Protokoll der Sitzung vom 16.09.2016

Also, machen Sie bitte nicht nur Ankündigungen! Haben Sie mal eine Vision, und realisieren Sie die dann! – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von Nicolaus Kern [PIRATEN])

Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Duin.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind hier ja gerade schon einige aus dem Sport, insbesondere aus dem Fußball entstandene Bilder gewählt worden. Also wollen wir uns mal ganz in Ruhe angucken, was neben aller Rhetorik eigentlich stimmt und in welcher Liga wir denn spielen.

Im ersten Halbjahr 2016 ist NRW mit knapp 78 % das führende Flächenbundesland. Es hat seinen Vorsprung vor Schleswig-Holstein, die bei 75 % liegen, ausgebaut. Wir liegen deutlich vor Bayern, das noch nicht einmal 69 % hat.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Und vor Grön- land!)

Im Jahr 2015 wurden zusätzlich in Nordrhein-Westfalen 243.000 Haushalte an die 50-Mbit-Versorgung angeschlossen. In Bayern waren es im gleichen Zeitraum nicht einmal 190.000 Haushalte.

Im ersten Halbjahr 2016 wurden in NRW 104.000 Haushalte an das 50-Mbit-Netz angeschlossen. In Bayern waren es weniger als 20.000 Haushalte.

Beim ersten und zweiten Call, auf den Herr Wüst Bezug genommen hat – was ja der eigentliche Anlass für die Aktuelle Stunde gewesen sein soll –, wurden den Kommunen in NRW in der Tat über 55 Millionen € bewilligt. Damit liegt NRW – den ersten und zweiten Call können Sie sowohl getrennt als auch zusammen rechnen – im Ländervergleich auf Platz 4. Und wenn ich richtig informiert bin – Frau Ministerpräsidentin müsste das korrigieren, aber als Fan von Mönchengladbach wird sie das wissen –: Platz 4 ist Champions League.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das muss man immer noch gewinnen!)

Wir stehen bei der jetzt schon existierenden Versorgung auf Platz 1 aller Flächenländer und bei der Verteilung der Mittel auf Platz 4.

Man könnte jetzt sagen – und das ist das Interessante, was Sie auch mal zur Kenntnis nehmen müssen –: Wir haben ganz viel beantragt, aber es ist nicht gekommen. – Aber: Alle Projektanträge aus NRW, die – darauf komme ich gleich noch mal zu sprechen, weil das mit dem Programm von Herrn Dobrindt zu tun hat – nicht ausschließlich den Ausbau von Gewerbegebieten zum Gegenstand hatten, sind bewilligt worden. Alle!

Bis zum 28. Oktober 2016 läuft der dritte Förderaufruf. 107 Kommunen und Landkreisen wurde bereits die Beratungsförderung bewilligt, woraus sich weitere Infrastrukturprojekte ergeben werden. Für den dritten und vierten Call erwarten wir rund 20 weitere Anträge – nach den Rückmeldungen, die wir aus den Kreisen und Städten dazu haben.

In der Diskussion bisher sind am Rande auch schon mal Vorwürfe aufgebaut worden, zum Beispiel dass es nicht genügend Unterstützung für die Kommunen gäbe. – Wir sind schon weit vor dem Dobrindt-Programm in die Beratung der Kommunen zu diesem Thema mit Breitband.NRW eingestiegen. Wir haben das dann noch mal entsprechend aufgestockt.

Es kann durchaus sein, dass es Landräte oder Bürgermeister gibt, die sagen: Ich halte das Thema für nicht so wichtig. Entweder kommt Herr Höttges, oder irgendjemand anders wird mir dieses Thema schon von der Brust nehmen. – Das wird so sein.

