Das fördert nicht den Sonntagsschutz, sondern schwächt den stationären Einzelhandel. Und es schwächt in der Regel die inhabergeführten Betriebe, weil sie sich extrem gute Lagen nicht leisten können, weil sie sich mit ihren Unternehmen am Rande befinden.
Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben, und auf die sollten Sie auch Rücksicht nehmen. Es sind die kleinen Leute, für die wir uns hier einsetzen, meine Damen und Herren.
Hierüber wird noch einmal zu diskutieren sein, meine Damen und Herren. Und weil wir dies wollen, freuen wir uns auf die Diskussion im Ausschuss.
Herr Bell, noch einmal: So leicht, wie Sie es sich gemacht haben, ist es eben nicht. Es gibt Kommunen kleinerer Art, es gibt Kommunen, die riesige Ausprägungen haben, wie die größte Stadt des Landes, Köln. Ihnen allen in einem Gesetz gerecht zu werden, ohne den Menschen, die vor Ort die Kenntnis über Sachverhalte haben, die Möglichkeit zu geben zu gestalten, das ist der verkehrte Ansatz von Politik. Den Menschen etwas zutrauen, in ihr Handeln Vertrauen setzen, das löst Prosperität aus. Das ist offensichtlich ein Begriff, der Ihnen fremd ist.
Ich hoffe, wir werden Ihnen diese Sachverhalte in den Ausschussberatungen noch näher bringen können und zu einer guten Lösung kommen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Hovenjürgen. – Wie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das sieht, das sagt uns jetzt Herr Bolte.
Das will ich gerne tun, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche hat die FDP bei ihrem Sommerfest ja versucht, sich als coole Start-up-Truppe zu präsentieren. Wer jetzt Angst hatte, dass die Kollegen Brockes und Bombis hier mit Vollbart und Hipster-Brille auftauchen, dem sei dieser Antrag empfohlen, denn er ist wieder ein ganz tiefer Griff in die ideologische Mottenkiste.
Es ist ein Irrglaube, zu unterstellen, wenn man die Öffnungszeiten möglichst weitgehend freigibt, kaufen die Leute mehr ein. Das passiert mit Sicherheit nicht. Was aber passieren wird, sind Auswirkungen auf die kleinen Händler in den Nebenzentren, die nämlich können so eine uneingeschränkte Sonntagsöffnung nicht leisten.
Insofern wird das, was die FDP hier fordert, zulasten der kleinen Händler gehen. Die sind es aber gerade, die unsere Städte, die die Nebenzentren lebenswert und attraktiv halten. Und das können Sie nicht einfach so wegwischen.
Sie können auch nicht einfach so wegwischen, dass wir mit unserer geltenden Gesetzeslage klar der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgen. Ich muss jetzt nicht bis in die Weimarer Reichsverfassung zurückgehen. Es ist gerade schon dargelegt worden, dass es klare Kriterien für die Sonntagsöffnung gibt, wie und wann Sonntagsöffnung erfolgen darf. Deshalb ist der Anlassbezug, wie er bei uns im Gesetz steht, richtig und wichtig.
Es ist auch falsch, was die beiden Kollegen von FDP und CDU unterstellt haben, dass es keine Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort gebe. Das Gegenteil ist der Fall: Vor Ort wird gestaltet, vor Ort wird in einem klaren rechtlichen Rahmen gestaltet. Und das ist auch die richtige Aufgabenteilung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass es ausgerechnet diese Geschichte ist, die Sie immer wieder aufrühren – neben den Ladenöffnungszeiten gibt es dann noch das Tariftreue- und Vergabegesetz –, dass das die einzigen Punkte auf Ihrer Agenda sind, das ist ein Stück weit schon ein wirtschaftspolitischer Offenbarungseid. Sie beschäftigen sich nicht mit den Fragen, die vor Ort tatsächlich eine Rolle spielen. Sie beschäftigen sich nicht mit der Frage Digitalisierung, Verknüpfung Online- und Offline-Handel.
Sie beschäftigen sich nicht mit Immobilien- und Standortgemeinschaften, die den lokalen Handel stärken können. Sie ignorieren, dass wir mit dem Teilplan zum LEP die Innenstädte stärken.
