Zweitens. Diese absolute Sicherheit – ein bisschen Gesetzeskenntnis hilft immer bei der Rechtsfindung, wenn man das Gesetz anschaut –, dass eine Einstufung als sicheres Herkunftsland tatsächlich gesetzeskonform ist, gibt nicht nur die Frage her, wie viele Asylverfahren erfolgreich waren. Man muss sich mit der realen Situation in diesen Ländern dann leider noch einmal intensiv auseinandersetzen. Da hat der Bundesrat eine Reihe von interessanten Fragen gestellt, die leider nicht zutreffend oder überhaupt nicht richtig beantwortet worden sind.
Ich darf darauf hinweisen, wie Homosexuelle, wie Minderheiten, wie Leute, die religiös andere Vorstellungen haben, in den jeweiligen Ländern – abgesehen von demokratischen Standards – behandelt werden. Das hat nichts mit der Frage der Anerkennung als Asylbewerber zu tun, ist aber bei der Frage der Einstufung als sicheres Herkunftsland sicherlich nicht ganz ohne Relevanz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus will ich durchaus dafür werben, dass wir uns einmal bei den liegengebliebenen Verfahren über eine Altfallregelung mit dem Stichtag unterhalten.
Auch will ich ganz deutlich darauf hinzuweisen, wie toll denn die Regelungen, die auf Bundesebene hinsichtlich der tatsächlichen Rückführung von Menschen in diese drei Länder getroffen worden sind, offensichtlich nicht wirken. Denn mir fehlt insbesondere bezogen auf die luftverkehrlichen Voraussetzungen, aber auch bezogen auf ein paar weitere Voraussetzungen nach wie vor der Glaube, dass diese Regelungen, die da getroffen worden sind, tatsächlich die Rückführung von Menschen erleichtern.
Ich kann Ihnen eines sagen: Unsere Bundestagsfraktion hat dem zugestimmt. Ich könnte mich sicherlich auch dazu überwinden, weil das Recht auf Asyl an dieser Stelle ja nicht grundsätzlich eingeschränkt wird. Das dann sozusagen zum Universalwerkzeug zu machen, ist aber falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sie werden es auch nicht hinkriegen, uns hier mit unserem Koalitionspartner in eine schwierige Situation zu bringen. Ich empfehle Ihnen, einmal Ihre Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg anzurufen und sie zu fragen, wie sie sich mit Herrn Kretschmann in dieser Frage verständigen. Dann können wir ja noch einmal miteinander reden.
Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Kollegin Düker.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Menschenrechtsverletzungen in den drei genannten Staaten, den Maghrebstaaten, die von Kirchen, Verbänden und Menschenrechtsorganisationen nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret beschrieben werden und konkret belegt werden – unter Angabe von Quellen –, erfüllen die drei Maghrebländer aus unserer Sicht nicht die Voraussetzungen, um als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden zu können, und zwar weder nach deutschem Verfassungsrecht – hier gelten die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – noch nach Unionsrecht.
Daher lehnen wir Grüne den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. Das wird nach dem üblichen Verfahren im Bundesrat zu einer Enthaltung führen, wenn der Koalitionspartner im Kabinett – das entscheidet ja nicht das Parlament, sondern das Kabinett – zustimmen möchte. Das ist nicht zum ersten Mal so und auch ein ganz normaler Vorgang.
Ich finde es allerdings schon einen ziemlich ungeheuerlichen Vorgang, wenn die Bundesregierung komplett alle Stellungnahmen ignoriert, die im Anhörungsverfahren von unabhängigen Sachverständigen vorgelegt wurden. Alle Stellungnahmen kommen zu dem Schluss, dass der Gesetzentwurf mit den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts und der Asylverfahrensrichtlinie der EU unvereinbar ist. Das sagen wirklich alle Sachverständigen. Die Kirchen, PRO ASYL, Rechtsanwälte, namhafte Juristen – alle kommen zu dem Schluss, dass der Gesetzentwurf diesen Kriterien nicht genügt. Mit welcher Arroganz und Ignoranz die Bundesregierung einfach darüber
Hinzu kommt, dass der Bundesrat in einer mehrheitlich beschlossenen Resolution Zweifel geäußert hat und die Gegenäußerung der Bundesregierung auch keine der Bedenken aufgreift und im Wesentlichen ausräumt.
Wenn es nicht so schlimm wäre, könnte man darüber hinweggehen. Hier geht es aber nicht um das Aufzeigen irgendwelcher Probleme, sondern um das Aufzeigen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern: Verletzung des Folterverbots, Verfolgung Homosexueller, Defizite bei der Presse- und Meinungsfreiheit, keine unabhängige Justiz usw. usf. Alles Fehlanzeige! Von der Bundesregierung werden diese Argumente überhaupt nicht aufgegriffen. Das allein würde für unsere Ablehnung reichen.
