Protokoll der Sitzung vom 06.07.2016

Liebe Kollegen der SPD, insbesondere diese Forderung nach der Senkung auf 250 € brauchen Sie nicht mehr zu erheben. Sie ist in unserem Gesetzentwurf schon enthalten.

Wenn Sie unsere Polizistinnen und Polizisten nicht weiter mit ihren Schmerzensgeldforderungen im Regen stehen lassen wollen, dann können Sie heute gar nicht anders, als unserem Antrag zuzustimmen.

Herr Stotko, was Sie eben abgeliefert haben, war etwas peinlich

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Dass es peinlich ist, ist aber die Regel bei ihm!)

und ging vor allen Dingen angesichts der Bedeutung der Sache überhaupt nicht weit genug in die richtige Richtung.

(Beifall von der CDU)

Ich bitte im Sinne unserer Polizistinnen und Polizisten dennoch um Zustimmung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lohn. – Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Bolte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt muss ich zu Herrn Lohn fast sagen: Da haben Sie ja ganz schön tief in die parlamentarische Trickkiste gegriffen, dass Sie hier doch tatsächlich einen Gesetzentwurf vorgelegt haben.

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

Ich will einleitend zu dieser Debatte sagen – und jetzt ernsthaft –: Jede Beamtin oder jeder Beamte, die oder der in Ausübung ihrer oder seiner Tätigkeit verletzt wird, ist eine oder einer zu viel. Ich denke, dass wir uns darin alle einig sind. Wir stehen in der Verantwortung, durch beste Ausbildung und Ausstattung

unserer Einsatzkräfte dafür zu sorgen, dass die Gewalt eingedämmt wird.

Dass wir dazu bereit sind, haben wir unter anderem beim vorigen Tagesordnungspunkt bekundet; das hat sich aber auch in der Verstetigung der Einstellungsermächtigungen gezeigt.

In diesem Zusammenhang sage ich gerne: Von 2.000 Neueinstellungen im Jahr, wie wir sie jetzt bis 2023 verstetigen, konnte die nordrhein-westfälische Polizei in Ihrer Zeit nur träumen, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Ausschuss waren wir uns alle einig, dass der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion von der grundsätzlich richtigen Intention ausgeht. Das muss man dann aber auch rechtlich sauber umsetzen. Da haben wir im Sachverständigengespräch tatsächlich auch einige Punkte genannt bekommen, bei denen die Umsetzung eben nicht in der notwendigen Art und Weise erfolgt ist.

Ich will gerne daran erinnern, dass wir uns im Sachverständigengespräch sehr ernsthaft mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt haben. Wir haben das auch nicht ohne Sympathie getan. In der Anhörung sind aber zahlreiche Punkte vorgetragen worden, bei denen ich sagen würde: Wenn man es mit dem eigenen Gesetzentwurf ernst meint, dann hätten diese Punkte zur zweiten Lesung, die jetzt stattfindet, angepasst werden müssen.

Ich nehme an dieser Stelle zur Kenntnis, dass es der CDU offensichtlich dann doch nicht so wichtig war. Sonst hätten Sie sich mit den Schwächen auseinandersetzen müssen, die die Sachverständigen angesprochen haben. Übrigens konnte auch der Abteilungsleiter aus Bayern, den Sie sozusagen als Kronzeugen ins Feld zu führen versucht haben, die Schutzlücke nicht klar herausarbeiten.

Noch deutlicher ist dieser Ministerialdirigent aus Bayern bei der fehlenden Angemessenheitsprüfung geworden. Sie wurde von ihm ja ebenfalls kritisiert – gerade vor dem Hintergrund des Systembruchs, den wir da ein Stück weit herausarbeiten konnten. Dieses Problem wurde von allen Sachverständigen so gesehen. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie dann eine Lösung dafür vorschlagen.

