Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Wir brauchen die finanziellen Mittel dringend für Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Wir können es nicht länger hinnehmen, dass Steuerflüchtlinge

und Betrüger ihre Beiträge dazu entziehen und die ehrlichen Steuerzahler die Dummen sind. Hier ist weitgehender Handlungsbedarf. Das, was Sie dazu vorgelegt haben, und Ihre Unterstützung für Söder und Schäuble sind nicht ausreichend.

Springen Sie über Ihren Schatten, unterstützen Sie die Politik der nordrhein-westfälischen Landesregierung in dieser Frage, denn die ist wirklich in dieser Frage vorne.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es bei den Panama Papers mit dem bislang wohl spektakulärsten Fall von journalistischen Enthüllungen, die auf einer Datenentwendung beruhen, zu tun. Über 11 Millionen Dokumente über einen Zeitraum von 40 Jahren bilden ein gigantisches Datenvolumen, das sicherlich in den nächsten Jahren noch gründlich ausgewertet wird.

Offshoredienstleister Mossack Fonseca steht im Verdacht, mit Briefkastenfirmen ein weltweites Netzwerk von Kooperationspartnern bei Geldwäsche und Steuerhinterziehung unterstützt zu haben. Wie bei allen Enthüllungen dieser Art ist nun der Rechtsstaat gefordert. Nicht spektakuläre Vorverurteilungen sind gefragt, sondern für jeden Einzelfall sachgerechte Analysen und Beweisführungen.

(Beifall von der FDP)

Rechtsstaatliches Handeln ist nun gefordert, beispielsweise die Unterscheidung, wer einerseits einer legalen wirtschaftlichen Betätigung nachgegangen ist

(Hans-Willi Körfges [SPD]: In Panama? Alles ehrenwerte Männer!)

oder erlaubte regulatorische Möglichkeiten genutzt hat und wer andererseits illegal Gelder gewaschen oder zum Zwecke der Steuerhinterziehung versteckt hat.

Diese differenzierte Betrachtung, Herr Kollege, ist wichtig, denn es macht einen Unterschied, ob man als europäischer Reeder mit Handelsschiffen unter panamaischer Flagge fahren wollte

(Zurufe von der SPD: Oh!)

und dafür rechtlich eine Korrespondenzadresse in Mittelamerika benötigt oder ab Drogenschmuggler und Terroristen ihre organisierte Kriminalität von dort aus begangen haben.

Die Panama Papers listen 28 deutsche Banken auf, die 1.200 Briefkastenfirmen gegründet haben sollen. Sollten diese Daten von den Journalisten an die Behörden übergeben werden, werden diese sicherlich gründlich ausgewertet. Dann erfahren wir weitere Einzelheiten dazu.

Natürlich ist die Annahme naheliegend, dass dabei auch strafrechtliche Handlungen identifiziert werden dürften, die selbstverständlich sanktioniert gehören. Je gravierender eine strafbare Handlung ist, desto stärker muss die Sanktion auch ausfallen. In den Fällen, in denen Steuerhinterziehung nachgewiesen wird, muss entschlossen gehandelt werden, denn es ist selbstverständlich kein Kavaliersdelikt, Millionenvermögen vorbei an der Rechtsordnung in Offshoreparadiesen zu verstecken.

(Beifall von der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gründlichkeit muss hier allerdings vor Schnelligkeit gehen und rechtsstaatliches Handeln vor Aktionismus.

Dazu passen dann allerdings auch die pauschalen Forderungen nach einer Beweislastumkehr nicht. Im deutschen Steuerrecht gilt nämlich aus guten Gründen nach dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz die abgeleitete Unschuldsvermutung, sodass eine Beweislastumkehr mit Blick auf strafrechtliche Vorwürfe stets verfassungswidrig ist. Die Unschuldsvermutung erzwingt ein ordnungsgemäßes Verfahren zum Beweis des Gegenteils, bevor wegen eines Tatvorwurfs Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern.

