Herr Kollege Dr. Stamp, Sie haben das hier deutlich differenzierter gemacht. Sie haben nicht einfach pauschal die Verantwortung auf dem Innenminister ab
geladen, sondern das doch differenzierter dargestellt. Das ist durchaus auch die Art und Weise, in der ich die Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss NSU kenne und auch schätze. Das ist, wie gesagt, etwas differenzierter gewesen.
Herr Kollege Biesenbach, was Sie versucht haben, kenne ich inzwischen auch. Es war nämlich sehr simpel und auch sehr plump, dem Innenminister die Verantwortung für die extremistische Situation in Deutschland einfach in die Schuhe zu schieben.
„Simpel“ und „plump“ sind übrigens nicht meine Worte, sondern Worte aus zahlreichen Kommentaren, die ich in den vergangenen Wochen in den Zeitungen gelesen habe, nachdem der Innenminister den Verfassungsschutzbericht vorgelegt hat und Sie sich dazu geäußert haben. Ich finde diese Bezeichnungen sehr treffend.
Dass wir hier gemeinsam arbeiten sollten und uns nicht in politischen Grabenkämpfen bekriegen sollten, zeigt auch unsere Arbeit im Untersuchungsausschuss NSU, glaube ich. Dort versuchen wir nämlich, über die Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam daran zu arbeiten, dass unsere Demokratie gestärkt wird, und gemeinsam für unseren Rechtsstaat zu werben.
Herr Kollege Biesenbach, Sie haben sich auch wieder einmal einen Fauxpas erlaubt. Sie haben Zahlen zitiert. Wahrscheinlich haben Sie nicht den gesamten Verfassungsschutzbericht gelesen. Das muss in der Kürze der Zeit auch nicht sein. Sie haben den Sprechzettel des Ministers herangezogen. Wenigstens den haben Sie anscheinend gelesen. Aber dann haben Sie die Zahlen nicht richtig interpretiert. Vielleicht darf ich Ihnen die Zahlen noch einmal genau darlegen.
Es gab im letzten Jahr 4.420 Taten von Rechten und 2.063 Taten von Linksextremisten – nur damit Sie das Verhältnis, das Sie gerade etwas umgedreht haben, noch einmal vor Augen haben. Das war durchaus eine Verdopplung auf der linken Seite. Der Minister hat gerade aber auch deutlich gesagt, dass die steigende Zahl der rechtsextremistischen Taten dazu führt, dass sich die extremistischen Szenen selber aufschaukeln und als Antwort darauf auch die Linksextremisten immer gewaltbereiter werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie der Minister gerade auch schon ausgeführt hat, ist die politische Lage unruhiger geworden. Der Minister spricht immer von Fliehkräften in der Gesellschaft, die zunehmen. Die Populisten versuchen, die Menschen zu verunsichern. Sie geben einfache Antworten. Frau Kollegin Schäffer hat hier zahlreiche Beispiele genannt.
Davon lassen sich bedauerlicherweise immer mehr Menschen in unserem Land beeinflussen. Sie schwingen dann nicht nur das Wort, sondern sie wenden dann auch Gewalt an.
Diese Gruppen wollen nicht nur an unserer Grundordnung rütteln, sondern sie wollen eines Tages unsere Grundordnung zerstören, und das nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in Deutschland und in ganz Europa.
Diese Entwicklung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht nur auf ein Bundesland begrenzt. Die Taten von Extremisten nehmen zu – das bestreitet hier niemand –, und die Radikalisierung – auch das war gerade schon Thema – nimmt immer mehr Fahrt auf. Die Zwischenschritte, die es früher gegeben hat, überspringen heute viele Täter. Gerade bei den salafistischen Tätern werden die Täter immer jünger – und weiblicher. Dieses Thema diskutieren wir schon sehr lange in der Öffentlichkeit. Ich meine, wir sollten das mit Sorge und nicht mit politischer Häme begleiten.
