Protokoll der Sitzung vom 06.07.2016

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das sind al- les gottlose Gesellen!)

Sie haben selber das Urteil des OVGs angesprochen. Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass sie im einstweiligen Rechtsschutz entstanden ist. Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit Verwaltungsgerichtsbarkeit auskennt, weiß, dass ein einstweiliger Rechtsschutz des Oberverwaltungsgerichts wirklich eine absolute Ausnahme ist.

Es lohnt sich deshalb auch, einmal in die Entscheidung hineinzugucken, Herr Bombis. Sie haben ja gesagt, sie sei schlüssig.

(Ralph Bombis [FDP]: Ich habe sie sogar ge- lesen!)

Anschließend kommen wir zur Schlüssigkeit Ihres Antrages.

Deswegen will ich die Kernpunkte der Entscheidung einmal vortragen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Schon gemessen an diesem zuletzt genannten jedenfalls besonders strengen Maßstab ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung hier unerlässlich.

Es kann bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes sicher beurteilt werden, dass die umstrittene Rechtsverordnung offensichtlich rechtswidrig und nichtig ist. Sie ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 LÖG NRW nicht gedeckt. Denn sie wird dem in dieser gesetzlichen Regelung konkretisierten verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV, der ein Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes gewährleistet und für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert, nicht ansatzweise gerecht.

Diese Bestimmung hat, wie die bundesrechtliche Vorgängerregelung des § 14 LadSchG, den Anlassbezug für die Sonn- und Feiertagsöffnung ausdrücklich deshalb aufgegriffen, um dem verfassungsrechtlich verbürgten Sonn- und Feier

tagsschutz und den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Urteil vom

1.12.2009 … Rechnung zu tragen.“

(Andreas Bialas [SPD]: Klarer geht es nicht!)

Ja, das ist ganz interessant. Grundgesetzliche Regelung!

Zur Qualität der Ratsarbeit in Velbert: Die konnten noch nicht einmal bis elf zählen, sondern es waren mehr Tage in Ihrer Rechtsverordnung enthalten. Sie konnten also noch nicht einmal bis elf zählen. Das Gericht stellt fest:

„Ohne inhaltliche Prüfung der von der Antragstellerin im Normgebungsverfahren angeführten höchstrichterlich geklärten Anforderungen an Sonntagsöffnungen hat der Rat der Antragsgegnerin die Verordnung einstimmig beschlossen, nachdem sich der Erste Beigeordnete ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 8.12.2015 zuversichtlich gezeigt hatte, die von der Antragstellerin geäußerten Bedenken ausräumen zu können. Er stufte die Kritikpunkte als lösbar ein, ohne allerdings eine gesetzes- und verfassungskonforme Lösung erkennen zu lassen.“

Genau das macht auch Ihr Antrag. Sie haben nicht einmal einen Ansatz, wie Sie eine gesetzes- und verfassungskonforme Lösung aufbereiten können. Wenn Sie fordern, den Anlassbezug herauszunehmen, dann fordern Sie zu nichts anderem auf als zu Rechtsbruch und letztlich zur Missachtung des verfassungsrechtlichen Sonntagsschutzes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Bombis und Fraktion, dass die Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht in dieser Frage eindeutig ist.

(Ralph Bombis [FDP]: Habe ich doch zitiert!)

Ja, Sie zitieren, gehen aber nicht darauf ein, sondern Sie wollen einen Rechtsbruch legitimieren. Nichts anderes tun Sie.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Für Sie ist die wirtschaftliche Freiheit wichtiger als die Freiheit des Christenmenschen,

(Zuruf von der FDP)

wichtiger als die Freiheit, Familie gemeinsam an einem Sonntag leben zu können.

(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Das ist die Realität. Die Rechtsprechung in dieser Frage ist eindeutig. Sie sollten sich schämen, hier einen solchen Antrag einzubringen. Das ist lächerlich, Herr Bombis.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu der Frage, wer entscheidet: Ja, wer entscheidet denn? Hier haben auch der Rat der Stadt Velbert und die Ordnungsbehörde entschieden. Sie haben eben nur schlecht entschieden. Niemand im Land entscheidet für eine Kommune. Die Kommune entscheidet. Sie muss dabei nur Recht beachten. Und wenn Sie hier so tun, als ob das Bürokratie wäre, dann ist es mit dem Rechtsverständnis der Freien Demokraten wirklich nicht mehr weit her.

