Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie sagen, wir seien Champions- oder Irgendwas-League oder noch besser. Das haben wir schon oft gehört. Es klingt immer wie eine Entschuldigung, dass man jetzt nicht mehr weiter Gas gibt.
Wenn 24 % der Fläche nicht versorgt sind und wir einen dezentralen Mittelstand haben, dann ist erstens klar, dass diese letzten Meter immer die schwierigsten, aber mit Blick auf den Mittelstand und seine Dezentralität nicht die unwichtigsten sind.
Ich hatte eben ein kleines, freundliches, kollegiales Zwiegespräch mit dem Kollegen Rüße aus dem Kreis Steinfurt: Was ist mit den Hidden-Champions an der Westgrenze der Bundesrepublik, im Westmünsterland, im Kreis Steinfurt, im Kreis Borken, anderswo, in meiner Heimat? Die sagen mir alle immer das Gleiche. Das hat mit dem Bild, das Sie zeichnen, nichts zu tun.
Man kann sagen: Dann haben die Kommunen gepennt. – Ich habe nicht den Eindruck, dass die Kommunen gepennt haben.
Ich habe mir von Herrn Caffier aus Mecklenburg-Vorpommern persönlich – der war dafür zuständig – erklären lassen, was sie gemacht haben. Die haben schon im Frühjahr letzten Jahres angefangen, mit ihren Kommunen an den Themen zu arbeiten.
Hier haben wir noch im Sommer letzten Jahres gehört: Wir müssen erst mal warten, bis was vom Bund kommt. – Als dann Ende des Jahres was vom Bund kam – die erste Ausschreibung Mitte Dezember,
Auslauf Mitte Januar –, da haben in der Tat die Bürgermeister gesagt: Entschuldigung, ich habe gerade hier in meinem kleinen Ort ein paar Hundert Flüchtlinge unterzubringen. Ich habe andere Themen zu erledigen, als mich für ein Breitbandprogramm einzusetzen. – Das ist die Wahrheit.
Dafür können Sie sie kritisieren. In einer großen Verwaltung mag dafür noch Raum gewesen sein. Da hat vielleicht der eine oder andere den Knall nicht gehört. Aber da, wo wir die Probleme haben, hatten die Bürgermeister ganz andere Themen bei der ersten Runde. Bei der zweiten Runde hätte man allerdings schneller sein müssen und schneller sein können. Es sind also nicht die Kommunen.
Und es sind auch nicht die Marktteilnehmer, die versagen, wie es in Punkt 1 Ihres Leitbilds steht. Die Marktteilnehmer sagen doch selber, wenn sie die Telekom fragen, für jeden Bereich die Deckungslücke, die Wirtschaftlichkeitslücke dazu. Der reine Hinweis auf den Markt – so schön es wäre – trägt also nicht.
Die dritte Säule Ihres Leitbilds sind die Banken. Ich habe hier vor einem Jahr von einem langen Telefonat mit dem Tec-Team der ING-DiBa berichtet, das teilweise in Amsterdam, teilweise in Frankfurt sitzt. Die haben sich freundlicherweise die Zeit genommen, mit mir eine kombinierte Telefonkonferenz zu machen.
Ich habe die gefragt: Wie könnt ihr Holländer bei der ING-DiBa die Deutsche Glasfaser – holländisches Unternehmen – finanzieren? Warum könnt ihr das, und warum können deutsche Banken das nicht? – Wir haben darüber im Plenum schon mal geredet bzw. ich habe geredet, wahrscheinlich hat keiner zugehört. – Da haben die mir gesagt: Wir setzen auf das Thema „Ertragswert“. Was passiert demnächst in der Digitalisierung? Jeder braucht Leitungen. Die deutschen Banken setzen auf eine Art Substanzwert. Die beleihen am Ende das Kabel mit dem Materialwert.
Wenn Sie als Teil Ihres Leitbildes – ich glaube, es ist Punkt 2 – sagen, Bank ist wichtig, dann frage ich mich: Wo ist der Dialog mit den deutschen Banken, dass die die holländische Brille aufsetzen? Wenn Sie sagen, eine der zentralen Säulen Ihres Leitbildes ist: „Nach dem Markt sind die Banken, die müssen das finanzieren“, dann frage ich: Wo sind die Initiativen dafür, die Banken in Deutschland dafür fit zu machen, dass sie zu einer höheren Erkenntnis kommen?
