Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

Das ist das Dilemma von Herrn Dobrindt! Er kann deshalb kein nationales Luftverkehrskonzept vorlegen, weil er nicht weiß, wie sein Löwe in Bayern brüllen wird. Das ist das Problem, unter dem auch wir leiden.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir werden unsere Interessen in Nordrhein-Westfalen sehr deutlich im Rahmen des nationalen Luftverkehrskonzeptes wahrnehmen, weil wir die Flughäfen als Luftverkehrsplätze brauchen, die natürlich eine Wirkung haben. Die Logistik im Großraum Köln ist angewiesen auf die Nachtflugfrachtverbindungen.

(Zuruf von der CDU: Jawoll!)

Und der Düsseldorfer Flughafen ist im Grunde ein roter Teppich im Rahmen der Globalisierung. Warum sind denn so viele chinesische und japanische Unternehmen hier? – Weil man von Düsseldorf aus in die Welt starten kann. Das ist gut, und das muss so bleiben.

(Beifall von der SPD)

Ein weltoffenes Land braucht Perspektiven für einen weltoffenen Luftverkehr. Dass die Bürgerinnen und Bürger dabei so wenig wie möglich belastet und belästigt werden, ist selbstverständlich.

(Zuruf von der CDU)

Investitionssicherheit gilt jedoch auch für die Perspektive der Luftverkehrswirtschaft. Daran darf kein Zweifel bestehen. Der hierfür zuständige Minister

wird auch garantieren, dass solche Zweifel nicht nachhaltig aufkommen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Bergmann jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Vorab habe ich zwei, drei Anmerkungen. Herr Groschek, ich darf das als Kreisvorsitzender der CDU Kleve sagen: Dass Sie Ronald Pofalla loben, finde ich schon bemerkenswert; dass Sie aber auch den CSUMinister Dobrindt so loben, finde ich noch bemerkenswerter.

(Zuruf von der SPD)

Ich würde gerne kurz auf Herrn Bayer eingehen – da vorne sitzt er –: In Weeze sind im Zusammenhang mit dem Flughafen über 1.000 Arbeitsplätze geschaffen worden. Also: erst informieren, dann behaupten!

(Beifall von der CDU – Zuruf von den PIRATEN: Ja, ja!)

Ein weiterer Punkt, und zwar mit Blick auf Herrn Klocke. Herr Klocke, viele Leute aus dem Kreis Kleve können Sie zum Thema „Flughafen Weeze“ nicht angerufen haben. Sie wissen selber: Im Rahmen der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen 2009 sind seitens der Landesregierung 13 Lärmbelästigte in Weeze identifiziert worden.

(Zuruf von den PIRATEN: Die in Holland zäh- len ja nicht! Die sind kein Problem!)

Insofern ist das genauso falsch wie Ihre Behauptung, dass Weeze defizitär sei. Weeze weist ein Plus aus, und das schon im zweiten Jahr. Auch hier gilt: erst lesen, dann behaupten!

(Beifall von der CDU – Zuruf von den PIRATEN)

Ich möchte die Diskussion über den Luftverkehrsstandort Nordrhein-Westfalen um einen Aspekt erweitern, nämlich um die aus meiner Sicht notwendige Dialogoffensive zum Flugverkehr in NRW. Wir alle wissen nicht erst seit dem Nein der Grünen zur Erweiterung des Flughafens Düsseldorf in der letzten Woche, dass der Flughafen unserer Landeshauptstadt an Grenzen stößt und sich zudem in einer Umstrukturierungsphase befindet.

So spielen plötzlich neben den gewünschten Business- und Interkontinentalverbindungen auch LowCost-Carrier dort eine bedeutende Rolle. Laut Bundesverkehrsminister ist aber für den Zeitraum 2010 bis 2030 mit 65 % Wachstum im Luftverkehr zu rechnen. Für dessen Abwicklung werden alle Kapazitäten in unserem Land benötigt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wie möchte NRW denn jetzt die richtigen Rahmenbedingungen dafür setzen? Die Antwort kann doch nicht alleine darin bestehen, die Flugbewegungen weiter auf die beiden großen Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn zu konzentrieren. Anlieger in den Gebieten dort und in den Nachbarbereichen leiden schon jetzt unter erheblicher Lärmbelästigung.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Hört, hört!)

