Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Ich denke, wir sollten gemeinsam – so, wie wir, wie ich ja schon gesagt habe, in den unterschiedlichsten Koalitionen diese Forderung aufgestellt haben – end

lich darangehen, damit die Betreffenden auf Augenhöhe tätig sein können; das ist auch eine finanzielle Grundlage für die Pflegekräfte.

Aber – das ist auch sehr wichtig – wir müssen dahin kommen, dass die Pflegekammer eingerichtet wird. Es wurde in Berlin sehr deutlich gesagt und auch von allen Diskutanten dort vertreten, dass wir eine Pflegekammer benötigen, die die Qualitätsmerkmale der Ausbildung festlegt, damit sie in ganz Deutschland einheitlich gelten. Das ist bisher nicht der Fall.

Deshalb darf ich Sie bitten, der Überweisung zuzustimmen, aber diesem Antrag, so, wie er jetzt vorliegt, im Ausschuss nicht zu folgen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Danke, Herr Kollege Burkert. – Für Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Ünal das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Stärkung gemeinsamer Kompetenzen durch eine gemeinsame Ausbildung ist angesichts der starken Zunahme der Zahl älterer und pflegebedürftiger Menschen und den sich daraus ergebenden Anforderungen an Pflegende und auch die Pflegeberufe mehr als sinnvoll.

Denn für eine gute Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen werden wir in Zukunft mehr und qualitativ gut ausgebildete Fachkräfte brauchen. Der Bedarf der Anforderungsprofile in der Pflege wird weiter steigen. Die Zahl erkrankter Menschen in der Altenpflege und älterer Menschen in den somatischen Kliniken wird zunehmen. Auch den Ansprüchen an die kultursensible Pflege und die Wahrung der sexuellen Identität in der Pflege gilt es nachzukommen. Schließlich müssen wir auch die Vorgaben, die die UN-Behindertenrechtskonvention an uns bezüglich der Pflege stellt, berücksichtigen.

Die Pflege muss in Zukunft mehr als heute die Ressourcen und Potenziale der kranken und pflegebedürftigen Menschen fördern, um so zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beizutragen.

All dies zeigt, dass die Weiterentwicklung der Pflegeausbildung mit einer gemeinsamen Ausbildung und einem gemeinsamen Abschluss in den Pflegeberufen ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Her Burkert, Sie haben unsere Gesundheitsministerin in dem Sinne kritisiert. Aber sie hat immer zum Ausdruck gebracht, dass die gemeinsame Ausbildung die richtige Richtung ist. Da gab es sehr viele Fragezeichen dazu, was wir als Land besonders in der Altenpflege geschafft haben. Sie hat auch unsere Sorgen zum Ausdruck gebracht. Darüber muss man

diskutieren. Deswegen ist Ihr Angriff gegenüber unserer Gesundheitsministerin eigentlich unangebracht gewesen. Denn wir bringen die gemeinsame Ausbildung seit Jahren in dieser Richtung voran. Alle diese Entwicklungen zeigen, dass wir in diese Richtung gehen müssen.

Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeberufe sollen aber jetzt alle diese Ausbildungsgänge – Kranken- und Kinderkrankenpflege und Altenpflege – zusammengefasst werden. Grundsätzlich sind wir Grünen für diese gemeinsame, generalistisch ausgerichtete Pflegeausbildung. Ich sage noch einmal, dass wir grundsätzlich dafür sind.

Allerdings hätten wir uns gewünscht, im letzten Drittel der gemeinsamen Ausbildung eine Möglichkeit zur Spezialisierung zu eröffnen. Das haben wir zum Ausdruck gebracht. Wir halten es für notwendig, dass weitere spezifische Kompetenzen besonders in der Kinderkrankenpflege zum Beispiel beim Berufseintritt vorhanden sind. Das haben wir immer zum Ausdruck gebracht.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Zudem brauchen wir Rahmenbedingungen, die es für Pflegeeinrichtungen attraktiv machen, auszubilden. Es darf kein Nachteil sein, ein Ausbildungsbetrieb zu sein. Diese Sorgen haben wir. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass bestimmte Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich stattfinden können. Diese Fragen müssen wir erläutern und diskutieren. Wir halten es beim Pflegeberufegesetz für notwendig, diese Attraktivität für Ausbildungsbetriebe zu behalten.

Lassen Sie mich einige Sätze zum Antrag der FDPFraktion und zur Situation in Nordrhein-Westfalen sagen. Sie wissen, Herr Burkert, dass wir in NordrheinWestfalen in der Altenpflege eine Spitzenstellung haben. Wir haben seit 2010 die Ausbildungszahlen um fast 90 % erhöht. Heutzutage haben wir 18.000 Ausbildungsplätze. Wir haben die Investitionen dafür verdoppelt. Mittlerweile haben wir 64 Millionen € im Bereich der Altenpflege investiert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zudem hat die Einführung der Umlagefinanzierung im Jahr 2012 maßgeblich zu steigenden Ausbildungszahlen beigetragen. Durch diese 100%ige Refinanzierung und Erstattung der tatsächlich gezahlten Ausbildungsvergütungen haben wir es erreicht, einen maximalen Anreiz für die Ausbildung und tarifgebundene Bezahlung zu schaffen. Deshalb erhalten die Altenpflegeschülerinnen und -schüler in Nordrhein-Westfalen heute eine viel höhere Ausbildungsvergütung, als sie in den meisten Bundesländern gezahlt wird.