Aber nein; es gibt noch einen weiteren wesentlichen Grund, warum wir Grüne das ablehnen. Dieses Gesetz ist nämlich reine Symbolpolitik, die uns bei den tatsächlichen Problemen, die wir in diesem Land haben, nicht weiterhilft; denn diese Einstufung wird nichts an der bestehenden Rückführungsproblematik ändern, Herr Kuper.
Allein in Nordrhein-Westfalen haben wir 1.300 marokkanische Flüchtlinge, Frau Güler. Die Asylverfahren sind abgeschlossen. Sie sind vollziehbar ausreisepflichtig, Herr Kuper – 1.300. Heute Morgen hat der Innenminister ja in einem Interview im „Morgenmagazin“ erläutert, woran ihre Rückführung denn scheitert. Die Regierung von Marokko sagt: Ja, wir nehmen sie zurück, aber nur mit der staatlichen Airline und maximal vier pro Flieger einmal in der Woche, wenn der Pilot sie dann auch mitnimmt.
Wenn man das jetzt einmal herunterrechnet – 1.300, vier pro Woche –, kommt man ganz schnell zu dem Ergebnis: Selbst wenn alles klappen würde, bräuchten wir sechs Jahre, um diese Menschen zurückzuführen.
Herr Kuper, diese Problematik hat nichts, aber auch gar nichts, 0,0, mit diesem Gesetz, das Sie unbedingt wollen, zu tun. Ein solches Gesetz trägt nicht zur Lösung dieser Probleme bei.
Schauen wir nach vorne. Was brauchen wir denn dann? Wir brauchen nach wie vor das Personal beim BAMF. Ich will hier auch nicht die Bemühungen des Bundesamtes in Abrede stellen. Aber da liegt der
Schlüssel. Wir brauchen mehr Personal beim BAMF und eine zügige Bearbeitung der neuen Anträge, die gestellt werden.
Für die Ausreisepflichtigen, die ja schon da sind, brauchen wir eine Bereitschaft der Herkunftsländer, sie eben auch zurückzunehmen. Ihre ganzen schönen Gesetze ändern nun einmal gar nichts daran, dass die Herkunftsländer das offenbar nicht wollen. Wir brauchen die unbürokratische Ausstellung von Passersatzpapieren. Wir brauchen die Akzeptanz von Sammelchartern. Wir brauchen – ich gehe noch einen Schritt weiter – auch ein Rückkehrprogramm für die freiwillige Rückkehr. Hier wären Anreize für eine freiwillige Rückkehr unter Umständen hilfreich. Das alles hat sich bei den Balkanländern bewährt und würde sich hier auch bewähren.
Herr Kuper, wenn Sie wirklich an der Lösung der Probleme interessiert wären, würden Sie hier nicht diese Anträge zum wiederholten Male stellen.
Letzte Anmerkung: Ich finde es unverschämt, wenn ich mir anhöre, mit welchen Wortbeiträgen die CDU/CSU-Fraktion in der Bundestagsdebatte auftritt. Ihr innenpolitischer Sprecher Stephan Mayer hat im Deutschen Bundestag wörtlich gesagt:
„Mit der Einstufung können wir die vielen, die keinen Schutz verdienen, schneller außer Landes bringen.“
Diese Äußerungen sind schlicht und einfach falsch. Ich finde es fahrlässig, das hier immer wieder in den Raum zu stellen und den Leuten zu suggerieren: Dann machen wir mal schnell ein Gesetz; damit haben wir dann die Probleme gelöst. – Das ist nachweislich nicht so. Ich bitte Sie auch, diese Unterstellung zu unterlassen.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich sind sichere Herkunftsländer kein Allheilmittel. Im Übrigen hat das auch der Kollege Kuper hier eben wörtlich gesagt. Das wird man im Protokoll nachlesen können. Insofern finde ich es – das muss
man einmal sagen – nicht sehr kollegial, ihm hier etwas zu unterstellen, was er gar nicht gesagt hat. – Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt, Frau Kollegin Düker, ist: Irgendwo befindet sich in der grünen Argumentation ein logischer Bruch.
Natürlich – das wissen wir alle – bringt es eine Verfahrensbeschleunigung. Es natürlich so, dass das insgesamt bei den hohen Zugängen, die wir vorher in 2015 gehabt haben, auch noch Anfang 2016 und möglicherweise, wenn wir uns die Krisenherde anschauen, mit denen wir weiterhin leider Gottes weltweit konfrontiert sind, auch wieder in eine solche Situation kommen, dass wir dann insgesamt unsere Flucht- und Migrationspolitik besser strukturieren müssen.