Lutz Lienenkämper
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Ich weise zur vollständigen formalen Richtigkeit des Ablaufes auf § 84 Abs. 2 hin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Heute Morgen haben wir in diesem Hause „70 Jahre Landtag Nordrhein-Westfalen“ gefeiert. Noch älter sind die ersten Beratungen über eine Verfassung für unser Bundesland; denn bereits im April 1949 – also noch vor der Landesgründung – begannen die ersten Vorarbeiten an der Landesverfassung für Nordrhein-Westfalen, die letztlich vor 66 Jahren nach intensiven Debatten am 10. Juni 1950 in Kraft getreten ist.
Dieser ausgiebig diskutierte und von der Mehrheit in Parlament und Volk gestützte Grundrahmen für das
Parlament, für die Arbeit der Gesetzgebung und für das Leben in Nordrhein-Westfalen hat sich im Wesentlichen bewährt. Schon häufig wurde die überdurchschnittliche Stabilität der nordrhein-westfälischen Landesverfassung gelobt – als Ausdruck der Güte, Beständigkeit und Qualität. Im Laufe von 66 Jahren gab es lediglich 21 Änderungen der Landesverfassung, zuletzt in Sachen „Sperrklausel für Kommunalwahlen“ in diesem Jahr.
Heute beraten wir abschließend die 22. Änderung, der ein intensiver Beratungs- und Arbeitsprozess in der Verfassungskommission vorausging. Mit externem Sachverstand wurden sämtliche verfassungsrelevanten Themen erörtert: Schuldenbremse, Wahlrecht, Wahlalter, direkte Demokratie, Rechtsschutz, Rechte der Kommunen sowie die Rechte des Parlaments und seiner Abgeordneten. Das Ergebnis befindet sich heute in der finalen Gesetzgebungsphase.
Wenn angesichts der Ergebnisse in der Verfassungskommission immer wieder von „Enttäuschung“ oder den „wenigen Ergebnissen“ gesprochen wird, bleibt dennoch Folgendes festzuhalten:
Von Beginn der Verfassungskommission an war es eindeutig, dass unterschiedliche politische Vorstellungen aufeinanderprallen. Darauf hat der Kollege Körfges im Wesentlichen in Teilen seiner Rede hingewiesen.
Von Beginn an war klar, dass es große Schwierigkeiten geben wird, in allen aufgeworfenen Aspekten gemeinsame Beschlüsse zu fassen.
Genauso war klar, dass die Verfassungskommission nur die gemeinsame Plattform dafür sein kann, sich die Verfassung in bestimmten Teilen anzuschauen und Schlüsse zu ziehen, wo Verbesserungen und Änderungen notwendig sind und wo sie mit einer Zweidrittelmehrheit erreicht werden können.
Wahr ist, dass in wesentlichen Punkten keine gemeinsame Position der Kommission gefunden werden konnte; dabei wäre das aus unserer Sicht gut möglich gewesen. Bei Volksgesetzgebung, Individualrechtsschutz auf Landesebene, bei den Kommunen und sogar beim Thema „Schuldenbremse“ wären Einigungen möglich gewesen, genauso wie beim Wahlalter.
Wir wären schließlich sogar bereit gewesen, einer Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre zuzustimmen, wenn darüber erst der nächste Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen abgestimmt hätte. Sie wissen: Wir sind weiterhin aus guten Gründen für eine Beibehaltung des Wahlalters von 18 Jahren. Die Geschäftsfähigkeit und das Wahlrecht sollen in Nordrhein-Westfalen nach unserer Auffassung weiter zusammengehören. Das ist völlig klar.
Deswegen hätten wir darüber jetzt einen politischen Wettstreit führen können, der im Mai 2017 entschieden worden wäre. Dann hätte der neue Landtag in diesem Lichte entscheiden können. Das war nicht gewollt.
Deswegen bleibt der Eindruck zurück, dass möglicherweise der bestimmende Grund dafür war, ein Vehikel zu finden, um die Schuldenbremse am Ende des Tages in der Verfassung zu vermeiden. Sie haben da eine große Lösung blockiert und damit eine Absenkung des Wahlalters für die Zukunft verhindert. Das ist bedauerlich, aber letztlich nicht zu ändern.
In vielen notwendigen und wichtigen Punkten haben wir gute und tragfähige Ergebnisse erreicht; Kollege Körfges hat schon auf einige hingewiesen. Ich bin froh und dankbar, dass nicht nur die Beteiligung von Sachverständigen dabei geholfen hat; vielmehr konnten wir auch externes Wissen einbeziehen. So haben mehrere ausführliche Anhörungen dazu beigetragen; außerdem haben uns viele Zuschriften von außen erreicht. Dafür danke ich.
Manche geben Veranlassung – genauso wie mancher Redebeitrag hier –, das eine oder andere noch einmal genauer zu beleuchten.
Dazu gehört unter anderem die Eidesformel. Die Änderung der Eidesformel symbolisiert weder die Aufgabe des deutschen Volkes, noch steht sie für ein integrationspolitisches Zeichen, sondern sie stellt für die Regierungsmitglieder einen Bezug zum Land Nordrhein-Westfalen und zu den Staatsbürgern, die im Land Nordrhein-Westfalen leben, her.
Angelehnt an die historische Formulierung der Bayerischen Verfassung aus dem Jahr 1818, dem Schwur auf „des ganzen Landes allgemeines Wohl und Beste“, soll der Eid künftig auf das Wohl des Landes Nordrhein-Westfalen geleistet werden. Hier findet keine beliebige Ausweitung statt. Im Gegenteil – sie verpflichtet die Landesregierung und seine Mitglieder erstmals konkret auf das Staatsvolk des Landes Nordrhein-Westfalen und ist damit auch ein Ausdruck des Landesbewusstseins, das wir hier in 70 Jahren völlig zu Recht entwickelt haben.
Wir haben eine undifferenzierte Ausweitung der Eidesformel von vornherein abgelehnt. Entsprechend der Debatte um das Ausländerwahlrecht halten wir es bei dem Begriff des Volkes im Sinne des Grundgesetzes für zwingend, dass die Begriffe im Land Nordrhein-Westfalen und im deutschen Grundgesetz völlig übereinstimmen. Das Land NordrheinWestfalen als Rechtssubjekt erfasst nämlich nicht nur das Staatsgebiet, sondern auch das Staatsvolk des Landes Nordrhein-Westfalen.