Aber fragen Sie doch zum Beispiel mal – und das ist auch an Herrn Wüst gerichtet – den Landrat von Olpe. Der ist nachgewiesenermaßen kein Sozialdemokrat. Nehmen sie Herrn Beckehoff und fragen Sie zum Beispiel in Gremiensitzungen nach. Ich bin vor Kurzem beim Landkreistag gewesen. Da haben Sie auch zwei, drei Kandidaten sitzen, die sagen: Ja, das ist alles so kompliziert mit diesen Förderanträgen. –

Und dann sagt jemand wie der Landrat von Olpe, Herr Beckehoff: Leute, dann habt ihr euch nicht gekümmert! – Das sagt der seinen eigenen Kollegen. Er sagt: Ich war in dem ersten Call dabei. Und ich hatte viele offene Fragen. Auch mein Breitbandbeauftragter hatte viele offene Fragen. Aber jede einzelne Unterstützung konnte durch das Ministerium oder/und durch Breitband.NRW geleistet werden.

(Beifall von der SPD)

Also, sich hier bitte nicht hinter irgendwelchen Formalitäten verstecken, sondern einfach das, was da ist, in die Hand nehmen!

Wir haben ja vorsorglich finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Wir haben für dieses Jahr, für das nächste Jahr, 2017, und in der mittelfristigen Finanzplanung auch für 2018 entsprechendes Geld eingestellt – vorsorglich. Dafür brauchten wir eine Größenordnung, wonach wir das tarieren können, natürlich noch nicht wissen könnend, wie viele Anträge aus den Kommunen gestellt werden.

Eines sage ich an dieser Stelle ganz klar: Wir haben nicht ausschließlich Mittel zur Kofinanzierung aus dem Programm von Herrn Dobrindt eingestellt, sondern das gesamte Geld steht für den Breitbandausbau in den nächsten Jahren hier in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung – unabhängig davon, wie viele Kommunen in dem Programm von Herrn Dobrindt erfolgreich sind. Dieses Geld wird so oder so in den Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen investiert, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist ja nur das Feld bis 2018: die noch fehlenden rund 20 % für flächendeckend 50 Mbit/s zu bewerkstelligen. Es geht ja weiter. Ich habe aber kaum je

manden von Ihnen gesehen, als wir die Gigabit-Strategie vorgestellt haben. Sie fordern hier eine Strategie ein, fordern irgendein neues Ziel. Wir werden in der zweiten Runde vielleicht noch mal auf die inhaltlichen Voraussetzungen eingehen können, warum wir das eigentlich brauchen.

Ich will Ihnen nur deutlich sagen: In der zweiten Stufe unserer Strategie, die über das Jahr 2018 hinausblickt, die genau diesen Zehnjahreszeitraum in den Blick nimmt, setzen wir auf ein reines Infrastrukturziel, nämlich den flächendecken Glasfasernetzausbau. Herr Bombis hat vorhin gesagt: In ein paar Jahren werden es vielleicht 500 Mbit sein, die wir brauchen.

Wir machen eben nicht den Fehler, zu sagen: „Nach 50 Mbit setzen wir uns das Ziel 100 Mbit, danach das Ziel 200 Mbit und irgendwann 500 Mbit“, sondern wir sind das erste und einzige Bundesland, das in aller Klarheit gesagt hat: Wir verabschieden uns aus dieser Mbit-Debatte.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir nehmen als erstes Land ganz klar einen flächendeckenden Glasfasernetzausbau in den Blick. Das ist ein Infrastrukturziel und unterscheidet sich sehr grundlegend von den bisherigen Ansätzen.

Sie haben es gesagt, Herr Dr. Paul: 8 Milliarden € – sagt MICUS. Das ist nach wie vor viel Geld.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Absolut, ja!)

Aber auch da will ich einmal mit mancher Mär aufräumen. Das ist nicht der Subventionsbedarf, das ist nicht das Geld, das sozusagen aus einem Landeshaushalt für einen Glasfasernetzausbau zur Verfügung gestellt werden muss, sondern das ist das Geld – das gilt für 2018 genauso wie für das Glasfaserinfrastrukturziel –, das in erster Linie von den am Markt tätigen Unternehmen investiert werden muss. Da, wo das rentierlich nicht möglich ist, da werden wiederum Bund und Land – vielleicht sogar mit Hilfe der Europäischen Union – diese Lücke schließen.