Das alles zeigt, dass Sie keine Ideen und keine Konzepte für den Einzelhandel haben. Das zeigt auch, dass Sie gar nicht bereit sind, sich mit den tatsächlichen Fragen zu beschäftigen, die sich den Einzelhändlern und Einzelhändlerinnen gegenwärtig stellen.
Nur ein Beispiel, meine Damen und Herren, das wir vor Kurzem im Wirtschaftsausschuss erörtert haben: Nach wie vor hat der Handel gute Zahlen. Nach den aktuellen Zahlen des Handelsverbandes verzeichnet dieser für NRW ein nominales Umsatzplus von 4,3 % und einen Anstieg der Beschäftigtenzahl um 1,2 %. So schlimm und so dramatisch kann es also nicht sein.
In diese Zahlen eingerechnet sind auch Zahlen aus dem Online- Geschäft, nicht allein des stationären Einzelhandels. Ich als Internetenthusiast bin wahrscheinlich der Letzte, der den Online-Handel verteufelt. Aber das zeigt doch auch, dass es große Herausforderungen für den stationären Einzelhandel gibt, denen wir auch begegnen wollen.
Deshalb haben wir in der letzten Woche unsere Modellprojekte zur Verknüpfung von stationärem und Online-Einzelhandel auf den Weg gebracht. Damit
wollen wir für die Zukunft des Einzelhandels Vorsorge treffen. Die positive Entwicklung im E-Commerce wird auch von den HDE-Zahlen unterlegt: Knapp 70 % der Multi-Channel-Händler erwarten steigende Umsätze für ihre Online-Shops und Marktplatzaktivitäten.
Das zeigt, dass wir mit dieser Initiative auf dem richtigen Weg sind und dass die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler vor Ort tatsächlich andere Fragen haben als das, was Sie hier immer ideologisch aufgeladen präsentieren. Der Handel in Nordrhein-Westfalen ist gut aufgestellt. Wir unterstützen den Handel dabei, sich für die Zukunft zu wappnen.
Das zeigt auch, dass wir ein gutes Gesetz im Jahr 2013 beschlossen haben, ein Gesetz, das in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz stößt, weil es ein Gesetz ist, das den Interessenausgleich schafft, das den Handel stärkt, das der Gesellschaft ihre Ruhezonen bringt, das die Beschäftigen im Einzelhandel in den Blick nimmt.
Ich glaube, wir haben damit einen guten Ausgleich geschaffen, der in der schwarz-gelben Novelle damals eben nicht gelungen ist. Und weil man ein gutes Gesetz nicht ändern muss, werden wir Ihren Antrag am Ende vermutlich ablehnen, auch wenn wir ihn jetzt natürlich gerne noch in den Ausschuss überweisen. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Eine Debatte um verkaufsoffene Sonntage lädt fast automatisch zur Kontroverse ein. Das haben wir gesehen. Das Thema berührt ja unsere Vorstellungen einer modernen Gesellschaft.
Ob Sonn- und Feiertage aus sozialen oder religiösen Gründen als möglichst ungestörte Ruhetage angesehen werden oder ein umfassendes Öffnungsverbot an Sonntagen mit Blick auf das Ausland und die zahlreichen existierenden Ausnahmen hier im Land als anachronistisch wahrgenommen wird – das Internet kennt ja auch keine Ladenöffnungszeiten –, die Sichtweisen dazu sind vielfältig, auch in unserer Fraktion.
Eine zielgerichtete Debatte über den vorliegenden Antrag wäre etwas differenzierter anzusiedeln. Denn die antragstellende FDP-Fraktion rüttelt ja nicht an der Vorgabe, dass Geschäfte maximal viermal im Jahr an verkaufsoffenen Sonntagen teilnehmen dürfen. Es geht vielmehr darum, den Kommunen bei der Organisation der verkaufsoffenen Sonntage mehr Spielraum zuzugestehen.
