Protokoll der Sitzung vom 15.09.2016

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das war doch eine Pleite mit Ansage. Die Kollegen haben dies hier Monat für Monat beantragt. Es ist klar, dass das Geld vom Bund kommt. Wir haben als Fraktion mit den Kommunen zusammen Werkstattgespräche organisiert, die denen sagen, wie man die Anträge stellt.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Ja, wir können ab Mai auch den Regierungsjob übernehmen. Aber derzeit können wir nur Werkstattgespräche organisieren.

(Beifall von der CDU – Michael Hübner [SPD]: Wer Nordrhein-Westfalen mit Mecklenburg- Vorpommern vergleicht, der vergleicht es auch mit dem Saarland!)

Das sind die Punkte der Wirtschaftsschwäche,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

die uns zurückwerfen. Das führt zu dem Punkt: Wie können wir die Kinderarmut bekämpfen? Das war doch das, was Ihnen auch die Hans-Böckler-Stiftung gesagt hat. Es war doch eine ganz einfache Erkenntnis: Der Grund besteht darin, dass Lohnarbeit für die meisten Familien als einzige Einkommensquelle da ist,

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Jawohl!)

die auf Dauer ein Leben ohne Armut ermöglicht. Das muss aber doch dann heißen: Ja, dann gibt doch den Eltern diese Arbeit, damit sie aus der Armut herauskommen. Wenn wir aber bei den U3-Plätzen für Alleinerziehende 16. von 16 sind, die wenigsten Plätze haben und beim Wirtschaftswachstum 16. von 16 sind, dann fehlt genau diese Lücke,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Stimmt doch nicht!)

nämlich die Betreuungsinvestitionen für die Alleinerziehenden und die Arbeitsplätze, damit sie arbeiten können. Das ist doch der Zusammenhang.

(Beifall von der CDU)

Zu dem Papier der Unternehmerverbände, das viele Vorschläge in den letzten Wochen gemacht hat, Bürokratieabbau, wachstumsfreundliche Landesplanung, Ausbau der digitalen und analogen Infrastruktur, Wiedereinführung der Hochschulfreiheit und, und, und, sagt Frau Kraft vor der Landespressekonferenz: Ich verstehe die Debatte nicht. – Ich weiß gar nicht, was es daran zu verstehen gibt, dass man, wenn man Letzter ist, nach vorn will. Aber sie versteht die Debatte nicht.

Ich sage Ihnen: Wir verstehen die Debatte schon. Wir haben eine Agenda vorgelegt, wie Nordrhein-Westfalen wieder an die Spitze kommen kann. Wirtschaft braucht Fläche, Wirtschaft braucht Infrastruktur, Wirtschaft braucht wieder Innovation, Wirtschaft braucht konkurrenzfähige kommunale Steuersätze. Wenn man das wieder hinbekommt, entsteht Dynamik, entsteht Arbeit und wird die Kinderarmut so sinken, wie sie unter CDU und FDP niedrig war.

(Beifall von der CDU und der FDP – Michele Marsching [PIRATEN]: Niedrig? Niedrig ist jetzt das falsche Wort dafür!)

Ich darf ein letztes Mal Ihre Regierungserklärung zitieren. Wir haben einmal überlegt, ob wir die nicht drucken lassen und an CDU-Wahlständen auslegen, damit jeder liest, was Sie 2010 gesagt und was Sie gemacht haben.

(Zuruf von Oliver Bayer [PIRATEN])

In dieser Regierungserklärung heißt es weiter:

„Wir sind davon überzeugt: Nur eine mutige Politik, die auf Stärkung von Familien, auf Prävention, auf beste Bildung … zielt, führt im zweiten Schritt zu mehr Wirtschaftswachstum, höheren Steuereinnahmen und sinkenden Staatsausgaben.“

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wie wir gesehen haben, hat die mutige Politik bisher nicht zu mehr Wirtschaftswachstum und zu sinkenden Staatsausgaben geführt. Deshalb möchte ich auf den Punkt „beste Bildung“ schauen. Haben wir denn wenigstens in diesen sechs Jahren – Schlussbilanz jetzt – beste Bildung? Fangen wir mal in den Grundschulen an. Nordrhein-Westfalen ist bei Investitionen in Grundschulen, wo der Bildungsweg der Kinder beginnt, wo alle Kinder noch zusammen sind, wo alle gleiche Startchancen haben sollten – Sie werden es erraten –, bundesweit Schlusslicht. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 5.600 € pro Schüler, NordrheinWestfalen hat 4.800 €.

Frau Löhrmann, Sie behaupten immer wieder: Wir holen bei den Investitionen auf. – Nur, das stimmt

nicht. In Bayern sind von 2011 bis 2013 auf ohnehin schon hohem Niveau die Investitionen pro Grundschule von 5.700 € auf 6.500 € gestiegen, plus 14 %; Hamburg plus 16 % steigende Investitionen; Nordrhein-Westfalen steigend, aber nur plus 9 %. Wie wollen Sie denn da aufholen? Das ist so ähnlich wie bei U3-Plätzen. Sie sagen: Wir tun da mehr, wir holen auf. – Die anderen sind aber auch nicht untätig. Wenn man nur ein bisschen aufholt, die anderen aber mehr aufholen, wird die Kluft immer größer und man bleibt auf Platz 16. Das ist der Unterschied.

