Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

„Allerdings behindern die Kultusbehörden seit vielen Jahren die systematische Erforschung von bundeslandspezifischen Bildungsinitiativen und die Bereitstellung von Vergleichsgrößen, indem sie den Zugang zu relevanten Informationen verweigern: Vorhandene Information wird nicht bekannt gemacht und die Erhebung neuer Daten

wird eingeschränkt. Die Information, aus der wertvolle Erkenntnisse zu ziehen wären, wird von der Politik systematisch zurückgehalten.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben für diesen Antrag in Nordrhein-Westfalen und deutschlandweit mit renommierten Bildungsforschern gesprochen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Mit wem denn? – Diet- mar Bell [SPD]: Namen!)

Werte Frau Ministerin, Sie können nicht behaupten, an diesem Vorgehen völlig unbeteiligt zu sein. Auch direkt im nordrhein-westfälischen Schulbereich selber beklagen Forscher Blockaden. Demnach gibt es Bezirksregierungen, die bei kleinsten Forschungsanfragen intervenieren. Bildungsforscher berichten von Schulen, die sich beteiligen wollen, aber Angst haben, wie die Dienstherrin reagieren könnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich ist klar, dass manche Landesregierung große Angst vor transparenten Bundesländervergleichen hat,

(Beifall von der FDP – Zurufe von den GRÜNEN)

da ihrer Politik in bestehenden Untersuchungen regelmäßig letzte Plätze bescheinigt werden. Dennoch erwarten wir auch von dieser rot-grünen Landesregierung, dass sie sich auf KMK-Ebene dafür stark macht, Bildungsforschung transparente Zugänge zu ermöglichen.

Ein gutes Beispiel, wo Sie außerdem aktiv werden könnten, ist das Werben für die Wiedereinführung der PISA-E-Studien. Auch wenn der Einfluss der Kultusbürokratie auf den IQB-Aufbau nicht unproblematisch ist, sind diese Ländervergleiche natürlich richtig und notwendig. Aber eine ergänzende Wiedereinführung von PISA-E würde auch eine internationale Einordnung der Bundesländer ermöglichen.

Ich komme zum Schluss. Für manches Bundesland mag es unangenehm sein, plötzlich mit sogenannten Entwicklungsländern verglichen zu werden. Aber hier gilt generell auch: Wer sich verbessern will, wer Transparenz nicht nur wohlfeil im Munde führt, muss die Größe besitzen, Forschung zuzulassen und entsprechende Freiheit zu ermöglichen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Hammelrath.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Der eben erläuterte Antrag behandelt das wichtige Thema der Bildungsforschung. Hier geht es um Forschung, die kein Selbstzweck ist, sondern zur Weiterentwicklung und zur Qualitätsentwicklung von Lernstoff, Lernbedingungen und Lernzielen dient. Deshalb verdient diese Forschung selbstverständlich unsere Unterstützung.

Allerdings ist das nicht das zentrale Anliegen der FDP; denn statt die Relevanz und Errungenschaften der deutschen Bildungsforschung zu würdigen – ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie schon alle Bildungsforschungsergebnisse gelesen haben, da diese ganze Bibliotheken füllen, und es gibt nicht zu wenig Forschung auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene, sondern unendliche Mengen; überdies sind morgen Leibniz-Gesellschaften hier im Hause, sodass Sie viele dieser Forschungsergebnisse vorgestellt bekommen werden –, geht es Ihnen darum, aus fadenscheinigen Argumenten eine Kritik an der Landesregierung zu konstruieren. Dazu kann ich nur sagen: ein gescheiterter Versuch.

(Beifall von der SPD)

Ihrem Antrag fehlt nämlich die Realitätsnähe, die Stringenz und die Glaubwürdigkeit. Hier wurden alle möglichen Aspekte der Bildungsforschung gesammelt, blind aneinandergereiht, und am Ende kommt man zu keinem Ergebnis.

Nur ein Beispiel: Sie beginnen mit dem Hinweis auf die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, ein Punkt, der sehr wichtig, eher selbstverständlich ist – aber er ist eben selbstverständlich. Auch die gesellschaftliche Relevanz erhobener Daten ist so offensichtlich, dass ich gar nicht weiter darauf eingehen werde; denn die bestreitet niemand.