Gemäß Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz gilt die Grundentscheidung zur Bestimmung des Staatsvolkes
aus dem Grundgesetz auch für das Staatsvolk des Landes Nordrhein-Westfalen. Nach der Intention des Grundgesetzes besteht das Volk aus den deutschen Staatsangehörigen. Dementsprechend findet ausdrücklich keine Ausweitung des Volksbegriffs im Rahmen der Eidesformel statt, da der Volksbegriff in Deutschland durch das Grundgesetz einheitlich definiert ist und jedenfalls in einer Eidesformel für Mitglieder der Landesregierung überhaupt nicht statuiert werden kann.
Nun gilt die Eidesformel für das Land NordrheinWestfalen, und damit eben auch für das Volk des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Präambel unserer Verfassung hinweisen, geschaffen von den Vätern und Müttern dieser Verfassung. Sie benennen am Ende nämlich auch den Verfassungsgeber. Verfassungsgeber sind die Männer und Frauen des Landes NordrheinWestfalen. Das sind nicht irgendwelche Einzelpersonen, sondern das ist das Staatsvolk im Sinne des Grundgesetzes im Bereich des Landes NordrheinWestfalen.
Das entspricht übrigens auch den Gedanken des Bundesverfassungsgerichts aus seinen Entscheidungen in den Jahren 1983 und 1990, die bis heute wegweisend sind. Ich zitiere aus diesen Entscheidungen den übereinstimmenden Satz:
„Die den Bundesländern zukommende Staatsgewalt kann gemäß Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG ebenfalls nur von denjenigen getragen werden, die Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind.“
So weit das Bundesverfassungsgericht. Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat recht. Das galt damals, und das gilt auch heute.
Der erstmalige Bezug für die Mitglieder der Landesregierung auf das Land Nordrhein-Westfalen ist Ausdruck des Selbstbewusstseins unseres Landes. Das Land Bayern schwört übrigens schon immer auf den Freistaat Bayern und auf seine Verfassung. Wenn wir das nach 70 Jahren jetzt auch tun, ist das sicherlich richtig.
Lassen Sie mich nach diesen Klarstellungen ein Fazit ziehen:
Ich glaube, dass bleibendes Verdienst der Kommission sein wird, die Rechte des Parlaments als Ganzes, seiner Fraktionen und aller Abgeordneten erheblich verbessert zu haben. Mit der heutigen Beschlussfassung werden wir dem Landtag in seiner Rolle als Gesetzgeber gegenüber der Landesregierung eine stärkere Position verleihen, die Fraktionen entlang ihrer tatsächlichen Rolle durch eigene Regelungen in der Verfassung stärken und künftig alle Verfassungsrichter unmittelbar durch den Landtag wählen. Das sind wichtige Schritte zur Stärkung der
parlamentarischen Demokratie und damit auch unserer Verfassung.
Gleichzeitig findet eine Anpassung an Gepflogenheiten statt:
Eine parlamentslose Zeit wird es nicht mehr geben, dafür einen Alterspräsidenten.
Die Verfassungsrichter – ich habe es schon gesagt – werden unmittelbar durch den Landtag gewählt.
Die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofs beispielsweise für Nichtanerkennungsbeschwerden werden an einer wichtigen und entscheidenden Stelle erweitert.
Abschließend – im gesamtstaatlichen Rahmen wahrscheinlich eine Originalität –: Eine wichtige Vorschrift für das Land Nordrhein-Westfalen bleibt erhalten. Der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin wird auch weiterhin aus der Mitte des Landtags gewählt.
Auch das ist Ausdruck der starken Rolle des Landtags. Wir haben den Landtag, alle Abgeordneten und die Fraktionen gestärkt. Im Ergebnis ist das alles in allem ein vertretbarer Kompromiss. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einsetzung der Verfassungskommission war vor fast genau drei Jahren. Am 11. Juli 2013 haben wir in diesem Hohen Hause den Beschluss gefasst, die Verfassungskommission einzusetzen.
Heute haben wir die erste Lesung des Abschlussberichtes und der daraus resultierenden Empfehlungen der Kommission an dieses Haus. Das zeigt schon: In diesen drei Jahren ist intensiv gearbeitet worden. In diesen drei Jahren hat es 15 Sitzungen der Kommission, neun große Obleuterunden, Sachverständigenanhörungen und ein Symposium gegeben. Die Individualverfassungsbeschwerde ist da erörtert worden. Umfangreiche Gutachten zur landesrechtlichen Verankerung der Schuldenbremse und anderer Punkte sowie viele Debatten mit Vereinen, mit betroffenen Mitbürgern, mit Verbänden, mit Experten, innerhalb der Fraktionen und mit vielen Bürgerinnen und Bürgern hat es gegeben.
Ich kann sagen: Die Verfassungskommission und damit das gesamte Haus haben es sich in dieser Zeit nicht einfach gemacht. Wir haben hart miteinander gearbeitet.
Vor diesem Hintergrund möchte ich mich bei allen Expertinnen und Experten und bei allen Kolleginnen und Kollegen für diese Arbeit und die gute Atmosphäre herzlich bedanken.
Im Ergebnis und in der Gesamtbetrachtung kann sich das Bündel an Vorschlägen, das wir gemeinsam erarbeitet haben, sehen lassen. Wir hatten nie die Intention, die Verfassungskommission einzurichten, um irgendwelche Koalitionsverträge, Parteiprogramme oder Parteitagsbeschlüsse für Wahlen umzusetzen, sondern wir wollten an definierten Punkten unserer Verfassung arbeiten.
Von Anfang an haben wir gesagt: Wir halten diese Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen für eine gute Verfassung. – Sie ist in den ganzen Jahren nur 21 Mal geändert worden, weil richtigerweise mit der Zweidrittelmehrheit die Hürde für eine Änderung relativ hoch ist und weil die Verfassung so gut ist, dass sie nicht ständig geändert werden muss.
Das war auch jetzt das Prinzip. Diese Verfassung ist eine gute Verfassung. Aber auch jede gute Verfassung muss an die Zeiten angepasst werden. Das war für uns der Rahmen der Beratungen der Verfassungskommission. In diesem Rahmen ist das Ergebnis der Kommission absolut vorzeigbar.
