Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute hier im Parlament ja nicht zum ersten Mal über dieses Thema. Bereits im März, Herr Kuper, haben Sie sich dieses Thema zu eigen gemacht. Dass es jetzt noch einmal auf die Tagesordnung kommt, hat, glaube ich, weniger inhaltliche Gründe, sondern eher taktischstrategische Hintergründe.

Was Sie aber im März noch nicht beantwortet haben und auch heute nicht beantwortet haben, Herr Kuper, ist: Worin liegt ganz konkret der Vorteil, wenn Menschen aus dem sogenannten Maghreb auf eine Liste der deutschen Bundesregierung zu sicheren Herkunftsstaaten kommen?

Ich sage Ihnen: Er ist nicht erkennbar, weil natürlich das BAMF heute schon bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen genau das tun kann, was das Aufsetzen auf eine Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer nämlich auch bedeutet: verkürzte Bearbeitungszeiten, verkürzte Ausreisefristen, verkürzte Rechtsschutz- und Entscheidungsfristen. Also das BAMF kann heute schon nach Weisung des Bundesinnenministeriums bei der Abarbeitung dieser Asylanträge genauso arbeiten, als wären diese Staaten bereits als sichere Herkunftsländer auf einer Liste. – Darüber reden wir also gar nicht.

Frau Brand, da, finde ich, müssen wir uns in dieser Flüchtlingsdebatte alle mal ehrlich machen. Denn ich glaube, so sensibel wie das Thema ist, taugt es nicht für politische Spielchen.

(Beifall von der SPD)

Es ist nicht so, Frau Brand – das hat in der Tat keiner gesagt –, dass nur Heilige und Engel zu uns kommen. Aber Fakt ist, dass wir eine Straffälligkeitsquote von 1,4 % in den Landeseinrichtungen haben. Nur 1,4 % der Menschen in unseren Landeseinrichtungen werden straffällig. Das ist unterhalb des Durchschnitts der deutschen Gesellschaft. Das zeigt, dass die allermeisten, die uns zu kommen, in Ruhe und Frieden hier leben wollen, Regeln und Gesetze achten.

Aber auf der anderen Seite müssen wir auch feststellen, dass diejenigen, die aus Marokko kommen, mit 36 % Strafhäufigkeit auffällig werden, und diejenigen aus Algerien mit 33 %.

Zur Ehrlichkeit gehört es aber auch, zu sagen, warum das so ist: Das sind Menschen, insbesondere alleinreisende junge Männer, die zum Teil schon seit Jahren in Europa unterwegs sind – ohne jede soziale Bindung mit dem Druck, den Familienclan zu Hause finanzieren zu müssen.

Ob es eine Verfolgungssituation gibt in Marokko, in Tunesien oder in Algerien, haben wir hier nicht zu entscheiden. Dafür gibt es ein klares Verfahren. Das

kann nicht wahllos mal eben so ausgesprochen werden.

In dieser Flüchtlingsdebatte muss man deutlich sagen: Der übergroße Teil derjenigen, die zu uns kommen, will hier friedlich leben, und der größte Teil hat Anspruch auf Schutz. Wir stehen in der historischen und humanitären Pflicht, diesen Schutz zu gewähren.

Genauso ehrlich müssen wir denen, die keinen Schutz brauchen und aus anderen Gründen zu uns gekommen sind, sagen – das dauert im Übrigen noch viel zu lange –, dass sie hier keine Perspektive haben.

Damit sind wir beim nächsten Thema. Ich achte wirklich die Bemühungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Es ist eine Mammutaufgabe. Das ist keine Frage.

Aber wenn man bedenkt, was Länder und vor allem Kommunen im Jahr 2015 geleistet haben, nämlich Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf, Betten, medizinische Versorgung, Kindergartenplätze und Schulplätze, die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu organisieren, dann war das der eigentliche Kraftakt.

Das BAMF braucht nur die Asylanträge zu bearbeiten und darüber zu entscheiden. Da ist noch eine Menge Luft nach oben.

Meine Damen und Herren, ich finde, wir sollten uns auf die wahren Probleme konzentrieren, was insbesondere die Rückführung in diese sogenannten Maghrebstaaten angeht.

Um Ihre Frage, Herr Dr. Stamp, zu beantworten, was die Landesregierung, was ich persönlich unternommen habe: Ich habe in der Zwischenzeit alleine zwei Gespräche dazu mit dem Bundesaußenminister und, ich glaube, ein halbes Dutzend Gespräche mit dem Bundesinnenminister geführt. Ich habe ein Gespräch geführt mit dem deutschen Botschafter in Casablanca, mit dem Generalkonsul des Königreichs Marokko hier in Düsseldorf.

Wir – nicht nur ich selbst, sondern ebenso meine Länderkollegen, die von der Zuweisung von Menschen aus dem Maghreb betroffen sind, aber auch der Bundesinnenminister – unternehmen an vielen Stellen sehr vieles, um die Situation zu ändern. Aber Fakt ist nun einmal, dass selbst, wenn dieses Gesetz beschlossen wird, die Abschiebungshindernisse nach Marokko und Algerien damit nicht beseitigt sind.

Frau Düker hat die Rechnung aufgemacht, dass wir sechs Jahre bräuchten; das ist nicht ganz richtig. Bei der Rückführungsquote, die uns zurzeit nach Marokko gelingt, würden wir etwa 26 Jahre brauchen, um diejenigen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind,

mit einem abgelehnten Asylantrag, unabhängig davon, ob sie aus einem sicheren Herkunftsland kommen oder nicht, zurückzuführen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Gutes Bei- spiel für Best Case und Worst Case!)

