Protokoll der Sitzung vom 08.07.2016

Wir haben das technische Problem mit der parlamentslosen Zeit gelöst und einen Alterspräsidenten

eingeführt, wie das in vielen anderen Landesverfassungen auch der Fall ist.

Wir haben den Fraktionsstatus gestärkt – nicht abgekoppelt vom Recht der Abgeordneten und mit verfassungsrechtlicher Absicherung der Fraktionen.

Wir haben die Ausschüsse, die hier im Landtag Nordrhein-Westfalen wichtige und gute Arbeit leisten, in der Verfassung verankert.

Wir haben heute Morgen eine wichtige europapolitische Debatte über den Brexit geführt. Zukünftig ist die Rolle des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union, die Auswirkungen auf das Land Nordrhein-Westfalen haben, enorm gestärkt. Die jeweilige Landesregierung, die dann regiert, muss die Stellungnahmen des Landtags berücksichtigen und sich rechtfertigen, wenn das in einzelnen Fällen nicht gelingen kann oder nicht gelingen will. Das ist eine erhebliche Stärkung des Parlaments in diesem wichtigen europapolitischen Feld.

Wir haben die Parlamentsinformationsrechte, die bisher nur in einer Vereinbarung zwischen Parlament und Landesregierung geregelt waren, verfassungsrechtlich abgesichert und damit in ihrem Status erheblich angehoben.

Darüber hinaus haben wir die bisher völlig unnötige Regelung gestrichen, dass die Landesregierung gegen vom Landtag beschlossene Gesetze ein eigenes Einspruchsrecht hat. Wenn dieser Landtag von Nordrhein-Westfalen mit seiner Mehrheit etwas beschließt, dann hat eine Landesregierung sich daran zu halten und keinen Einspruch gegen Parlamentsbeschlüsse einzulegen. Auch das soll in der neuen Verfassung geregelt werden.

Außerdem ist es für das Parlament ein wichtiger Schritt, dass zukünftig das höchste Gericht in Nordrhein-Westfalen vom Landtag insgesamt gewählt wird. Es steht diesem Hohen Hause gut zu Gesicht, es so zu handhaben, wie der Bundestag das schon seit Langem macht, das gesamte Gericht ohne Aussprache mit Zweidrittelmehrheit durch das Plenum des Landtags von Nordrhein-Westfalen zu wählen.

Das höchste Gremium der Legislative wählt das höchste Gremium der Judikative. Auch das ist ein richtiges Zeichen.

Richtig ist aber auch: Es wäre mehr möglich gewesen. Der ominöse politische Korb – Volksgesetzgebung, Individualrechtsschutz auf Landesebene, der gesamte kommunale Korb und das Thema „Schuldenbremse“ – ist letztlich an der Frage des Wahlalters gescheitert.

Da habe ich die Vertreter der regierungstragenden Fraktionen überhaupt nicht verstanden. Wir haben angeboten, das Hindernis auf eine, wie ich finde, elegante Weise aus dem Weg zu räumen, indem wir gesagt haben: Das Wahlalter muss – wie in anderen

Landesverfassungen auch – nicht zwingend auf Verfassungsebene geregelt werden, sondern kann auch einfachgesetzlich geregelt werden.

Wir hätten aber gerne vor dem 14. Mai 2017 einen politischen Diskurs über die Frage, was das richtige Wahlalter ist, geführt. Wir sind dezidiert der Auffassung, dass das richtige Wahlalter weiterhin das Wahlalter mit 18 ist, weil die Volljährigkeit und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein hervorragender Anknüpfungspunkt dafür sind, mit Erreichen der Volljährigkeit auch das Wahlrecht zum Landtag Nordrhein-Westfalen zu bekommen.

(Beifall von der CDU)

Darüber lohnt es sich auch, eine Debatte zu führen. Wir hätten sie gerne geführt. Dann wäre sie bei den Landtagswahlen entschieden worden. Der neue Landtag hätte diese Frage mit der dann entstehenden Legitimation und den dann gegebenen Mehrheiten mit einfachem Gesetz regeln können.

Das war ein vernünftiges und elegantes Angebot. Sie haben es ausgeschlagen. Über den Grund kann ich nur mutmaßen. Mein Gefühl sagt mir, dass Sie die Schuldenbremse, wie wir sie in der Verfassung verankern wollten, von Anfang an nicht wollten. Sie haben in diesem Hohen Haus vielerlei Anträge, die wir zur Schuldenbremse gestellt haben, über Jahre hinweg immer wieder abgelehnt.

Vor allen Dingen haben Sie diese Ablehnung – was noch viel schlimmer ist – jedes Jahr wieder beim Landeshaushalt mit konkreter Politik hinterlegt. Sie haben nämlich jedes Mal nicht wirklich den Verschuldungsabbaupfad bis 2020 eingeschlagen. Vielmehr sind Sie die Landesregierung, die in der Bundesrepublik Deutschland mit Ankündigung und mit innerer Rechtfertigung über ihre Reparaturspolitik Schulden machen will.