Es wird Sie nicht überraschen, dass ich als Abgeordneter aus dem Kreis Kleve zuerst auf das ungenutzt schlummernde Potenzial im nur 80 km von Düsseldorf entfernten Weeze verweise. Dies gilt es im Landesinteresse zu heben.

Ich erweitere diese Aussage aber ganz bewusst auch auf die anderen Regionalflughäfen in Nordrhein-Westfalen: auf Münster/Osnabrück, Paderborn und Dortmund, die bereitstehen, dem Land hier aus der Bredouille zu helfen.

Ein Lösungsansatz kann nämlich in der Auslagerung von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, also Urlaubsflieger und Low-Cost-Carrier, auf die vier Regionalflughäfen bestehen, um die dadurch frei werdenden Slots für die großen Airports in den Bereichen Business und Interkontinental zu nutzen. Auch kann sich Düsseldorf an Regionalflughäfen beteiligen oder mit ihnen Kooperationsvereinbarungen schließen, die vom Land moderiert werden.

Übrigens: Erst nach Festlegung dieser Parameter für die Luftverkehrspolitik kann man daher wirklich sinnvolle Formulierungen im Landesentwicklungsplan verankern. Eine Festlegung heute würde eher die zukunftsfeste Planung verbauen.

Es könnten Flugbewegungen entzerrt und Lärmbelästigungen im Rhein-Ruhr-Bereich deutlich gemindert werden. Hier hat die Landesregierung eigentlich die Pflicht, aktiv zu werden; denn es geht um den Flughafenstandort NRW als Ganzes und um die Menschen in vielen Regionen unseres Landes.

Wir alle wissen, dass es bei der Landesregierung immer wieder zu diesem – wir haben es vorhin schon gehört – Berlin-Reflex kommt, wonach man erst im Bund handeln müsse, bevor das Land folgen könne. Das ist aus meiner Sicht eine nur rhetorisch gut vorgetragene Form der Arbeitsverweigerung; denn Sie rennen offenen Auges in die Probleme, ohne aktiv zu werden.

Hier lässt NRW eine große Chance an sich vorbeiziehen, zumal doch klar ist, dass Berlin uns zwei aus Bundessicht mittelgroße Flughäfen attestieren wird, und sonst nichts. Da rächt es sich, dass Ihr Blick nicht grenzübergreifend ist.

Dann hätten Sie nämlich schon längst gesehen, dass die Niederländer es uns vorgemacht haben; Stich

wort: „Alderstafel“. Unter Leitung von Ex-Arbeitsminister Hans Alders von der Partij van de Arbeid – Herr Groschek, Sie sehen, es ist nichts Schlimmes – trafen sich die regionalen und lokalen Behörden, die lokalen Interessenvertreter, die Airlines, die Flughafenbetreiber, um einen Dialogprozess der Entwicklung der Flughäfen professionell und ergebnisorientiert voranzutreiben.

Warum? Die niederländische Regierung hatte erkannt, dass der Luftverkehr von und in die Niederlande so anwachsen wird, dass der Flughafen Schiphol dies nicht mehr verarbeiten kann. Alders führte das nach ihm benannte System der Alderstafel ein, um die Situation und die zukünftige Entwicklung von Schiphol und den Regionalflughäfen gleichermaßen zu begutachten und Vorschläge zu unterbreiten, wie der Luftverkehr unter Berücksichtigung der Interessen der Anwohner und auch der Umwelt weiterentwickelt werden kann.

Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Tja, in den Niederlanden. – Lassen Sie mich darauf wie folgt antworten: Die Niederlande haben 17 Millionen Einwohner auf 41 Millionen m². Nordrhein-Westfalen hat 18 Millionen auf 34 Millionen m². Die Niederlande gehören mit etwa 400 Einwohnern je Quadratmeter zu den dicht besiedeltsten Ländern in der Welt. NordrheinWestfalen hat 528 Einwohner je Quadratmeter. Von den 17 Millionen Niederländern wohnt ungefähr die Hälfte in der Randstad. Das ist der Bereich um Amsterdam; das ist der sehr dicht besiedelte Westen des Landes. In Nordrhein-Westfalen trennt sich die Bevölkerung ganz grob gesprochen fifty-fifty in urbane und eher ländliche Bereiche.

