Protokoll der Sitzung vom 08.07.2016

Die Bewertungsverfahren sind ganz wenig transparent, um es einmal freundlich zu formulieren, aber offensichtlich immer noch fatal, weil kleinste Zeitgewinne und neuer Verkehr hoch bewertet werden, während externe Kosten für die Gesellschaft und die ganz wichtige Netzstabilität kaum ins Gewicht fallen.

Der Verkehrsausschuss war ja gerade in der Schweiz. Dort wird der komplette Infrastrukturausbau der Schienennetze am Taktfahrplan ausgerichtet. Die Kosten-Nutzen-Abwägung orientiert sich am Fahrplan. Zuverlässigkeit und Kapazität sind entscheidend. Zeitgewinn spielt erst einmal gar keine Rolle.

Im Bundesverkehrswegeplan fehlt überhaupt zum Beispiel ein Plan für Maßnahmen, die sich vielleicht alleine kaum lohnen, aber zur Netzstabilität beitragen. Das sieht man auch an den RRX-Maßnahmen, die eigentlich ein Gesamtpaket sein sollten.

Ich komme zum Schluss. Dem Feststellungsteil des Antrags kann man überhaupt nicht zustimmen; wir können ihn nicht begrüßen. Der Beschlussteil dagegen ist trotz allem durchaus sinnvoll; vielleicht nicht antragspflichtig, aber sinnvoll. Er soll für die nötige Information sorgen und zeigen, ob diese Pläne und Haltungen überhaupt existieren. Ich empfehle daher meiner Fraktion die aufrüttelnde Enthaltung. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Bayer. – Als nächster Redner spricht der Minister, Herr Groschek.

(Zuruf von den PIRATEN: Der Minister!)

Ja, warum auch nicht? – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Womit fange ich an?

Ich beginne einmal mit der Einschätzung in Bezug auf Räte und Bürgerinitiativen. Meines Erachtens ist es auch dieses Hohen Hauses würdig, sich einmal grundsätzlich mit der Fragestellung zu befassen, ob es eine positive gesellschaftliche Entwicklung ist, wenn sich Räte den Bürgerinitiativen strukturell nähern und nicht Bürgerinitiativen den Räten. Diese Entwicklung halte jedenfalls ich für bedenklich und nicht nur für bedenkenswert halte. – Erste Anmerkung.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Zweite Anmerkung: Wir hatten in der Vergangenheit ein großes Finanzierungsproblem bei der Verkehrsinfrastruktur. Das war zuletzt nicht nur dem Aufbau Ost geschuldet, sondern auch dem Irrglauben, man könne den Bildungsnotstand dadurch bekämpfen, dass man Bröckelbrücken und Schlaglochpisten akzeptiert. Inzwischen ist ein anderes Bewusstsein gewachsen. Also gibt es auch ein anderes Finanzierungsbedarfsbewusstsein.

Ich will jetzt nicht auf die Solidität von Prognosen eingehen, weil ich denke, dass nach der nächsten Bundestagswahl sowieso komplett neu über die Finanzierung von Infrastrukturnutzung geredet wird. Denn in der Tat ist es dumm, dass wir gemeinsam für Güter- und Personenverkehre auf der Schiene allesamt bemautet werden, aber die Straßen mit sinkenden Lkw-Mauten und mit einer mautfreien Fernbusverkehrsperspektive versehen sind. Da wird es nach der nächsten Bundestagswahl mehr Vernunft geben. Vor der Bundestagswahl gibt es dafür nicht genug Mut.

Dritte Anmerkung: Es wird auf allen Ebenen händeringend nach Planern gesucht. Wir haben inzwischen keinen Stellenengpass mehr, sondern einen Stellenbesetzungsengpass – auf allen Ebenen, bei allen Verkehrswegen. Warum? Weil sich alle um die gleichen Uni-Absolventen streiten – streiten; so möchte ich es einmal zurückhaltend formulieren.

