Protokoll der Sitzung vom 21.04.2016

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Laut dem Monitor Familienleben 2013 des Instituts für Demoskopie Allensbach wünschen sich mehr als die Hälfte der Eltern betriebliche Angebote. Das ist auch kein Wunder, weil Betriebskitas eine Riesenerleichterung sind. Die Fahrtzeiten werden kürzer. Es

gibt keinen Stress, wenn man einmal ein paar Minuten zu spät kommt. Es gibt flexiblere Absprachen. Im Notfall ist man auch sofort vor Ort.

Gerade die SPD, die sich das Thema „Familienzeit“ so riesengroß auf die Fahnen geschrieben hat, sollte hier eigentlich aufhorchen. Weniger Fahrtzeit, weniger Stress ist gleich mehr Zeit mit den Kindern und auch mehr Qualitätszeit.

Zweitens. Die Betriebe haben selbst ein Interesse an eigenen Betreuungsangeboten, weil sie damit um gutes Personal werben und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwas bieten können. In Zeiten des Fachkräftemangels wird Familienfreundlichkeit im Zweifel wichtiger als der Dienstwagen. Darüber hinaus gewinnen auch die Unternehmen, weil die Mitarbeiter weniger gestresst sind, gerade die Mütter bei verlässlicher Betreuung schneller in den Beruf zurückkehren und die Zufriedenheit steigt.

Drittens formuliere ich als Frage. Warum sollte man als Land ein ergänzendes Angebot nicht ermöglichen, wo die benötigten Betreuungsplätze nicht gerade vom Himmel fallen? Dafür gibt keinen vernünftigen Grund, und die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.

Zur Erinnerung der Hintergrund, vor dem wir das hier besprechen: Nordrhein-Westfalen ist noch immer Schlusslicht bei der U3-Betreuung, und vor diesem Hintergrund die Zahlen: Zum Stichtag 1. März 2014 wurden in NRW genau 762 Kinder in Kitas betreut, die Teil eines Unternehmens oder eines Betriebes waren. 762 Kinder in 23 Betriebskindergärten!

Woran liegt das? – Wir nehmen wahr, dass die Unternehmen zunehmend bereit sind, ihrer Verantwortung nachzukommen und ihren Teil zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beizutragen. Wir müssen sie an ihre Verantwortung erinnern, aber wir müssen es ihnen auch ermöglichen, sich einzubringen.

Der finanzielle und organisatorische Aufwand für die Betriebe ist aber unter den aktuellen Bedingungen kaum zu stemmen. Gerade aufgrund der fehlenden Förderung können sich meist nur große Unternehmen eine Betriebskita leisten. Frau Ministerin Kampmann, ich erinnere mich noch an das Schaubild auf dem Familiengipfel. Darauf war deutlich zu sehen, dass die Eltern entweder in sehr kleinen Betrieben oder sehr großen Unternehmen Vereinbarkeit von Familie und Beruf für möglich halten. Mittelgroße Unternehmen aber haben da ein echtes Problem. Hier müssen wir die Lösungen, die es da schon gibt – beispielsweise Familiengenossenschaften – intensiv bewerben. Vielen Unternehmen sind diese Möglichkeiten unbekannt. Das gilt es meines Erachtens zu ändern.

Vor allen Dingen müssen wir für diese Unternehmen auch die Rahmenbedingungen ändern. Betriebskindergärten müssen genauso wie alle anderen Kitas in

diesem Land eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII erhalten. Selbstverständlich müssen sie dann auch die Vorgaben des Kinderbildungsgesetzes – besonders zur Personalausstattung – erfüllen.

Deshalb ist unsere Forderung klar: Wir wollen Betriebskitas die gleiche öffentliche Förderung geben wie den anerkannten freien Trägern. Gleiche Förderung für gleiche Qualität – das muss das Motto sein.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir unterstützen damit Familien und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Auch die Mehrkosten halten sich für das Land in Grenzen. Die Aufgabe der Kinderbetreuung muss ja so oder so durchgeführt werden, und deswegen fallen auch keine zusätzlichen Kosten an.

Es ist genug Zeit mit Lamentieren verschwendet worden; es gibt keinen Grund, weiter zu zögern. Es gilt jetzt einfach einmal: machen.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und hier im Plenum. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Maelzer das Wort. – Da eilt er auch heran. Bitte.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hafke! Jetzt finde ich ihn gerade nicht.

(Zuruf von der FDP)

“Wink mal.“ Genau. –

(Marcel Hafke [FDP] winkt.)

Herr Hafke, Sie haben davon gesprochen, dass wir das Engagement von Betrieben für die Betreuung der Kinder ihrer Mitarbeiter anerkennen sollen. Das tun wir als SPD ausdrücklich. Wir wissen: Der Schlüssel für eine familienfreundliche Gesellschaft liegt in einer familienfreundlichen Arbeitswelt. Dazu gehören Arbeitszeiten, die im Sinne von Eltern gestaltet sind. Dazu gehören aber vor allen Dingen auch geeignete Betreuungsmöglichkeiten. Wenn Betriebe hier Verantwortung übernehmen, nützt das den Familien, aber natürlich auch den Unternehmen selbst, die sich im Wettbewerb um Fachkräfte befinden.

