Protokoll der Sitzung vom 08.06.2016

Dank. – Herr Präsident! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion kritisiert, dass durch die Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie die Erweiterung bestehender Betriebe oder die Ansiedlung neuer Betriebe schwieriger werden könnte. Auch die Entwicklung

bestehender Wohnanlagen in der Nähe von zukünftig als „Störfallbetrieb“ eingestuften Industrieanlagen könnte durch die Umsetzung beeinträchtigt werden.

Nun ist die Seveso-III-Richtlinie eine EU-Richtlinie, die in nationales Recht umgesetzt werden muss. Das heißt in unserem föderalen System, dass das dann natürlich auch Landesrecht wird. Bei einer Nichtumsetzung droht ein Vertragsverletzungsverfahren.

Der Antrag hatte schon nach der Anhörung im zuständigen Ausschuss die verdiente Ablehnung erfahren. Es kann nicht erstrebenswert sein, die Richtlinie einseitig zugunsten der chemischen Industrie zu verbiegen. Auch inhaltlich ist das nicht möglich. Das löst auch strategische Probleme wie die Flächenknappheit und die Sicherheit der Bevölkerung nicht.

Die CDU produziert mal wieder warme Luft im Vordergrund, hat jedoch im Hintergrund und strategisch nichts Zukunftsweisendes zu bieten. Ich befürchte, das ist nicht nur ein Populismusversuch wider besseres Wissen, sondern Sie wissen es tatsächlich nicht besser: Sie haben keine Ahnung von den Hintergründen sowie kein Interesse an Flächenmanagement und Umweltschutz. Die Sicherheit der Anwohner ist für Sie ein böhmisches Dorf. Es gibt von Ihnen keine zukunftsgerichteten Ideen und deshalb von hier auch keine Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Rohwedder. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Remmel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon – wenn ich mir die Redebeiträge von Herrn Brockes und Herrn Kerkhoff in Erinnerung rufe – erstaunlich, wie hier eine Umkehrung der Geschichte stattfindet und am Ende der jeweiligen Reden einem durchaus ernsten Thema nur mit Sprechblasen begegnet wird. Es wäre dem Hohen Hause jedoch angemessen – das wäre auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer wichtig –, die Geschichte zu erklären. Und die ist schlicht und einfach erzählt: Sie haben die Bank ausgeraubt und dann anschließend „Haltet den Dieb!“ gerufen.

Seit 2012 gibt es eine Richtlinie. Da war kein Grüner in irgendeiner Verantwortung, diese Richtlinie umzusetzen. Sie waren es – es war Ihr Wirtschaftsminister bis 2013, und das war die CDU in der Großen Koalition ab 2013 –, die diese Richtlinie bisher nicht umgesetzt haben. Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

Das wäre die erste Adresse gewesen, hier zu reklamieren; denn das hat über vier Jahre eine Verunsicherung für die Unternehmen gebracht. Das hat vier

Jahre keine Investitionssicherheit geschaffen. Und es hat vier Jahre lang die Gerichte rauf und runter beschäftigt, sodass Sie jetzt gezwungen sind, das Ganze auf Bundesebene umzusetzen.

Mittlerweile liegt ein Vertragsverletzungsverfahren vor, und der Europäische Gerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht haben entschieden. So

herum muss die Geschichte erzählt werden – und nicht in der Lesart, als wenn die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen irgendwelche Versäumnisse in Bezug auf den Wirtschaftsstandort zu verantworten hätte.

Wir sind uns unserer Verantwortung an dieser Stelle natürlich voll bewusst. Sie haben es versäumt! Und das gehört hier auf den Tisch – nichts anderes, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Landesregierung ist sich der Verantwortung selbstverständlich bewusst. Wir haben einen Industriestandort, insbesondere im Bereich der Chemieindustrie, wo wir Konfliktlagen an den verschiedensten Stellen in den Griff kriegen müssen, wo wir die Interessensabwägung sehr eng im Sinne unseres Standortes, aber auch im Sinne des Schutzes der Menschen begleiten müssen. Und nichts anderes verlangt die Seveso-III-Richtlinie.

In den jeweiligen Ausschüssen des Bundesrates werden, wie das üblich ist, die Anträge aus der Sicht des Fachressorts gestellt. Am Ende wird die Landesregierung einheitlich votieren. Am 17.06. findet dazu die Beratung im Bundesrat statt. Dass die Anträge jeweils einen anderen Fokus haben, liegt in der Natur der Sache, weil die Perspektiven jeweils umgekehrt eingenommen werden müssen.

Insgesamt strebt die Landesregierung eine Umsetzung an, die sowohl für den Vollzug als auch für die Betreiber rechtssicher, klar und verständlich ist und praktikable Vorgaben bietet. Wir möchten die Rechtsunsicherheit, mit der wir seit vier Jahren leben müssen, beenden und deshalb dafür sorgen – und da kommt es auf den Blickpunkt an –, dass die Europäische Richtlinie auch wirklich umgesetzt wird, damit es keine weitere Verunsicherung und keine weiteren Unklarheiten gibt.

Es geht darum, die Vereinbarkeit zukünftiger städtebaulicher Entwicklungen mit den Planungen der Industriebetriebe an ihren Standorten in Einklang zu bringen; das steht selbstverständlich im Fokus. Dabei gilt es zu gewährleisten, dass die Regelungslücken in dem jetzigen Entwurf, die noch vorhanden sind, geschlossen werden. Dazu gehört insbesondere auch, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Abstandsgebot in das Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgenommen wird. Dies ist beim vorliegenden Entwurf bisher nicht erfolgt.

Begrüßenswert am vorliegenden Entwurf der Bundesregierung ist die Ergänzung in § 48 Bundes-Immissionsschutzgesetz. Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, eine Technische Anleitung Abstand zu erarbeiten. Einheitliche und normierte Regeln bieten hier sowohl für den Vollzug als auch für den Betreiber höhere Rechtssicherheit.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kerkhoff?

Deshalb setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass diese TA Abstand schnellstmöglich erstellt wird. – Ja, jetzt kann zwischengefragt werden.

Das ist nett von Ihnen. Bitte schön, Herr Kerkhoff.

Vielen Dank, Herr Minister, auch für die Geschichtsstunde. Ich möchte gerne von Ihnen wissen, welchen Beitrag zur Stärkung des Standortes Nordrhein-Westfalen Ihre Anträge im Umweltausschuss des Bundesrates geleistet haben.

(Beifall von der CDU)

Herr Kerkhoff, das habe ich Ihnen gerade erläutert. Es geht darum, dass die Europäische Richtlinie endlich umgesetzt wird, sodass nicht länger Rechtsunsicherheit herrscht, dass Investitionen auf einer ordentlichen Rechtsgrundlage stattfinden können und dass es keine weitere Verunsicherung der Unternehmen gibt.

Das haben Sie vier Jahre betrieben, indem Sie die Richtlinie nicht umgesetzt haben und deshalb Rechtssicherheit herrschte. Es geht um Rechtssicherheit und Rechtsstaat in diesem Lande. Und das ist gut für die Wirtschaft und die Investitionen; denn ohne diese Rechtssicherheit ist das alles nicht möglich. Auch Sie müssen bitte verstehen, dass ein rechtloser Zustand nicht zur Investitionsförderung beiträgt.

Abstandsgutachten werden nach dem Erlass der TA darin Eingang finden. Nur sie können dann vor Ort – auch das ist mittlerweile unstrittig – die vorhandenen Bedingungen auch im Detail abbilden.

Ich halte es auch für wichtig, dass im Sinne eines transparenten Vollzuges Einwendungen der gesamten betroffenen Öffentlichkeit zugelassen werden. Das führt aus meiner Sicht dazu, dass nicht mehr lange geprüft werden muss, ob Einwendungen nun berechtigt sind oder nicht. In Nordrhein-Westfalen

haben wir damit gute Erfahrungen in den Genehmigungsverfahren gemacht.

Denken Sie daran, wie die TDI-Anlage von Bayer durch die Genehmigungsverfahren gegangen ist: Bei einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung gab es kaum öffentliche Kritik, aber sehr wohl Lob für das Verfahren sowie dafür, wie schnell das Genehmigungsverfahren dort gelaufen ist. Das zeigt beispielhaft, dass wir mit breiter Öffentlichkeitsbeteiligung vielleicht sogar noch bessere Genehmigungsverfahren durchführen und diese erfolgreich abschließen können.

Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir hoffen, gemeinsam eine gute Verabschiedung im Bundesrat hinzubekommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk empfiehlt in der Drucksache 16/12131, den Antrag Drucksache 16/10244 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/10244 selbst, nicht über die Beschlussempfehlung. Wer stimmt dem Antrag zu? – CDU und FDP. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD, Grüne und Piraten. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Antrag Drucksache 16/10244 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der Piratenfraktion abgelehnt.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Und wir können das angeblich nicht!)

Ich rufe auf:

10 Altersdiskriminierung vermeiden – Alters

grenze für staatlich anerkannte Bausachverständige zügig anheben!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/12113

Am Pult steht zur Begründung des Antrags Herr Kollege Dr. Wolf bereit. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema ist klar: Anhebung einer Altersgrenze für Bausachverständige, die bislang auf 68 Jahre festgelegt ist.

Ich glaube, wir sind uns einig, dass Altersgrenzen per se problematisch sind. Laut Altersdiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG und laut AGG besteht ein Verbot der Altersdiskriminierung. Allerdings – das ist dann immer das Einfallstor für entsprechende Altersgrenzen – gibt es für die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, aus Gründen der Beschäftigungspolitik oder

aus Sicherheitserwägungen auch Ausnahmen zuzulassen.

Der NRW-Verordnungsgeber hat sich bislang auf Sicherheitserwägungen berufen: Aufenthalt auf Baustellen gefährlich, Gebäudesicherheit etc. Das überzeugt meines Erachtens in dieser Form nicht mehr. Ich würde sehr darum bitten, dass wir das alle gemeinsam einer kritischen Würdigung unterziehen. Statik- und Sicherheitsprüfungen stellen keine schwere körperliche Arbeit dar, und gerade die große Berufserfahrung älterer Sachverständiger ist zu berücksichtigen.

Sie wissen, dass wir an ganz vielen Stellen keine Altersgrenzen kennen: angefangen beim Bundespräsidenten, über Bundeskanzler, Minister, Landräte bis hin zu Bürgermeistern. Die Gesellschaft hat sich in hohem Maße verändert. Menschen möchten länger arbeiten – nicht alle, aber einige –, und denen sollte man das auch ermöglichen. Aus fiskalischen Gründen reden wir über die Rente mit 70 und 73 Jahren.

Ich glaube, all das zeigt: Hier ist ein neues Denken erforderlich. Wenn die Lebenserwartung steigt, wenn die körperliche und geistige Fitness von Menschen heute besser ist als vor zehn, 20, 30, 40 Jahren, dann muss man darauf auch entsprechend Rücksicht nehmen. Entscheidend ist, dass es am Ende immer auf den Einzelfall ankommt. Ich glaube, dass die Betroffenen sehr verantwortungsvoll damit umgehen. Wir haben gerade erlebt, dass ein Bundespräsident gesagt hat, aus Altersgründen wolle er nicht mehr weitermachen, obwohl er weitermachen könnte. Das zeigt: Man kann das alles so ausgestalten, dass es in das Benehmen der jeweiligen Menschen gelegt ist.

Man muss befürchten – das ist klar –, dass Sachverständige in andere Bundesländer abwandern, wie zum Beispiel nach Hessen, wo man bis zum 70. Lebensjahr in diesem Bereich arbeiten darf. Damit geht letztendlich auch eine Verlagerung von Geschäftstätigkeit einher. Das kann nicht im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes sein.

Ich glaube jedenfalls, dass der Altersdiskriminierung an dieser Stelle Einhalt geboten werden muss. Es passiert leider an vielen Stellen: Ältere Mitarbeiter werden gegen ihren Willen herausgedrängt. Das alles muss nicht sein. Aber hierzu müssen wir als Gesetzgeber nicht auch noch durch einen Zulassungsverlust beitragen.

Das Land sollte beim Abbau altersdiskriminierender Regelungen Vorbild sein. Das Beste wäre aus meiner Sicht eine Komplettstreichung von Altersgrenzen, aber in diesem Fall sollte zumindest die Anhebung um zwei Jahre, wie es in Hessen vorgesehen ist, eine Lösung sein. Vielleicht lässt sich das im Rahmen der weiteren Ausschussberatungen gemeinsam bewerkstelligen. Ich würde mich darüber freuen und hoffe an dieser Stelle um Zustimmung am Ende des Verfahrens. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Krick.