Doch trotz aller blumigen Worte und großen Ankündigungen in dieser Regierungserklärung stellen wir heute fest: Die Landesregierung muss noch immer eine tragfähige Digitalisierungsstrategie entwickeln. Sie verschläft dabei vollkommen die Möglichkeiten des digitalen Wandels für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung.
Dabei ist die Digitalisierungsfähigkeit eines Landes oder einer Region längst zu einem Standortfaktor im globalen Wettbewerb geworden. Frau Kraft hat gemäß „Kölnischer Rundschau Online“ vom 6. April 2016 gerne darauf verwiesen, dass die wirtschaftliche Stagnation in unserem Land nicht in ihrer Verantwortung liege, da exogene Kräfte wirkten. Sicherlich gibt es externe Effekte, die mit landespolitischen Mitteln nicht direkt beeinflusst werden können. Jedoch haben wir auch landespolitische Handlungsspielräume, unseren Standort attraktiver zu gestalten. Dazu gehört der Breitbandausbau; denn dieser ist letzten Endes Grundlage dafür, dass sich Bürger, Unternehmen und öffentliche Verwaltung im digitalen Raum adäquat bewegen können.
Diesen Breitbandausbau hat die Ministerpräsidentin auch großmundig angepriesen. Wörtlich heißt es noch in ihrer Regierungserklärung vom 29. Januar 2015 – ich zitiere –:
„Darüber hinaus haben wir als nordrhein-westfälische Landesregierung auch für das sogenannte Juncker-Investitionspaket von 315 Milliarden € für EU-Investitionsvorhaben IKT-Projekte mit dem Schwerpunkt Breitband von 3,7 Milliarden € angemeldet.“
Das klingt prima, toll und fortschrittlich. Doch die Wahrheit sieht ein klein wenig anders aus, wie wir aus dem Mai-Plenum wissen und wie wir erfahren, wenn wir einen Blick in die aktuelle Vorlage 16/3986 vom 2. Juni 2016 für den Haushalts- und Finanzausschuss werfen. Dort heißt es dann wörtlich – ich zitiere –:
„Das Projekt ,Investitionsoffensive für Europa‘ wird seit Ende 2014 im politischen Raum diskutiert, … Hierbei ist – zumindest anfänglich – der
Eindruck entstanden, es ständen neue europäische Fördermittel in Höhe von 315 Mrd. EUR zum Abruf zur Verfügung. Dem ist nicht so.“
„Aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie wurden dabei Projekte mit einem Investitionsvolumen von 3,7 Mrd. EUR benannt. Der Schwerpunkt lag auf dem Breitbandausbau. In dieser Form hat die Ministerpräsidentin auch in der Regierungserklärung am 29. Januar 2015 Stellung genommen. Es ist nachdrücklich darauf hinzuweisen …, dass die Meldung von Projektideen zu diesem Zeitpunkt keinerlei bindende Wirkung auf den Melder oder eine europäische Institution hatte.“
Hört, hört! Ich hoffe, dass Ihnen diese Luftnummer sichtlich peinlich ist. Sie haben gezielt einen falschen Eindruck von Milliardeninvestitionen in den Breitbandausbau in NRW erweckt. Korrigiert haben Sie diese Darstellung innerhalb der letzten eineinhalb Jahre seit Ihrer Regierungserklärung nicht.
So verkommen Sie zu einem Luftikus, der Erwartungen schürt, die bei sorgfältiger und sauberer Arbeitsweise der Landesregierung nie hätten geschürt werden dürfen.
Sie haben bis heute nicht vorgelegt, was für Projekte in Milliardenhöhe dort angeblich gemeldet worden sind. Herr Wüst hatte Sie im letzten Plenum dazu aufgefordert.
Ihr Vorgehen, liebe Landesregierung, zerstört Vertrauen in die Politik und auch in die Fähigkeit, Nordrhein-Westfalen erfolgreich zu digitalisieren.
Wir als CDU-Fraktion wollen nicht tatenlos zuschauen und haben uns deshalb noch vor Ihnen Estland angeschaut, weil Estland mit seinem Programm E-Estonia Vorreiter in Sachen Digitalisierung und E-Government ist.
