Seit Jahren steigt der Bedarf an Ganztagsplätzen überall und in allen Schulformen. Deshalb ist für uns klar: Wir bauen Schritt für Schritt den Ganztag in allen Schulformen weiter aus. Das ist – dies ist völlig klar – erklärtes Ziel der Koalitionsfraktionen und der Landesregierung. Hieran arbeiten wir gemeinsam mit den Kommunen, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern mit aller Kraft.
Mit der Einführung der offenen Ganztagsgrundschule 2003 sowie dem konsequenten Ausbau von Ganztagsangeboten in der Sekundarstufe I in den Folgejahren ist inzwischen, wie ich finde, ein flexibles und bedarfsgerechtes Angebot für alle Schulformen im Lande entstanden, das wir stetig fortentwickeln werden. Das ist auch heute Morgen in der Haushaltsdebatte deutlich geworden.
An dieser Stelle noch einmal ein Hinweis – Frau Ministerin Löhrmann hat dies bereits heute Morgen in der Haushaltsdebatte betont –: Wir arbeiten – auch gerade im Hinblick auf den Ganztag – daran, das Kooperationsverbot an dieser Stelle aufzuheben; denn Bildung ist nach unserem Dafürhalten eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb kämpfen wir in der rot-grünen Koalition dafür, dass auch Investitionsförderung vom Bund für den Ausbau von Ganztagsschulen möglich sein muss.
Nun zum eigentlichen Anliegen der FDP, nämlich mehr Flexibilität in der Ausgestaltung des Ganztages zu ermöglichen. Ich möchte mich auf den aktuellen Erlass zum Ganztag aus dem Jahre 2010 beziehen. Dieser ermöglicht es nämlich heute schon allen Schulen gleichermaßen – also auch den Gymnasien –, den Ganztag mit verschiedenen Elementen flexibel einzuführen. Er lässt es schon jetzt zu, den Ganztag in verschiedenen Klassenstufen in unterschiedlicher Intensität umzusetzen, beispielsweise mit höherem oder niedrigem Verpflichtungsgrad. Das ist schon heute so.
Ich gebe der FDP insofern recht, als die Gymnasien bislang nicht die Speerspitze der Bewegung in Sachen Ganztagsausbau bilden. Aktuell sind in unserem Land 155 gebundene Ganztagsgymnasien am Start. Das könnten auch nach unserem Dafürhalten durchaus mehr sein. Wenn man aber genau hinschaut, stellt man fest, dass heute nahezu alle Gymnasien weitere ergänzende pädagogische Angebote über die eigentliche Unterrichtszeit hinaus anbieten, die auch mit Landesmitteln finanziert werden. Dies hat sicher auch mit der Umstellung auf das G8 zu tun, wonach faktisch an mehreren Tagen in der Woche der Unterricht ohnehin bis in den Nachmittag reicht.
Nun ganz konkret zum Antrag. Wir teilen ganz und gar nicht die Auffassung der FDP, dass wir, wie im Antrag formuliert, eine umfangreiche Werbekampagne für den Ausbau des Ganztages brauchen. Viel sinnvoller ist es für uns, dass wir die Gymnasien sowohl bei der Bewältigung der Schulzeitverkürzung – da haben sie immer noch reichlich Stress – unterstützen, als auch fachlich und wissenschaftlich beim Ausbau zum Ganztag begleiten.
Die Kernforderung, parallele Angebote von Ganztags- und Halbtagszügen an einer Schule zu ermöglichen, halten wir, ehrlich gesagt, organisatorisch für ausgesprochen schwierig. Wenn sich eine Schule auf den Weg zur Ganztagsschule macht, soll das nach unserer Auffassung auch aus einem Guss sein. Daran sollten wir nicht ohne Not rütteln. Wir können das aber noch in der Debatte im Ausschuss vertiefen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Stotz. – Dann darf ich Frau Kollegin Birkhahn für die CDU-Fraktion aufrufen.
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! „Miteinander die Zukunft gestalten“ – unter diese Überschrift haben SPD und Grüne den Koalitionsvertrag gestellt. Damit wird der Anspruch artikuliert, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern für die Menschen in NordrheinWestfalen Politik gestalten zu wollen – ein Vorhaben, das man auch aus unserer Sicht nur zustimmend unterstützen kann.
Es ist doch die Aufgabe von Politik, das Zusammenleben der Menschen – unter Berücksichtigung ihrer Sorgen, Wünsche, Anregungen und Bedarfe – zu regeln. Zu dieser Aufgabe gehört es, dass sich Politik kümmert, gute Rahmenbedingungen setzt und Lösungen im Sinne der Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger aufzeigt. Politische Entscheidungen sollten damit dem Anspruch gerecht werden, nicht an der Realität vorbei getroffen zu werden.
Was den Bereich Schule angeht, sprechen Sie im Koalitionsvertrag davon, Elternmitwirkung zu stärken und Eltern echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Dies ist ein deutliches Signal an die Eltern in diesem Land, sie mit ihren Bedürfnissen ernst zu nehmen, sie in die politischen Entscheidungen einbeziehen zu wollen.
Doch schaut man einmal genauer auf die Umsetzung und führt sich die Realität vor Augen, muss man feststellen: In diesem Bereich machen Sie oft eine Politik an den Menschen vorbei.
Vor Kurzem bei der Anhörung zum 8. Schulrechtsänderungsgesetz ist dies von verschiedenen Eltern- und Verbändevertretungen angesprochen worden. Auch im Zusammenhang mit der Organisation des Ganztags an Schulen wird deutlich: Sie nehmen die Eltern in Nordrhein-Westfalen mit ihren Problemen und Sorgen nicht in der nötigen Weise ernst. Im Gegenteil. In diesem Bereich machen Sie eine Politik von oben herab nach dem Motto: Wir wissen schon, was gut für euch ist.