Nach dem Vorlegen des Verfassungsschutzberichtes gab es auch sehr viele sachliche Artikel in den Zeitungen, die versucht haben, diese Lage zu beschreiben. Ein Bild, das ich sehr treffend fand, hat ein Kommentator wie folgt gezeichnet – ich darf zitieren –:
Und wie reagieren wir in Nordrhein-Westfalen darauf? Wir setzen zum einen auf Repression. Herr Kollege Körfges hat eben schon darauf hingewiesen, dass wir 85 zusätzliche Stellen im Verfassungsschutz eingerichtet haben. Es gibt dort inzwischen Islamwissenschaftler, die sich mit dem Thema „Salafismus“ befassen. Es gibt aber kein – so wie Sie es gefordert haben, Herr Kollege Hendriks – geschlossenes Konzept, das man vorlegen kann. Dieses Konzept besteht vielmehr aus zahlreichen Bausteinen, die auch ineinandergreifen müssen.
Ein wichtiger Baustein muss auch die Prävention sein. Prävention ist, zugegeben, für den Verfassungsschutz vielleicht eine etwas neue Aufgabe. Da muss man nicht nur beobachten, Daten sammeln und sie in irgendwelche Aktenschränke legen.
Gestatten Sie mir folgenden Seitenhieb auf das Bundesamt für Verfassungsschutz: Man muss die Daten aber auch wiederfinden, wenn man sie in irgendeinem Aktenschrank versteckt.
Das bedeutet: Transparenz und Offenheit. Ich glaube, das, was der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen derzeit macht – auch als Lehre aus den Taten des NSU –, kann durchaus auch eine Blaupause für die Bundesebene sein: So viel Transparenz und Offenheit.
Versuch, an Multiplikatoren heranzukommen und Multiplikatoren in unserer Gesellschaft zu sensibilisieren, wo die Gefahren dieser neuen Phänomenbereiche sind und wie man diesen Phänomenbereichen begegnen kann.
Dabei geht es insbesondere darum, gerade junge Menschen davon abzuhalten, in diesen Strudel der Radikalisierung zu geraten. Deswegen ist es genau der richtige Weg, den der Verfassungsschutz und der Innenminister gehen, gerade Multiplikatoren im Bereich der Schule und der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch der Polizei und Wissenschaft einzubinden.
Ich will kurz noch auf einen weiteren Bereich eingehen, nämlich auf unsere Justiz. Auch die Justiz in Nordrhein-Westfalen stellt sich auf diese besondere Situation ein. Im Vollzug in Nordrhein-Westfalen gibt es inzwischen Islamwissenschaftler, die dazu beitragen, dass eine Radikalisierung gerade auch in den Gefängnissen verhindert werden soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich persönlich will in einem Land leben, in dem wir in Freiheit und Demokratie leben, einem Land, das Werte und Prinzipien auch gegen die Feinde der Freiheit und Demokratie verteidigt. Das ist aber nicht nur die Aufgabe hier im Haus, das ist nicht nur die Aufgabe der Politik, sondern das ist eine Aufgabe für unsere ganze Gesellschaft.
Wir können gemeinsam stolz darauf sein, dass die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes sich für eine wehrhafte Demokratie entschieden haben. Und dieser Appell richtet sich an uns alle, damit wir auch künftig in Freiheit und Demokratie leben können. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war eben ein sehr schönes Bonmot aus der SPD-Fraktion, als der Kollege Biesenbach zur inneren Sicherheit sprach und zum Innenminister meinte: Sie kriegen es nicht hin. – Aus der SPD-Fraktion kam der Zuruf: Sie doch auch nicht! – Das war dann das erste Mal das Eingeständnis der SPD-Fraktion, dass es der Innenminister nicht hinkriegt. Vielen Dank dafür.
