Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Vielleicht noch eine Bemerkung zu dem Kollegen Markert. Herr Kerkhoff, auf die Frage von Herrn Markert hätten Sie relativ einfach antworten können. Lesen hilft vielleicht in diesem ganzen Zusammenhang – ich sage einmal: allen beteiligten Fraktionen hier im Haus –, weil: Wasser ist nicht enthalten. Es ist ausgeschlossen. Schauen Sie einmal genau in den Vertrag. Bei aller berechtigter Kritik an einigen Punkten muss man schon ein bisschen genauer hingucken.

Wir haben hier drei Anträge vorliegen von CDU, Piraten und dem fraktionslosen Abgeordneten

Schwerd.

CETA ist ein Abkommen, das in dieser Form, wie es im Moment verhandelt wurde, vorliegt. Ich sage ganz deutlich: Für die Sozialdemokratie in NordrheinWestfalen ist es im Prinzip ein gutes Abkommen, allerdings – und das sage ich auch ganz deutlich – nicht ausreichend. Das ist unsere Position.

Es muss substanziell nachverhandelt werden, und zwar in verschiedenen Bereichen. Ich will sie gar nicht alle aufzählen. Aber es gehört eine Konkretisierung des Internationalen Handelsgerichtshofes dazu. Es gehört ein deutlicherer Schutz der Daseinsvorsorge dazu. Es gehört dazu, dass man sich mit dem Negativlistenansatz noch einmal beschäftigt und diesen wieder zurückholt und dass man den gemischten Ausschuss demokratischer legitimiert, als er bisher ist. Er ist nämlich nicht demokratisch.

Da gebe ich Ihnen recht. So ist CETA zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmungsfähig.

Ich möchte Ihnen etwas zum Internationalen Handelsgerichtshof sagen – da steht auch einiges in Ihren Anträgen –: Es ist schon ein bisschen verwunderlich. Der Internationale Handelsgerichtshof ist aus meiner Sicht eine gute Einrichtung. Was er braucht – und das meine ich mit der Konkretisierung –, ist ein Hinweis darauf, wie er zukünftig konkret auszusehen hat. Er braucht eine Roadmap. Eine Frage ist: Wann kommt er denn? Das ist das Problem in diesem Vertrag und nicht die Tatsache, dass er kommt. Damit sind private Schiedsgerichte weg. Das Klageverfahren, das Sie nennen, hat ein Privatinvestor auch vor einem Gericht in Deutschland genauso wie in Frankreich und in Belgien. – Also, das alles ist schon merkwürdig.

Die SPD ist die einzige Partei in Deutschland – deswegen bin ich Ihnen dankbar, Herr Dr. Paul, dass Sie auf den Konvent hingewiesen haben –, und das muss man auch so sagen, die sich inhaltlich so intensiv mit den Freihandelsabkommen TTIP und CETA beschäftigt hat.

(Beifall von der SPD – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das ist Ihre Behauptung!)

Unsere Auffassung ist dazu: Freihandelsabkommen brauchen Regeln und Leitplanken, um Globalisierung zu steuern. Das ist richtig. Wer keine modernen Regeln für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Verbraucherinnen und Verbraucher und soziale Standards festlegen will, betreibt neoliberalen Anarchismus. Genau das ist das. Deshalb beschäftigen wir uns so intensiv damit.

Liebe Piraten, lassen Sie mich ein Zitat aus dem Antrag anführen. Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren:

„Schiedsverfahren zum privaten Investorenschutz sollen weiterhin angewendet werden. Auch dem nun vorgeschlagenen Investitionsgerichtshof liegt weiterhin die materiell-rechtliche Klagegrundlage für ausländische Investoren zugrunde.“

Ja, aber private Schiedsverfahren sollen durch diesen Vertrag ausgeschlossen werden. Ich frage mich: Warum schreiben Sie es rein, wenn Sie doch eigentlich wissen müssten, dass es anders ist?

Liebe CDU, da wird es nun absolut spannend. Das muss ich wirklich sagen, Herr Kerkhoff: eine Seite zu diesem Handelsabkommen mit den Vor- und Nachteilen, die man betrachten muss. Eine Seite! Ich kann Ihnen sagen: Im Rat der Stadt Oer-Erkenschwick hat man sich intensiver und länger mit diesem Thema beschäftigt als Ihre Fraktion und Ihre Partei auf Bundesebene, ganz ehrlich.