Das ist ganz pragmatisch das, woran wir arbeiten müssen, wenn wir da eine Lösung finden wollen. Wir sollten die Diskussion um sichere Herkunftsstaaten nicht überhöhen, Herr Kuper, aber realistisch sehen. Ich sage ganz offen: Das könnte möglicherweise Ergebnis eines Agreements in einer Koalition sein, so etwas zu entscheiden. Aber substanziell bringt uns das in der deutschen Flüchtlingspolitik keinen Schritt weiter. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion hat sich noch einmal der Kollege Kuper gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, das kann man so nicht im Raum stehen lassen. Insbesondere die Kollegin Brand von den Piraten hat eben noch einmal das eine oder andere ausgeführt, dem man ganz deutlich widersprechen muss.

(Beifall von der CDU)

Das hat nämlich hier an dieser Stelle mit Rassismus nichts zu tun.

Man muss auch noch einmal hinterfragen: Was bedeutet es denn derzeit? Welche Situation haben wir denn derzeit? – Wir haben Antragsteller, die einen langen mühevollen Weg mit all den Dingen, die damit verbunden sind, zu uns machen in der Hoffnung, hier Asyl zu bekommen, und die zu 99 % abgelehnt werden. Das heißt, an Ihrer Argumentation passt gar nichts, weil nämlich 99 % wieder in dieses Land, das Sie eben beschrieben haben, zurück müssen.

Aber ich denke, das hat insbesondere die Festlegung auch im Westbalkan gezeigt, dass damit ganz klar ein Ziel adressiert ist, dass damit ganz klar ein Impuls gesetzt ist, der dazu führt, dass Menschen, wenn sie nicht wirklich individuell verfolgt sind, sich nicht auf den Weg machen. Und das muss das Ziel sein. Denn es verursacht sehr viel Leid und unnütze Wegen für verschiedenste Menschen.

(Beifall von Ralf Nettelstroth [CDU])

Meine Damen und Herren, das BAMF hat natürlich in NRW Rahmenbedingungen vorgefunden, wie sie in vielen anderen Ländern nicht sind. Die chaotische Aufnahmesituation mit der Unterbringung von Flüchtlingen in 220 Landesunterkünften hat auch dazu geführt, dass die Menschen heute im Land verstreut

sind und dem BAMF die entsprechenden ladungsfähigen Anschriften fehlen, sodass das jetzt erst mühevoll nachgearbeitet werden muss. Dazu haben Sie auch beigetragen.

Meine Damen und Herren, auch zu dem Stichwort „Rückführungsquote“ muss man etwas Allgemeines sagen. In diesem speziellen Fall, wo auch allgemein sowohl von der Bundesregierung wie von der EU an einer Verbesserung der Situation Richtung der Maghrebstaaten gearbeitet wird, wird sich kurzfristig sicherlich einiges ändern. Aber Sie haben noch 90 % der anderen Asylbewerber, deren Anträge abgelehnt wurden, die ebenfalls hier sind. Das könnten Sie morgen lösen, und das packen Sie auch nicht an. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuper. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der CDU hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrages Drucksache 16/12125. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/12125 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten gegen die Stimmen der CDUFraktion und der FDP-Fraktion abgelehnt.

Ich rufe auf:

13 Bürgernähe stärken – Vertrauen in die Politik

steigern – Einführung eines Angebots „Hol die Regierung in Dein Projekt“

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/12106

Ich eröffne die Aussprache und gebe für die Fraktion der Piraten Kollegen Marsching das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte beim letzten Tagesordnungspunkt die Debatte nicht allzu sehr in die Länge ziehen. Wir haben einen kleinen, feinen Antrag, der sich auf das Projekt „Hol den Bürgermeister“ in Heidelberg bezieht. Sie werden inzwischen alle recherchiert haben, worum es da geht.

Wir wollen – ich glaube, da sind wir uns einig im Haus: das Ehrenamt hat einen hohen Stellenwert – das Ehrenamt fördern. Und wir wollen das damit ver

binden, dass die Landesregierung regelmäßig gesagt hat, sie will Schritte unternehmen im Bereich EGovernment, E-Partizipation.

Wir fordern hiermit die Landesregierung auf: Bitte richten Sie eine Internetplattform ein! Nehmen Sie die Bürger mit. Lassen Sie die Bürger Vorschläge machen. Lassen Sie Projekte vorstellen. Lassen Sie Bürger darüber abstimmen, was die besten Projekte sind, und dann besuchen Sie diese Projekte und geben damit diesen Projekten, auch kleinen, bisher unbekannten, die Aufmerksamkeit, die sie verdient haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir wollen, dass die Bürger Vorschläge machen können, aber wir wollen natürlich nicht, dass die Bürger ihre Terminkalender vollschreiben. Von daher haben wir durchaus auch in den Antrag reingeschrieben, dass sie entscheiden, zu welchem Projekt sie gehen, und auch das genaue Datum festlegen.

Wir haben regelmäßig, meine Damen und Herren, die „TatKraft“-Tage der Ministerpräsidentin. Ich und wir von den Piraten glauben, dass es Zeit wird, dass nicht nur die Ministerpräsidentin ihre Termine bei Wirtschaftsunternehmen oder auch beim BAMF, damals in Bielefeld, festlegt und dort ihre Termine so einrichtet, wie sie das gerne hätte, sondern dass auch die Bürger mit entscheiden sollten, welche Projekte wichtig und forderungswürdig sind.

Ich glaube, wenn man sich den Antrag durchliest – das haben Sie alle getan –, werden Sie wenige Gegenargumente finden. Ich freue mich von daher über die Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)