Insbesondere freue ich mich darüber, dass es gelungen ist, die Stellung des Parlaments in der Verfassung erheblich zu steigern.
Wir haben das technische Problem mit der parlamentslosen Zeit gelöst und einen Alterspräsidenten
eingeführt, wie das in vielen anderen Landesverfassungen auch der Fall ist.
Wir haben den Fraktionsstatus gestärkt – nicht abgekoppelt vom Recht der Abgeordneten und mit verfassungsrechtlicher Absicherung der Fraktionen.
Wir haben die Ausschüsse, die hier im Landtag Nordrhein-Westfalen wichtige und gute Arbeit leisten, in der Verfassung verankert.
Wir haben heute Morgen eine wichtige europapolitische Debatte über den Brexit geführt. Zukünftig ist die Rolle des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union, die Auswirkungen auf das Land Nordrhein-Westfalen haben, enorm gestärkt. Die jeweilige Landesregierung, die dann regiert, muss die Stellungnahmen des Landtags berücksichtigen und sich rechtfertigen, wenn das in einzelnen Fällen nicht gelingen kann oder nicht gelingen will. Das ist eine erhebliche Stärkung des Parlaments in diesem wichtigen europapolitischen Feld.
Wir haben die Parlamentsinformationsrechte, die bisher nur in einer Vereinbarung zwischen Parlament und Landesregierung geregelt waren, verfassungsrechtlich abgesichert und damit in ihrem Status erheblich angehoben.
Darüber hinaus haben wir die bisher völlig unnötige Regelung gestrichen, dass die Landesregierung gegen vom Landtag beschlossene Gesetze ein eigenes Einspruchsrecht hat. Wenn dieser Landtag von Nordrhein-Westfalen mit seiner Mehrheit etwas beschließt, dann hat eine Landesregierung sich daran zu halten und keinen Einspruch gegen Parlamentsbeschlüsse einzulegen. Auch das soll in der neuen Verfassung geregelt werden.
Außerdem ist es für das Parlament ein wichtiger Schritt, dass zukünftig das höchste Gericht in Nordrhein-Westfalen vom Landtag insgesamt gewählt wird. Es steht diesem Hohen Hause gut zu Gesicht, es so zu handhaben, wie der Bundestag das schon seit Langem macht, das gesamte Gericht ohne Aussprache mit Zweidrittelmehrheit durch das Plenum des Landtags von Nordrhein-Westfalen zu wählen.
Das höchste Gremium der Legislative wählt das höchste Gremium der Judikative. Auch das ist ein richtiges Zeichen.
Richtig ist aber auch: Es wäre mehr möglich gewesen. Der ominöse politische Korb – Volksgesetzgebung, Individualrechtsschutz auf Landesebene, der gesamte kommunale Korb und das Thema „Schuldenbremse“ – ist letztlich an der Frage des Wahlalters gescheitert.
Da habe ich die Vertreter der regierungstragenden Fraktionen überhaupt nicht verstanden. Wir haben angeboten, das Hindernis auf eine, wie ich finde, elegante Weise aus dem Weg zu räumen, indem wir gesagt haben: Das Wahlalter muss – wie in anderen
Landesverfassungen auch – nicht zwingend auf Verfassungsebene geregelt werden, sondern kann auch einfachgesetzlich geregelt werden.
Wir hätten aber gerne vor dem 14. Mai 2017 einen politischen Diskurs über die Frage, was das richtige Wahlalter ist, geführt. Wir sind dezidiert der Auffassung, dass das richtige Wahlalter weiterhin das Wahlalter mit 18 ist, weil die Volljährigkeit und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ein hervorragender Anknüpfungspunkt dafür sind, mit Erreichen der Volljährigkeit auch das Wahlrecht zum Landtag Nordrhein-Westfalen zu bekommen.
Darüber lohnt es sich auch, eine Debatte zu führen. Wir hätten sie gerne geführt. Dann wäre sie bei den Landtagswahlen entschieden worden. Der neue Landtag hätte diese Frage mit der dann entstehenden Legitimation und den dann gegebenen Mehrheiten mit einfachem Gesetz regeln können.
Das war ein vernünftiges und elegantes Angebot. Sie haben es ausgeschlagen. Über den Grund kann ich nur mutmaßen. Mein Gefühl sagt mir, dass Sie die Schuldenbremse, wie wir sie in der Verfassung verankern wollten, von Anfang an nicht wollten. Sie haben in diesem Hohen Haus vielerlei Anträge, die wir zur Schuldenbremse gestellt haben, über Jahre hinweg immer wieder abgelehnt.
Vor allen Dingen haben Sie diese Ablehnung – was noch viel schlimmer ist – jedes Jahr wieder beim Landeshaushalt mit konkreter Politik hinterlegt. Sie haben nämlich jedes Mal nicht wirklich den Verschuldungsabbaupfad bis 2020 eingeschlagen. Vielmehr sind Sie die Landesregierung, die in der Bundesrepublik Deutschland mit Ankündigung und mit innerer Rechtfertigung über ihre Reparaturspolitik Schulden machen will.
Wer eine solche Politik machen will, will am Ende des Tages keine Schuldenbremse
und kann sich freuen, über das Wahlalter mit 16 aus so einem Kompromiss auszusteigen.
Sie wollten in Wahrheit die Schuldenbremse nicht. Das ist Ihr Problem von Rot-Grün.
Wir hätten das alles miteinander im Konsens hinbekommen. Wir hätten die Position der Kommunen noch einmal erheblich stärken können. Wir hätten bei der Konnexität das aufgreifen und zum Leben erwecken können, was die Verwaltung manchmal auch falsch macht. Denn wenn bei der Abrechnung konnexitätsrelevanter Kosten in der Prognoseabschät
zung Fehler gemacht werden, die sich nachher herausstellen, ist es immer im Sinne der Verfassung gewesen, die Kommunen so zu stellen, als wären die konnexitätsrelevanten Kosten vom ersten Tag an richtig berechnet worden.
Insofern hätten wir eine Regelung treffen können, die mit dem übereinstimmt, was die Verfassung von Anfang an gewollt oder intendiert hat. Wir haben das ausdrücklich angeboten. Es wäre eine materielle Verbesserung zugunsten der Kommunen in Nordrhein-Westfalen gewesen.
