Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Warden.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrenamt und ein breit getragenes bürgerschaftliches Engagement haben auch für uns als Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen schon seit Jahrzehnten traditionell einen sehr hohen Stellenwert.

Die Menschen, die sich in NRW Tag für Tag ehrenamtlich engagieren und sich in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl einsetzen, sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft. Das haben wir erlebt mit dem Beginn des Flüchtlingsstroms, als die Bevölkerung eine große Hilfsbereitschaft gezeigt hat und dabei bewiesen hat, was Menschen in kurzer Zeit zu erreichen in der Lage sind.

Aber nicht nur in der Flüchtlingshilfe, sondern auch in den vielfältigsten Formen engagieren sich die Menschen: in der Feuerwehr, in Sportvereinen, im Sommer- und im Winterbrauchtum, in Fördervereinen der vielfältigsten Art, in Bürgervereinen und Selbsthilfegruppen. Das Engagement ist so vielfältig wie das Leben in unserem Land.

Daher möchte ich mich an dieser Stelle heute einmal stellvertretend ganz herzlich bedanken für das Engagement, das Sie ehrenamtlich erbringen. Ohne Ihr Engagement wäre unser Land ein bisschen ärmer in den Sozialstrukturen. Ihr Einsatz ist es, der unsere Gesellschaft zusammenhält und unser Land NRW liebenswert macht. Herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

In dem vorliegenden Antrag beziehen Sie sich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, auf das Projekt „Hol den Bürgermeister“. Das ist ein Projekt der Stadt Heidelberg. Ich finde, das ist ein sehr engagiertes kommunales Projekt, und es hat zu Recht Anklang bis in die USA gefunden und dort eine Auszeichnung erhalten. Es stärkt die Verbindung von kommunalem Ehrenamt mit dem örtlichen Rathaus, den örtlichen Strukturen und fördert dort auch die kommunale Anerkennungsstruktur.

Dieses Projekt lebt jedoch – das ist zumindest unsere Meinung – von der lokalen Verortung, der örtlichen Publizität und den dadurch entstehenden neuen Kontakten. Es würde mich persönlich sehr freuen, wenn weitere Städte diesem Projekt aus Heidelberg folgen und bei sich einrichten würden.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Deshalb hat die SPD in Köln das ja abgelehnt!)

Dieses kommunale Projekt jetzt aber auf ein Flächenland wie Nordrhein-Westfalen mit 396 Städten und Gemeinden zu übertragen, landesweite lokale Initiativen zu identifizieren und auf einer Plattform zu bündeln, dürfte nach unserer Auffassung schwierig werden.

Wir haben in NRW bereits seit Jahren eine ausgeprägte Anerkennungskultur für unser Ehrenamt. Mit „Engagiert in NRW“ haben wir beispielsweise eine Plattform geschaffen, auf der sich Interessierte schnell einen Überblick über ehrenamtliches Engagement verschaffen können. Dort findet man zahlreiche Informationen und die notwendigen Kontakte für die Arbeit vor Ort. Es gibt dort ein „Engagement des Monats“, in dem immer wieder tolle und abwechslungsreiche Projekte und Initiativen aus ganz NRW vorgestellt werden.

Die Ehrenamtskarte NRW existiert mittlerweile in mehr als 200 Kommunen. Mit dem Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes haben wir einen wichtigen Meilenstein für die kommunale Interessenvertretung geschaffen.

Es gibt die „TatKraft“-Tage; aber auch die vielen Stunden, die Abgeordnete in ihren Wahlkreisen mit Ehrenamtlichen verbringen, dürfen nicht vergessen werden. Die Vertreter und Vertreterinnen der Landesregierung sind auch ständig unterwegs. Da müssen Sie sich nur mal die Presseschau anschauen und die Wochenliste; dann sehen Sie, wo die Ministerinnen und Minister unterwegs sind. Das sind ja auch Zeichen von Wertschätzung und Anerkennung, und diese werden heute intensiv gelebt und häufig medial begleitet.

Ich möchte jetzt der vertiefenden Beratung im Hauptausschuss nicht weiter vorgreifen. Der Überweisung werden wir natürlich zustimmen. Ich weiß auch, Herr Marsching, dass Sie mit meinen Ausführungen nicht zufrieden sein werden. Von daher denke ich: Wir beraten das Ganze weiterhin im Fachausschuss. – Für heute vielen Dank!

Vielen Dank, Frau Kollegin Warden. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Thönnissen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es mag im ersten Moment vielleicht etwas verwundern, aber die CDU hat durchaus etwas übrig für den Antrag, den die Piraten gestellt haben.

Es geht dabei um das Thema „Bürgernähe“, und dieses Thema ist gerade in Zeiten von Politikverdrossenheit sicherlich für uns alle sehr wichtig. Die Landesregierung soll prüfen, inwieweit und ab wann eine Aktion, angelehnt an das Projekt „Hol den Bürgermeister“, wie es in Heidelberg praktiziert wird, realisierbar ist.