Danach folgt – spannend – Kritik an der Kultusministerkonferenz und auch an einzelnen Schulen. Sie erheben den Vorwurf, Schulen würden systematisch Forschung verhindern, und zwar, um Defizite zu vertuschen und um sich nicht messen zu müssen. Diese Stelle macht wirklich nachdenklich. Misstrauen gegenüber den regierungstragenden Fraktionen sind wir gewohnt. Aber Misstrauen gegenüber den Schulen? Das finde ich ein wirklich starkes Stück.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Sie geben doch selbst die Antwort auf das Verhalten der Schulen; denn das Schulgesetz sieht in Bezug auf sensible Daten von Schülerinnen und Schülern einen besonderen Schutz vor.

(Zuruf von den PIRATEN)

Die Passage des Schulgesetzes, in der Sie das nachlesen können, haben Sie selbst genannt. Die Relevanz von Datenschutz gegenüber Minderjährigen muss ich hier tatsächlich den Freien Demokraten erläutern? Das macht mich stutzig.

Weiter begrüßen Sie in Ihrem Antrag die Durchführung von Studien des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in Berlin und stellen fest, dass diese Studien länderübergreifend ausgelegt sind. Noch erfreulicher ist diese Nachricht in dem Wissen, dass dieses IQB bereits vor mehr als zehn Jahren auf Initiative genau der Kultusministerkonferenz ins Leben gerufen wurde. Wie passt das denn zusammen?

Aber die Auswertungen von Schulstatistiken durch das IQB ist selbstverständlich nicht das einzige Instrument zum Ländervergleich. Bei uns in NRW wird dies beispielsweise vom Institut für Schulentwicklungsforschung der TU Dortmund durchgeführt. Sie können gerne die Institutsseite besuchen und feststellen, dass bei der breiten Reichweite der hier erstellten Studien auch sicherlich kein „Unterbinden der Offenlegung von Defiziten“ möglich ist.

Ich möchte noch zwei weitere Beispiele nennen, an denen ich selber beteiligt war. Eines davon unterstreicht tatsächlich Ihre Vermutung; denn auch ich habe mich in meiner früheren Eigenschaft als Amtsleiterin bei der Stadt Köln daran beteiligt, eine Forschung zu verhindern.

Es kam eine von den – wahrscheinlich von Ihnen genannten – renommierten Forscherinnen, die an den Schulen der Stadt Köln eine Studie zum offenen Ganztag durchführen wollte. Diese Kollegin konnte noch nicht einmal den Unterschied zwischen offenem und gebundenem Ganztag benennen. Ihr wurde diese Forschung tatsächlich nicht erlaubt, und ich finde, auch da muss eine Qualitätskontrolle passieren. Auch an diesen Stellen hat es tatsächlich Grenzen gegeben.

Ein positives Beispiel: Ich war selber daran beteiligt, dass wir das Institut für Mehrsprachigkeit und Integration gegründet haben. Dabei haben wir als Stadt sehr eng mit der Bezirksregierung und mit der Universität zu Köln zusammengearbeitet, Forschung begleitet, repräsentative Samples von Schulen zusammengestellt, vertrauensvoll mit den Schulen zusammengearbeitet und nachher die Ergebnisse auch wieder in den Schulalltag eingeführt. Auch hier wurde eine ganz positive Forschung betrieben.

Alle diese Möglichkeiten gibt es, hier wird nichts verhindert oder verschleiert. Ich bin gespannt darauf, ob wir dieses Thema in unserem Ausschuss noch einmal qualitätsvoller behandeln können. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammelrath. – Für die CDU-Fraktion spricht Kollege Klaus Kaiser.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen,

liebe Kollegen! Natürlich kann es nicht genug Erkenntnisse aus den Bildungswissenschaften geben. Wenn wir sehen, wie sich Schule und Bildung insgesamt verändern und welche neuen Herausforderungen da sind, müssen wir sehr großes Interesse daran haben, dass wir neue Erkenntnisse und vielleicht auch neue Betrachtungsweisen aus wissenschaftlicher Sicht erhalten. Das ist insbesondere für politisch Handelnde sehr wichtig.