Diese massive Verbesserung haben Sie nicht gewollt, weil wir in diesem Zusammenhang immer zwei oder drei andere Punkte mit in einem Paket besprochen haben. Ich finde das schade. Wir erhalten unser Angebot aufrecht. Für die Kommunen sind wir auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich noch gesprächsbereit.
Meine Damen und Herren, es wird sich herausstellen, wie die weiteren Beratungen miteinander funktionieren. Ich würde mir wünschen, sie in dem Geist und in dem Sinn zu führen, in dem wir weitestgehend miteinander gearbeitet haben. Das wäre der Verfassung angemessen.
Wenn wir am Ende der Diskussionen hier im Landtag Nordrhein-Westfalen einen Beschluss fassen, der es ermöglicht, für die nächsten 20, 25 oder 30 Jahre beständige Regelungen in unsere Verfassung aufzunehmen, hätte sich die Arbeit des gesamten Hohen Hauses gelohnt. – In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Position des Vierten Vizepräsidenten des Landtags von Nordrhein-Westfalen steht in der Geschäftsordnung. Der Versuch, diese Position zu besetzen, ist deswegen legitim; alle Vorschläge dafür sind ebenfalls legitim.
Wir haben im Laufe des heutigen Tages erlebt, dass der Kollege Wegner bei einer sehr kurzfristig anberaumten Kandidatur keine Mehrheit im Parlament gefunden hat. Im Laufe dieser Parlamentssitzung ist der Kandidat dann ausgetauscht worden.
Wir – und auch andere Fraktionen – haben den Piraten ausdrücklich angeboten, den neuen Kandidaten in unsere Fraktion einzuladen, wo wir uns mit ihm unterhalten, um ihn noch näher kennenzulernen und seine Vorstellungen von diesem Amt zu erfahren und mit ihm zu besprechen. Ich nehme mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Piraten dieses Angebot offenbar nicht annehmen wollen und schließe daraus, dass es möglicherweise nicht das unbedingt erklärte Ziel ist,
diesen Kandidaten heute durchzubringen. Ich bedaure das ausdrücklich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, Sie hätten jetzt die Gelegenheit gehabt, in aller Ruhe noch einen Sachbeitrag zu dieser wichtigen Diskussion zu leisten. Stattdessen arbeiten Sie sich bis in den Beginn meiner Rede hinein noch an der FDP ab. Ist das eigentlich Ihr zentrales Problem des heutigen Tages?
Frau Ministerpräsidentin, wir haben heute einen Vorgang erlebt, der für unser Haus nach meinem Dafürhalten seit vielen Jahren einzigartig ist. Hier ist die Volkspartei CDU mit rechten Hetzern und mit unerträglichen Populisten auf eine Stufe gestellt worden.
Herr Römer, das haben Sie gemacht! Sie haben damit den Konsens aller Demokraten verlassen!
Diese Debatte wäre heute die Chance gewesen, dass der Landtag Nordrhein-Westfalen sich gemeinsam gegen diejenigen wendet, die unsere Demokratie gefährden.
Es wäre die Möglichkeit gewesen, sich gemeinsam gegen diejenigen zu wenden, die den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährden.
Herr Römer, Sie haben diese Chance heute vertan. Sie haben sich selbst und Ihre Fraktion ins Abseits gestellt. Hören Sie damit auf, und schämen Sie sich!
Frau Ministerpräsidentin, Sie haben die Rede von Herrn Römer mit versteinerter Miene angehört. Sie haben mit verschränkten Armen dagesessen, als der Fraktionsvorsitzende der SPD geredet hat. Frau Ministerpräsidentin, Sie sind nicht nur Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Sie sind auch Landesvorsitzende der SPD in NordrheinWestfalen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie dafür sorgen, dass Herr Römer sich bei uns entschuldigt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt heute ein Gesetzentwurf vor, der aus unserer Sicht Licht und Schatten hat. Das Verfahren, wie wir zu ihm gekommen sind, war ausdrücklich in Ordnung. Es war dasselbe Verfahren wie bei der letzten Änderung der Wahlkreise zwischen 2005 und 2010.
Wir sind in den unterschiedlichen Gesprächen zu Veränderungen des Vorschlags des Innenministeriums gekommen, aus unserer Sicht jedenfalls auch zu sehr guten Veränderungen. Andere Punkte sind allerdings aus unserer Sicht noch nicht so, wie wir uns das im Idealfall vorgestellt hätten.
Wir wären schon der Auffassung gewesen, dass man gerade im Bereich Duisburg, wo wir mit einem erheblichen Rückgang der Bevölkerung zu tun haben, schon jetzt eine nachhaltige und zukunftsfeste Lösung hätte wählen können, indem man dort einen der Wahlkreise weggenommen und ihn woanders, wo das rechnerisch am besten gewesen wäre, geschaffen hätte. Das wäre wahrscheinlich das Münsterland gewesen. So müssen wir das vermutlich prognostisch beim nächsten Mal anpacken. Man hätte es auch jetzt machen können.
Das Gleiche gilt für das Bergische Städtedreieck. Man hätte vermeiden können, dass es jetzt eine Lö
sung gibt, die Wahlkreise über die Grenzen von Regierungsbezirken schafft. Beides hätten wir vorzugswürdig und nachhaltiger gefunden. Das war allerdings in den Gesprächen nicht möglich.
Demgegenüber ist es gelungen, Verbesserungen auch aus unserer Sicht im Kreis Viersen zu erzielen. Wir haben aus unserer Sicht Verbesserungen im Rhein-Sieg-Kreis erzielt, sodass Verbesserungen Positionen gegenüberstehen, die wir unglücklich finden.
Deswegen können wir dem Gesetzentwurf auch nicht zustimmen. Das Unglückliche ist aber nicht so, dass das Glückliche dadurch an den anderen Ecken zerstört würde. Deswegen kommen wir hier im Endergebnis zu einer Enthaltung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In aller Sachlichkeit: Es liegt uns ein Bericht des Innenministers vor, der jedenfalls in einem Teil die gesetzliche Verpflichtung des Innenministers erfüllt, nämlich dem Landtag von Nordrhein-Westfalen über die Einwohnerentwicklung in den Landtagswahlkreisen Bericht zu erstatten. Der liegt ein paar Monate später vor, als das Gesetz das vorsieht. Aber inhaltlich verlangt das Gesetz diesen Bericht.