Sie haben auch keine Antwort auf die von uns aufgeworfene Frage gegeben, wie Sie mit der Ungleichbehandlung von Beamten und Tarifbeschäftigten umgehen wollen.

Das sind nur drei Punkte aus dem Beratungsverfahren – einem Beratungsverfahren, bei dem wir uns eigentlich alle einig waren, dass die Intention absolut richtig ist. Bei der konkreten Umsetzung sind wir dann aber doch nicht zusammengekommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Bolte. – Jetzt erläutert die FDP-Fraktion ihre Position durch den Abgeordneten Herrn Kollegen Wedel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade im Polizeivollzugsdienst, aber nicht nur dort, kommt es in zunehmender Häufigkeit zu Situationen, in denen Beamtinnen und Beamte Opfer tätlicher Angriffe werden.

Dieser Lage möchte der Gesetzentwurf der CDUFraktion Rechnung tragen, indem er für Fälle, in denen ein derartiger tätlicher Angriff einen zivilrechtlichen Schmerzensgeldanspruch gegen den Schädiger begründet und dieser Anspruch rechtskräftig tituliert ist, eine Erfüllungsübernahme des Dienstherrn zugunsten des Beamten oder der Beamtin einführt, wie dies bereits in einigen anderen Bundesländern der Fall ist.

Dieser Ansatz erscheint meiner Fraktion gut nachvollziehbar. Schmerzensgeldansprüche im Dienst Geschädigter scheitern ungeachtet ihrer gerichtlichen Titulierung in der Praxis häufig daran, dass der Angreifer mittellos ist und die entstandenen Forderungen nicht bedienen kann. Insofern nutzt es auch nichts, dass ein Titel 30 Jahre lang vollstreckt werden kann; denn typischerweise ist in solchen Konstellationen nicht mit einer zeitnahen erneuten Liquidität des Schädigers zu rechnen.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Es lässt sich deshalb als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn begreifen, rechtskräftig titulierte Schmerzensgeldansprüche im Wege der Erfüllungsübernahme teilweise oder vollständig zu befriedigen.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Insoweit teilen und unterstützen wir die mit dem Gesetzentwurf seitens der CDU-Fraktion verfolgte politische Zielsetzung.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Bedauerlicherweise ist der Entwurf allerdings in einer Art und Weise gefasst, die uns nicht zu einer Zustimmung, sondern lediglich zu einer Enthaltung Raum gibt. Anschaulich belegt hat die Gründe hierfür die im Rahmen der Anhörung vorgelegte Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen.

Eine Schwierigkeit besteht darin, die für die Erfüllungsübernahme geeigneten Titel hinreichend präzise zu bestimmen. Nach dem Gesetzentwurf der Union kämen insofern sämtliche Titel in Betracht, soweit sie rechtskräftig sind. Lediglich bei Vergleichen

soll darüber hinaus die Angemessenheit der Höhe geprüft werden.

Dieser Rahmen geht aus unserer Sicht zu weit. Eine Erfüllungsübernahme ist nur dann Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wenn der zugrundeliegende Schmerzensgeldanspruch vor Rechtskraft durch ein Gericht inhaltlich auf seine Berechtigung hin geprüft und präzise beziffert wurde. Dies gilt für End- und Teilurteile über den Schmerzensgeldanspruch, nicht aber für Anerkenntnisurteile oder gar Vollstreckungsbescheide. In diesen Fällen ist der Titel gänzlich ohne Prüfung der materiellen Rechtslage ergangen. Derartige Titel würde die vorliegende Fassung des Gesetzentwurfs allerdings mit einbeziehen, wofür wir keine Veranlassung erkennen können.

Weiterhin soll nach dem Entwurf eine unbillige Härte bereits ab einem Schmerzensgeld von 250 € vorliegen. Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Geringfügigkeitsschwelle kann der Anspruch auf Schmerzensgeld bei unbedeutenden Eingriffen entfallen, wenn das Wohlbefinden des Verletzten nur kurzfristig und unerheblich beeinträchtigt ist.