Das, was wir als Infrastrukturziel formuliert haben, geht über alles hinaus, was auch vonseiten der Opposition hier im nordrhein-westfälischen Landtag jemals gefordert worden wäre. Wir sind schon sehr viel weiter als das, was Sie hier in Ihren Anträgen zum Ausdruck bringen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Trotzdem freue ich mich natürlich – Herr Wüst, Herr Schick und alle, die damit beschäftigt sind –, in jedem Ausschuss und in jeder Plenarwoche erneut die Gelegenheit zu haben, die Erfolge der nordrhein-westfälischen Breitband- und Gigabit-Strategie darzustellen. Herr Wüst, die Dakota-Indianer sagen ja: Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab.

(Hendrik Wüst [CDU]: Oh!)

Die CDU sagt: Kein Pferd kann so tot sein, dass man es nicht noch weiterreiten könnte.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In diesem Sinne herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister. – Da Herr Minister seine Redezeit um 1:30 Minuten überzogen hat, wir aber für Aktuelle Stunden eigentlich andere Regeln haben, werden wir gleich in der zweiten Runde bei allen Fraktionsrednerinnen und -rednern sehr großzügig sein und nicht so schnell wie gerade eben darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit abläuft.

Herr Kollege Schick war schon angesprochen und spricht jetzt für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eines muss man den Vertretern der Regierungsfraktionen und der Regierung lassen: Einen Wettbewerb im Schönreden werden Sie zweifelsohne immer gewinnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schaut man allerdings auf die Fakten, dann stellt sich die Welt etwas anders dar. Natürlich liegt NordrheinWestfalen, wenn man die Flächenbundesländer vergleicht, bei der Breitbandversorgung vorn. Das ist allerdings kein Verdienst, sondern ein struktureller Vorteil, weil in keinem anderen Bundesland so viele Kabelnetze im Boden lagen, wie das in Nordrhein-Westfalen der Fall ist. Von daher hat man diesen Vorteil geerbt.

Entscheidend ist: Wie sieht die Dynamik aus? Da kann ich das Beispiel vom toten Pferd aufgreifen. Die Dynamik bei der Entwicklung der Breitbandversorgung in Nordrhein-Westfalen ist auch nicht wesentlich schneller als die Geschwindigkeit eines toten Pferdes.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie haben auf das Bundesprogramm hingewiesen. Jetzt beklagen Sie auf einmal strukturelle Nachteile: weil Nordrhein-Westfalen so dicht besiedelt ist und andere Bundesländer das nicht sind. Also: Strukturelle Vorteile nehmen Sie gerne in Kauf; wenn aber mal strukturelle Nachteile auftauchen, dann werden die natürlich gleich als große Ungerechtigkeit beklagt.

Aber wenn es doch strukturelle Nachteile gibt, dann frage ich mich, wie die Bundestagsfraktion der SPD im vergangenen Jahr, als das Programm auf den Weg gebracht worden ist, eine Presseerklärung herausgeben konnte mit dem Wortlaut – ich zitiere–:

„Dem heutigen Beschluss sind längere Verhandlungen und am Ende eine Einigung zwischen dem Bund und den Ländern vorausgegangen.“

Haben Sie in dem Augenblick geschlafen, oder haben Sie es einfach nicht verstanden? Denn ansonsten hätten Sie ja aktiv werden müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich glaube, Herr Minister Duin, Sie wussten ganz genau, was das für Nordrhein-Westfalen bedeutet. Aber als Marketing-Minister ist es natürlich wichtig, eine entsprechende Förderseifenblase in die Luft steigen zu lassen, um aus der Defensive herauszukommen und deutlich zu machen, dass diese Landesregierung, nachdem lange Zeit ja gar nichts passiert ist, etwas tut.