frage. Deshalb freuen wir uns auf die Beratungen in den Ausschüssen und hoffen auf eine Übereinstimmung in den Ausschüssen, dass wir gemeinsam auch diese Personenkreise, diese Institutionen, diese Organisationen entsprechend hier im Landtag würdigen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Ihnen, Herr Kollege Hendriks. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Neumann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekonsul Gembiak! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schmerz, Schrecken, Scham sind untrennbar mit dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschland auf Polen und all seinen Folgen verbunden. Umso mehr empfinden wir unendliche Dankbarkeit für das Geschenk der deutsch-polnischen Freundschaft nach dem Massenmord an der polnischen Bevölkerung, darunter Millionen polnische Juden, nach Ausschwitz, nach den Massenexekutionen im ländlichen Raum, nach dem Warschauer Ghetto und nach der Zerstörung Warschaus – nach alle dem.

Der deutsch-polnische Freundschaftsvertrag, dessen 25-jähriges Jubiläum wir am 17. Juni feiern, dokumentiert höchst eindrucksvoll das neue und bis dato historisch einmalige Miteinander, diesen Willen zur praktischen, konkreten Versöhnung. Diesem gingen intensive Versöhnungsschritte auf beiden Seiten voraus, sie wären ohne den Kniefall Willy Brandts, ohne die neue Ostpolitik undenkbar.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Der Nachbarschaftsvertrag, hervorgegangen aus der damaligen Zeit und dem Zeitgeist, erwuchs aus einer Vergangenheit, die nicht vergeht. Er ist gleicherma

ßen der Gegenwart und der Zukunft verpflichtet. Vertragswerke müssen leben, wir haben sie mit Leben zu erfüllen und jeweils neu zu lesen, um sie in die Zukunft zu übersetzen. Der Nachbarschaftsvertrag zwischen Deutschland und Polen ist ein großartiger Beitrag zur europäischen Einheit, von höchster Aktualität, und er ist Ermahnung und Aufgabe, dem Ziel der Einheit im Geiste der Ostpolitik gerecht zu werden.

Unser Entschließungsantrag ist von dieser Überzeugung getragen.

Der Antrag der CDU würdigt indes nur die Leistungen der Vertriebenenverbände. Uns allen sind die Verdienste und die Situation der Vertriebenen und Aussiedler wohlvertraut. Diese werden von uns allen, so denke ich, ausdrücklich anerkannt, und da, wo es geht, werden diese Gruppen auch unterstützt.

Der CDU-Antrag reduziert eine große, erfolgreiche Vision, derer wir in der Zeit der Krise in Europa und der Migration von Millionen von Flüchtlingen nach Europa so sehr bedürfen, auf einen Teilaspekt und eine Personengruppe. Ihr Vorwurf an den Vertrag, die Vertriebenen nicht zu berücksichtigen, ist ein Vierteljahrhundert nach Vertragsschluss erstaunlich. Denn ich bin davon überzeugt, dass der Europäer Helmut Kohl genau wusste, was er tat, als er diesen Vertrag unterschrieben hat.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

50.000 gemeinsame Projekte von zwei Millionen Jugendlichen im deutsch-polnischen Jugendwerk, intensive bürgerschaftliche Kontakte und Vernetzungen, zahlreiche Schulpartnerschaften und Schulkontakte sprechen eine eindeutige Sprache. Das Weimarer Dreieck, bestehend aus Nord-Pas de Calais, Woiwodschaft Schlesien und Nordrhein-Westfalen, schreibt die Erfolgsgeschichte einer vertrauensvollen Partnerschaft zwischen den Regionen, deren Staaten eine viel zu lange Vorgeschichte des Krieges, der Feindschaft und des Misstrauens verbindet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die besondere Qualität dieses deutsch-polnischen Freundschaftsvertrages liegt darin, Vergangenheitsbewusstsein mit Gegenwarts- und Zukunftsfähigkeit zu verbinden.

Ein kritischer Blick auf das Hier und Heute ist im Auftrag der Zeitgeschichte und Aktualität geschuldet. Besorgt blicken wir auf gegenwärtige Entwicklungen in Polen in Hinsicht auf Rechtsstaatlichkeit und Medienvielfalt und hoffen, dass die Europäische Kommission, respektive der Europarat, mit ihren Instrumenten Rechtsstaatlichkeitsprüfung, respektive Venedig-Kommission, einen wirkungsvollen Dialogprozess initiiert haben.

