Protokoll der Sitzung vom 16.09.2016

Doch für uns Grüne – als Fraktion und auch als Partei – sind Verbraucherschutz und informationelle Selbstbestimmung hohe Güter. Wir sollten nicht nur vorsichtig sein, sondern wir sollten den Anfängen wehren,

(Beifall von Dietmar Schulz [PIRATEN])

dass man Instrumente einführt, die letztlich dazu beitragen, dass jeder Schritt überwachbar, nachverfolgbar und retrograd erforschbar ist. Nicht nur bei Lebensversicherungen herrscht bereits jetzt eine Datensammelwut, sondern auch bei den Krankenkassen.

Ich bin mir sicher, dass nicht nur Ihr Unfall, Herr Kollege Weske, gespeichert ist, sondern dass in 20 oder 25 Jahren immer noch alle Details über Nacherkrankungen und mögliche Folgen, die sich daraus ergeben, gespeichert sind. Wissen Sie, was Ihre Krankenkasse davon weiß?

Warum sollen wir jetzt in einem Bereich, in dem es möglich ist, anonym mit Bargeld zu bezahlen und dabei nicht vollkommen überwacht zu werden – und wir wissen aus anderen europäischen Ländern, dass diese Überwachung völlig nutzlos und wirkungslos ist –, ein Instrument einführen, mit dem wir Gefahr laufen, …

Die Redezeit.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin!

… dass wir in einer noch größeren Überwachung als ohnehin schon enden?

Deswegen können wir dem Antrag leider nicht zustimmen. Aber wir haben inhaltliche Schnittmengen mit der Opposition. Das haben wir bereits vielfach deutlich gemacht und tun das auch jetzt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hüb- ner [SPD])

Vielen Dank, Herr Kollege Abel. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden dem Antrag der Piratenfraktion heute zustimmen und deshalb Herrn Kollegen Weske seinen Geburtstagswunsch leider nicht erfüllen können.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Das, worauf Herr Kollege Möbius hingewiesen hat, ist zwar auch aus unserer Sicht wichtig, nämlich dass man in Fragen der Bewertung der Geldpolitik sicherlich etwas differenzierterer Auffassung sein kann. Wir teilen aber die Stoßrichtung dieses Antrags und die wesentlichen Forderungen im Beschlussteil. Deshalb werden wir ihn auch unterstützen.

Dieser Antrag und dieses Thema, meine sehr geehrte Damen und Herren, sind deshalb so interessant, weil der Finanzminister für seine artikulierte Position, die er regelmäßig vertritt, keine Mehrheit in diesem Hohen Hause hat. Der Finanzminister ist mit seiner Haltung politisch isoliert. Die Mehrheit des Landtags Nordrhein-Westfalen teilt seine Forderungen und Vorstellungen nicht. – Das hat mein Vorredner, Kollege Abel, gerade auch noch mal dargelegt.

Es ist in der Tat so: An dieser Stelle gibt es viele gemeinsame Bewertungen, die wir bei dem Thema vornehmen. Weil wir beim vorherigen Tagesordnungspunkt über Verpartnerungsfragen von FDP und Grünen spekuliert haben – nicht wir, sondern der Präsident hat das getan –, kann ich an dieser Stelle sagen: Das ist völlig normal in der demokratischen Auseinandersetzung, dass es gewisse Schnittmengen gibt. Ich glaube, darüber hinausgehende Fragestellungen gibt es nicht. Das hat auch unser Fraktionsvorsitzender in der Haushaltsdebatte noch mal deutlich gemacht.

Also: Keine Angst bei den Grünen, wenn wir an dieser Stelle ähnlich argumentieren, wie Sie es tun, und wenn Sie auch unserer Argumentation folgen – ohne es allerdings mit Ihrem Abstimmungsverhalten deutlich zu machen; das ist natürlich besonders schade und zeigt keine Charakterstärke an dieser Stelle.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Dass die FDP über Charakter redet – also echt!)

