Protokoll der Sitzung vom 15.09.2016

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die Schulpauschale wurde zuletzt 2009 erhöht. Noch länger ist die letzte Erhöhung der Sportpauschale her. Hier hätte zuerst etwas getan werden müssen.

Der jährliche Kommunalfinanzausgleich im Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 kann noch so hohe Rekordzuweisungen an die Kommunen ermöglichen. Wenn die Landesregierung den Kommunen aber weiterhin bei Aufgaben wie zum Beispiel der Flüchtlingsunterbringung und der Integration keine ausreichende finanzielle Auskömmlichkeit garantiert und eine Integrationspauschale für die Kommunen sogar ablehnt, dann wird die finanzielle Situation der Kommunen in unserem Land weiterhin dramatisch bleiben.

Mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 leisten Sie den Kommunen insofern einen Bärendienst, weil Sie nicht an morgen denken und die Probleme von heute ignorieren. Ich bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung und auf die Diskussion, die wir im Kommunalausschuss führen, und danke bis hierhin herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Thönnissen. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Dahm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unterstützung und finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen durch uns, durch das Land Nordrhein-Westfalen, hat für uns weiterhin allerhöchste Priorität. Wir setzen unseren gemeinsamen Kurs kontinuierlich fort, die finanzielle Handlungsfähigkeit zu stärken.

Wenn Sie, Frau Kollegin Thönnissen, heute Nachmittag hier von einer auskömmlichen Finanzierung sprechen, dann bin ich gespannt auf die künftige Debatte und auf Ihre Beiträge, was Sie unter „auskömmlich“ verstehen. Wir dokumentieren mit dem vorliegenden Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 mit einer Rekordsumme von 10,5 Milliarden € an Verteilmasse die Kommunalfreundlichkeit.

Das hat der Minister auch eben in seiner Einbringung sehr deutlich dokumentiert, wie ich finde. Aufgrund der Steuerschätzung von Mai 2016 und deren Regionalisierung durch das Finanzministerium, sind die Orientierungsdaten gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden veröffentlicht worden. Somit haben die Kommunen bereits frühzeitig eine Handlungsplanung für das kommende Jahr bzw. Orientierungsdaten bis zum Jahr 2020.

Demnach werden die Einzahlungen aus Steuern im Jahre 2017 um 7,7 % gegenüber dem Vorjahr steigen. Für die Folgejahre werden weitere Zuwachsraten zwischen 3 % und 4 % erwartet. Wir gestalten den kommunalen Finanzausgleich fair und gerecht. Gleichzeitig stehen wir aber auch für einen solidari

schen Ausgleich, der die Verteilung von Finanzmitteln an die Kommunen strikt von Bedarfen abhängig macht. Darauf lege ich deutlich Wert.

Die Entscheidung unseres Verfassungsgerichtshofs vom 10. Mai dieses Jahres – Frau Kollegin Thönnissen, Sie haben es eben angesprochen – nehmen wir sehr ernst. Das Verfassungsgericht hat einerseits sehr deutlich unser Verfahren zum Finanzausgleich bestätigt, andererseits aber durchaus die Gewichtung des Sozialansatzes sehr kritisch gesehen. Es ist daher richtig – das begrüßen wir ausdrücklich –, dass die Landesregierung gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden diese Systematik erneut durch ein wissenschaftliches Gutachten überprüfen lässt.

Sobald diese Ergebnisse vorliegen, sollten wir diese parlamentarisch begleiten. Ich rege heute schon an, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einzurichten. Dazu lade ich Sie, meine Damen und Herren der Opposition, recht herzlich ein. Es hat hier im Hause schon eine gewisse Tradition, wie in der letzten und vorletzten Legislaturperiode eine sogenannte FiFo- Kommission einzurichten. Das sollten wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden tun.

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Sie haben ja den Kommunalsoli eben angesprochen. Auch der ist vonseiten des Verfassungsgerichtshofs überhaupt nicht infrage gestellt worden – das muss man an dieser Stelle mal ganz deutlich sagen. Wir sind auch nicht das erste und einzige Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland, das den Kommunalsoli eingefügt hat. Elf Bundesländer – insbesondere die Flächenländer – haben einen Kommunalsoli. Insofern befinden wir uns da in durchaus angenehmer Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, insgesamt sind die positiven Entwicklungen der kommunalen Einnahmen natürlich auf die günstige Zins- und Konjunkturlage zurückzuführen – das haben beide Vorredner schon deutlich gemacht. Dies steht aber nach wie vor gleichwohl einer angespannten Finanzlage vieler Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gegenüber.

Daher gilt für uns auch weiterhin, dass wir die Kommunen am Aufkommen, an der Grunderwerbsteuer beteiligen und den Städten und Gemeinden seit dem Regierungswechsel im Jahr 2010 jährlich wieder mehr als 300 Millionen € zur Verfügung stellen; Geld – das müssen Sie jetzt ertragen, Frau Thönnissen –, dass Sie von der CDU und der FDP den Kommunen seinerzeit weggenommen haben. Wir geben es ihnen wieder.