Die Sprache von Art. 8 Abs. 1 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages ist eindeutig und entschieden. Sie lautet: Verpflichtung unser aller auf das überragende Ziel der europäischen Einheit auf

Grundlage von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. – Erweisen wir uns genau dieser Sprache als würdig.

Wir stimmen selbstverständlich der Überweisung in die Ausschüsse zu und setzen auf konstruktive Beratungen in den Ausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Engstfeld das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages jährt sich im nächsten Jahr zum 25. Mal. Am 17. Juni 1991 setzten die Außenminister Polens und Deutschlands in Bonn ihre Unterschrift unter den Nachbarschaftsvertrag, nachdem einige Monate zuvor, am 14. November 1990, beide Regierungen den Grenzvertrag unterzeichnet hatten.

Damit erkannte Deutschland die Oder-Neiße-Grenze als westliche Grenze Polens endgültig an. Das war sicherlich ein Meilenstein für die Entwicklung der historisch belasteten Beziehungen zwischen beiden Nationen. Das war ein Meilenstein auf dem Weg der Versöhnung vor dem Hintergrund der deutschen Kriegsschuld.

Die CDU-Fraktion hat das anstehende Jubiläum nun zum Anlass genommen, einen Antrag einzubringen, der einen Einzelaspekt intensiver beleuchtet: die Würdigung des Beitrags der Vertriebenen und Aussiedler sowie ihrer Institutionen bei der deutsch-polnischen Versöhnungspolitik.

Wir, also die SPD-Fraktion und meine Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, haben deswegen einen eigenen Entschließungsantrag eingebracht, der wesentlich umfassender die deutsch-polnischen bzw. die nordrhein-westfälisch-polnischen Beziehungen in den Blick nimmt.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich finde es sehr angemessen, anlässlich des 25. Jubiläums des Nachbarschaftsvertrages eine umfängliche Analyse der Beziehungen vorzunehmen und nicht nur einen Einzelaspekt zu betrachten. Zudem ist es aus unserer Sicht heute nicht möglich, über die Beziehungen zu Polen zu sprechen, ohne die aktuellen Entwicklungen in Polen selbst zu thematisieren. Liebe CDU-Fraktion, das fehlt in Ihrem Antrag leider völlig.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, heute, im Jahr 2016, sind die deutsch-polnischen Beziehungen von Freundschaft und Partnerschaft, von Anerkennung und Austausch sowie von der Begegnung zwischen den Menschen geprägt. Die Republik Polen und die Bundesrepublik Deutschland sind enge Freunde und Partner innerhalb eines friedlichen, freien und geeinten Europas. Die Beziehungen zwischen NordrheinWestfalen und Polen sind gut.

Weil das so ist, betrachten viele Menschen bei uns die aktuellen Entwicklungen bei unseren polnischen Freundinnen und Freunden mit großer Sorge. Nach dem Sieg der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit – PiS –, die seit Mitte November 2015 mit absoluter Mehrheit in Polen regiert, werden dort in atemberaubendem Tempo Gesetze beschlossen, bei denen es laut PiS um die Reparatur des Staates geht.

Das Verfassungsgericht muss jetzt nach einer seit Ende letzten Jahres geltenden Reform seine Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit statt wie bislang mit einfacher Mehrheit treffen. Das neue Mediengesetz erlaubt der Regierung die Besetzung von Führungsposten bei öffentlich-rechtlichen Medien. Die nationalkonservative PiS argumentiert, unter der bisherigen liberalkonservativen Regierung seien Medien parteiisch gewesen. Nun gelte es, Korrekturen zu schaffen und neue inhaltliche Akzente zu setzen, etwa im Programm die nationale Identität zu stärken. Dagegen wehren sich Politikerinnen und Politik aus ganz Europa.

Am Wochenende sind wieder Tausende von Polen auf die Straße gegangen, um gegen das Gesetz zur Verfassungsgerichtsbarkeit zu demonstrieren; denn die Gegner dieser Entscheidung befürchten – nicht ganz zu Unrecht, glaube ich – eine Aufhebung der Gewaltenteilung und eine Gleichschaltung der Medien.

In Bezug auf das Verfassungsgericht wird befürchtet, dass eine so breite Zweidrittelmehrheit selten zustande kommen wird und das Gericht deswegen seine Rolle als Kontrollinstanz der Regierung verlieren könnte.

In Bezug auf das Mediengesetz wird befürchtet, die Regierung habe nun zu starken Einfluss auf die Programmgestaltung und auf die Programmmacherinnen und -macher. Zudem wird politischer Druck auf die bei den Sender arbeitenden Journalistinnen befürchtet.