Darüber, ob das Gesetz jetzt wirklich auch konkrete Vorschläge verlangt oder nicht, kann man sich lange streiten. Es hat in der Vergangenheit auch schon Berichte mit konkreten Vorschlägen gegeben. Lassen wir das mal dahinstehen.
Ich hätte mich darüber gefreut, und es war sehr einfach gewesen, Unsicherheiten, die aufgetreten sind, mit diesem Bericht zu vermeiden. Der lag dann irgendwann als Drucksache bei uns auf dem Tisch. Wie das immer so ist: Bei einer unbesprochenen und undiskutierten Vorlage ergeben sich daraus Unsicherheiten, Verunsicherungen und auch Verärgerungen. Das ist passiert. Ich glaube, das hätte man vermeiden können. Aber das ist jetzt der Fall. Die heutige Debatte ist das Ergebnis genau dieser Verunsicherungen und Verärgerungen.
Ich glaube, dass einige der unterbreiteten Vorschläge dem Ziel des Kollegen Herter, zu gemeinsamen Lösungen zu finden, widersprechen. Ich meine, dass es da andere Lösungen geben kann und geben sollte. Ich bin sicher, dass wir da auch zu anderen Lösungen kommen.
Ich vertraue darauf, erwarte aber auch in aller Ernsthaftigkeit, dass die Zusage der Mehrheitsfraktionen, die wir eben wiederholt gehört haben, be
lastbar ist, dass wir jetzt als gesamtes Parlament in eine ergebnisoffene, sachliche Diskussion über notwendige und mögliche Änderungen eintreten mit dem Ziel, zu einer am Ende gemeinsam getragenen oder jedenfalls breit getragenen Lösung zu gelangen.
So war das übrigens auch 2005 bis 2010 in der 14. Legislaturperiode. Da hatte am Ende das, was damals übrigens als gemeinsamer Antrag der Fraktionen eingebracht worden ist, nur in Teilen etwas mit dem ursprünglichen Vorschlag aus dem Innenministerium zu tun.
Das erwarte ich auch jetzt. Ich bin offen gestanden ausgesprochen froh, dass es die Fraktionen sind, die diesen Antrag machen werden. Denn dem Innenminister traue ich da wenig zu.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Mitgefühl der Abgeordneten dieses Hauses gilt den Angehörigen der insgesamt 17 Frauen und Männer, die am 7. und 9. Januar 2015 in Paris ihren Mördern zum Opfer gefallen sind. Auch drei Wochen nach dem schrecklichen und mörderischen Überfall auf die Redaktion des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ sowie die Kunden und Angestellten eines jüdischen Supermarktes in Paris haben wir wahrscheinlich alle die schlimmen Bilder noch vor Augen – Bilder, die man so schnell nicht vergessen wird.
Die Menschen bei uns in Nordrhein-Westfalen, die Menschen in Deutschland und in Europa sind vereint in Trauer. Der große Trauermarsch, der auf die Anschläge folgte, führte nicht nur durch Paris und andere französischen Städte, er führte zugleich auch durch Madrid, Rom, London, Berlin und viele Städte Nordrhein-Westfalens. Er führte die Menschen als Europäerinnen und Europäer zusammen. Es war spürbar, dass wir als Europäer gemeinsame Werte teilen, gemeinsam Trauer empfinden und zusammenstehen. Daher war das auch ein starker europäischer Moment.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, nach diesen Ereignissen war in allen Fraktionen der Wunsch spürbar, den Solidaritätsbekundungen der Bürgerinnen und Bürger auch ein klares Bekenntnis dieses Hauses folgen zu lassen. In großer Einigkeit haben wir gemeinsam die vorliegende Resolution verfasst. Wir bringen damit unsere Solidarität mit dem französischen Volk zum Ausdruck.
Wir tun dies auch mit Blick auf unsere Partnerregion Nord Pas-de-Calais, die rund 250 Partnerschaften zwischen Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Frankreich sowie die unzähligen Beziehungen von Schulen und Vereinen, in denen der Zusammenhalt von Deutschen und Franzosen gelebt wird.
Meine Damen und Herren, heute sind wir nicht nur solidarisch, wir geben auch ein Statement ab: Wir treten ein für Freiheit, Demokratie und Toleranz.
Dieses Eintreten ist notwendig. Unsere europäischen Werte sind nicht selbstverständlich. Sie wurden errungen, und sie müssen immer wieder neu errungen werden.
In der CDU-Fraktion sind wir davon überzeugt, dass wir wieder stärker für unsere Werte, für unsere politische Ordnung, für das, was den Kerngehalt unseres Grundgesetzes ausmacht, werben müssen. Das gilt in besonderer Weise in einer Gesellschaft wie der unseren, die so vielfältig ist wie nie zuvor.
Diese Vielfalt, die Nordrhein-Westfalen ebenso prägt wie weite Teile Europas, ist auch deutlich geworden in dem Satz, den Hunderttausende in den Tagen nach dem Anschlag auf Plakate geschrieben, im Internet gepostet oder persönlich erklärt haben. Viele haben gesagt: „Je suis Charlie.“ Die Menschen bringen damit zum Ausdruck, wie wichtig ihnen Meinungsfreiheit, die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Presse sind.
Wenn mitten im Herzen Europas ein brutaler Anschlag auf Journalisten, ja auf eine komplette Redaktion verübt wird, dann werten wir das als das, was es ist: Es ist ein Anschlag auf unsere europäischen Werte. Und dagegen wehren wir uns.
Das gilt auch dann, wenn eine Zeitschrift angegriffen wird, deren Inhalte nicht jedermann gefallen, die sogar zuweilen beleidigend oder provozierend wirken können. Aber das ist das Wesen von Satire. Wir bekennen uns zur Meinungsfreiheit, meine Damen und Herren.