Der Finanzminister hat sich zum Thema „Barzahlungsverbot jenseits von Obergrenzen“ klar geäußert. Auch weil das immer dann, wenn der Finanzminister einer Situation überführt wird, für die er in diesem Haus keine Mehrheit hat, von der SPD in Zweifel gezogen wird, darf ich ausdrücklich auf die einschlägigen dpa-Meldungen von Anfang Juli letzten Jahres verweisen: Sie sind bis heute vom Finanzminister nicht dementiert.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Charakterlos, Ihre stän- dige Wiederholung von Unwahrheiten!)

Herr Kollege, dann bitte ich darum, dass Sie mal einen Vorgang dazu anlegen und

(Zurufe von Stefan Zimkeit [SPD] und Heike Gebhard [SPD])

ausdrücklich das dementieren, was die dpa aus dem Gespräch mit dem Finanzminister berichtet hat.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie müssen mal die Wortprotokolle lesen, die Sie beantragen!)

Ich fände es sehr interessant, wenn die Nachrichtenagentur das vollständig falsch wiedergegeben haben sollte. Der Finanzminister hat ja auch über seine Reise nach Skandinavien berichtet, wo ihn ja auch genau diese Fragestellungen beschäftigt haben wird.

Wir müssen nach der uns vorliegenden Aktenlage und in Ermangelung eines Dementis, das der Minister seit über einem Jahr formalisiert hätte vornehmen können, davon ausgehen, dass er unverändert der Auffassung ist, dass er Barzahlungen oberhalb von 2.000 € verhindern will, und dass er diese Grenze der dpa genannt hat.

Wir halten das für falsch. Viele Gründe sind in dieser Debatte schon genannt worden und von uns als erster Fraktion bereits vor einem Jahr mit einem eigenen Antrag in diesem Hohen Hause präsentiert worden.

Es gibt gute Gründe dafür, bestimmte Zahlungen bargeldlos zu tätigen. Das mache ich auch gern. Auf der anderen Seite gibt es aber auch genauso gute und legitime Gründe, viele Zahlungen weiterhin in barer Form vorzunehmen. Die Vorteile des Bargeldes sind so bestechend, dass auch in Zeiten des Onlinehandels noch rund 80 % der Zahlungsvorgänge in Deutschland völlig zu Recht mit Bargeld abgewickelt werden. Es geht dabei um die Rechtssicherheit dieses Zahlungsmittels, die Möglichkeit, ein Geschäft direkt zu vollziehen.

Wenn jemand beispielsweise einen Gebrauchtwagen an eine fremde Person verkaufen will, hat er dann Rechtssicherheit: Er übergibt die Ware und bekommt im Gegenzug das Geld.

Das ist der Schutz vor Negativzinsen.

Das ist natürlich auch der Schutz vor irgendwann stark steigenden Bankgebühren. Je weniger die Bargeldzahlung gebräuchlich wird, umso mehr werden sich die Institute, die unbare Zahlungsformen vorhalten, das Ganze natürlich auch bezahlen lassen.

Ich will in Deutschland keine Situation haben wie in den USA, wo es eine enge Zusammenarbeit bestimmter Hotelketten mit bestimmten Kreditkartenanbietern gibt und derjenige, der nicht einen bestimmten Kreditkartenstatus …

Die Redezeit.

… bei einem bestimmten Anbieter hat, ein Hotelzimmer abends nicht mehr bezahlen kann. Diese Gefahr steht in Deutschland morgen noch nicht konkret vor der Tür. Das sind aber Entwicklungen, die sich abzeichnen.

Deshalb gilt selbstverständlich auch bei diesem Thema: Wehret den Anfängen! Ein klares Ja für die Freiheit, für den Datenschutz und für den Erhalt des Bargelds! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Lieber Kollege Weske, bei allen guten Wünschen für Ihr neues Lebensjahr muss ich Ihnen sagen: Lesen Sie ab und zu mal Zeitung. Dann hätten Sie im Juli

letzten Jahres, wenn Sie schon nicht hier im Plenum waren, lesen können, was der Finanzminister des Landes fordert. Sie hätten es des Weiteren im Februar dieses Jahres lesen können, und zwar in „Handelsblatt“, „Der Westen“, „Rheinische Post“ und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sowie Verlautbarungen der dpa. Das soll jetzt vielleicht mal als Zitatgrundlage ausreichen.