Für uns ist die Kinderbetreuung aber mehr als Unterbringung während der Arbeitszeit; es ist mehr als Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Beifall von Ingrid Hack [SPD])

Es geht auch um Bildung, es geht auch um Erziehung, und genau dafür ist Werteorientierung wichtig.

Und das liefert uns die breitgefächerte Landschaft an freien, gemeinnützigen Trägern, seien es Kirchen, seien es Wohlfahrtsverbände, seien es Elterninitiativen in unserem Land.

In Ihrem Antrag suggerieren Sie, in Nordrhein-Westfalen gäbe es nur 23 Betriebskitas. Das ist mitnichten der Fall. In Wirklichkeit sind es mehrere Tausend Kinder, die Betriebskitas in unserem Land besuchen. Diese sind allerdings durch gemeinnützige Träger organisiert, und genau dafür sehen die Förderbedingungen des Kinderbildungsgesetzes auch Betriebskostenzuschüsse vor.

Ich selbst habe vor einigen Wochen die Betriebskita des Klinikums Lippe in Detmold besucht; Träger ist das Deutsche Rote Kreuz. Hier sind die Öffnungszeiten auf die Schichtdienste im Klinikum abgestimmt. Solche erfolgreichen Kooperationen von freien Trägern und Unternehmen blenden Sie in Ihrem Antrag aber völlig aus.

Herr Kollege, entschuldigen Sie: Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Hafke zulassen?

Aber selbstverständlich.

Dann los.

Vielen Dank, Herr Präsident, vielen Dank, Herr Kollege. – Sie haben gerade davon gesprochen, dass es in Nordrhein-Westfalen ja in Kooperation mit einem freien Träger oder zum Beispiel dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Tausende von betrieblichen Kindergärten bzw. betreuten Kindern geben würde.

(Zuruf von der SPD)

Ich würde gerne wissen, worauf Sie diese Annahme stützen und wie die Zahlen tatsächlich aussehen.

Das Ministerium sprach 2012 von 108 Betriebskindergärten, die unter genau diese Konstellation fallen. Vielleicht könnten Sie das ja noch einmal …

(Ingrid Hack [SPD]: Er hat von Kindern ge- sprochen, nicht von Kitas! – Zuruf von Ministe- rin Christina Kampmann)

Ja, das Ministerium hat bislang ja noch nichts weiter veröffentlicht. Vielleicht kann der Kollege da einfach einmal ein bisschen Licht ins Dunkel bringen.

Das ist relativ einfach, Herr Hafke; denn ich lese auch Ihre Kleinen Anfragen, die Sie gestellt haben. Auf diese Fragen gibt es Antworten der Landesregierung.

Wenn wir uns die Entwicklung in unserem Land anschauen, dann sehen wir, dass es immer mehr Betriebskitas gibt – allerdings in Kooperation mit gemeinnützigen Trägern. Darum gibt es heutzutage schon Tausende von Kindern in Betriebskitas.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: So geht das!)

Das könnten Sie mit den Zahlen, die Ihnen vorliegen, auch schon wissen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber in Wirklichkeit, lieber Herr Hafke, liebe FDP, geht es Ihnen doch gar nicht um die 23 Betriebskitas in privater Trägerschaft. Sie wollen, dass gewinnorientierte private Träger generell mit gemeinnützigen Trägern auf eine Stufe gestellt werden. Dafür sind die Betriebskitas nur das Einfallstor.

(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD])

Das ist genau Ihre Ideologie von „Privat vor Staat“, die Sie auf sämtliche Lebensbereiche ausdehnen wollen.

(Beifall von der SPD)

Bislang standen Sie mit diesem Ansinnen im Kitabereich ziemlich alleine da. Deshalb konnten Sie dieses Ziel ja auch in Ihrer Regierungszeit mit der CDU nicht im Kinderbildungsgesetz verankern.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Aber die CDU schwenkt ja jetzt um!)

Und gerade deshalb wundere ich mich so sehr, dass die CDU auf der Zielgerade auf Ihren Antrag mit draufgesprungen ist.

„Wir möchten, dass der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen mit den bestehenden Regelungen und Fördermöglichkeiten gezielt die Kooperation zwischen Betrieben und freien Trägern bewirbt. Auf diese Weise kann nämlich das Knowhow der freien Träger für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen zum Beispiel mit Blick auf pädagogische Fragestellungen zur Erfüllung des Bildungsauftrages genutzt werden.“

Herr Tenhumberg, kommen Ihnen diese Worte bekannt vor? – Das waren genau Ihre Worte, Herr Tenhumberg, im Jahr 2010, als die FDP schon einmal einen ähnlichen Antrag eingebracht hat. Damals hatten Sie recht und haben auch von allen anderen Parteien im Landtag Applaus dafür bekommen. Jetzt aber scheint auch die CDU den Wert der gemeinnützigen Träger für unsere Gesellschaft aus dem Blick verloren zu haben.