Andererseits hat mich ein bisschen der Antrag der FDP irritiert. Wenn man ihn von der Grundintention her so versteht, dass man mehr Erkenntnisse haben will, erfährt er natürlich Unterstützung. Jedoch steht darin – ich zitiere das –:

„Allerdings zeigen Rückmeldungen, dass Schulen oftmals nicht nur unter nachvollziehbaren Aspekten wie Organisationsfragen Wissenschaftler abschlägig bescheiden. Es herrscht offenbar bisweilen die Sorge vor, dass auch Defizite bekannt werden könnten.“

Ich glaube, dass diese Sichtweise nicht richtig ist. Sie darf nicht auf unsere Schulen projiziert werden. Wenn eine Erkenntnis da ist, die wir aus den letzten Jahren mitnehmen wollen, so hört man aus Schulen einen Wunsch: Wir brauchen Zeit, uns in Ruhe zu entwickeln. – Bei den Herausforderungen, die im Moment da sind, kann es an Schulen Interesse geben zu sagen: Wir brauchen unsere Zeit. Wir brauchen jetzt nicht den Blick von außen.

Ich weiß aber aus eigenen Erfahrungen, wie stark sehr viele Schulen interessiert sind, dass an ihnen geforscht wird. Untersuchungen werden unterstützt. Die Nähe zu Universitäten wird gesucht. Man sagt: Lasst uns spezielle Fragestellungen genauer bearbeiten und lasst uns da zu neuen Erkenntnissen kommen. – Daran sind die Hochschulen sehr interessiert.

Mir ist aber wichtig: Es geht nicht nur um die empirischen Bildungswissenschaften. Wenn man sich nur auf rein quantitatives Messen in den Bildungswissenschaften zurückzieht, wird man nicht unbedingt zu neuen Methoden kommen. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir in den Bildungswissenschaften genau dabei die Rückkopplung zu den Schulen erlangen und dass wir damit auch praxisnahe, alltagstaugliche Vorschläge bekommen.

Über das reine Ranking – dabei, Frau Schmitz, bin ich völlig Ihrer Meinung – haben wir oft genug gehört, dass Rot-Grün mit der Bildungspolitik auf dem letzten Platz ist; das muss man auch heute wiederholen.

(Beifall von der CDU – Ministerin Sylvia Löhr- mann: Das stimmt nicht!)

Man sieht, dass Rot-Grün immer auf den Abstiegsplätzen ist.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Oh, das ist aber langweilig! – Gegenruf von Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist aber leider so!)

Wir würden uns wünschen, dass es nach vorne geht. Sicherlich wird das mit dieser Regierung nicht mehr stattfinden.

Das heißt: Die Überlegung, PISA-E und damit Vergleiche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach vorne zu bringen, ist nicht ganz unvernünftig. Dem kann man sich sicherlich zuwenden. Wir müssen sehen, was Sie behauptet haben, wo Sperrungen seitens der KMK sind. Das kann ich heute nicht beurteilen. Ich bin da auch ein bisschen skeptisch. Ich glaube, ich gehöre nicht zu den rein Zahlengläubigen nach dem Motto: je mehr Zahlen, desto mehr Erkenntnisse. – Vielmehr muss man die richtigen Zahlen interpretieren. Ob da geblockt wird, kann ich nicht beurteilen. Wir werden das sicherlich im Rahmen der Beratungen im Ausschuss erörtern.

Kurz und gut: Jede Erkenntnis, die unsere Schulen besser macht, kann man nur unterstützen. Aber Wildwuchs in den Schulen muss auch nicht unbedingt sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin SchmittPromny.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines muss man der FDP-Fraktion zugestehen: Sie ist Meisterin in der Formulierung von dramatischen Überschriften.

Beim heute zu beratenden Antrag kann man sich zunächst erschrecken. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, ein hohes Gut unserer Demokratie, sei eingeschränkt. Die Forderung des Titels verlangt, diese erst wieder zu ermöglichen. Als Verhinderer der Forschungsfreiheit werden sodann die Kultusministerkonferenz und das Land identifiziert, die den Zugang zu Bildungsdaten blockieren.

Doch was leistet Ihr Antrag selbst im Hinblick auf diesen hohen Aufschlag, den Sie machen? Ist die Forschungsfreiheit in Nordrhein-Westfalen tatsächlich gefährdet? Welche Blockaden gilt es denn zu überwinden? Der Antrag und auch Ihre Rede, Frau Schmitz, bleiben den Nachweis zu diesen Fragen leider schuldig.

Der Antrag verweist auf die Kritik von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die über „mangelnde Transparenz und eine Blockadehaltung der“ – man