Die Niederlande haben zwei internationale Flughäfen, Schiphol und Rotterdam. Schiphol ist der größte im Land und einer der größten Airports Europas. Das wissen Sie alle. Außerdem gibt es noch Eindhoven, Groningen, Maastricht, und Lelystad ist zurzeit für General Aviation zuständig.

Die Niederländer haben also insgesamt sechs internationale und regionale Airports und verfügen somit über die genau gleiche Anzahl wie Nordrhein-Westfalen. Sind das nicht genug der Parallelen, meine Damen und Herren?

Bei der Alderstafel sind also alle Akteure an einen Tisch gekommen und haben die landesweite Flughafensituation analysiert und gemeinsam für Lösungen gesorgt. Regionalflughäfen haben dabei wichtige Aufgaben übernommen – im Landesinteresse. Das erreichte Einvernehmen könnte Vorbild für Nordrhein-Westfalen sein.

Und Rot-Grün? – Nichts. Dass Sie davon nichts wissen, ist schon schlimm genug. Dass Sie sich aber nach mehrmaligem Hinweis hier in diesem Haus keine Infos einholen und nicht einmal versuchen, das Problem aktiv anzugehen, das spricht Bände. Hier

könnten Ihnen die Regionalflughäfen Münster/Osnabrück, Paderborn, Dortmund und auch Weeze helfen. Sie könnten aktiv Wirtschaftsförderung in gleich vier Regionen betreiben.

Real werden die vier Kleinen in Nordrhein-Westfalen zwangsläufig alle mindestens landesbedeutsam. In Weeze ist heute bei 40 % niederländischen Anteilen bei den Passagieren eine internationale Bedeutsamkeit schon vorhanden. Aber das Passagieraufkommen werden die beiden Großen in Nordrhein-Westfalen schlichtweg nicht alleine bewältigen können. Jetzt haben Sie die Chance, das im wieder lange gültigen LEP zu verankern, und Sie tun nichts daran. Sie ignorieren es sogar, statt zu agieren.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zum Schluss noch auf etwas hinweisen. Wenn das ernst war, was die Grünen letzte Woche in Bezug auf den Flughafen Düsseldorf gesagt haben, dann müssen sie sich jetzt endlich bewegen. Sie können den vorgelegten Entwurf des Landesentwicklungsplans dann ja eigentlich auch nicht mehr unterstützen, da dieser genau den Status zementieren möchte, den sie ja gar nicht wollen.

Folge: Nutzen Sie die Steilvorlage aus den Niederlanden! Öffnen Sie Ihren Blick für die Regionalflughäfen in Nordrhein-Westfalen! Gehen Sie in die Dialogoffensive Flugverkehr Nordrhein-Westfalen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bergmann. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Ott.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Christof Rasche, liebe FDPFraktion, wer von Wettbewerbsfähigkeit und von politischer Verlässlichkeit spricht, der muss sich natürlich dann im Rahmen von Flughafendebatten die Frage stellen lassen, warum er in den Wahlkämpfen 2010 und 2012 Plakate aufgehängt hat, auf denen steht, dass der Nachtflug beendet werden soll. Der muss sich natürlich auch die Frage stellen lassen, wenn es politisch opportun ist, warum er Häfen beispielsweise dann doch nicht ausbauen will.

(Beifall von der SPD)

Von daher finde ich, das Schlimmste ist diese Doppelzüngigkeit in dieser Darstellung. Ihr seid nämlich gar nicht diese Wettbewerbsvertreter. Wenn es hart auf hart kommt vor Ort und man in die Auseinandersetzung gehen muss bei Flughäfen und Häfen, dann macht ihr was anderes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will bei der CDU direkt weitermachen. Herr Bergmann hat es hier offenbart: Es gibt keine CDUPosition zu Flughäfen in Nordrhein-Westfalen, denn dieses Konzept, das er hier vertreten hat, findet nicht die komplette Unterstützung des Mittelstands in Nordrhein-Westfalen. Das heißt, auch die CDU hat keine Luftverkehrskonzeption.