Deshalb ist auch Ihr rot-grüner Antrag für heute nicht zustimmungsfähig, da dieser die elementare Norm unserer Rechtsordnung infrage stellt. Die Forderung atmet den Geist von Peer Steinbrück, der in seiner Reaktion auf die Panama Papers öffentlich zitiert wird mit der bemerkenswerten Aussage:

„Das Finanzamt muss dem wirtschaftlich Begünstigten nicht nachweisen, dass das, was er tut, illegal ist.“

Das ist im Übrigen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der frühere Finanzminister und Ministerpräsident dieses Landes, unter dessen Ägide der massive Ausbau von Offshorestrukturen bei der WestLB stattgefunden hat.

(Beifall von der FDP)

In zahlreichen Fällen dürfte eine rechtsstaatliche Beweisführung gelingen, dass Briefkastenfirmen nicht nur in edler Absicht gegründet worden sind. Das ist naheliegend. Für viele legale Geschäfte bedarf es der Umstände gar nicht, Risiken und Mühen zur Gründung reiner Briefkastenfirmen in der Karibik auf sich zu nehmen. Der nüchterne Befund ist aber, dass

sich offenbar auch viele Eliten gerne windiger finanzieller Konstruktionen bedient haben und ihrer Vorbildfunktion damit nicht gerecht geworden sind.

Zu einer ehrlichen Debatte gehört es daher gerade aber auch, einzuräumen, dass beispielgebendes Handeln in öffentlichen Institutionen ebenso nicht an der Tagesordnung gewesen ist. Für unser Bundesland ist man da schnell mal wieder bei dem Thema „WestLB“. Wir haben Sie, Herr Finanzminister – und das finde ich in diesem Kontext sehr wichtig –, als FDP-Landtagsfraktion, nämlich vor drei Jahren, eindringlich aufgefordert – alles anhand von Landtagsdokumenten belegbar –, die dortigen Offshorestrukturen und windigen Vehikel zu durchleuchten. Da kam der Impuls nicht von Ihnen, sondern wir haben dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt und gefragt: Was macht eigentlich die WestLB dort?

Sie haben auf unsere Nachfrage seinerzeit einräumen müssen, dass rund ein Viertel der Belastungen der in der Zweckgesellschaft Phoenix Light ausgelagerten Schrottpapiere im Volumen von beachtlichen 23 Milliarden € aus Engagements in der Karibik und anderen Offshoredestinationen stammt.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ja, wer hat die denn gemacht! Wo war die FDP, als die gemacht wurden?)

Das ist, höflich formuliert, nicht der typische Betätigungsort, Herr Kollege, für eine Landesbank – jedenfalls nach unserer Auffassung. Sie haben auf unsere Nachfrage ferner einräumen müssen, dass zahlreiche Offshoregesellschaften der WestLB ebenfalls Briefkastenfirmen gewesen sind.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Beispielsweise haben Portigon Finance Curucao, Harrier Capital Management Bermuda, diverse WestLB-Gesellschaften auf den Cayman Islands alle miteinander eines gemeinsam, nämlich sie haben keinen einzigen Beschäftigten vor Ort. Da hängt ein großer Briefkasten an der Wand und sonst findet sich nichts.

Deshalb, Herr Finanzminister, haben wir Ihnen, da Sie auch im Aufsichtsrat der Portigon AG sitzen, vor zwei Jahren, im März 2014, einen langen Fragenkatalog zugeschickt. Es ist schon bemerkenswert, was Sie in Ihrer Antwort sagen und was Sie nicht sagen.

Sie beantworten pauschal diverse berechtigte Fragen nicht, und zwar mit dem Hinweis darauf, das könne sich ja der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur WestLB anschauen. Darauf können Sie verweisen.

Sie haben aber ausdrücklich natürlich die Möglichkeit, wenn Sie das wollen, die Fragen auch im Vorgriff zu beantworten.

Interessant ist, wie Sie mit bestimmten Fragen umgehen. Ich habe aus Gründen der Zeit leider nur die

Gelegenheit, das an ein paar Beispielen deutlich zu machen. Es ist alles nachlesbar in Landtagsvorlage 16/1755.

Da sagen Sie, dass Verpflichtungen eingegangen worden sind für Offshoregesellschaften, die bis zum Jahr 2041 wirken. Wir fragen und Sie beantworten das, natürlich zusammen mit dem Vorstand der Portigon AG.