Unser großer Vorteil ist nicht das Geld. Die Landesebene zahlt schlechter als die kommunale Ebene. Das gilt selbst bei den Armenhäusern der Kommunen. Wir haben aber den großen Vorteil, dass wir Familiengerechtigkeit und Flexibilisierung in diese Diskussion einbringen können. Deshalb haben wir überaus viele sehr erfolgreiche Planungsingenieurinnen in unserem Landesbetrieb und an anderer Stelle. Für die Planung ist also zumindest eine Perspektive vorhanden.

Vierter Punkt: Das eigentliche Dilemma ist heute der Planungsdschungel und die babylonische Klagemauer, die wir in Deutschland errichtet haben. Deshalb ist es gut, dass der Bundesverkehrsminister – auch auf meine Anregung hin – jetzt in Berlin eine gemeinsame Arbeitsgruppe installiert hat, die sich unter Beteiligung des BUND damit befasst, wie dieser Planungsdschungel endlich gelichtet werden kann.

Dort haben Vertreter aus Dänemark und aus Deutschland vorgetragen. Man kann den Unterschied so symbolisieren, dass man in Dänemark bei einem Planfeststellungsverfahren mit einer Menge an Unterlagen auskommt, die dem Telefonbuch einer durchschnittlichen Großstadt entspricht, während man in Deutschland für ein vergleichbar großes Planfeststellungsverfahren gleich mehrere Sackkarren braucht, um die Planungsunterlagen zu den Behörden zu bringen.

An dieser Stelle besteht bei uns also dringender Rodungsbedarf. Das werden wir auch gemeinsam hinbekommen – da bin ich sehr sicher –, weil der Bundesverkehrsminister hier mit den Verbänden die Zeichen der Zeit erkannt hat.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schemmer?

Immer gerne. Es ist ja seine letzte Wahlperiode in diesem Hohen Haus.

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Ihre auch!)

Das ist etwas, was uns beide miteinander verbindet. Es ist meine letzte Wahlperiode in diesem Hause und Ihre letzte Wahlperiode als Minister.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir können ja hinterher in Ruhe einen Kaffee trinken gehen. Dass ich dann nicht mehr hier bin, ist vielleicht wirklich ein Fehlen. Dass wir dann nicht nur Sie nicht mehr haben, sondern überhaupt keinen sozialdemokratischen Verkehrsminister mehr, täte dem Lande aber gut.

Aber jetzt zur Frage: …

Danke.

Sie hatten gerade zu Recht das Thema „Klagemauer/Planungsdschungel“ angesprochen. Warum begegnen Sie dem nicht ganz einfach, indem Sie mit den Willigen hier im Hause zusammen das Verbandsklagerecht kurzfristig beseitigen?

Herr Schemmer, mit Ihrer reichen parlamentarischen und sachlich-fachlichen beruflichen Erfahrung wissen Sie wie ich, dass Patentrezepte nie sinnvoll sind, weil sie keine Lösungen, sondern nur Scheinlösungen bringen. Und Po

pulismus ist gerade in der Verkehrspolitik kein probates Mittel, um die Verkehrsinfrastruktur zu ertüchtigen.

Ihrem Kollegen will ich nur den Hinweis geben, dass ich ja nicht Mitglied dieses Hohen Hauses bin und auch nicht die Absicht hatte, mich in Oberhausen darum zu bewerben, es in der nächsten Wahlperiode zu werden. Das nur als Hinweis, damit Sie keine irritierenden Zwischenrufe in dieser Frage mehr machen müssen.

Jetzt zurück zum eigentlichen Vorgang: Der Bundesverkehrswegeplan, den wir diskutieren, ist besser als alle Vorgänger, weil er die Gewichte richtig verschiebt – vom Neubau auf den Erhalt; Ausbau statt Neubau – und weil er darauf verzichtet, eine Inflation von Ortsumgehungen ins Land zu tragen. Deshalb ist er grundsätzlich besser als alle Vorgänger.