(Beifall von der SPD)

Der Minister hat noch einmal sehr deutlich gemacht, wie hoch diese Finanzmasse ist.

Damit – darüber sind wir uns hier alle im Klaren – sind die Kommunen längst nicht saniert. Kostentreiber in

den Kommunen sind und bleiben die jeweiligen Soziallasten. Darüber, dass die Sozialausgaben in vielen deutschen Kommunen eine problematische Höhe erreicht haben und dass der Bund für diese Entwicklung maßgeblich verantwortlich ist, besteht sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik weitgehende Einigkeit, denn der Großteil der kommunalen Sozialleistungen basiert auf bundesrechtlichen Vorgaben; ich sage nur: SGB. Ich will hier noch einmal an den gemeinsamen Landtagsbeschluss vom 29. Oktober 2010, den Sie seinerzeit mitgetragen haben, erinnern.

Wir fordern nicht lediglich eine Umverteilung von Geldern, sondern setzen uns seit dem Regierungswechsel 2010 im Sinne aller nordrhein-westfälischen Kommunen dafür ein, dass der Bund seiner Finanzverantwortung im Sozialbereich stärker als bislang gerecht wird.

Dieser Einsatz hat sich ja im Übrigen schon zum Teil gelohnt. Der Bund hat sich an den Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zunächst in Schritten und seit 2014 vollständig beteiligt. Die Kostenübernahme für die Grundsicherung im Alter entlastet unsere Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen in einer Höhe von annähernd 1,3 Milliarden € erheblich.

Zudem hat der Bund zugesagt – daran möchte ich erinnern –, die Kommunen 2018 in Höhe von mindestens 5 Milliarden € jährlich von Sozialkosten zu entlasten, Stichwort: Bundesteilhabegesetz. Vorab wurden und werden die Kommunen in den Jahren 2015 und 2016 um jeweils 1 Milliarde € entlastet, im Jahr 2017 sollen es 2,5 Milliarden € sein.

Ich will an dieser Stelle gar nicht auf die Verteilmethoden eingehen. Ich sage ganz deutlich: Ich könnte mir da durchaus etwas anderes vorstellen.

Mit diesem Kurs gegenüber der Bundesregierung ist Nordrhein-Westfalen nach wie vor erfolgreich. Diesen Kurs sollten wir, wie ich finde, gemeinsam fortführen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam auf die Gesamtausgaben des Haushaltes schauen – wir hatten ja zuvor die Haushaltsdebatte. Der Landeshaushalt 2005 vor elf Jahren betrug 49 Milliarden €. Im Jahr 2017 wird er 72 Milliarden € betragen – eine Steigerung von mehr als 35 %. Betrachten wir die Zuweisungen an die Städte und Gemeinden: Im Jahre 2005 waren das 5,2 Milliarden und im Jahre 2017 10,6 Milliarden. Das ist eine Steigerung von annähernd 111 %.

Diese Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und führen zu einer durchaus verbesserten Finanzausstattung bei den Städten und Gemeinden sowie Gemeindeverbänden. Angesichts der finanziellen Bedürfnisse der Kommunen

wird bei der Verteilung der Mittel den finanzkraftabhängigen Zuweisungen, also den sogenannten Schlüsselzuweisungen, mit knapp 9 Milliarden € und einem Anteil von rund 85 %, dieser verteilbaren Ausgleichsmasse eine deutliche Priorität eingeräumt.

Sie haben zurecht die Schulpauschale und die Sportpauschale angesprochen. Darüber sollten wir noch einmal gemeinsam diskutieren. Das GFG 2017 trägt der damit verbundenen Zielsetzung im Haushaltsjahr 2017, wie ich finde, in einmaliger Art und Weise Rechnung. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, heute von einer gerechten Verteilung sprechen, bin ich gespannt auf Ihre Vorschläge in der nächsten Ausschusssitzung, was Sie unter einer gerechten Verteilung verstehen.

Meine Damen und Herren, was macht eine Stadt lebenswert? Wie ich finde, gehören ein lebendiges Sport-, Kultur- und Vereinsleben genauso dazu wie attraktive Einkaufsmöglichkeiten und ein guter öffentlicher Nahverkehr. Nicht zuletzt setzt Lebensqualität auch Sicherheit, medizinische Versorgung, bezahlbaren Wohnraum voraus. Aber all das können unsere Gemeinden nur dann bieten und auch finanzieren, wenn sie über ausreichende und entsprechende Finanzmittel verfügen.

Die Bürgerinnen und Bürger spüren es direkt und unmittelbar, wenn zu wenig Geld da ist, Bäder und Bibliotheken geschlossen werden und die Infrastruktur bröckelt und kaum noch investiert wird.

Ich glaube, wir sind hier in Nordrhein-Westfalen da auf dem richtigen Weg. Wir machen die Kommunen auch mit dem vorliegenden GFG 2017 wieder ein kleines Stück handlungsfähiger und zukunftsfähiger. – Ich freue mich auf die weitere Beratung dann in unserem Ausschuss. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Höne.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weder im Leben noch in der Politik ist immer klar, was zuerst war: Henne oder Ei.