Frage: Was passiert mit Offshoregesellschaften, wenn Portigon AG und Bad Bank, EAA, im Jahr 2041 gar nicht mehr existieren? Antwort im Wortlaut: Eine Beantwortung dieser Frage ist derzeit noch nicht möglich.

Dann fragen wir Sie: Welche Steuervorteile sind der WestLB, Portigon AG, EAA sowohl dem Grunde nach als auch der Höhe nach durch Offshoreaktivitäten entstanden? Ihre Antwort im Wortlaut: Eine Erhebung derartiger Daten und ihre anschließende Bewertung stellt einen nicht vertretbaren Aufwand dar.

Frage von uns: Welche Steuervorteile sind Kunden der WestLB, Portigon AG, EAA sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach durch Offshoreaktivitäten entstanden? Ihre Antwort im Wortlaut: Hierzu liegen keine Informationen vor.

Dann haben wir gefragt: Hat die Harrier Capital Management auch Lizenzverrechnungen mit der WestLB bzw. deren Tochterfirmen betrieben? In welcher Größenordnung konnten dadurch Steuern gespart werden? Ihre Antwort im Wortlaut: Eine Beantwortung der Fragen ist nur nach Prüfung der Unterlagen der Gesellschaft möglich, die jedoch nicht in Deutschland lagern.

Und so geht das dann munter weiter. Vieles, Herr Finanzminister, ist da im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur WestLB und darüber hinaus noch aufzuklären, und ich würde mir ein ähnlich beherztes Vorgehen von Ihrer Seite aus wünschen, um da mehr Licht ins Dunkel all dieser WestLB-Aktivitäten zu bringen, wie Sie das sonst an anderer Stelle bei Privatbanken auch einfordern.

(Beifall von der FDP)

Aufgrund all dieser Erfahrungen und Vorgänge ist es richtig und notwendig, nicht lockerzulassen und internationalen Steuerschlupflöchern und Steuerkriminalität konsequent entgegenzutreten. Wir erwarten Aufklärung und wollen nähere Einzelheiten erfahren, welche Geschäftsmodelle in welchen Steueroasen genutzt worden sind.

Wünschenswert ist sicherlich eine weltweite Verständigung,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das wird dann knallhart aufgeführt!)

Herr Kollege, über zulässige Steuerpraktiken einerseits und Steuervermeidungsstrategien andererseits, die im Sinne eines fairen Wettbewerbs in einer sozialen Marktwirtschaft nicht mehr hinnehmbar sind.

Es ist – jedenfalls nach unserer Auffassung – nicht in Ordnung, wenn einige wenige große Player für sich Steuervermeidungsstrategien nutzen und damit für Steuerausfall sorgen, den dann der kleine selbstständige und mittelständische Unternehmer bei uns um die Ecke mit einer immer höheren individuellen Steuerbelastung ausgleichen muss.

Die Steuersätze werden weiter ständig steigen, wenn sich ein Teil der Steuerpflichtigen eines leistungsgerechten Beitrags zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben entzieht. Das gilt es selbstverständlich zu verhindern. Und es ist richtig, wenn die aktuelle Bundesregierung sich dieser Herausforderung ebenso stellen möchte, wie es die Vorgängerregierung bereits gemacht hat.

Der Aktionsplan gegen Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen der G20-Finanzminister vom Juli 2013, BEPS – Base Erosion and Profit Shifting – ist ein wichtiger Schritt dabei gewesen.

Wir stehen heute sicherlich noch nicht am Ende dieses Prozesses, aber es sind wichtige Verabredungen getroffen worden, beispielsweise unter den 15 Punkten die Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung bei hybriden Gestaltungen, die Erarbeitung von internationalen Standards für die Hinzurechnungsbesteuerung, die Verhinderung der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Vorteilen aus Doppelbesteuerungsabkommen, die Aktualisierung der Verrechnungspreislisten für diverse Sachverhalte, die Entwicklung von Methoden und Regelungen, um Daten über Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen zu erlangen oder auch die Verbesserung der Transparenz im Hinblick auf aggressive Steuerplanungen.