Sie berücksichtigen den Elternwillen nicht ausreichend; denn es besteht immer noch ein gravierendes Ungleichgewicht zwischen den Schulformen. Sie gehen nicht auf den Bedarf der Eltern ein. Hier sind wir klar an der Seite der FDP, die in ihrem Antrag formuliert:
„Der Ausbau des offenen Ganztags darf sich nicht zu einem Zwang für die Eltern entwickeln, der ihnen Wahlmöglichkeiten verwehrt und unverhältnismäßig in die Erziehungsrechte und -zeiten eingreift.“
In dieser Situation wird von Ihnen zu oft die Problemlage ignoriert. Meine Herren und meine Damen von SPD und Grünen, miteinander Zukunft zu gestalten heißt nicht, Menschen vorzuschreiben und von oben herab zu definieren, wie das Zusammenleben geregelt werden soll. Eltern brauchen eine Regierung, die sie bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt, und Eltern und Kinder brauchen eine Regierung, die mit ihren Entscheidungen die Kinder individuell fördert und auf die Bedürfnisse von Familien eingeht.
Genau das passiert in Ihrer Politik um den Ganztag nicht, und deswegen sage ich: Sie geht an den Bedarfen der Menschen vorbei.
Schaffen Sie endlich die richtigen Rahmenbedingungen, und ermöglichen Sie den weiterführenden Schulen eine zeitnahe Flexibilisierung des Ganztagsangebots! Eröffnen Sie endlich die Möglichkeit, dass an Schulen parallel in einer Jahrgangsstufe Ganztagszüge, aber auch Halbtagszüge angeboten werden können!
Im Fachausschuss ist zu diesem Thema eine lebendige Diskussion zu erwarten, an der wir uns gerne engagiert beteiligen werden. – Ich danke Ihnen heute für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Birkhahn. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Beer das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will einmal die gute Nachricht, die dieser Antrag offensicht
lich ausgelöst hat, zuerst benennen. Frau Kollegin Gebauer, Sie haben formuliert, dass es keine Benachteiligung für Gymnasien in Nordrhein
Westfalen gibt. Dann distanzieren Sie sich sicherlich auch von den Wahlkampfeinlassungen Ihres Fraktionsvorsitzenden in dieser Geschichte, der ja immer von der Benachteiligung der Gymnasien gesprochen hat und es auch heute noch mit Fleiß tut. Das ist erst einmal ein wohltuendes Sich-Absetzen von dieser Position.
Sie haben sicherlich auch zur Kenntnis genommen, was die Kollegin Stotz eben gesagt hat und was bereits im Schulgesetz steht. Frau Ministerin hat in der anderen Debatte davon gesprochen, dass an dem Projekt der Stiftung Mercator schon 142 Gymnasien beteiligt sind. Von daher ist Ihre Überschrift, Frau Gebauer, eigentlich auch fehl am Platz.
Die Gymnasien befinden sich nicht in der Position, einen Stärkungspakt zu benötigen wie Kommunen mit Haushaltssicherungskonzepten und tiefer Ressourcenkrise. Also ganz bestimmt nicht beim Gymnasium!
Sie brauchen auch keinen Rettungsschirm wie den ESM. Mit dieser Überschrift liegen Sie völlig daneben.
Also: Verschwörungstheorien gegen Gymnasien, das lassen wir mal. Die kann die FDP endgültig in die Mottenkiste packen.
Dann will ich zu einem zweiten Punkt kommen, den die Kollegin Birkhahn gerade vorgetragen hat, und das geht ein bisschen in die Richtung, in die die FDP oft argumentiert. Was ist denn eigentlich der Ganztag?
Jetzt bitte nicht wieder so neurotische Dinge, Herr Witzel. Davon sind wir ja jetzt im Schulausschuss frei; das müssen wir hier auch nicht miteinander diskutieren.
Die Frage des Ganztags ist außerordentlich spannend. Was ist denn der Ganztag? – Der Ganztag ist ein Zeitgefäß für ein anderes Lernen. Der Ganztag ist ein Bildungskonzept und nicht eine Betreuungskomponente innerhalb der Schule. Das ist das Wichtige.
Deswegen ist das Interessante, dass Sie – auch aus den Reihen der CDU – mit Kleinen Anfragen zur Gestaltung der OGS kommen, bei denen ich mich frage: Von welchem Ganztagskonzept gehen
Sie eigentlich aus? Von einer Beliebigkeit, weil man in der Familie heute Betreuungsbedarf hat, Kinder dann aber wieder morgen aus der Gruppe herausnimmt? – Das kann alles so nicht sein. Leider hat Frau Birkhahn hiermit auch ein Missverständnis um die Ganztagsschule auf den Weg gebracht.
Vielen Dank, Frau Beer. – Würden Sie mir zustimmen, dass eine unterschiedliche Konzeption beim offenen Ganztag und beim gebundenen Ganztag vorliegt und dass in dem einen Element Betreuung sicherlich eine andere Rolle spielt als in einem anderen Rhythmisierungsmodell, wie wir es im gebundenen Ganztag haben? Sollten wir darauf nicht doch differenzierter schauen?
Ich will das noch einmal sehr deutlich betonen: Ganztag ist ein Bildungskonzept und kein Betreuungskonzept. Das ist die Grundlage.
Herr Stamp, auch für Sie noch zur Information: Den Gymnasien wird nichts vorenthalten, aber Sie haben sie in eine schwierige Situation gebracht, indem Sie ihnen das G8 vor die Füße gekippt haben. Das genau ist die Situation gewesen,