Aktuell gilt, die betont restriktive Handschrift der Fraktionen von Rot und Grün in dem vor drei Jahren novellierten Ladenöffnungsgesetz ein Stück weit zu hinterfragen. Denn das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Ladenöffnung in Velbert hat ja gezeigt, dass es Umsetzungsschwierigkeiten gibt.
Wir plädieren an dieser Stelle für Subsidiarität. Lassen Sie die Kommunen vor Ort entscheiden, wann die Geschäfte öffnen dürfen. Alles andere lädt nur ein zu Planungsunsicherheiten und Rechtsstreitigkeiten.
Auch eine Forderung nach Auflockerung der bisher höchstens elf Sonn- und Feiertage mit geöffneten Geschäften in einer Kommune macht Sinn. Denn – das wurde schon mehrfach gesagt – Großstädte wie Köln, Dortmund oder Essen sind eben nicht vergleichbar mit Ahlen im Münsterland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir begegnen dem vorliegenden Antrag durchaus mit Sympathie – das kommt bei der FDP nicht oft vor; das kann man sich schon einmal rot markieren –, und wir freuen uns auf eine differenzierte Debatte im Ausschuss.
Ansonsten bin ich der Ansicht, dass wir Gesellschaft als Wertegemeinschaft nicht auf die Sonn- und Feiertage beschränken sollten. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Paul, niemand beschränkt die Wertegemeinschaft auf Sonn- und Feiertage. Sie haben das mit Ihrem letzten Satz gerade angedeutet.
Aber ich finde, es ist schon gut und richtig, dass wir unter anderem eben auch den Sonn- und Feiertagsschutz ernst nehmen, nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen – darauf komme ich gleich noch –, sondern auch aus darüber hinausgehenden Gründen.
Ich bin Herrn Hovenjürgen sehr dankbar, dass er darauf Bezug genommen hat und das für die CDUFraktion auch noch einmal deutlich gemacht hat. Alles andere, was Herr Hovenjürgen gesagt hat, war an Pirouetten kaum noch zu überbieten. Die hätte ich ihm körperlich gar nicht zugetraut.
Aber gedanklich war das schon ein ganz besonderes Kunststück, hier zunächst den Sonn- und Feiertagsschutz in den Mittelpunkt zu rücken und dann irgendwie noch den Dreh zu kriegen, dass es aber nicht so gemacht werden sollte, wie es jetzt ist.
Ich gehe auf die drei Punkte ganz konkret ein, die in dem Antrag gefordert werden. Er hat ja am Schluss drei Forderungspunkte. Gehen wir die einzeln durch.
Nehmen wir zunächst den Anlassbezug; denn darauf wurde ja Bezug genommen im Zusammenhang mit dem Urteil des OVG Münster.
Da der Kollege Bell dankenswerterweise schon sehr ausführlich aus der Entscheidung zitiert hat, will ich nur noch einmal darauf hinweisen, dass das keine Einzelfallentscheidung war – jetzt einmal hat ein Gericht etwas gesagt –, sondern dass das Bundesverfassungsgericht schon im Jahre 2009 gesagt hat, dass es für Ausnahmen eines dem Sonn- und Feiertagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes bedarf. Wir sind noch gar nicht beim Anlassbezug in der konkreten Ausgestaltung. Aber es bedarf, sagt Karlsruhe, eines dem Sonn- und Feiertagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes.
Dann hat das Bundesverwaltungsgericht im November 2015 festgestellt, dass schon der Anlass an sich eine große Besucherzahl anziehen muss, um eine Sonntagsöffnung zu rechtfertigen. – Das war die Fortsetzung dessen. Da galt unser Gesetz schon. Da konnten wir noch gar nicht wissen, was die entscheiden, aber es bestätigt das, was wir gemacht haben.
Dann sagt jetzt das OVG Münster in seinem jüngsten Urteil – das bezieht sich gar nicht nur auf das LÖG, sondern hat in der Begründung auch noch Bezüge zum Urteil des Verfassungsgerichtes –, dass wir das, was Herr Bell gerade gesagt hat, eng verstehen müssen.
Lieber Herr Bombis, wenn die FDP morgen alleine regieren würde – stellen wir uns diesen schrecklichen Moment einmal ganz kurz vor;