Ich warne Sie wirklich davor, diese Debatte noch einmal anzuziehen. Wir haben diese 2013 mit allen Beteiligten qualitativ hochwertig hoch- und runtergebetet. Es gibt überhaupt keinen erkennbaren Diskussionsbedarf in dieser Frage. Reiten Sie keine toten Pferde aus Wahlkampfzeiten. Es hilft Ihnen in der Debatte auch nicht weiter.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Bell. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Hovenjürgen.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Lieber Kollege Bell, das war ein Stückchen hart an der Realität vorbei. Das Gesetz ist 2013 auf den Weg gebracht worden. Mittlerweile haben wir Praxiserfahrung. Die Praxiserfahrung zeigt, dass Sie mit Ihrer Gleichmacherei eben nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass es Unterschiede im Land gibt und dass man vor Ort besser regeln kann, was Sie versuchen, zentralistisch zu regeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vor zehn Jahren haben CDU und FDP das völlig veraltete und aus der Zeit gefallene Ladenschlussgesetz gegen den Widerstand von SPD und Grünen durch ein liberales Ladenöffnungsgesetz ersetzt.

(Zuruf von der FDP: So war das!)

Meine Damen und Herren, wir haben mit dem Ladenschluss an Werktagen Schluss gemacht. Aber wir haben ausdrücklich die Sonn- und Feiertage geschützt. Wir haben sie und ihren Schutz zum Bestandteil eines Gesetzes gemacht. Zu dem stehen wir nach wie vor.

Für die CDU-Landtagsfraktion hat der Sonntagsschutz einen hohen Stellenwert.

(Dietmar Bell [SPD]: Hört, hört!)

Die soziale Marktwirtschaft ist nicht nur ein ökonomisches Ordnungsprinzip, sondern gerade auch ein werteorientiertes Ordnungsprinzip. Märkte sind unentbehrlich. Aber der Markt erschöpft sich nicht im Wesen einer freiheitlich-sozial gebundenen Gesellschaftsverfassung. Das Gemeinwesen, das nur durch materielle Interessen zusammengehalten

würde, würde auch materiell in seiner Zukunft und an seiner Zukunft verlieren. Eine Gesellschaft darf sich nicht nur ausschließlich an Konsum und Erlebnis orientieren, sondern sie muss auch Werte vermitteln. Deswegen hat der Sonntagsschutz seine Bedeutung, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und von Andreas Bialas [SPD])

Wir sind davon überzeugt, dass die Tradition des Sonntags nicht ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und Interessen geopfert werden darf. Der Sonntag als Ruhetag bildet einen Schutzraum vor der Ökonomisierung des Lebens. Er verhindert die totale Verfügbarkeit des Menschen. Nach unserer Ansicht dürfen gesetzlich geregelte Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit daher nicht die Regel werden, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich freue mich über die Begeisterung bei der SPDFraktion. Es wird noch besser kommen.

Deshalb haben wir seinerzeit die Anzahl der verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage auf maximal vier pro Jahr und Verkaufsstelle beschränkt. Deshalb wollen wir auch in Zukunft maximal vier verkaufsoffene Sonn- und Feiertage pro Verkaufsstelle und Jahr zulassen. Daran wollen auch die Kolleginnen und Kollegen der FDP mit ihrem Antrag nicht rütteln.

(Michael Hübner [SPD]: Aha!)

Niemand in diesem Hause will den Sonntags- und Feiertagsschutz untergraben. Allerdings werfen die Kollegen der FPD zu Recht die Frage auf, ob die von Rot-Grün 2013 eingeführten weiteren Restriktionen sinnvoll und notwendig sind. Wer sich regelmäßig mit Einzelhändlern vor Ort ernsthaft austauscht, wird daran seine Zweifel haben.

Nach alter Rechtslage kann jeder Stadtteil einer Kommune selbstständig über die Terminierung seiner verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagssituation entscheiden. Dadurch wurde verhindert, dass parallel stattfindende Veranstaltungen sich gegenseitig kannibalisieren.

Die Begrenzung auf elf Veranstaltungstage in einem Jahr pro Kommune führt nun dazu – Herr Bombis hat das bereits ausgeführt –, dass zum Beispiel Randlagen zu kurz kommen, dass es sich auf die Kerne konzentriert und dass wir deswegen keine faire Verteilung in größeren Städten erreichen können.

Das fördert nicht den Sonntagsschutz, sondern schwächt den stationären Einzelhandel. Und es schwächt in der Regel die inhabergeführten Betriebe, weil sie sich extrem gute Lagen nicht leisten können, weil sie sich mit ihren Unternehmen am Rande befinden.