Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Drittens habe ich darauf abgehoben, dass ich es nicht angemessen fand, zu sagen: Die Lehrer sagen morgens „Dies und jenes wegtun“, und die Mitglieder dieses Parlaments von frei gewählten Abgeordneten sollten von ihren Parlamentarischen Geschäftsführern gemaßregelt werden, gefälligst ihre Handys auszumachen, damit sie Ihnen angemessen zuhören. Dagegen habe ich mich verwahrt aus Respekt vor dem Parlament. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. – Wir sind am Ende der Debatte. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, die Zeiten sind auch alle gut genutzt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Piratenfraktion. Hier ist direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag zu? – Die Piratenfraktion, was zu erwarten war. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD, Grüne und CDU stimmen gegen diesen Antrag. Wer enthält sich? – Die FDP-Fraktion enthält sich. Damit ist der Antrag Drucksache 16/11691 mit breiter Mehrheit in diesem Hohen Hause abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

7 Klima schützen – Wertschöpfung der Stahlin

dustrie erhalten – unnötige und unsinnige Reform des Emissionshandels verhindern

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11674

In Verbindung mit:

Stahlstandort NRW sichern – strategische Industrie für die Wirtschaft von morgen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/11707

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/11765

Eine Aussprache zu dem Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/11674 ist heute nicht vorgesehen.

Somit kommen wir zur Abstimmung über diesen Antrag. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/11674 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Alle fünf Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, diesen Antrag auch an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu überweisen. Abschließende Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Wer stimmt diesem Vorgehen und damit der Überweisungsempfehlung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist alles nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Wir kommen zur Aussprache über den Antrag Drucksache 16/11707 der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Sundermann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wichtig dieses Thema ist, zeigt nicht zuletzt, dass mittlerweile fast alle Fraktionen einen Antrag dazu vorgelegt haben. Insofern ist es sicherlich sehr gut, es heute hier zu debattieren und uns entsprechend Zeit für die Beratungen in den Fachausschüssen zu nehmen.

Meine Damen und Herren, letzte Woche Montag, am 11. April 2016, haben 17.000 Kolleginnen und Kollegen aus der Stahlindustrie sowie ihre Familien und Freunde in Duisburg für die Zukunft ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Es waren nicht nur Gewerkschafter und die Vertreter der Sozialdemokratie zugegen, auch das Management der Stahlunternehmen und die Industrieverbände waren dort. Sie alle eint das Ziel, einen starken Stahlstandort in Nordrhein-Westfalen zu sichern.

Die nordrhein-westfälische SPD war, ist und bleibt an der Seite derjenigen, die in dieser Industrie ihre Arbeit haben. Der Wohlstand in unserem Land ist ohne die Stahlindustrie nicht denkbar. Wir stellen in Nordrhein-Westfalen jährlich 16 Millionen t Stahl her. Das sind ungefähr 38 % der gesamten Produktion in Deutschland. Ohne Stahl fährt kein Auto, es fährt kein Zug, es dreht sich kein Windrad, und es wird kein Hochhaus gebaut.

Wenn wir diese Industrie verlieren, verlieren wir wirtschaftliche Leistungskraft, Know-how und gute Arbeit. Ziel der Landespolitik muss es daher sein, den

Stahlstandort Nordrhein-Westfalen zu sichern und bei seiner Modernisierung mitzuhelfen.

Die Stahlindustrie steht aktuell vor allem vor zwei großen Herausforderungen: den Stahlimporten aus China auf der einen Seite und den wachsenden Anforderungen des Klimaschutzes auf der anderen Seite.

Die Volksrepublik China hat im Jahr 2015 ca. 112 Millionen t Stahl exportiert. Im Vergleich dazu liegt die Stahlnachfrage der gesamten EU bei nur ca. 150 Millionen t. Die langsame Konjunktur in China führt nun zu einer zurückgehenden Nachfrage nach Stahl in China selbst, die China nun über verbilligte Exporte auszugleichen versucht. Das zeigt, dass wir es mit einer staatlich subventionierten und gesteuerten Dumpingstrategie zu tun haben.