Mit diesem Projekt bietet Heidelberg als erste Stadt in Deutschland ihren Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, aktiv und ganz real den Terminkalender ihres Oberbürgermeisters zu beeinflussen. Auf dieser Plattform kann jeder Bürger, kann jede Bürgerin Projekte und Anliegen einreichen, die dann von anderen Nutzern entweder entsprechend unterstützt werden oder auch nicht. Die Anliegen und Orte, die in einem bestimmten Zeitraum die meisten Stimmen erhalten, werden dann vom Oberbürgermeister besucht.

Die Möglichkeiten hier sind vielfältig; sei es ein Schulprojekt, eine soziale Einrichtung, ein Verein, der Unterstützung braucht oder einfach eine Idee oder ein Thema, das sich der Oberbürgermeister einmal konkret anhören soll. Zweimal im Monat wird die Stadt Heidelberg den Ortsvorschlag, der die meisten Stimmen bekommen hat, kontaktieren. Sobald ein Treffen vereinbart worden ist, besucht der Oberbürgermeister diesen Ort, diskutiert potenzielle Möglichkeiten der Unterstützung und bespricht dort das weitere Vorgehen.

Die CDU Nordrhein-Westfalen weiß um den großen Wert gesellschaftlichen Miteinanders. Im Ehrenamt werden Mitmenschlichkeit, soziale Verantwortung und Demokratiebewusstsein offensichtlich. Bürgerschaftliches Engagement macht unsere Gesellschaft definitiv reicher und lebenswerter. Dieser Einsatz der Bürger kann durch nichts ersetzt werden. Das hat sich uns allen beim Thema „Flüchtlinge“ in der jüngsten Vergangenheit sehr eindrücklich dargestellt.

Das gilt gerade in Zeiten, in denen vielleicht familiäre Bindungen oder auch soziale Bindungen lockerer und unverbindlicher werden, und in denen sich das gesellschaftliche Miteinander insgesamt anonymer und unübersichtlicher gestaltet. Ehrenamtliches Engagement hat Vorbildfunktion, und deshalb begrüßen wir den Vorschlag zu einer digitalen und interaktiven Beteiligung der Bürger.

Ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement können den Sozialstaat, die Familie und die Erwerbsarbeit zwar nicht ersetzen, aber sie bieten den Menschen sinnvolle Tätigkeiten und tragen zudem auch zur Erneuerung der Demokratie durch eine aktive Bürgergesellschaft bei. Ob im Verein, in der Nachbarschaftshilfe oder in der kirchlichen Arbeit, ob in der Jugendarbeit, in der Pflege oder in unzähligen anderen Initiativen – ehrenamtlicher Einsatz der Bürger ist durch nichts zu ersetzen und schafft eben auch Lebensqualität.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Die Vielfalt der bürgerschaftlichen Engagements trägt ganz entscheidend zur Attraktivität in diesem, unserem Land bei. Sie stärkt den Bürgersinn, sie schafft Entfaltungsmöglichkeiten, sie fördert auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirkt identitätsstiftend. Vor allem die in allen gesellschaftlichen Schichten bunte und vielschichte Vereinskultur macht Nordrhein-Westfalen lebens- und liebenswert. Und die modernen Kommunikationsmöglichkeiten bieten hier neue Chancen, um das gesellschaftliche Engagement zu bündeln und auch neue Chancen politischer Mitwirkung.

Wir setzen uns dafür ein, dass diese Potenziale stärker genutzt werden. Wir setzen uns dafür ein, den Bürgerinnen und Bürgern Gestaltungsmöglichkeiten und auch das Erleben von Eigenverantwortung wieder zurückzugeben.

Wir wissen hier alle einerseits, dass die Bereitschaft, sich zu engagieren, nach wie vor hoch ist, gleichzeitig erleben wir aber einen tiefgreifenden Wandel. Dauerhafte Mitgliedschaften und langfristige Engagements gehen stark zurück, während punktuelles, situatives Engagement in konkreten und oft zeitlich überschaubaren Projekten sehr hoch ist.

Wir haben gerade dazu auch den Antrag, der wunderbar passt: „Nordrhein-Westfalen soll das Land

des digitalen Aufbruchs in Deutschland werden“ gestellt.

Frau Kollegin.

Ich komme sofort zum Ende. – Bei unserer Fraktionsreise ins Baltikum wurde uns eindeutig gezeigt, was in diesem Bereich schon alles möglich ist.