(Beifall von der SPD – Lachen bei der CDU)

Aus unserer Sicht sind alle diese Anträge abzulehnen, auch der von Herrn Schwerd, weil sie uns wirklich nicht weiterbringen.

Ich kann Ihnen allen nur raten: Sie sollten sich einmal die Mühe machen, diesen Vertrag wirklich auch zu lesen. Es hilft. Er ist nicht in allen Teilen gut. Er ist deutlich verbesserungswürdig. Aber auf diesen Weg wollen wir uns machen, ihn zu verbessern. Und dann kann man darüber entscheiden, ob man ihm zustimmt oder nicht.

Herr Kollege Töns, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Kerkhoff zulassen?

Bitte schön.

Vielen Dank. – Da Sie den Ausflug bis Oer-Erkenschwick gemacht haben und Sie sich mehr damit auseinandergesetzt haben, was andere Fraktionen zu diesem Thema geschrieben haben, würde mich vom Kollegen Töns interessieren, wie er sich als Delegierter Töns bei dieser Abstimmung verhalten wird bzw., wenn er nicht Delegierter ist, was er den örtlichen Delegierten empfehlen wird.

Herr Kollege Töns. Bitte schön.

Ich kann Sie beruhigen: Ich bin Delegierter, bin zwar nur Ersatzdelegierter, aber ich

bin Delegierter am Montag. Ich werde an dem Parteikonvent teilnehmen.

Wir führen derzeit eine intensive Debatte. Wir haben sie auch in der Fraktion geführt, übrigens, wie ich finde, sehr ausführlich und sehr intensiv, und das nicht zum ersten Mal.

Es liegt dem Parteikonvent ein Leitantrag vor. Der besagt, dass die Partei noch einmal prüfen soll, ob über die Parlamente etwas zu ändern ist. Wenn sich das ändern lässt, dann wird man am Ende des Tages, wenn der Leitantrag angenommen wird – ich gehe davon aus, dass er eine breite Mehrheit bekommt –, schauen müssen, ob sich substanziell an dem Vertrag noch etwas ändert oder nicht. Ändert sich nichts, dann wird dieser Leitantrag deutlich machen – das kann man nachlesen und das ist Ihnen auch zugänglich –, dass dann CETA abzulehnen ist, und zwar in der jetzigen Form. Das habe ich vorhin deutlich gemacht. So wird auch mein Abstimmungsverhalten sein. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Position von Bündnis 90/Die Grünen haben wir gestern noch mal öffentlich dargelegt. Es gibt einen aktuellen Beschluss des Landesvorstandes sowie einen Beschluss unserer Landtagsfraktion mit dem Titel: „Wer TTIP ablehnt, muss erst CETA stoppen“. – Die drei wichtigen politischen Punkte, die wir beschlossen haben und die unserer Linie entsprechen, mit der wir dem Freihandelsabkommen begegnen, will ich Ihnen gerne nennen.

Erstens. Wir sprechen uns dafür aus, CETA zu stoppen und auf transparenter Grundlage neu zu verhandeln.

Zweitens. CETA muss dem Bundestag und auch dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werden und darf vor allem nicht, wie es derzeit von der EUKommission geplant und beantragt ist, zur vorläufigen Anwendung gebracht werden.

Drittens. Sollte CETA unverändert im Bundesrat zur Abstimmung gestellt werden, wollen wir, dass Nordrhein-Westfalen diesem Abkommen nicht zustimmt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben einige Punkte in unserem Beschluss genannt; das können Sie nachlesen. Ich möchte Ihnen einen Punkt explizit noch einmal vortragen: Wir sind der Auffassung, dass die öffentliche Daseinsvorsorge durch dieses geplante Freihandelsabkommen

sehr wohl unter Druck gerät. Herr Kollege Töns, Sie haben es angesprochen: Es handelt sich um den Negativlistenansatz. Dieser bedeutet nämlich, dass alle Dienstleistungen, die nicht privatisiert werden sollen, ausdrücklich gelistet werden müssen.

Zwar erlaubt das CETA-Abkommen Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungen der kommunalen Daseinsvorsorge, allerdings fallen nicht explizit genannte Dienstleistungen – das ist jetzt neu – automatisch in den Bereich der Liberalisierung. Das betrifft auch solche Dienstleistungen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses von CETA nicht existieren; denn die Ausnahme für neue Dienstleistungen ist unbestimmt und erzeugt große Rechtsunsicherheit. Das hat zur Folge, dass im besten Fall selbst bei einer umfassenden Negativliste nur der Status quo der Daseinsvorsorge fixiert wird.