Neun von zehn Sachverständigen haben sich in der Anhörung zu unserem Antrag und dem Antrag der FDP gegen jegliche Barzahlungsobergrenzen ausgesprochen. Es kam ganz deutlich heraus: Barzahlungsobergrenzen stellen keinen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung dar. Sie bedeuten keine Eindämmung von Schwarzgeldzahlungen. Sie bedeuten vor allen Dingen auch keine Eindämmung von Geldwäsche.

Die Mechanismen, um all das zu bekämpfen, sind vorhanden. Wir stellen allerdings an allen Ecken und Enden in diesem Bereich effektive Vollzugsdefizite auch im Lande Nordrhein-Westfalen fest.

Eine Bargeldobergrenze wäre auch der schleichende Einstieg in die totale Überwachung des Konsumverhaltens der Menschen. Auch das hat die Anhörung mehr als eindeutig ergeben. Dies lehnen wir vonseiten der Piratenfraktion eindeutig und unmissverständlich ab.

(Beifall von den PIRATEN)

Unter Aushebelung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung – der Kollege Abel hat dazu eben schon Ausführungen gemacht – hier von einer Bargeldobergrenze zu sprechen und damit eine schleichende Abschaffung des Bargelds einzuläuten, stellt vor allen Dingen auch kein Szenario irgendwelcher Verschwörungstheoretiker dar, sondern ist innerhalb des europäischen Raums durchaus bereits an der Tagesordnung.

Schauen wir nur nach Schweden. Es ist also kein Schreckensszenario, welches uns unbekannt sein müsste, wie man sieht, wenn man mal die Veröffentlichungen zu diesem Bereich liest.

Wagen wir also diesen Blick nach Schweden. Dann stellen wir fest, dass Bargeld dort praktisch abgeschafft ist. Das hat bereits zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt. Es gibt bald keine öffentliche Toilette in Schweden mehr, die nicht mit Kreditkarte bezahlt werden müsste. Na ja! Ich weiß nicht, ob das die Zukunft Nordrhein-Westfalens oder die Zukunft Deutschlands sein dürfte.

Der Anfang davon war auch in Schweden die Einführung einer Bargeldobergrenze. Und wer steckt dahinter? Ein Bankenkonsortium und Notenbanker sowie Finanzminister, die eine Konzentration auf Investmentgeschäfte vollführen, Bank- bzw. Kreditkarten systematisch monopolisieren und natürlich gerade im Personalbereich auf die Kostenbremse treten!

Hier muss man auch mal auf den Filialabbau deutscher Banken und Sparkassen innerhalb Deutschlands schauen.

Ende Juni dieses Jahres hat der mitgliederstarke schwedische Pensionärsverband PRO Verbraucherminister Per Bolund eine fast 140.000 Unterschriften zählende Protestnote mit dem Titel „Kontanter behövs“ übergeben – übersetzt: Bargeld wird gebraucht. Wenn man das auf deutsche Verhältnisse übertragen würde, würden bei uns gut 1 Million Menschen ihre Forderung zum Ausdruck bringen, dass Bargeldobergrenzen abzuschaffen bzw. nicht einzuführen sind.

Bereits vor gut einem Jahr hat ausgerechnet der ehemalige Reichspolizeichef und Ex-Regierungspräsident Björn Eriksson in Schweden die Initiative „Kontant Upproret“ gegründet – wörtlich übersetzt: der Bargeld-Aufstand.

Das alles wollen wir nicht. Deswegen lehnen wir die Einführung einer Bargeldobergrenze in Deutschland ab.