(Beifall von der CDU)

Klassengrößen von Kindern – das ist wiederum eine Hilfe, dass Kinder in Armut durch Bildung aufsteigen können. Nordrhein-Westfalen 23 Kinder – Durchschnitt –, Sachsen-Anhalt 19 Kinder, Rheinland-Pfalz 18 Kinder. VBE-Umfrage zu Grundschulen in Nordrhein-Westfalen Mitte Juni: zu wenige Lehrerinnen und Lehrer, kaum Reservekräfte. Wörtlich: Lehrer fühlen sich schamlos ausgenutzt und abgehängt.

(Beifall von der CDU)

Das heißt, nach sechs Jahren haben wir zu wenige Lehrer, zu große Klassen. Das bedeutet Stress für alle, Spaß für niemanden. Denn ein Kind kann sich nicht aussuchen, ob es in Nordrhein-Westfalen oder in Rheinland-Pfalz zur Schule geht. Wir wollen gleiche Bedingungen, gleiche Startchancen wie in anderen Bundesländer, damit wir wegkommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sigmar Gabriel hat bei seiner Ruhr-Tour gesagt – da hat er recht –: Eigentlich müsstest du in dem belastetsten Stadtteil im Ruhrgebiet, wo die Arbeitslosigkeit am höchsten ist, die beste, optimalste Schule haben.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wir haben aber die Situation, dass in RheinlandPfalz und anderswo die Schulen besser sind als bei uns. Deshalb müssen Sie an diesem Punkt umsteuern und bei den kleinen Kindern in den Grundschulen beginnen. Sonst kommen Sie nie aus diesem Teufelskreis heraus, in den Sie sich selbst führen.

(Beifall von der CDU)

Das Problem ist, Sie hören ja gar nicht mehr zu. Die Schulpflegschaften der Gesamtschulen in der Region – Aachen, Düren und Heinsberg – haben Vorschläge für die Verbesserung der Inklusion erarbeitet. In einer Umfrage hat das Netzwerk Probleme und Missstände erhoben, Vorschläge entwickelt, wie beispielsweise die Inklusion an den Gesamtschulen verbessert werden kann. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viele Einladungen in Gesamtschulen bekommen wie in diesen Wochen. Zu vielen gehe ich dann auch hin. Fast jede Woche schreibt

mir eine Schule. Sie glauben gar nicht, wie in Gesamtschulen die Stimmung zur Inklusion und zu dieser Landesregierung derzeit ist.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ich glaube das!)

Dieses Memo haben 3.700 Menschen unterschrieben. Die Vorsitzende des Netzwerks sagt dann: Leider wurden all unsere Bemühungen, einen Termin zu finden, von der Ministerin abgelehnt.

Liebe Frau Ministerin Löhrmann: Mit den Betroffenen zu reden, wäre gut und würde Sie von Ihrem Elfenbeinturm, in dem Sie Ihre Bildungspolitik erklären,

(Zuruf von Ministerin Sylvia Löhrmann)

herunterholen und mit der Realität in diesem Land in Kontakt zu bringen.

(Beifall von der CDU – Lachen von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Mein nächstes Thema sind die Schulleiterstellen.

(Gordan Dudas [SPD]: Was ist denn mit KiBiz? Sagen Sie mal was zu KiBiz? – Gegen- ruf von Michele Marsching [PIRATEN]: Was hat KiBiz mit Schule zu tun?)

Jetzt lese ich Ihnen schönstes Kultusdeutsch vor. Gesamtkonzept Leitungsqualifizierung, 24. März 2011 – da schreibt das Ministerium –:

Schulleitung ist gleichermaßen verantwortlich für die Implementation einer innovativen Lehr- und Lernkultur mit den Merkmalen des selbst verantworteten Lernens sowie eines qualitätsorientierten Unterrichtsentwicklungskonzepts.

Das kann niemand so schön aufschreiben wie ein Beamter in einem Schulministerium.

(Andreas Bialas [SPD]: Das versteht man aber!)

Wenn das der Anspruch ist und wenn man so eine innovative Lern- und Lehrkultur erreicht, frage ich: Was ist dann in den Schulen los, in denen es keine Rektoren mehr gibt und in denen es keine Schulleitungen mehr gibt? 700 Rektorenstellen sind unbesetzt, davon 300 allein an den Grundschulen. Über 1.000 Stellen für vertretende Schulleiter sind nicht mehr besetzt. In all diesen Schulen findet dann keine innovative Lehr- und Lernkultur statt, die angeblich nur vom Schulleiter abhängt.

Sie schreiben hehre Ziele auf, und die Realität vor Ort ist dramatisch anders als Ihre Theorie.

(Beifall von der CDU)

Wir haben hart verhandelt in der Großen Koalition, damit mehr Geld für Bildung in die Länder fließt. Dann ist das beschlossen worden. Dann hat der Bund die Hälfte der BAföG-Mittel übernommen.