Wir alle haben – der Kollege Neumann hat es auch schon erwähnt – letzte Woche die Stellungnahme der Venedig-Kommission zur polnischen Justizreform vernommen. Dass die Venedig-Kommission attestiert, eine Schwächung des Verfassungsgerichts könnte das demokratische System des Landes gefährden, wodurch Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ins Wanken geraten könnten, ist

in der Tat nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch besorgniserregend.

Ich appelliere an die polnische Regierung, die Kritik der Venedig-Kommission ernst zu nehmen, sie anzunehmen und den Empfehlungen der Kommission zu folgen. Sie hatte ja extra um eine Bewertung gebeten. Das alles fordern wir auch in unserem Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die grüne Landtagsfraktion wird sich wie bisher aktiv in die deutsch-polnische Zusammenarbeit einbringen. Das Bekenntnis zu den gemeinsamen europäischen Werten wie Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie Unabhängigkeit von Justiz und Medien ist für unser Engagement wie auch für die Zusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen und Polen die Grundlage – auch und gerade im Jubiläumsjahr der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages.

Auch wir – ich komme zum Schluss – stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Frau Kollegin Freimuth von der FDP hält jetzt den nächsten Redebeitrag.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Juni jährt sich zum 25. Mal die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages, in

dem insbesondere eine Verständigung über die grenznahe und regionale Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Bildung sowie kulturelle und zivilgesellschaftliche Beziehungen gelungen ist.

Dabei ist Grundlage des Vertrages und der deutschpolnischen Beziehungen insgesamt ein verantwortungsvoller Umgang mit der Geschichte. Dazu gehört das deutsche Bekenntnis zur Schuld an den Leiden der polnischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg, das durch den Kniefall des Bundeskanzlers Willy Brandt vor dem Denkmal für die Helden des Warschauer Gettos symbolisiert wurde.

Die Versöhnung unserer Völker wäre ohne die Bereitschaft zur Vergebung, wie sie zum Beispiel durch den Hirtenbrief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder 1965 zum Ausdruck gebracht wurde, und ohne die Bereitschaft zum Verzicht auf eigene Forderungen, wie sie etwa in der Ostdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland im selben Jahr gezeigt wurde, nicht denkbar gewesen.

Dieser verantwortungsvolle Umgang mit der Vergangenheit verlangt Wissen um Zusammenhänge, Empathie und den Gestaltungswillen für ein gemeinsames, friedliches Europa.

Gleichwohl ist auch heute Sensibilität angezeigt. Deutlich wurde dies zum Beispiel, als Anfang dieses Jahrhunderts durch eine Landsmannschaft eine Gesellschaft unter der Firma „Preußische Treuhand“ Eigentumsansprüche Ostvertriebener behauptet und gerichtlich geltend gemacht wurden. Das deutschpolnische Verhältnis wurde dadurch durchaus belastet, auch wenn zahllose Beschwerden dieser Gesellschaft vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teils schon aus formalen Gründen abgewiesen wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter Hinweis auf den gerade geschilderten Einzelfall wäre es aus meiner Sicht auch angemessen, die Beiträge der Vertriebenenverbände im deutsch-polnischen Aussöhnungsprozess differenzierter darzustellen, als es in diesem Antrag erfolgt. Dabei will ich ausdrücklich unterstreichen, dass es zahlreiche positive Beispiele der Versöhnungsförderung und des wechselseitigen Austauschs und des Kontakts auch seitens der Vertriebenenverbände gegeben hat und gibt. Das Jubiläum des Nachbarschaftsvertrages sollte aus unserer Sicht weitaus umfassender und unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen gewürdigt werden, wie es jenem Einigungswerk auch angemessen wäre.

Dies kommt in dem Entschließungsantrag von RotGrün in gewisser Weise auch zum Ausdruck. Auffällig ist allerdings, dass dieser Antrag im Wesentlichen eine Zusammenfassung der Vorlage 16/3737 der Landesregierung zum Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages enthält. Wirklich Neues bieten die regierungsragenden Fraktionen insofern nicht an. Die einzige Abweichung von der Vorlage der Landesregierung besteht in der Kritik an der aktuellen polnischen Regierung.

Viele Initiativen der polnischen Regierung werfen derzeit ernste Fragen auf zur Vereinbarkeit mit den europäischen Verträgen und damit mit jenen Grundwerten, die als gemeinsamer Besitzstand aller EUMitgliedstaaten zu betrachten sind: Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Justiz und Meinungsfreiheit sind für uns nicht verhandelbar. Die EU-Organe selbst sind insofern auch um Prüfung und Abhilfe bemüht.