Andere haben geschrieben: „Je suis Ahmet“, um den französischen Polizisten muslimischen Glaubens zu ehren, der zum Opfer der Attentäter wurde. Wieder andere haben gesagt: „Je suis flic“, um ihren Respekt vor all denen zu zeigen, die als Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte unsere Freiheit verteidigen. Oder „Je suis juif“, „ich bin Jude“ – auch das war ein Ausruf vieler, die daran erinnern wollen, dass der Attentäter im Supermarkt gezielt Juden als Opfer gewählt hatte. Gerade in diesen Tagen – gestern war der Holocaust-Gedenktag – ist dieser Gedanke höchst wichtig.
Das alles zeigt: In ihrer Trauer stehen Christen, Juden und Muslime, Menschen mit anderer und auch ohne Religion zusammen auf der Grundlage gemeinsamer europäischer Werte. Die überwältigende Mehrheit der Europäer reagiert auf die Anschläge nicht mit nationaler Rhetorik oder islamfeindlichen Parolen, sondern mit einem starken Zeugnis europäischer Solidarität.
Wenn wir heute sagen: Nach den Anschlägen von Paris sind wir mehr denn je Europäer, dann haben wir über die Attentäter und ihren Ungeist gesiegt. Dann wirken jene, die jetzt Nationalismus und Ausgrenzung das Wort reden, erst recht wie Irrläufer, die die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben.
Meine Damen und Herren, unsere Zukunft heißt Europa – das Europa des Friedens, der Freiheit und der gemeinsamen Werte. Das ist das Signal, das von diesem Gedenken ausgehen muss: „Nous sommes l’Europe.“
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es müsste Ihnen eigentlich schon die Information vorliegen, dass der Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/5059 zurückgezogen wird. Die Inhalte sind im gemeinsamen Entschließungsantrag aufgegangen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Herter hat die Inhalte des Gesetzentwurfes zutreffend geschildert. Ich ergänze noch, dass es gelungen ist, gemeinschaftlich die Regelung für Beamte, die wäh
rend der Zeit als Abgeordnete natürlich nicht im Beamtenverhältnis sind, und danach entweder wieder in dieses zurückkehren oder vielleicht auch nicht wieder zurückkehren, der in diesem Zusammenhang neu ergangenen Rechtsprechung anzupassen. Auch das sind Bestandteile unserer Änderungen, die wir heute miteinander beschließen.
Im Ergebnis handelt es sich in dem heute zu beschließenden Komplex um etwas, das in Anbetracht der Debatten in Bayern notwendig war. Wir haben es maßvoll geregelt, indem wir den vierten Grad richtigerweise nicht betrachtet haben. Das wäre nicht lebenspraktisch gewesen. Wir haben bei den Überkreuzbeschäftigungen, glaube ich, klug und lebensnah agiert, die engen Verwandtschaftsverhältnisse aber richtigerweise ausgeschlossen.
Insofern ist der Gesetzentwurf aus unserer Sicht im Ergebnis notwendig, ausreichend und zustimmungsfähig. – Herzlichen Dank.
Frau Ministerpräsidentin, ich beziehe mich auf den Bericht der „Westfälischen Nachrichten“ vom 26. September, in dem Sie wörtlich gesagt haben: Ich war persönlich in Urlaub. Ich war auch überhaupt nicht erreichbar.
Sie haben am 27. September 2014 in einem Interview bei WDR 2 wörtlich ausgeführt – ich zitiere –:
„Ich habe nämlich gesagt: ‚Ich bin nicht erreichbar. Ich konnte die Bilder nicht sehen‘. – Und das ist etwas anderes als zu sagen: ‚Ich bin nicht erreichbar und ich hab auch kein Telefon annehmen können.‘“
Stimmen Sie mir zu, dass jeder unvoreingenommene Hörer die Aussage „Ich bin gar nicht erreichbar“ nicht auf die fehlende Möglichkeit bezieht, Fernsehen gucken zu können, sondern auf die fehlende Möglichkeit bezieht, telefonieren zu können und kommunizieren zu können?
Frau Ministerpräsidentin, Sie haben eben das ausgeführt, was Sie auch schon in der Antwort auf die Kleine Anfrage von Herrn Prof. Sternberg am 18. September 2014 ausgeführt haben: Der Innenminister habe Sie darüber informiert, dass es unter anderem zwei Tote gebe, einzelne Stadtteile in erheblichem Maße betroffen seien und einige Häuser und Wohnungen nicht mehr bewohnbar seien.
Sie werden also in Ihrem Urlaub telefonisch darüber informiert, dass offenkundig eine Katastrophe größeren Ausmaßes in Ihrem Bundesland NordrheinWestfalen stattfindet. Sie befinden sich auf einem Schiff und können keine Fernsehbilder angucken,
weil der Handyempfang schlecht ist und auf dem Schiff kein Fernseher ist. Frau Ministerpräsidentin, warum sind Sie nicht an Land gegangen und haben sich unmittelbar über die Umstände informiert?
Frau Ministerpräsidentin, ich würde gerne noch mal zum Kern zurückkommen und zu der Frage …
Ich sehe, ich löse Spannung aus bei Ihnen – das gefällt mir –,
und möglicherweise auch Sorge: Haben Sie der Öffentlichkeit gegenüber in Ihren Äußerungen die Wahrheit oder die Unwahrheit gesagt?
Ich fasse zusammen. Sie haben bei RTL gesagt: Ich war zu der Zeit in Urlaub. In aller Offenheit: Ich war auch gar nicht erreichbar. – Sie haben in den „Westfälischen Nachrichten“ gesagt: Ich war persönlich in Urlaub, ich war auch überhaupt nicht erreichbar. – Sie haben das soeben in den Zusammenhang gestellt mit dem Bericht der „Westfälischen Nachrichten“ vom 5. September und haben gesagt, als Sie die Bilder des Unwetters später gesehen hätten, hätten Sie das Leid der Menschen gespürt. Auch das hätten Sie da gesagt.
Es geht um die Frage: Was ist auf dem Boot gewesen? Dazu haben Sie gesagt, Sie seien nicht erreichbar gewesen. Danach haben Sie dann gesagt: Das bezieht sich alleine auf das Fernsehen, den Fernsehempfang. – Sie hätten keine Bilder gesehen.
Frau Kraft, stimmen Sie mir zu, dass mit diesem außergewöhnlich konstruierten nachträglichen Erklärungsversuch der ersten Unwahrheit, die Sie gesagt haben, die Menschen in Nordrhein-Westfalen sich von Ihnen für dumm verkauft fühlen?