Er ist trotzdem historisch der letzte seiner Art, weil er der letzte spartenorganisierte Bundesverkehrswegeplan ist, der Schiene, Wasserstraße und Straße nebeneinander betrachtet. Der nächste Bundesverkehrswegeplan wird ein integrierter Mobilitätsplan sein. Das ist überfällig. Wir werden gemeinsam erleben, dass die Nachfolger den nächsten Plan anders anlegen und klügere Vernetzungen hinbekommen.

Gleichwohl sind wir aufgerufen, Gutes besser zu machen. In Nordrhein-Westfalen ist es selbstverständlich, dass der Verkehrsminister und der Umweltminister geschlossen hinter einer Position stehen und auch in dieser Frage ein Herz und eine Seele sind.

Diese Integrationsleistung hat der Bund noch vor sich. Ich hoffe sehr, dass auch auf Bundesebene Umweltministerin und Verkehrsminister möglichst schnell zueinanderkommen; denn das hilft dann, die Ausbaugesetze auch frühzeitig im Bundestag zu verabschieden.

Langer Rede kurzer Sinn: Seien Sie sicher, dass gerade in Bezug auf die Schienenausbauprojekte – Bypässe Eiserner Rhein, RRX-Haltepunkte und Sechsgleisigkeit – Nordrhein-Westfalen in Berlin ausgesprochen gut vertreten wird, um seine Interessen durchzusetzen.

Ich bin fest davon überzeugt, Herr Voussem, dass Nordrhein-Westfalen dann noch besser gestellt sein wird, wenn aus dem vorliegenden Entwurf ein Konzept geworden ist, das abschließend beurteilt wurde. Die Ausbauplanungen, die uns dann im Herbst erreichen, werden auch viele Nachdenklichkeiten bei Ihnen beseitigen.

Lassen Sie uns aber daran arbeiten, mehr Akzeptanz zu organisieren; denn gegen Klagemauern und im Dschungelcamp lässt sich auch Verkehrspolitik nicht vernünftig gestalten.

Jetzt ist meine Redezeit abgelaufen. Nach der Sommerpause werden wir ja noch diverse Gelegenheiten

haben, miteinander konstruktiv zum Wohle des Landes zu diskutieren und zu entscheiden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Ende dieser Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung zu unserem Tagesordnungspunkt 3. Die antragstellende Fraktion der CDU hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt also diesem Antrag zu? – Die CDU stimmt zu. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD und Grüne stimmen gegen den Antrag. Wer enthält sich bei diesem Antrag? – Es enthalten sich die Piraten und die FDP. Gleichwohl ändert das nichts daran, dass der Antrag Drucksache 16/12346 mit breiter Mehrheit abgelehnt ist.

Ich rufe auf:

4 Investitionen in den nordrhein-westfälischen

Wohnungsmarkt fördern – NRW-Mietpreisbremse außer Kraft setzen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/12353

Ich eröffne die Aussprache. Für die FDP-Fraktion erklärt uns nun Herr Kollege Ellerbrock diesen Antrag.

Eigentlich erklärt sich der Antrag selber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Der Präsident hat mich aber aufgefordert, noch einige erläuternde Worte hinzuzufügen. Dem

Wunsch des Präsidenten werde ich mich natürlich nicht verschließen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen Lösungen. Das ist heute Morgen im Zusammenhang mit Brexit deutlich geworden und eben vom Minister in Bezug auf den Bundesverkehrswegeplan noch einmal betont worden: Wir brauchen Lösungen für die Probleme der Menschen und nicht populistische Versuche der Politik, Menschen vorzugaukeln, es gehe eigentlich auch ganz einfach.

Die Mietpreisbremse ist ein solches populistisches Instrument. Sie ist ein Scheininstrument, bringt Scheinlösungen und versagt auch noch auf ganzer Linie.

(Beifall von der FDP)