Diese Tatsachen wollen wir beibehalten. Diese Erfolge wollen wir weiterführen. Wir sagen: Der Pflegeberuf ist ein Zukunftsberuf auch für unsere Gesellschaft. Deshalb wollen wir diese Errungenschaften, die wir in Nordrhein-Westfalen erreicht haben, beibehalten und bundesweit weiterführen.

Daher werden wir der Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zustimmen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Wir werden wahrscheinlich eine gemeinsame Lösung finden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Düngel.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich sagen: Schön, dass ich meinen Geburtstag sozusagen im Kreis meiner Liebsten verbringen kann. Dort, wo ich allerdings auch gern wäre, ist zu Hause.

(Jochen Ott [SPD]: Sehr bedauerlich!)

Einen schönen Gruß an die Freundinnen und Freunde, die im Stream in unserem Car-Office in Münster zumindest diese Debatte verfolgen können.

Frau Kollegin Schneider, zunächst herzlichen Dank für Ihren Antrag. Wir freuen uns, dass wir hier im Landtag nun wieder über die Pflege und auch über die Situation der Pflegekräfte sprechen können. Das ist schon einmal gut.

Wir als Piratenfraktion freuen uns besonders, weil wir bislang so die Einzigen sind, die dieses Themas in den Landtag gezogen haben, zuletzt im Oktober mit unserem Antrag zum Pflegepersonal in der Krankenhauspflege. Was wir allerdings immer wieder hören – das sagt die Gesundheitsministerin wahrscheinlich nachher auch –, ist, es sei hier der falsche Ort usw. usf. Wir kennen das mittlerweile. Wir Piraten versuchen, den Betroffenen Gehör zu verschaffen. Das ist uns wichtig.

Zum Antrag, Frau Kollegin Schneider, möchte ich sagen: Das waren bislang die guten Nachrichten dazu. Ansonsten ist in dem Antrag nicht ganz so viel enthalten. Unsere Zustimmung wird er so in der Form nicht bekommen können.

Zum Forderungspunkt 1: Darüber haben wir hier schon ein paar Mal diskutiert. Wir wissen um die Anstrengung der Gesundheitsministerin, auf Bundesebene Veränderungen herbeizuführen. Das hat nicht geklappt. Das ist nun einmal Fakt. Das können wir in

dem Antrag noch einmal fordern – ungeachtet dessen, ob wir das für richtig oder falsch halten. Das bringt aber irgendwie nichts.

Forderungspunkt 3 halte ich wirklich für falsch. Sie fordern, dass mit allen Beteiligten ein Konzept zu erarbeiten ist. Moment, es ist natürlich richtig, mit allen Beteiligten ein Konzept zu erarbeiten, aber nicht hier auf Landesebene. Das wird uns Piraten immer gern vorgeworfen, weil wir nicht im Bundestag sitzen; das Schicksal teilen Sie ja auch. Es ist tatsächlich falsch. Der Wunsch, es mit allen Beteiligten zu erarbeiten, ist richtig, allerdings dann selbstverständlich auf Bundesebene.

Fakt ist aber auch: Die eigentlichen Probleme werden auch heute in dieser Debatte und auch in dem Antrag nicht behandelt. Die Verweildauer im Pflegeberuf beträgt rund sieben Jahre. Der Pflegeberuf hat mit einer denkbar schlechten Bezahlung und mit einer hohen Belastung zu kämpfen. Er ist unter dem Strich im Moment einfach ein sehr unattraktiver, anstrengender Beruf.

Wir müssen uns die Frage stellen, ob uns da die Generalistik, Herr Kollege Burkert, wirklich hilft. Ist das der richtige Ansatz? Oder haben wir nicht erst einmal andere Baustellen zu beheben?

Die Professoren Dr. Greß und Dr. Stegmüller haben es im Februar 2016 in einer gutachterlichen Stellungnahme auf den Punkt gebracht: Trotz Pflegestärkungsgesetz II und Krankenhausstrukturgesetz ist die Situation in der Kranken- und Altenpflege dramatisch.

Der Pflegebedarf steigt konstant. Demgegenüber stagniert die Personalausstattung. Die schlechte Vergütung ist Ausdruck einer geringen gesellschaftlichen Wertschätzung. Die Belastung für die Pflegekräfte ist enorm hoch. Der eigene hohe Anspruch an die Pflegetätigkeit ist nicht realisierbar. Es gibt eine gesättigte Empirie zum Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und Burn-out. Das habe ich mir nicht einfallen lassen, sondern das sind wissenschaftliche Erkenntnisse.

