Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Keiner von der SPD hat geklatscht! – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Ihr habt doch bei eurem eigenen Redner nicht ge- klatscht! Was soll das denn jetzt?)

Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Kollege Bayer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Fluggäste am Jetstream! Im August 2015 stellten wir Piraten hier einen Antrag mit dem Titel „NRW braucht ein Landesluftverkehrskonzept!“. Wir meinten das ernst. Die öffentliche Anhörung wird allerdings erst am 31. Mai 2016 stattfinden. Die Anhörung wurde mehrmals von anderen Fraktionen aufgeschoben, weil angeblich in wenigen Wochen das nationale Luftverkehrskonzept käme. Aber das tat es nicht. Die Vertreter der Landesregierung sind dabei sogar laut geworden. Trotzdem hatten sie mit ihrer Prophezeiung unrecht. Ich freue mich also auf die Anhörung am 31. Mai.

Besonders freue ich mich darüber, dass die grüne Fraktion nun endlich wenigstens eine Debatte zulässt. Nach sieben Jahren Rot-Grün ist Ihnen das dann eingefallen. Von einer echten Position NRWs sind wir jedoch Flugmeilen entfernt.

Daher verstehe ich auch die FDP nicht, wenn sie in ihrem Antrag den fatalen Passus aus dem Koalitionsvertrag zitiert, der übersetzt heißt: „Wir machen weitere fünf Jahre lang gar nichts“, und eben keine Klarheit schafft.

Nordrhein-Westfalens anspruchsvolle Flughafenlandschaft mit stadtnahen Flughäfen und vielen Regionalflughäfen darf nicht weitere Jahre mit einem Konzept hantieren, das auf der Datenbasis aus den

90er-Jahren basiert; denn das ist der aktuelle Stand. Weeze ist ein voraussichtlich frei werdender Militärflugplatz, und der Angerlandvergleich bezüglich des Düsseldorfer Flughafens gilt als gekündigt. Das ist das Konzept, mit dem die Landesregierung derzeit arbeitet. Es hat aber keinen Wert mehr. Fazit: Die Landesregierung ist im Luftverkehr völlig konzeptlos.

Nordrhein-Westfalen hat die höchste Flughafendichte Deutschlands. Sechs der 20 größten Flughäfen liegen in Nordrhein-Westfalen. Daher kann auch NRW nicht einfach warten, bis Berlin und Bayern irgendetwas festlegen. Nordrhein-Westfalen muss öffentlich Anforderungen formulieren und als Land offen Verantwortung für seine Menschen und seine Flughäfen übernehmen. Das sind sowohl die Anwohner und von Fluglärm und Luftbelastung Betroffenen als auch Wirtschaft und Flughäfen.

Es sollte klar sein, dass nicht erst dann diskutiert und politisch bewertet werden kann, wenn auf Bundesebene ein bereits verabschiedetes Luftverkehrskonzept vorliegt oder es grünes Licht für die Kapazitätserweiterung in Düsseldorf gibt. Denn natürlich ist auch die Kapazitätserweiterung in Düsseldorf eine politische Entscheidung. Herr Voussem hat das eben durch Beispiele bewiesen.

Minister Groschek versteckt aber die hochpolitische Entscheidung hinter Verwaltungsprozessen. Er verhandelt in Kommissionen ein wenig mit, kann aber nicht offen sagen, welche Position das Land zu seinen Flughäfen hat.

Sein Ministerium würgt jede Debatte ab und erfindet seltsame Realitäten. Die Landesregierung suggeriert, es gäbe keine Subventionen für die Regionalflughäfen. Zwar nicht aus dem Landeshaushalt, ja – aber natürlich gibt es viele Subventionen der öffentlichen Hand, und die gehören auf den Tisch. Wenn die von der Gesellschaft getragenen direkten und indirekten Kosten zu hoch sind, kann ein Flughafen nicht einfach erhalten werden. Dann wird auch mal ein Regionalflughafen geschlossen. Das ist eben Marktwirtschaft.

An dieser Stelle sind auch die Grünen mit ihrem Positionspapier nicht ehrlich und auch nicht entscheidungsfreudig genug. Die Idee, Düsseldorf könne touristische Flüge einfach nach Weeze, Dortmund oder Münster/Osnabrück abgeben, ist ja nicht neu; lesen Sie einmal die Kleinen Anfragen von CDU und FDP aus den entsprechenden Wahlkreisen oder Positionspapiere der Handelskammern.

Diese Idee, die angeblich alle glücklich macht, geht aber völlig an der Realität vorbei. Flugverkehr lässt sich nicht einfach auf kleinere Flughäfen in anderen Städten verlagern. Einzelne Superbilligflieger sind da weder Beweis noch Maßstab. Mehr Flughäfen erzeugen im besten Fall nur mehr Flüge und mehr Fluglärm, im schlechtesten Fall aber allein mehr Kosten.