Der in CETA verwendete Negativlistenansatz ist auch grundsätzlich problematisch. Er entfaltet eine Dynamik zugunsten weitreichender Liberalisierungsverpflichtungen, weil Regulierungen in erster Linie als Handelshemmnisse betrachtet werden, sodass deren Beibehaltung stets besonders gerechtfertigt werden muss.

Das gab es noch nie; bisher gab es immer den Positivlistenansatz. Das heißt, dass explizit ein Bereich, der liberalisiert bzw. privatisiert werden sollte, genannt werden musste. Das wird jetzt umgedreht. Herr Kerkhoff, das ist das Neue an diesen Freihandelsabkommen – das gilt für TTIP und für CETA. Wir haben schon viele Freihandelsabkommen, aber TTIP und CETA sind eine neue Generation von Handelsabkommen, mit denen grundlegende Mechanismen umgedreht werden. Sie können das sehr gut an dem Beispiel Positiv- und Negativlisten sehen. Das gilt auch beim Vorsorgeprinzip, das geschwächt wird, und wo teilweise eine Umkehrung des Ansatzes geschieht.

Wir als Grüne haben kein Problem damit, wenn es um technische Anpassungen geht. Natürlich wollen auch wir vernünftigen Handel – unserer Meinung nach braucht er soziale und ökologische Leitplanken. Natürlich sind wir ein exportorientiertes Land, und natürlich soll der Mittelständler auch weiter fleißig zu guten Bedingungen exportieren können. Das ist überhaupt nicht unser Punkt. Die Frage ist nur: Braucht man dafür ein Freihandelsabkommen, das in viele Bereiche hineinreguliert, die sehr sensibel sind, zum Beispiel in den Datenschutzbereich und den Lebensmittelbereich?

Sprich: Wir haben nicht nur eine Verantwortung der Wirtschaft gegenüber, sondern wir haben vor allen Dingen eine besondere Verantwortung den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Nordrhein-Westfalen gegenüber – den Menschen, unserer Bevölkerung!

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin Verbraucher, Sie sind Verbraucher. Es gibt einen Schutzgedanken, den wir auch abwägen müssen. Der Schutz der Menschen, der Verbraucherinnen und Verbraucher liegt uns sehr am Herzen. Wir werden da ihre Stimme sein. Für uns ist ein hoher Schutz von Umwelt und Verbrauchern kein Handelshemmnis. Verbraucher müssen Ziel guter Handelspolitik sein und nicht ihre Zielscheibe. Das passiert aber leider gerade bei diesen beiden Abkommen.

Im Abstimmungsverhalten und inhaltlich können wir der CDU-Fraktion nicht folgen. In der Abwägung kommen wir zu einem anderen Ergebnis, nämlich, dass die Risiken gerade erheblich höher sind als die Chancen.

Dem Antrag der Piraten – und auch dem des Abgeordneten Schwerd – sind wir inhaltlich sehr nah. Wir werden ihn trotzdem ablehnen. Warum? – Wie Sie wissen, sind wir in einer Koalition. Am Montag findet ein Konvent der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands statt. Dort wird über diese Anträge debattiert, und es gibt somit noch kein abschließendes Verhalten des Koalitionspartners. Das ist der einzige Grund, weshalb wir den Antrag ablehnen.

Wir werden aber am Samstag – auch ich persönlich – wieder gemeinsam in Köln stehen, uns artikulieren, gegen diese Abkommen demonstrieren und damit deutlich machen, wie aus unserer Sicht die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bei ihrem Konvent abstimmen sollte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Höne.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erneut steht das Thema „Freihandel“ auf der Tagesordnung. Man muss ja fast sagen: ausnahmsweise mal nicht TTIP, sondern CETA.

Wenn man den Antrag der Piraten so liest, droht ein „Armageddon“ für Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland, in Europa, wahrscheinlich sogar auf der ganzen Welt. Sie befürchten Umweltverschmutzung, die Entmündigung der Verbraucher, Verseuchung von Nahrungsmitteln, Klagewellen vor Marionettengerichten, Veränderungssperren für die Gesetzgebung. Dazu kann ich Ihnen sagen: Nur weil man es immer wieder wiederholt, wird das alles nicht wahr.

(Beifall von der FDP)

In Ihrem Antrag, in dem Sie sich ja auch selber ein bisschen als Objekt einer Weltverschwörung sehen,