Wer eine solche Politik machen will, will am Ende des Tages keine Schuldenbremse

(Zuruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

und kann sich freuen, über das Wahlalter mit 16 aus so einem Kompromiss auszusteigen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Sie wollten in Wahrheit die Schuldenbremse nicht. Das ist Ihr Problem von Rot-Grün.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Wir hätten das alles miteinander im Konsens hinbekommen. Wir hätten die Position der Kommunen noch einmal erheblich stärken können. Wir hätten bei der Konnexität das aufgreifen und zum Leben erwecken können, was die Verwaltung manchmal auch falsch macht. Denn wenn bei der Abrechnung konnexitätsrelevanter Kosten in der Prognoseabschät

zung Fehler gemacht werden, die sich nachher herausstellen, ist es immer im Sinne der Verfassung gewesen, die Kommunen so zu stellen, als wären die konnexitätsrelevanten Kosten vom ersten Tag an richtig berechnet worden.

Insofern hätten wir eine Regelung treffen können, die mit dem übereinstimmt, was die Verfassung von Anfang an gewollt oder intendiert hat. Wir haben das ausdrücklich angeboten. Es wäre eine materielle Verbesserung zugunsten der Kommunen in Nordrhein-Westfalen gewesen.

Diese massive Verbesserung haben Sie nicht gewollt, weil wir in diesem Zusammenhang immer zwei oder drei andere Punkte mit in einem Paket besprochen haben. Ich finde das schade. Wir erhalten unser Angebot aufrecht. Für die Kommunen sind wir auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich noch gesprächsbereit.

Meine Damen und Herren, es wird sich herausstellen, wie die weiteren Beratungen miteinander funktionieren. Ich würde mir wünschen, sie in dem Geist und in dem Sinn zu führen, in dem wir weitestgehend miteinander gearbeitet haben. Das wäre der Verfassung angemessen.

Wenn wir am Ende der Diskussionen hier im Landtag Nordrhein-Westfalen einen Beschluss fassen, der es ermöglicht, für die nächsten 20, 25 oder 30 Jahre beständige Regelungen in unsere Verfassung aufzunehmen, hätte sich die Arbeit des gesamten Hohen Hauses gelohnt. – In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lienenkämper. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Lienenkämper, Falsches wird nicht richtiger, indem man es ständig wiederholt, sondern falsch bleibt falsch. In Ihrer Rede waren ein paar Sachen ganz schön falsch.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Ich will das ein bisschen näher ausführen. Das Einzige, was richtig ist: Ja, in Bezug auf den politischen Korb ist der große Wurf ausgeblieben, weil es beim Wahlalter keine Einigkeit gab. Wer ist schuld daran? Ganz einfach: Sie, die CDU. Sie haben sich verweigert. Sie haben den politischen Korb komplett in den Orkus geschickt, weil Sie so viel Angst vor 300.000 Jugendlichen haben. Das gibt es ja gar nicht!

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Wir hätten heute eine ganz andere Debatte, wenn Sie in der Lage gewesen wären, Ihre Position einmal zu überdenken und zu überarbeiten. Mein Gott, bin ich froh, dass andere Bundesländer weiter sind als die Christlich Demokratische Union in NordrheinWestfalen!

(Armin Laschet [CDU]: Wer denn?)

Wir haben doch viele Bundesländer, in denen mit 16 Jahren gewählt wird. Hier: Nein, nein, nein. Da: Ja, ja, ja. Es ist doch schön, dass es funktioniert. Es funktioniert in Bremen; es funktioniert in Brandenburg. Aber Sie haben so viel Angst, dass daran der gesamte politische Korb gescheitert ist.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Viele Länder? Bremen und Brandenburg!)

Das müssen Sie sich schon in die Schuhe schieben. Es ist Ihr Verdienst, dass wir heute nur die kleine politische Lösung haben und nicht den großen Korb. Vielen Dank, CDU!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nächster Punkt: Ich habe in dieser Verfassungskommission auch viel gelernt; das muss ich ehrlich zugeben. Ich habe zum Beispiel viel über politisches Taktieren gelernt.

Was in Ihrer Rede, Herr Lienenkämper, aber auch falsch war, war der Satz beim Wahlalter: Wir haben Ihnen ja angeboten, dass wir da eine elegante Lösung haben.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Ja!)

Das habe ich gelernt. Man macht CDU und FDP einen Vorschlag. Dann sagen die: „Wir denken darüber nach“, drehen sich um, gehen vor die Landespressekonferenz und sagen: Das ist unser Angebot.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Ich habe gelernt, dass das bei Ihnen anscheinend so funktioniert. – Nein, das ist natürlich falsch. Es wäre ein guter Kompromiss gewesen, wenn Sie eine Stelle halt anders betont hätten.

Ich bedaure sehr, dass dieser politische Korb – er ist jetzt mehrfach von meinen Vorrednern ausformuliert worden – so nicht zustande gekommen ist. Daher haben wir jetzt nur den Spatz in der Hand und nicht die Taube auf dem Dach. Es wäre wesentlich mehr möglich gewesen.

Falsch war auch Ihre Aussage zur Schuldenbremse. Sie haben gesagt, da sei das Wahlalter das wahre Motiv der regierungstragenden Fraktionen. Das ist doch alles Blödsinn. Wir waren bei der Schuldenbremse doch eigentlich im Konsens. Das haben wir

doch untereinander konsentiert. Wir waren bei der Schuldenbremse doch klar.

(Zurufe von der CDU)