Sicherlich müssen wir uns über die Realisierung und natürlich auch über eventuelle Kosten in der Ausschussberatung verständigen. – Ich freue mich auf die Ausführungen der Landesregierung und danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Thönnissen. -- Für die Fraktion der Grünen spricht der Kollege Engstfeld.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es aus zeitökonomischen Gründen und auch um Doppelungen zu vermeiden relativ kurz machen. Weitestgehend kann ich mich meiner Vorrednerin und Kollegin der SPD-Fraktion, Frau Warden, anschließen.

Natürlich schließe ich mich komplett der hohen Wertschätzung für das Ehrenamt an; Frau Thönnissen, das haben Sie auch zum Ausdruck gebracht. Natürlich ist es eine Säule unseres Zusammenhaltes, der Kitt in unserer Gesellschaft. Dafür den Dank der grünen Fraktion.

Allerdings bestätigt mich der Antrag in der Form, wie er hier vorliegt, eher in meiner These, die ich mittlerweile schon länger vertrete, dass ich nämlich immer noch glaube, dass der beste Pirat Jack Sparrow ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn dieses Heidelberger Modell ist zwar gut für den Bürgermeister, aber – das hat die Kollegin Warden schon zum Ausdruck gebracht – es ist, glaube ich, eher etwas für andere Kommunen, nicht etwas für die Landesebene.

Wir haben halt schon – das hat die Kollegin Warden auch schon ausgeführt – eine Wertschätzungskultur für das Ehrenamt mit vielen Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, sich dort einzubringen. Sie erfahren Wertschätzung durch uns als Parlamentarier, durch Kabinettsmitglieder, durch die Ministerpräsidentin; es gibt Onlineportale. Insofern ist das eine charmante Idee, wie ich finde, aber doch eher etwas für den kommunalen Bereich.

Gerne werden wir aber im Hauptausschuss das weiter beraten und stimmen natürlich der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die FDP spricht Frau Kollegin Freimuth.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also, Heidelberg ist eine tolle Stadt!

Bürgerschaftliches Engagement ist die Basis unserer Demokratie und auch unserer Gesellschaftsordnung. Als Transatlantikerin freut es mich natürlich auch, dass die Kollegen in Heidelberg es geschafft haben, eine Brücke über den Atlantik zu schlagen und dort in den USA Anerkennung für ihr Konzept zu bekommen.

Bei den Feststellungen unter Punkt I des Antrags bezüglich der herausragenden Initiativen der Vereine und Veranstaltungen und über bürgerschaftliches Engagement insgesamt kann ich mich der Anerkennung und Wertschätzung aller Vorredner anschließen. Auch die FDP-Fraktion teilt ausdrücklich die Anerkennung und Wertschätzung für das bürgerschaftliche Engagement in unserer Gesellschaft.

Allein was auf kommunaler Ebene Sinn machen kann und eine sinnvolle Erweiterung der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung darstellen kann, lässt sich aus unserer Sicht nicht eins zu eins auf die Strukturen in einem so großen Flächenland wie NordrheinWestfalen übertragen. Da haben wir, was die Umsetzung angeht, doch erhebliche Bedenken und erhebliche Skepsis, dass hier insbesondere Erwartungshaltungen im Ehrenamt geweckt werden, die letztendlich dann nicht erfüllt werden können und damit eine hohe Frustration und Enttäuschung bewirken. Das wäre genau das Gegenteil von dem, was ich unterstelle, was die antragstellende Fraktion erreichen will.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Fläche von rund 30.000 km2, mit einer unzähligen Vielfalt an ehrenamtlichem, gesellschaftlichem Engagement in unserem Land. Dann gibt es dazu eben noch regionale Besonderheiten. Das, was zum Beispiel in einem Flächenkreis des Sauerlandes oder Südwestfalens bewegt, ist vielleicht für eine Metropolregion wie das Ruhrgebiet oder die großen Städte im Rheinland schon von anderem Interessen.

Es gibt darüber hinaus auch etwas, wie wir als Abgeordnete unser Selbstverständnis auffassen. Ich habe die Wahrnehmung, dass viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause genau diesen Mittler in das ehrenamtliche Engagement oder für das ehrenamtliche Engagement sowohl zu uns als Abgeordnete, zu

uns als Fraktionen, zu uns als Gesetzgeber, als auch zu den Mitgliedern der Landesregierung bilden.

Wenn ich an der Stelle durchaus auch ein bisschen ketzerisch anmerken darf: Was wollen wir denn, wenn wir das Ganze online stellen? Welche Zufälligkeiten haben wir denn gegebenenfalls? Was kann organisiert werden, und wohin werden dann letztendlich Frau Ministerpräsidentin oder zum Beispiel Frau Ministerin Kampmann durch diese Onlinebefragung zu Terminen geschickt? – Gegebenenfalls zu Projekten, bei denen vielleicht die einstimmige Mehrheit dieses Hohen Hauses für einen solchen Auftritt einer Ministerin, einer Vertreterin einer demokratisch legitimierten Landesregierung doch eher kein Verständnis hätte.