An dieser Stelle, Herr Innenminister, möchte ich Ihnen auch ganz klar sagen, dass ich es zurückweise, wenn Sie versuchen, mich zu missinterpretieren, oder hier in einer Arroganz versuchen, mich als
dummen Jungen darzustellen, wenn ich über die Turboradikalisierung in den 70er-Jahren spreche. Da müssen Sie sich einmal ein bisschen tiefer gehend damit beschäftigen.
Das sind immer anlassbezogene Radikalisierungen, die da stattfinden. Es war bei den Hungerstreiks der inhaftierten RAF-Mitglieder natürlich so, dass dies zu einer ganz kurzfristigen Radikalisierung, einer Turboradikalisierung, von Jugendlichen geführt hat,
die plötzlich innerhalb von kürzester Zeit eine Gewaltbereitschaft hatten. Ich habe nicht darüber gesprochen, dass die Geschichte der RAF eine Turboradikalisierung beinhaltete. Aber das Phänomen, dass sich einzelne Jugendliche turboradikalisiert haben, ist nicht neu.
Meine Damen und Herren, das war in den 90er-Jahren in Hoyerswerda genauso. Es waren doch nicht alles NPD-Funktionäre, die dort Molotowcocktails geworfen haben. Vielmehr war das eine Turboradikalisierung von einzelnen Leuten. Deswegen lasse ich es hier nicht zu, dass gesagt wird: Das ist hier alles völlig neu, und deswegen sind wir hier von allem völlig überrascht.
Frau Kollegin Schäffer, Sie sagen, dass Sie so viel zum Thema „Rechtsextremismus“ machen. Wir haben es doch hier im letzten Plenum erlebt – das hat jeder hier im Hause mitbekommen –, dass das Handlungskonzept, das Sie hier vorgelegt haben, im Grunde genommen heiße Luft gewesen ist. Das haben wir hier in der Debatte sehr deutlich gemerkt.
Das ist ja auch von verschiedenen Seiten, auch aus den regierungstragenden Fraktionen, eingeräumt worden.
Jetzt sind wir noch einmal beim Salafismus, weil das ein ganz wesentliches Problem ist, wie auch aus dem Bericht deutlich wird.
Wir haben als FDP-Fraktion 2014 hier gesagt: Die Prävention und Wegweiser, das ist richtig. – Wir haben aber auch gesagt: Das, was Sie da an Personal einsetzen, ist zu wenig, und der Ausbau von Wegweiser kommt viel zu schleppend voran.
Drehen Sie uns hier bitte nicht das Wort im Mund herum, Herr Minister. Wir haben von Anfang an gesagt: Man muss mehr bei der Prävention tun. – Ich kann da nur Ahmad Mansour zitieren: „Mit Hochglanzbroschüren und Mahnwachen löst man die Probleme nicht.“ Deswegen haben wir gesagt: Wir brauchen mehr Prävention. – Wir haben aber auch gesagt: Wir brauchen mehr Repression.
Wir sind von Ihnen 2014 hier als Scharfmacher ausgelacht worden, als wir gesagt haben: Wir müssen gegen die Hassprediger und die salafistischen Grillfeste mit aller Härte des Rechtsstaats vorgehen.
Da sind wir hier von Ihnen ausgelacht worden. Der Verfassungsschutzbericht – wenn ich mir ihn durchlese – gibt uns leider recht. Ich hätte mir das anders gewünscht.
Wir sind damit auch bei dem grundsätzlichen Problem, wie Rot-Grün mit diesen Problemgruppen umgeht. Sie sprechen immer von „Angebote schaffen“, „ermöglichen“, „niemanden zurücklassen“ usw. usf. Wenn es um die Umweltpolitik und die Gesundheitspolitik geht, sind Sie mit Verboten, Geboten, Vorschriften etc. ganz schnell dabei, um den Menschen klarzumachen, wie sie hier in Nordrhein-Westfalen richtig leben.
Wenn es um die innere Sicherheit geht, kommt immer nur ein Appell; dann ist es immer unverbindlich; dann ist immer alles freiwillig.