Das schadet der Wirtschaft, auch der lokalen Wirtschaft.

Dieses Verlagerungsmärchen ist allerdings das entscheidende Argument für noch mehr Subventionen vor Ort – gefüllt mit Hoffnung, genährt durch die Untätigkeit der Landesregierung, die jede Möglichkeit scheinbar offenhält, weil sie ja nichts tut.

Das zweite Märchen tischt uns die FDP bereits im Antrag zur Aktuellen Stunde auf, Stichwort: Beschäftigungsmotor. Selbst in den USA mit hoher Flugtätigkeit gilt das nicht. Und Baden-Württemberg, ganz ohne Luftdrehkreuz, nagt auch nicht am Hungertuch.

Ja, der Flughafen Düsseldorf sorgt für Beschäftigung und Ansiedlung internationaler Firmen im Umkreis. Für Köln/Bonn als Logistikzentrum gilt Ähnliches, wenn auch in geringerem Umfang. Das lässt sich auch nicht von der Hand weisen. Aber Superbilligflieger haben so gut wie keinen Einfluss auf die Beschäftigung und die wirtschaftlichen Effekte.

Und für Weeze und die Regionalflughäfen trifft das überhaupt nicht zu. Im Gegenteil: Internationale Firmen siedeln sich auch nicht direkt am Flughafen Weeze oder Flughafen Dortmund an. Das tun sie nicht. Das kann man natürlich jahrzehntelang versprechen, aber davon wird es nicht wahr.

Beim Besuch entsprechend großer wie kleiner internationaler Unternehmen frage ich oft, ob denn der nahe gelegene Flughafen genutzt wird, wenn zum Beispiel Besuch vom Mutterkonzern kommt. Die Antwort ist fast immer: Nein. Ich sage Ihnen: Andere teure Investments im Sinne der Standortpolitik wären wesentlich effektiver.

Ich will bei der Standortpolitik bleiben. Gerade im Luftverkehr, wo es keine einheitlichen Standards gibt, sondern jeder Kampf um Umwelt-, Lärm- und Gesundheitsschutz einzeln gefochten wird, ist die politische Verantwortung so wichtig. Es ist sehr wichtig, auch die externen Kosten dabei zu berücksichtigen. Wir müssen ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Nachhaltigkeit und vor allem gesundheitliche Nachhaltigkeit hoch bewerten.

Uns ist die Einbindung des Luftverkehrs in ein Gesamtverkehrskonzept wichtig, das alle Verkehrsmittel einbezieht. Zur Vermeidung von Lärm und Schadstoffen müssen in NRW endlich Werkzeuge eingesetzt werden, die eine spürbare Lenkungswirkung haben. Es reicht nicht, wenn auf dem Papier steht, dass es lärm- und zeitabhängige Gebühren gibt, sondern es braucht auch eine wirksame Form und Dosis dafür. Wir dürfen nicht das Luxusproblem „schönere Slotvergabe“ über die Gesundheit der Menschen stellen.

Wer dabei sagt, dass es Gesetzgeber, Exekutive und öffentlichen Anteilseignern, allen zusammen, nicht möglich sein soll, hier lenkend einzugreifen, der kann

sich gleich ganz zurücklehnen. Das ist das, was die Landesregierung auch tut.

Danke schön, dass Sie mit Plenar-Alliance hier geflogen sind. Ich hoffe, dass Sie zur Fragestunde wieder mit an Bord sind. Die Frage um 18 Uhr lautet: „Flughäfen in NRW – Welchen Plan verfolgt die Landesregierung bei der Verteilung des Flugverkehrs im Zusammenhang mit der beantragten Kapazitätserweiterung des Flughafens Düsseldorf und den bestehenden Subventionen für Regionalflughäfen?“ Das wird auch interessant. Aber machen wir erst einmal mit der Aktuellen Stunde weiter. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Groschek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Rechtsstaat ist die größte zivilisatorische Errungenschaft, die wir in Europa haben. Deshalb sollten wir vorsichtig mit dem Handeln nach Recht und Gesetz umgehen. Denn die Bürgerinnen und Bürger, auch die lärmgeplagten, haben das Recht auf Garantie, dass sie vor Recht und Gesetz und Gerichten gleichbehandelt werden. Und investitionswillige Unternehmen und Unternehmer haben ein gleichbedeutendes Recht.

Deshalb werden wir als Planfeststellungsbehörde im Auftrag des Bundes keinerlei Zweifel zulassen, dass nur nach Recht und Gesetz in Nordrhein-Westfalen entschieden wird und nicht nach Bauch oder sonstigen Gemütslagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was wir gemeinsam miteinander diskutieren können, ist, dass in Deutschland auch bei diesen Genehmigungsverfahren Genehmigungsabläufe inzwischen zu Marathonläufen geworden sind. Das ist sowohl für Befürworter eines Investitionsvorhabens wie für Gegner eines Investitionsvorhabens völlig unbefriedigend.