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Erneut beraten wir heute über das Abgeordnetengesetz für NordrheinWestfalen. Unsere Richtschnur in den Debatten als CDU-Fraktion war und ist klar: Wir wollen die Unabhängigkeit der Abgeordneten genauso stärken, wie wir auch das Parlament selbst stärken wollen.
Nur ein Parlament, das allen Berufsgruppen gleichermaßen offensteht, ist ein Parlament für alle Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen.
Im Vordergrund steht das freie Mandat der Abgeordneten. Somit steht für uns außer Frage, dass ein Abgeordneter neben dem eigentlichen Mandat auch andere Tätigkeiten ausüben darf.
Wer Abgeordnete unter einen Generalverdacht stellen will und daher Nebentätigkeiten untersagen wol
len würde, der schadete der parlamentarischen Demokratie insgesamt – ganz unabhängig davon, dass das verfassungsrechtlich auch gar nicht zulässig wäre.
Nebentätigkeiten können positive Wirkungen für das Mandat haben, sie erleichtern den späteren Wiedereinstieg in den Beruf, und sie reduzieren auch die Abhängigkeit von der eigenen Partei und von der eigenen Fraktion.
Prof. Gärditz hat in seiner Stellungnahme für die Expertenanhörung völlig zu Recht erklärt, ich zitiere:
„Ein Abgeordneter, der auf sein Mandat nicht angewiesen ist, weil er bei Mandatsverlust jederzeit wieder in seinem früheren bzw. erlernten Beruf ein Auskommen findet, ist der Idealtypus des unabhängigen Abgeordneten.“
Wir wollten von Anfang an Regelungen, die die Berufstätigkeit weder direkt noch indirekt unmöglich machen oder unverhältnismäßig erschweren, und haben uns entschieden, konstruktiv an einer auf die besonderen Umstände Nordrhein-Westfalens eigens zugeschnittenen Regelung mitzuwirken.
Wählerinnen und Wähler müssen allerdings erkennen können, ob es bei Abgeordneten vor allem in Angelegenheiten, über die hier entschieden wird, Abhängigkeiten gibt, die für das freie Mandat schädlich und geeignet sind, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in freie, unabhängige Entscheidungen ihrer Abgeordneten zu beeinträchtigen.
Ob zur Herstellung dieser Transparenz die Höhe der Nebeneinkünfte wirklich das allergeeignetste Mittel ist, darüber kann man trefflich diskutieren. Das ist im Verfahren ja auch geschehen. Aber jedes Verfahren ist ein Prozess der Abwägung vieler Gesichtspunkte. Wir sind der Auffassung, dass es uns jedenfalls im Ergebnis gelungen ist, Transparenzvorschriften zu schaffen, die diesen Anforderungen standhalten.
Die Interessen Dritter sind geschützt. Ehepartner, Geschäftspartner und Kunden sind in ihren Interessen, soweit sie berechtigt sind, geschützt. Wir differenzieren für unterschiedliche Nebentätigkeiten zwischen Anzeige und Veröffentlichungspflichten. Wir berücksichtigen, dass für viele Einnahmen gerade bei Selbstständigen vorher erhebliche Investitionen und Aufwendungen getätigt werden müssen, um diese Einnahmen überhaupt zu erzielen. Deshalb ist der Gesetzentwurf im Ergebnis aus unserer Sicht eine Abwägung, die tragbar ist.
Wir kommen zum Ergebnis, dass der gemeinsam vorgelegte Gesetzentwurf den Anforderungen an das freie Mandat noch Rechnung trägt und werden ihm deswegen zustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir verschiedenste Änderungen des Abgeordnetengesetzes. Ich will mich in den fünf Minuten auf die Verhaltensregeln konzentrieren und sage, dass die Diskussionen im Spannungsfeld verschiedenster berechtigter Interessen stattfinden, die alle irgendwie Berücksichtigung finden müssen, und dass deswegen die Aufgabe für das Parlament so schwierig ist.
Lassen Sie mich eine grundsätzliche Bemerkung vorwegschicken. Wir wollen, dass der Landtag eine echte Volksvertretung ist, und wir wollen, dass dem Landtag alle Berufsgruppen, Angestellte und
Selbstständige, angehören können.
Für uns steht das freie Mandat der Abgeordneten im Vordergrund, und es steht völlig außer Frage, dass ein Abgeordneter neben dem eigentlichen Mandat auch andere Tätigkeiten ausüben darf. Ich bin sogar der Auffassung, dass Nebentätigkeiten positive Wirkungen haben. Sie erleichtern den späteren Wiedereinstieg in den Beruf,
und in Wahrheit reduzieren sie auch die Abhängigkeit von der eigenen Partei.
Ich frage Sie einmal ganz ernst: Wer ist eigentlich politisch am Ende des Tages abhängig: derjenige, der keine andere Möglichkeit hat, außerhalb des Parlaments ohne Probleme einen Job anzunehmen, oder derjenige, der eine Nebentätigkeit ausübt, erfolgreich in dieser Nebentätigkeit ist und auch wieder in diese Nebentätigkeit zurückkehren kann? – Ich meine, Letzterer ist unabhängiger von der Partei und von Weisungen.
Aber alle anderen sollen dem bunten Parlament – bezogen auf die Berufsgruppen – genauso angehören können. Herr Prof. Gärditz hat das in seiner Stellungnahme für die Expertenanhörung des Hauptausschusses völlig zu Recht erklärt. Ich zitiere ihn:
„Ein Abgeordneter, der auf sein Mandat nicht angewiesen ist, weil er bei Mandatsverlust jederzeit wieder in seinem früheren bzw. erlernten Beruf ein Auskommen findet, ist der Idealtypus des unabhängigen Abgeordneten.“
Wir haben das klare Ziel gehabt, dass wir eine Regelung finden, die die Berufstätigkeit weder direkt noch indirekt unmöglich macht oder unverhältnismäßig erschwert.