Der bei den vom Gesetzentwurf in den Blick genommenen Fällen typische Täter mit Vorsatz schuldet wegen der Genugtuungsfunktion aber auch bei unerheblichen Beeinträchtigungen Schmerzensgeld. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds entfällt aber bei der Erfüllungsübernahme durch den Staat. Vielmehr tritt dessen Ausgleichsfunktion dann in den Vordergrund.

Eine unbillige Härte sollte daher nur ab einer gewissen Verletzungsschwere angenommen werden, die die erlittene Einbuße von typischen „Alltagsverletzungen“ unterscheidet. Die Schwelle müsste also deutlich höher – etwa bei 1.000 € – angesetzt werden.

Zur im Gesetzentwurf vorgesehenen Rückwirkung bleibt schließlich zu bemerken, dass diese die übernahmefähigen Ansprüche nach dem Zufallsprinzip von nichtübernahmefähigen Ansprüchen unterscheidet; denn auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft hat der Geschädigte nicht unbedingt Einfluss.

Erlauben Sie mir abschließend noch folgende Feststellung: Die Erfüllungsübernahme von Schmerzensgeldansprüchen ist als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn verfassungsrechtlich weder ge- noch verboten. In der Rechtswissenschaft wird gegenwärtig unter anderem diskutiert, ob die im Opferentschädigungsgesetz für sämtliche Opfer von Gewaltstraftaten vorgesehenen Leistungen um die Gewährung eines Schmerzensgeldes erweitert werden können, und zwar ungeachtet der Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Genugtuungsfunktion durch den Staat an der Stelle des Schädigers.

Sollte es zu einer solchen Reform des OEG kommen, wäre die hier angedachte Erfüllungsübernahme überflüssig. Auch diesen bundesrechtlichen Kontext dürfen wir nicht außer Betracht lassen. Insofern werden wir uns heute enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Schatz.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Auch ich kann mich bei diesem Thema durchaus kurzfassen und muss nicht alles wiederholen, was bereits gesagt wurde. Es ist ja ziemlich sicher, dass dieser Antrag heute abgelehnt wird. Herr Stotko hat es bereits so ein bisschen – wirklich sehr subtil – durchscheinen lassen. Im Grunde ist es schade, dass der Antrag abgelehnt wird; denn er ist zwar nicht perfekt, aber von der Intention her eigentlich sehr gut.

Ich gestehe Ihnen zu, dass die CDU durchaus ein bisschen hätte nachbessern müssen, weil Fehler inhaltlicher Art vorhanden sind. Vorhin wurde es bereits gesagt: Es ist nun einmal ein Zeichen der Wertschätzung und eine Frage der Fürsorge, sich für die Beamten einzusetzen, die im Dienst verletzt wurden, wenn der entsprechende Täter den Schadenersatz, den er zu leisten hat, nicht selbst erbringen kann.

Dass dieser Antrag heute abgelehnt wird, ist wieder einmal ein typisches schlechtes Zeichen für diese parteitaktischen Spielchen. Anstatt ihn – wie es heue der Fall sein wird – einfach abzulehnen und weitere Monate verstreichen zu lassen, in denen Beamte nicht entschädigt werden, hätten Sie ja auch mal auf die CDU zugehen, sich mit ihr zusammensetzen und einen gemeinsamen Änderungsantrag erarbeiten können, wenn Sie das Vorhaben wirklich so gut finden.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das ist aber nicht geschehen. So wichtig scheint es Ihnen also auch nicht zu sein. Was machen Sie stattdessen? Sie lassen hier weitere Zeit verstreichen. Sie lassen die Beamten weiterhin im Regen stehen.

Wir können uns, ebenso wie die FDP, aufgrund dieser handwerklichen Fehler nur enthalten. Ansonsten ist der Antrag aber gut. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)