Deshalb habe ich zusammen mit anderen Länderverkehrsministern an den Bundesverkehrsminister appelliert, einen Weg zu suchen, wie wir den Genehmigungsdschungel in Deutschland lichten können – und das möglichst in einem Format der BodewigKommission –, um jetzt vor der Bundestagswahl ein Ergebnis zu erarbeiten, das nach der Bundestagswahl von einer dann neuen Bundesregierung umgesetzt werden könnte.

Die Investitionsbremse in Deutschland ist nämlich nicht mehr das Geld, sind keine Planungsengpässe, sondern ist der Genehmigungsengpass aufgrund

von Genehmigungsabläufen. Da müssen wir gemeinsam den Hebel ansetzen.

(Beifall von der SPD)

Es gab Hinweise, was liegengeblieben wäre oder aus politischer Opportunität nicht auf die Tagesordnung käme. Das ist ganz falsch. Wir brauchen ganz dringend ein nationales Luftverkehrskonzept, weil wir im Grunde nur Bundesauftragsverwaltungskompetenzen im Bereich des Luftverkehrs haben, wenn man politische Absichtserklärungen einmal beiseitelässt und auf den harten Kern von Kompetenzen, die entscheidungsrelevant sind, zurückkommt.

Das haben wir gemacht. Wir haben in NordrheinWestfalen unter Führung der Ministerpräsidentin gordische Knoten aufgeschnürt. Wir haben den Investitionsengpass bei der Schiene beseitigt, und zwar dadurch, dass mir Dr. Grube und Peter Ramsauer eine Perspektive für Betuwe und RRX eröffnet wurde – Milliardeninvestitionen, die jetzt freigesetzt werden.

(Lachen von Lutz Lienenkämper [CDU])

Wir haben das größte Antistauprogramm der Republik mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan, gemeinsam mit der nordrhein-westfälischen Wirtschaft, mit Rückendeckung des Finanzministers und unter Begleitung des Wirtschaftsministers, umgesetzt. In der Tat: Ersatzneubau und Beseitigung von Engpässen.

Wir haben mit dem Logistik- und Hafenkonzept eine Perspektive, wie die Binnenschifffahrt gestärkt werden kann und wie wir die Verknüpfung zwischen Straße, Schiene und Wasserstraße trimodal hinbekommen.

Und wir werden am 6. Juni offiziell beginnen, mit den Verantwortlichen des DB-Vorstandes und der nordrhein-westfälischen Wirtschaft darüber zu reden, wie wir die politische Lebenslüge Nummer eins im Bereich des Verkehrs auflösen und aufkündigen können. Die Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis in Deutschland. Damit muss Schluss sein. Wir brauchen eine neue, fundierte Perspektive. Diesen historischen Auftrag wollen wir in Nordrhein-Westfalen für die Republik erfüllen. Am 6. Juni beginnen wir hier mit einer Gesprächsrunde in Düsseldorf.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – La- chen von der CDU)

Dann bleibt der Luftverkehr. – Ganz ruhig, Herr Laschet. Ihr Freund Roland Pofalla ist dabei. Wir sind, was das Problem angeht, ein Herz und eine Seele.

(Lachen von der CDU – Zurufe von der CDU: Ui!)

Was das Problem angeht!

Bleibt der Luftverkehr. Das, was in der Vergangenheit von allen Fraktionen im Grunde als Vorteil beschrieben wurde, ein dezentrales Luftverkehrskonzept, ist nicht immer ganz planvoll gewachsen.

Nixdorf hat wahrscheinlich mehr für Paderborn getan als irgendein politischer Wille das hätte tun können.

Dortmund ist aus einem Regionalbewusstsein im östlichen Revier heraus entstanden.

Die Position von Köln ist ungeheuer wichtig für dieses Land. Warum? – Weil wir es in Deutschland mit der absurden Situation zu tun haben, dass nur zwei Flughäfen nach dem Prinzip 24/7 rund um die Uhr geöffnet sind – und das sind nicht die wirklich zentral gelegenen Flughäfen, sondern die am westlichen und östlichen Rand: Leipzig/Halle und Köln/Bonn.

Kein Mensch weiß, wann der Flughafen in Berlin fertig sein wird, aber dass die Betriebszeiten eingeschränkt werden müssen, das steht heute schon fest. In Frankfurt/Main feiert man Lärmpausen, und in München ist der große bayerische Ministerpräsident nicht dazu in der Lage, Ja oder Nein zur dritten Startbahn zu sagen.

(Beifall von der SPD)

Das ist das Dilemma von Herrn Dobrindt! Er kann deshalb kein nationales Luftverkehrskonzept vorlegen, weil er nicht weiß, wie sein Löwe in Bayern brüllen wird. Das ist das Problem, unter dem auch wir leiden.