Ich habe schon gesagt, dass auch viele andere Interessen Berücksichtigung finden müssen. Einerseits müssen die Wählerinnen und Wähler erkennen können, ob es bei Abgeordneten vor allem in Angelegenheiten, über die hier in diesem Parlament entschieden wird, Abhängigkeiten gibt, die für das freie Mandat schädlich und geeignet sind, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in freie, unabhängige Entscheidungen ihrer Abgeordneten zu beeinträchtigen. Andererseits kann das freie Mandat des Abgeordneten gerade über Nebentätigkeiten gestärkt oder gewährleistet werden.
Schließlich sind die Neuregelungen so zu gestalten, dass die Transparenzvorschriften nicht die Interessen Dritter verletzen, wie beispielsweise die der Ehepartner der Abgeordneten – denn diese sind nicht in ein Parlament gewählt – oder die der Geschäftspartner oder Kunden von Abgeordneten.
Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass die Einkünfte realistisch abgebildet werden müssen. Manche Kostenquoten bei Selbstständigen liegen deutlich über 50 %, und deswegen würde die bloße Angabe der Einnahmen den Maßstab verzerren und die Kosten, die ein Selbstständiger aufwenden muss, um diese Einnahmen zu erzielen, völlig ausblenden.
Deswegen sieht der hier zu beratende Gesetzentwurf unterschiedliche Nebentätigkeiten, unter
schiedliche Anzeige- und unterschiedliche Veröffentlichungspflichten vor.
Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung in dem eben genannten Spannungsverhältnis, und er gibt auch die Notwendigkeiten, die für ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen gelten, vernünftig wieder. Er ist letztlich maßgeschneidert für unser Bundesland.
Das Ergebnis ist auch klar: Es geht zum Teil über die Regelungen, die der Deutsche Bundestag be
schlossen hat, hinaus, und es bleibt in anderen Bereichen hinter den Regelungen des Deutschen Bundestages zurück. Es ist insgesamt ein vernünftiger und tragfähiger Kompromiss. Deswegen haben wir uns der gemeinsamen Einbringung der Gesetzentwürfe angeschlossen.
Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Unabhängigkeit der Abgeordneten ebenso wie die des Parlaments stärken. Aber nur ein Parlament, das allen Berufsgruppen gleichermaßen offensteht, ist auch ein Parlament für alle Bürgerinnen und Bürger.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Landesverfassung ist die rechtliche Grundlage der Demokratie für das Land Nordrhein-Westfalen. Ich freue mich, dass wir feststellen können: Sie ist eine ausgesprochen gute, eine ausgesprochen taugliche und eine sehr bewährte Grundlage für diese Demokratie.
Wir müssen den Verfassungsmüttern und Verfassungsvätern heute noch dankbar sein dafür, dass in den Zeiten ihrer Erarbeitung – also in sehr schwierigen Zeiten – eine Verfassung herausgekommen ist, die in den Jahrzehnten, in denen sie inzwischen angewendet wird, nicht nur standgehalten hat, sondern auch heute noch in ihren Grundlagen eine taugliche und gute Verfassung ist.
Gleichwohl ist in den Jahrzehnten, die ins Land gehen, auch eine solch gute Grundlage immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls in einzelnen Bereichen auch an veränderte Entwicklungen anzupassen.
Es ist gut, dass wir uns darauf verständigt haben, das ergebnisoffen zu machen. Es ist gut, dass wir uns darauf verständigt haben, das in diesem Hause gemeinsam zu machen. Es ist gut, dass wir uns darauf verständigt haben, das in einer Größe zu machen, die eine qualitativ hochwertige Beratung genauso gewährleistet, wie sie die Mehrheitsverhältnisse dieses Landtags von Nordrhein-Westfalen abbildet.
Es ist gut, dass wir keine inhaltlichen Vorgaben gemacht haben. Jeder kann mit seinen Standpunkten und mit seinen werteorientierten Ideen und Grundlagen in diese Kommission gehen. Dann werden wir miteinander und mithilfe des Expertenrats, den sich diese Kommission richtigerweise einholen wird, im Diskurs zu vereinbaren haben, ob und in welchen Bereichen wir mit verfassungsändernden Mehrheiten die Notwendigkeit sehen, die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen weiterzuentwickeln. Das wird ein für das Land Nordrhein-Westfalen wichtiger Prozess sein. Die Verfassung ist nicht irgendein Gesetz, sondern, wie gesagt, die zentrale Grundlage.
Deswegen werde ich heute, anders als Herr Kollege Herter, noch keine inhaltlichen Punkte ansprechen. Die Ergebnisoffenheit soll sogar meinen Eingangsvortrag von heute prägen. Wir sind wirklich offen, was das Ergebnis angeht.
In einem sind wir aber sicher: Die Verfassung wird auch nach diesem Prozess noch wiederzuerkennen sein. Sie ist nämlich eine gute Verfassung.
Herr Minister Remmel, ich bin beeindruckt von Ihren Fußballkenntnissen.
Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Otze, als er es dann gemacht hat, vom Platz geflogen ist?
Und akzeptieren Sie meine Auffassung, dass der Kollege Deppe nicht vom Platz gestellt gehört, sondern Mitglied des Landtages bleiben sollte?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Im Sinne der uns eben angebotenen Kultur der Einladung, die darin besteht, noch einmal drüber nachzudenken, einen angeblich von der SPD erfundenen und von uns beantragten Tagesordnungspunkt erst dann zur Abstimmung zu stellen, wenn das Erfindungsrecht der SPD auch belegt werden kann, beantrage ich nach § 24 Abs. 2 der Geschäftsord
nung, den Beratungsgegenstand bis zur nächsten Sitzung zurückzustellen, damit sich die Fraktionen über ihre eigene Einladung Gedanken machen können.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! So komme ich zu meiner Jungfernrede in dieser Legislaturperiode.
Wie häufiger am Ende einer langen und intensiven Tagesordnung haben sich die Fraktionen über ihre Parlamentarischen Geschäftsführer darüber ins Benehmen gesetzt, die Reden zum letzten Tagesordnungspunkt „Landesforstgesetz“ zu Protokoll zu geben. Den Vorgang hat Frau Kollegin Beer zutreffend vorgetragen. Dieser dringenden Bitte hat sich für unsere Fraktion Kollege Rainer Deppe nach Diskussion, aber ohne Nötigung nicht verschlossen. Das Gesetz wird ausführlich in zweiter Lesung hier im Plenum diskutiert werden.