Was ist zu tun? Wir Piraten fordern vor allem verbindliche Personalbemessungsinstrumente in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Wir fordern leistungsgerechte Entlohnung und die Verbindlichkeit der Entgelte bei Pflegesatzverhandlungen. Wir fordern verbesserte Ausbildungsbedingungen und die systematische Entwicklung und Finanzierung von Fort- und Weiterbildung.

Wir müssen die Probleme aber jetzt angehen. Wir dürfen keine Scheindebatten über Teilbereiche führen, sondern müssen wirklich das gesamte Problem angehen. Wir können auch nicht bis 2020 warten, bis Personalbemessungsinstrumente entwickelt werden. Wir fordern eine kurzfristige Lösung, zum Bei

spiel die Einrichtung eines bundesweiten Pflegepersonalfonds und damit ein Signal für mehr Pflegepersonal. Und höhere Löhne in der Pflege könnten helfen.

Meine Damen und Herren, dafür lohnt es sich einzusetzen, und nicht für diesen Antrag. Dennoch werden wir den Antrag – das ist in diesem Hause so Brauch und Sitte – natürlich im Ausschuss weiterberaten. Vielleicht kommen wir dann noch auf Gedanken, wie wir die Pflegesituation tatsächlich verbessern können. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung richtet jetzt Frau Ministerin Steffens das Wort an uns.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, ich kann zu einer Reihe von Behauptungen, die hier in den Raum gestellt worden ist, im Rahmen meines Redebeitrags Klarheit verschaffen, damit diese nicht immer wieder vorgetragen werden. Herr Burkert, Sie hätten zu vielen Dingen, die Sie heute vorgebracht haben, bei den mehrfachen Diskussionen dazu bzw. bei den von mir vorgebrachten Darstellungen gerne einmal im Ausschuss nachfragen können.

Zuerst einmal grundsätzlich zum Verfahren: Wir überlegen seit Jahren, wie man die Pflegeausbildung weiterentwickeln kann; denn klar ist für uns alle: Es sind mehr alte Menschen im Krankenhaus zu versorgen, und es sind mehr kranke Menschen in Pflegeheimen zu versorgen. Deswegen muss es eine größere Vernetzung und eine größere Schnittmenge in der Ausbildung, im Wissen und in der Kompetenz zwischen diesen beiden Berufsbildern geben.

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich gerade vor dem Hintergrund dessen, was in Nordrhein-Westfalen an Modellen erprobt worden ist, eine starke Präferenz für ein 2-plus-1-Modell gehabt hätte. Dieses Modell hat in der Bewertung hervorragend abgeschnitten. Es hätte hochqualifizierte Fachkräfte auf den Markt gebracht. Deswegen war das ein Modell, was ich auch auf Bundesebene und in all den Diskussionen immer als das von mir präferierte und fachlich beurteilte Modell gerne vorangetragen hätte.

Dazu gibt es eine Entscheidung auf Bundesebene und in den Ländern. Eine klare und deutliche Mehrheit hat gesagt: Nein, wir wollen Drei-plus-null. Das habe ich akzeptiert. Das ist an der Stelle so. Deswegen verstehe ich auch nicht, wie Sie sich hier hinstellen und mir vorwerfen können, ich hätte irgendetwas torpediert. Ich habe nichts torpediert. Das ist nicht

mein Anliegen. Ich habe die Bedenken, die es bezüglich des 3-plus-0-Modells für uns aus nordrhein-westfälischer Sicht gibt, immer und zu jedem Zeitpunkt thematisiert. Ich habe im Bundesrat und auch der Bundesregierung gegenüber Änderungsanträge gestellt, weil ich glaube, dass gerade ich in meiner Funktion als Ministerin eine besondere Verantwortung habe. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung reicht es nicht aus, die Qualität der Fachkräfte zu verbessern. Wir dürfen vor allem nicht die Quantität gefährden, also die Zahl der Fachkräfte, die wir letztendlich am Bett bei den Pflegebedürftigen haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen kann ich an der Stelle gern sagen, wo wir mit den Dingen, die wir von Nordrhein-Westfalen aus vorangetrieben haben, auch schon Erfolge erzielt haben. Denn es gibt auch Dinge, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verändert worden sind.

Wir haben den Hauptschulabschluss hier in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern immer noch nach zehn Jahren. Viele Länder haben ihn nach nur neun Jahren. Der Zugang bleibt jetzt für die Hauptschülerinnen und Hauptschüler offen; denn ich glaube, das ist eine Zielgruppe, die auch weiterhin gerade im Pflegeberuf gut aufgehoben ist. Diese Gruppe benötigt in manchen Fällen eine ausbildungsbegleitende Unterstützung. Aber es ist eine Zielgruppe, die wir nicht verlieren dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN)