Protokoll der Sitzung vom 08.06.2016

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Mi- nister Ralf Jäger)

Vielen Dank, Frau Ministerin Kampmann. – Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit kommen wir jetzt zum nächsten Tagesordnungspunkt, und zwar zu:

2 Rechtliche Hürden für polizeiliche Videobe

obachtung senken – mehr Sicherheit ermöglichen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12121

Zur Einbringung des Antrags spricht für die CDUFraktion Herr Kollege Sieveke.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Videobeobachtung handelt es sich um ein bewährtes polizeiliches Einsatzmittel zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung. Allen Kolleginnen und Kollegen in den Reihen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die daran noch immer zweifeln, lege ich die Lektüre des Evaluationsberichtes der rot-grünen Landesregierung aus dem Jahr 2013 nahe.

Dort heißt es in erfreulich klaren Worten – ich zitiere –:

„Videobeobachtung ist derzeit ein wichtiges technisches Hilfsmittel der polizeilichen Gefahrenabwehr, das die Einsatzkräfte in die Lage versetzt, konkrete Gefahren bereits im Ansatz zu erkennen und zu unterbinden. Durch die Einbindung in ein Gesamtkonzept zum Vorgehen bei festgestellten Störungen kann sich die gefahrenabwehrende Wirksamkeit entfalten.“

Weiter heißt es:

„Einen Beitrag zur Verhinderung von Gewaltdelikten leistet die Videobeobachtung durch die Erweiterung der polizeilichen Handlungsoptionen, insbesondere aufgrund der Möglichkeit der frühzeitigen Erkennung eventuell eskalierender Sachverhalte und der gezielteren Kräftesteuerung beziehungsweise des schnelleren Einschreitens in diesen Situationen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht wünscht die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland eine Ausweitung der Videoüberwachung. In einer repräsentativen Umfrage des ARD-DeutschlandTrends für den Monat Januar 2016 sprechen sich 82 % der Bevölkerung für mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen aus. Dabei liegt der Anteil der Frauen mit 88 % deutlich über dem der Männer mit 75 %.

In Nordrhein-Westfalen sind die Hürden für den Einsatz polizeilicher Videobeobachtung allerdings weitaus höher als in anderen Bundesländern. Während die Polizei zum Beispiel in Niedersachsen oder in Rheinland-Pfalz bereits an jedem öffentlich zugänglichen Ort Videobeobachtung durchführen darf, wenn dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist, grenzt das nordrhein-westfälische Polizeigesetz den Anwendungsbereich viel enger ein.

Gemäß § 15a des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes darf unsere Polizei nur sogenannte Kriminalitätsbrennpunkte mit Kameras beobachten. Das sind Orte, in denen die Kriminalitätsbelastung bereits erheblich von anderen Orten abweicht, das heißt, dort müssen in der Vergangenheit besonders viele oder besonders schwerwiegende Taten verübt worden sein.

Dass die Polizei Nordrhein-Westfalens diese Mittel in der Praxis so gut wie gar nicht einsetzt, ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich.

Wie die Landesregierung auf Anfrage der CDUFraktion am 10. März 2016 im Innenausschuss mitteilte, findet polizeiliche Videobeobachtung in Nordrhein-Westfalen lediglich an zwei Standorten statt, nämlich in Mönchengladbach und Düsseldorf. Ob diese beiden Städte wirklich die einzigen Kriminalitätsbrennpunkte in Nordrhein-Westfalen sind, mag jeder für sich entscheiden und beantworten.

Wie schwierig es ist, auf Grundlage des geltenden nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes polizeiliche Videobeobachtung zu verstärken, hat nicht zuletzt die Diskussion nach den Vorfällen der Kölner Silvesternacht gezeigt. Mehrere Polizeibehörden – unter anderem Bielefeld, Wuppertal, Bochum, Gelsenkirchen, Dortmund, Hagen und Oberhausen – haben dem nordrhein-westfälischen Innenministerium daraufhin konkrete Standortvorschläge für den Einsatz von Videokameras gemacht, weil diese Städte ihren Bürgerinnen und Bürgern auf diese Weise besseren Schutz gewähren wollten.

Wie die „Neue Rhein Zeitung“ am 4. April 2016 berichtete, soll das Ministerium diese Vorschläge jedoch abgelehnt haben, weil die von den Behörden benannten Standorte – ich zitiere – „den strengen Anforderungen des Polizeigesetzes nicht gerecht werden“.

Meine Damen und Herren, diese Situation ist schlichtweg inakzeptabel. Deshalb fordern wir als CDU-Fraktion, dass die rechtlichen Hürden für den Einsatz polizeilicher Videoüberwachung in Nordrhein-Westfalen so abgesenkt werden, wie es in anderen Bundesländern bereits heute der Fall ist.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Schritt ist nötig, damit unsere Polizei endlich so mit diesem Einsatzmittel arbeiten kann, wie die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger es sich wünscht, wie es aber auch die Polizei, die vor Ort im Einsatz ist, sich wünscht und wie es die Sicherheitslage in unserem Bundesland erforderlich macht.

Wir bitten daher nicht nur um Ihre Zustimmung zur Überweisungsempfehlung in den Innenausschuss, sondern auch um einen positiven Beschluss im Ausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Daniel Düngel [PIRATEN]: Begeisterung in der Fraktion!)

Vielen Dank, Herr Sieveke. – Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Stotko das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der CDU scheint innenpolitisch wirklich nicht mehr viel einzufallen, Herr Kollege Sieveke, so leid mir das für Sie als Ausschussvorsitzender in Ihrer Funktion tut; denn man hat den Eindruck, als grüße hier täglich das Murmeltier, obwohl der 2. Februar ja schon vier Monate her ist.

(Beifall von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Im jährlichen Wiederholungsrhythmus fordern Sie nämlich Strafverschärfungen, obwohl Sie von allen Sachverständigen immer gesagt bekommen, dass sie überhaupt nichts bringen. Ebenso fordern Sie im jährlichen Wechsel eine Ausweitung von Straftatbeständen, obwohl Sie genau wissen, dass in Deutschland kein Verhalten gegenüber Polizei oder Rettungsdiensten nicht strafbewehrt ist. Und nun wieder mal in diesem Parlament an derselben Stelle dieselbe Welle: Sie wollen wieder mal eine flächendeckende Videoüberwachung.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ja!)

Erst vor drei Jahren, im Mai 2013, haben wir im Rahmen der Verlängerung des § 15a eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Ich weiß nicht, ob Sie sich an diese Anhörung nicht mehr erinnern wollen; aber dort waren die Sachverständigen einheitlich der Auffassung, dass mit den vorgeschlagenen Regelungen ein guter Kompromiss erzielt worden ist zwischen der Wahrung der allgemeinen Sicherheit, wie

Sie sie auch zu Recht fordern, und dem Schutz der Freiheit des Einzelnen, die Sie hier in Ihrer Rede überhaupt nicht angesprochen haben.

Zu dem Zeitpunkt vor drei Jahren ging es um die Anwendung des § 15a in Düsseldorf und in Mönchengladbach. Darauf haben Sie ja vorhin hingewiesen. Die Sachverständigen haben in dieser Anhörung hier im Parlament alle betont, dass Nordrhein-Westfalen weit von einer flächendeckenden Überwachung entfernt ist und die Regelung, die wir getroffen haben, in einem verhältnismäßigen Rahmen genutzt wird.

Nun hat – in Ihrem Antrag kommt das nicht richtig durch – die Landesregierung im Rahmen des 15Punkte-Programms weitere Standorte abgefragt. Von den 47 Kreispolizeibehörden haben nur zehn Interesse bekundet. Tun wir doch nicht so, als wollten alle 47 überall Videoüberwachung haben!

(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)

Von 47 Behörden haben lediglich zehn gesagt: Wir könnten uns das vorstellen. – Keine Rede von der von Ihnen geforderten flächendeckenden Videoüberwachung!

Nach sachgerechter Überprüfung haben von diesen zehn Behörden dann fünf gesagt: Das scheint nicht so gut zu dem zu passen, was mit dem § 15a und mit dem, was hier kommt, verfolgt wird. – Das heißt: Ihre Erweiterung würde höchstens noch fünf Behörden betreffen; denn an fünf Standorten, nämlich in Aachen, Dortmund, Duisburg, Essen und Köln, kommt nunmehr der § 15a auch zur Anwendung.

In Ihrem Antrag haben Sie das irgendwie ein wenig übersehen; denn er spiegelt die Realität gar nicht wider. Sie schreiben dort noch, Dortmund sei gar nicht positiv betroffen. Dortmund ist positiv betroffen. Aber es ist ja auch schwierig. Sie zitieren in Ihrem Antrag von Ende Mai einen Zeitungsartikel von Anfang April, der noch nicht einmal dazu dient, toten Fisch einzuwickeln.

Aber an toten Fisch erinnert ja auch ein bisschen Ihr gerade gemachter Hinweis auf die Umfrage des DeutschlandTrends von Januar 2016. Ja, natürlich; nach der Silvesternacht in Köln geben 82 % der Befragten an, dass sie mehr Videoüberwachung wollen. Aber ich verspreche Ihnen auch eines: Wenn beim DeutschlandTrend dieselbe Umfrage im September 2016 durchgeführt wird, kommen in drei Monaten nicht mehr 82 % heraus – so wie es bei Umfragen zur Einführung der Todesstrafe ist.

Ihnen ist aber auch nichts zu schade, wenn es darum geht, auf populistische Züge aufzuspringen. Deswegen finde ich es hinsichtlich dieser Anwendung des § 15a sehr schlecht, dass Sie da auch noch auf eine solche Umfrage zu einem aktuellen Umstand hinweisen.

Wir werden aber nun hier gemeinsam mit der Landesregierung den § 15a um weitere fünf auf nunmehr sieben Standorte ausweiten. Sie wissen, dass der § 15a befristet ist, und zwar bis zum 31. Juli 2018, also noch knapp zwei Jahre. Gleichzeitig mit der Befristung haben wir uns hier dazu entschieden, eine Evaluation durchzuführen, die nunmehr nicht nur zwei Standorte erfasst, sondern insgesamt sieben.

Warum Sie jetzt mittendrin die Pferde anders aufsatteln wollen, erklärt sich uns nicht; denn diese Evaluation findet ja auch noch gleichzeitig mit der hier einzuführenden Evaluation unseres Bodycamprojektes statt. Auch das ist eine Möglichkeit, zu schauen: Wie wirkt sich Videobeobachtung in Nordrhein-Westfalen aus?

Zusammenfassend können wir also festhalten: Wir haben seit Langem Videoüberwachung an Plätzen und in Fahrzeugen, beobachten zur Beweissicherung und führen noch vor der Sommerpause hier in einem Gesetzentwurf die Bodycams ein. Wir gehen maßvoll mit diesem Instrument der Videobeobachtung um; denn die Videoüberwachung ist kein Allheilmittel. Sie gewährt nicht mehr Sicherheit und kann erst recht nicht die qualifizierte Arbeit der Polizei ersetzen. Wir sind gegen eine, wie sie von Ihnen gefordert wird, Totalüberwachung des öffentlichen Raums und somit gegen die Überwachung aller öffentlichen Plätze.

Auf die Diskussion im Fachausschuss freuen wir uns, Herr Kollege Sieveke. Wir befürchten, dass Sie erneut in einer Anhörung hören müssen, dass die Sachverständigen Ihr Ansinnen ablehnen. Aber da grüßt wieder mal täglich das Murmeltier. – Besten Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Stotko. – Für die grüne Fraktion hat nun Frau Kollegin Düker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die polizeiliche Videobeobachtung im öffentlichen Raum ist ein Hilfsmittel zur polizeilichen Gefahrenabwehr – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das heißt: Wo und wie sie eingesetzt wird, orientiert sich zumindest für unsere Fraktion an ihrer Wirkung, also daran, ob und wie sie tatsächlich geeignet ist, Kriminalität zu verhindern bzw. Gewalt zu reduzieren.

Und – das wird ja relativ oft bei der CDU vergessen, inzwischen auch manchmal bei der FDP – wir müssen hier abwägen nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil Videoüberwachung letztlich ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Herr Sieveke, das findet sich nicht in Ihrem Antrag – aber das Recht auf informationelle

Selbstbestimmung ist Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und genießt Verfassungsrang. Jeder Gesetzgeber muss hier abwägen.

Der Sicherheitsgewinn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, besteht deswegen nicht darin, durch möglichst viele Kameras den öffentlichen Raum zu überwachen. Videoüberwachung ist kein Selbstzweck, kein Allheilmittel. Die Gleichung, die Sie in Ihrem Antrag aufmachen – mehr Kameras gleich mehr Sicherheit – lässt sich vielleicht gut in Überschriften verkaufen, stimmt aber nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?