Bei der Ausgleichsmasse im GFG ist das allerdings klar: Zuerst waren die Rekordsteuereinnahmen – fast 55 Milliarden € –, und dann aufgrund der festen Verteilquote war die Ausgleichsmasse der Finanzen für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen in Höhe von 10,56 Milliarden €.

Das Schulterklopfen der Regierung und der regierungstragenden Fraktionen auf die eigene Schulter ist insofern nicht angebracht. Denn es ist eine Selbst

verständlichkeit, dass, wenn die Gesamtsteuereinnahmen steigen, auch die GFG-Mittel steigen müssen. Anders herum wäre es eine Unverschämtheit. Heute sprechen wir darüber, dass wir es hätten anders und besser machen können.

Trotz des Rekordvolumens auch im letzten Jahr im Vergleich wiederum zum Vorjahr ist der Schuldenberg der Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 um etwas mehr als um eine Viertel Milliarde € gewachsen. Damit sind wir bei den Gesamtschulden der Kommunen mittlerweile bei über 60 Milliarden €, fast 62 Milliarden €, angelangt – das ist übrigens auch ein Rekord, wenn auch einer von ganz anderer Qualität.

Ich sage Ihnen ganz deutlich. Wir sind nahe beieinander, wenn wir über die Sozialgesetzgebung des Bundes sprechen, wenn wir über die Erstattung dieser Leistungen an die Kommunen sprechen. Herr Minister Jäger, ich finde es auch richtig und fair, dass Sie angesprochen haben, dass das eine Entwicklung über Jahrzehnte war, an der immer mal wieder verschiedenste Parteien und Fraktionen und Regierungskonstellationen in Berlin beteiligt waren.

Es gehört aber zur Ehrlichkeit dazu zu sagen, dass diese Bundesgesetzgebung alle Kommunen in ganz Deutschland betrifft und dass sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis ganz besonders die nordrhein-westfälischen Kommunen in der Verschuldung sind. Die hat es immer etwas schärfer getroffen als andere. Umso genauer müssten wir an dieser Stelle hingucken.

Wo ich bei Ehrlichkeit und einem vollständigem Bild bin, Herr Jäger: Wenn Sie hier Dinge ansprechen wie zum Beispiel die Befrachtung, dann müssen wir bitte auch genau bleiben. Dann müssen wir auch ins Detail gehen. Dann müssten Sie so ehrlich sein und sagen, Sie hätten sich gewünscht, dass zwischen 2005 und 2010 die Befrachtung abgeschafft worden wäre, aber nicht so tun und das hier so in den Raum stellen, als wären wir die Erfinder dessen gewesen. Das war eine Erfindung der Sozialdemokratie.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Minister Ralf Jäger)

Nein, wenn Sie zuhören und nicht schreiben, wüssten Sie, dass wir gar nicht über die Grunderwerbsteuer sprechen.

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

Trotz des Rekordvolumens im GFG, trotz des Stärkungspaktes und trotz der Niedrigzinsphase sind die Schuldenstände der Kommunen in der Vergangenheit weiter angestiegen. Das ist insofern besonders alarmierend, weil man sich fragen muss, wie eigentlich bei schlechten Rahmenbedingungen die Entwicklung erst aussehen wird.

Meine Damen und Herren, wir würden gern etwas grundsätzlicher an das GFG herangehen. Das haben wir hier schon in den letzten Jahren immer wieder angesprochen. Insofern freue ich mich auf die Ergebnisse des neuen Gutachtens, Herr Jäger. Ich finde es richtig, dass das angepackt wird.

Ich finde es gut, Herr Dahm, dass Sie gerade noch einmal angesprochen haben, inwiefern wir uns interfraktionell zusammensetzen können, um das Ganze zu begleiten. Ich glaube grundsätzlich schon – wenn man Gemeinsamkeiten hat, sollte man sie auch so benennen –, uns allen liegt daran, dass die Kommunen fair und auskömmlich ausgestattet sind. Über die Wege und über die genaue Höhe kann man gern streiten. Aber den Grundkonsens haben wir.

Wir wollen grundsätzlichere Dinge, Systemfehler und Fehlanreize anpacken, zum Beispiel bei der Benachteiligung des ländlichen Raums. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir brauchen eine Unterscheidung zwischen Größenklassen der Gemeinden. Die Einwohnerveredelung in der jetzigen Form ist mir aber zu pauschal und zu einfach. Der Schüleransatz ist uns zu undifferenziert. Ich glaube, dass es da einseitige Benachteiligung gibt.

Wir erleben in vielen Bereichen einen Sog eher in die Städte hinein, die damit vor neue Probleme gestellt werden, keine Frage. Das aber verschärft auch den demografischen Wandel im ländlichen Raum.

Es macht für die Kostenstruktur einer Gemeinde schon einen deutlichen Unterschied, ob ich eine altersmäßig breit durchmischte Bevölkerung habe oder ob meine Bevölkerung immer schneller immer älter wird. Auf der Kostenseite merken das diese Gemeinden bei dem riesigen Thema demografischer Wandel. Im GFG – bei den Einnahmen – findet man diese Komponente allerdings leider gar nicht wieder.