Die zweite Herausforderung besteht in den steigenden Anforderungen des Klimaschutzes. Wir haben hier die vierte Handelsperiode des europäischen CO2-Zertifikatehandels, die 2021 starten soll. Die EU-Kommission hat nun für die neuen Handelsregeln erste Vorschläge vorgelegt. Bei der Ausgestaltung des ETS müssen wir aber insbesondere bei der Stahlindustrie darauf achten, dass klimaschonende Modernisierung und nicht klimaschutzschädliche Verlagerung stattfindet.

Um diese Herausforderung zu meistern, setzen wir uns zusammen mit der Landesregierung dafür ein, in Europa faire Wettbewerbsbedingungen für unsere Stahlindustrie zu erhalten. Besonders effiziente Stahlwerke dürfen nicht durch Zertifikatehandel mit zusätzlichen Kosten belastet werden.

Für die Sicherung des Stahlstandortes sind aus unserer Sicht daher fünf konkrete Punkte wichtig.

Erstens. Die Reform des europäischen Zertifikatehandels, kurz ETS, muss so gestaltet werden, dass frühzeitig die Branchen und Unternehmen feststehen, für die Ausnahmeregelungen bestehen. Das heißt, dass die sogenannte Carbon-Leakage-Liste nicht erst 2019, sondern schon 2017 von der EUKommission vorgelegt werden muss.

Zweitens. Die Benchmarks für effiziente Anlagen, die den Maßstab für die Modernisierung der Industrie bilden, dürfen nicht einfach pauschal verstärkt werden, sondern müssen auch technisch und wirtschaftlich erreichbar sein.

Drittens. Für Emissionen aus der Verstromung von Restprodukten der Industrie wie den sogenannten Kuppelgasen muss es weiterhin kostenlose CO2Zertifikate geben. Wir haben zum Beispiel in Duisburg hochmoderne Anlagen, die sich sonst wirtschaftlich nicht mehr rechnen würden. Wo die Industrie vorbildlich und innovativ eine klimaschonende Produktion etabliert hat, indem sie auch Restprodukte zur Energieerzeugung verwertet, darf sie nicht noch dafür bestraft werden.

Viertens. Die Außenhandelspolitik der EU muss dafür sorgen, dass die künstlich verbilligten Stahlimporte aus China nicht weiterhin den europäischen Markt überschwemmen. Wir wollen einen fairen Welthandel. Unsere Stahlindustrie darf aber nicht die Zeche für chinesische Fehlplanungen und DumpingStrategien zahlen. Daher werden deutlich schnellere Verfahren zur Festsetzung von EU-Strafzöllen benötigt. Diese müssen hoch genug sein.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Fünftens. Zum Ende dieses Jahres steht eine Neubewertung Chinas im Rahmen der WTO an. Sollte China den Status einer Marktwirtschaft bekommen, werden die Möglichkeiten für Strafzölle und andere Schutzmaßnahmen deutlich geringer. Die EU hat fünf Kriterien festgelegt, wonach ein Staat eine Marktwirtschaft wird. Die Erfüllung dieser Kriterien sollte mit großer Sorgfalt geprüft werden. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen unter Führung von Hannelore Kraft weiß bei diesen Fragen Bundesminister Sigmar Gabriel an ihrer Seite.

(Dietmar Brockes [FDP]: Die Umweltministe- rin!)