Mit der dezentralen Ausgestaltung E-Estonias erfolgen 99 % der staatlichen Serviceleistungen auf einem digitalen Weg. Den Menschen in Estland stehen über 600 E-Dienste zur Verfügung. Hierzu zählen beispielsweise die Gründung eines Unternehmens innerhalb weniger Minuten, die Abgabe einer digitalen Steuererklärung, der digital vernetzte ÖPNV oder das flächendeckende papierlose Parkticket. Von diesen konstruktiven Vorreiterideen kann sich Nordrhein-Westfalen sicherlich einiges konstruktiv abschauen.
Ihr bisheriger Entwurf ist mutlos und weist zahlreiche Mängel auf, wie auch in der Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf deutlich wurde. Zu diesen Mängeln zählen unter anderem die viel zu geringe Kostenschätzung im Bereich des Change Managements, eine fehlende Verankerung von E-Government und Digitalisierungsthemen in der Verwaltungsausbildung, fehlende Impulse beim E-Government-Marketing, zahlreiche Ausnahmetatbestände, die eine hohe Unverbindlichkeit mit sich bringen, fehlende Innovationsimpulse für die kommunale Ebene und viel zu zögerliche und mutlose Umsetzungszeiträume.
Daher fordern wir Sie auf, Ihren Gesetzentwurf „Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen“ zurückzuziehen und dem Parlament bis zum Jahresende einen vernünftigen Entwurf vorzulegen, der einen wirklichen Digitalisierungswillen beinhaltet und der einer Landesregierung auch würdig ist.
Gerne sind wir behilflich, konstruktive Vorschläge für eine gemeinsame Ausgestaltung einer Digitalisierungsstrategie für ein starkes Nordrhein-Westfalen der Zukunft zu unterbreiten. Daher möchten wir Sie ausdrücklich bitten, unserem Antrag zuzustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe einen fünfjährigen Sohn, der sich auch gerne abends Märchen anhört. Als ich den CDU-Antrag gelesen habe, habe ich mich schon an „Der Hase und der Igel“ erinnert gefühlt.
16 Monate nach der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin entdeckt plötzlich die CDU-Fraktion das Thema „Digitalisierung“. Das ist ja toll! Das ist schon ein gewaltiger Akt. Sie haben es ja auch ordentlich begründet. Sie haben gesagt, dass Sie in Estland gewesen sind. Aber da war die Ministerpräsidentin auch schon. Also wieder Hase und Igel!
Insofern ist das schon ein komischer Aufschlag, Herr Stein, den Sie da bringen. Ich schaue mir aber einmal Ihre Forderungen an.
Als Erstes sagen Sie: Die E-Akte könnte Regelfall werden. – Mit Verlaub: Das ist aber ein revolutionärer Ansatz, den Sie da fahren.
Danach geben Sie den Hinweis: Bei diesem Thema ist es ganz wichtig, den Datenschutz zu beachten. – Boah, Wahnsinn!
Lieber Herr Stein, alles das kann man unter der Kategorie „Banales und Selbstverständlichkeiten“ verbuchen, glaube ich.
Sie haben aber noch eine weitere Kategorie. Da wird es richtig lustig. Sie schlagen uns jetzt nämlich vor, wir sollten die Stelle eines Chief Information Officers schaffen. – Mit Verlaub: Der ist doch schon längst da.
Aber Sie sind natürlich kreativ. Die Kreativität besteht darin, dass Sie sagen: Wir machen das nicht im MIK, sondern jetzt in der Staatskanzlei.
Herr Kollege, danke schön, dass Sie die Frage zulassen. – Ist Ihnen bekannt, dass das System, das anstelle einer klassischen E-Akte jetzt in Nordrhein-Westfalen in vielen Ministerien eingeführt wird, nämlich das System DOMEA, von dem Anbieter dieses Systems, weil es so veraltet ist, schon nicht mehr modernisiert wird? Damit stellt sich im Grunde schon die Frage, ob Sie wirklich an der Spitze des Fortschritts stehen, wenn Sie jetzt ein zehn Jahre altes, veraltetes System einführen.
Lieber Herr Optendrenk, Sie haben nicht mitbekommen, dass die Landesverwaltung an der Stelle schon viel weiter ist.
Sie hat einen Open.NRW-Ansatz und eine Strategie geschaffen, womit sie die E-Akte und diese Dinge längst in der Planung und in die Zukunft entwickelt hat.