Beide haben letzte Woche in Duisburg deutlich gemacht, dass sie mit aller Kraft dafür kämpfen, dass unsere Stahlindustrie eine Zukunft in diesem Land hat.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Wir unterstützen sie dabei und fordern alle Parteien im Land Nordrhein-Westfalen auf, es ihnen für gute Arbeit, Innovation und für industrielle Leistungskraft gleichzutun. – Glück auf.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Sundermann. – Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Dr. Beisheim.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass in der aktuellen Debatte über die Stahlindustrie mittlerweile alle Faktoren auf dem Tisch liegen, die die Stahlstandorte weltweit unter Druck geraten lassen. Nur die CDU scheint das nicht zu interessieren. Sie versucht immer, den Treibhausgasemissionshandel als Sündenbock darzustellen. Aber so einfach ist das nicht.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben den Kol- legen Sundermann gerade nicht gehört, oder?)

Ja, sicherlich. Aber wenn man die Debatten und das verfolgt, was Herr Kollege Laschet dazu gesagt hat, kann man nur sagen, dass Sie wirklich keine Fakten brauchen, um eine Meinung zu haben; denn

die Entwicklung kam nicht plötzlich, sondern deutete sich schon länger an.

Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, Herr Hovenjürgen, dann stellen Sie fest, dass es 2010/2011 ein Zwischenhoch gab. Letzten Endes gab es dann einen Einbruch der Produktion. Mittlerweile ist höchstens noch eine Seitwärtsbewegung festzustellen, was die Produktion insgesamt betrifft. Die Auslastung der Hütten beträgt – verteilt über alle Stahlstandorte – durchschnittlich 85 %.

Diesen Umsatzeinbrüchen wurde bereits begegnet. Ich muss sagen, in Duisburg gibt es ein bemerkenswertes Beispiel für Solidarität unter den Belegschaften. Die Belegschaft hat selbst entschieden, eine 31-Stunden-Woche einzuführen. Sie hat dadurch Entlassungen vermieden. Deshalb haben die Kolleginnen und Kollegen vor Ort wirklich ein Recht darauf, dass wir eine faire Debatte über die Zukunft der Stahlstandorte führen.

Schaut man sich ganz nüchtern die Variablen an, die das Betriebsergebnis beeinflussen, so ist die Hebelwirkung der einzelnen Variablen enorm. Die Einflüsse zum Beispiel eigener Managementfehler, der Überproduktion oder des Treibhausemissionshandels laufen nicht immer parallel, sondern teilweise auch entgegengesetzt. Lassen Sie mich das am Beispiel des Treibhausemissionshandels erläutern.

Das bisherige Überangebot an Zertifikaten hat dazu geführt, dass es zu einer geringeren Belastung gekommen ist, als ursprünglich eingepreist war. Das hat dazu beigetragen, dass die Verluste bei ThyssenKrupp aus den brasilianischen und amerikanischen Abenteuern abgefangen werden konnten. Insgesamt hat die Stahlindustrie zwischen 2005 und 2012 von der Ausgestaltung des Emissionshandels profitiert und Emissionszertifikate im Wert von 5,3 Milliarden € kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen.

Wir alle wissen, Europa ist kein Wachstumsmarkt im Bereich Stahl. Es ist daher, wie vorhin gesagt, von einer Seitwärtsbewegung des Verbrauchs zu sprechen. Aufgrund der europäischen Überproduktion ist auch klar, dass es zukünftig zu einem Kapazitätsabbau auch in Deutschland kommen wird.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock?

Das ist sehr freundlich von Ihnen. – Bitte, Herr Ellerbrock.

Frau Kollegin, diese Vergangenheitsdarstellung ist ja sehr interessant. Aber

es geht doch heute eigentlich darum, deutlich zu machen, dass der Benchmark für die Zuteilung in einem Maße unterhalb der technischen Möglichkeiten gefordert wird, sodass die besten Unternehmen noch zusätzliche Zertifikate kaufen müssen. Die Begründung liegt darin, dass die Bundesregierung Umweltprogramme in der Hoffnung auf hohe Zertifikatspreise durchfinanziert hat. Das ist nicht eingetreten. Das ist das Problem, über das wir uns unterhalten müssen.