Die letzte Minute meiner Redezeit verwende ich für die Frage, die darüber steht. Wir haben jetzt sehr oft über Breitband geredet – vielleicht passiert ja was –, aber Breitband ist ja nur die Pflicht der Digitalisierung. Die Kür besteht bei ganz anderen Themen. Auch dazu sagen Ihnen die 57 Seiten von unternehmer
nrw einiges. Da geht es um Qualifizierung, um Hochschulen als Motor der Digitalisierung, um Forschungsförderung, um Technologieoffenheit, um die Ausstattung der Schulen.
Deswegen finde ich es so ärgerlich, wenn die Ministerpräsidentin sagt: Das ist ja nur ein Wahlprüfstein eines Verbandes. – In diesem Land ist alles drin, was man für eine erfolgreiche Transformation eines traditionellen Industriestandorts zu einem Gewinner der Digitalisierung braucht. In diesem Land ist alles drin. Wir müssen den Leuten nur Lust machen auf das Neue und nicht Angst.
Ich finde es total okay, wenn wir von Arbeit 4.0 reden. Ohne Mitarbeiter, die darauf vorbereitet sind, wird es nicht gehen. Aber ich warne dringend davor, die Leute in Watte zu packen und zu sagen: Du brauchst dich nicht zu ändern. Du brauchst nichts zu machen. Wir kümmern uns schon. Wir packen das alles irgendwie anders an. Wir nehmen dich schon mit.
Diese Art von „Wandel braucht Zeit“-Rhetorik war früher falsch, war früher schon brandgefährlich, hat die Leute nicht richtig motiviert, mitzumachen, und wird bei einer solch desruptiven Änderung wie an der Schwelle zur Digitalisierung nicht besser, sondern noch viel gefährlicher für dieses Land.
Machen Sie den Leuten Mut! Machen Sie den Leuten Spaß auf die Veränderungen, die vor uns stehen! – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will in den verbleibenden wenigen Minuten noch einmal die Gelegenheit nutzen, das eine oder andere aus der Debatte aufzugreifen und auf sehr fachliche und sehr spezifische Dinge einzugehen.
Denn auch durch einen Großteil des Beitrages von Herrn Wüst ist noch einmal deutlich geworden: Es geht in der Tat – neben der Beschreibung, dass wir das beste Flächenland sind und auf Platz 4 bei den Fördergeldern stehen – schon darum, zu fragen: Was sind denn die Details, die für Zurückhaltung sorgen, die nicht für die Dynamik sorgen, die wir bei diesem Thema in ganz Deutschland brauchen?
wird. Die liegt in den Rahmenrichtlinien der EU und des Bundes derzeit nämlich bei 30 Mbit. Da brauchen wir uns jetzt nicht gegenseitig katholisch zu machen. Wir merken doch im Laufe des Verfahrens, dass das ein großes Hindernis ist, um mit Blick auf die Entwicklung hin zu Gigabitgesellschaft Sachen neu auf den Weg zu bringen. Staatliche Förderung des Netzausbaus muss eben auch jenseits der 30 Mbit notwendig sein, auch wenn es zunächst nur um den Zwischenschritt geht.
Ein zweites, auch nicht ganz unwichtiges Thema ist sehr fördertechnisch, will ich hier aber auch einmal angesprochen haben. Das ist die Bindungsfrist, wenn Sie eine Infrastrukturmaßnahme mit öffentlichen Geldern durchgeführt haben.
Da haben Sie mit öffentlichen Geldern, beispielsweise GRW-Mitteln, in der Kommune etwas gemacht, ein Gewerbegebiet. Vor ein paar Jahren waren Sie als Bürgermeister stolz wie Oskar, als Sie 16 Mbit gemacht haben. Dafür haben Sie sich feiern lassen. Im Bescheid steht aber, dass man in den nächsten acht Jahren nichts machen darf. Dabei hat er sich vor sechs Jahren nichts gedacht. Jetzt ist er aber nicht in der Lage, auf die Töpfe, bei denen ihm das eigentlich möglich wäre, zuzugreifen.
Das sind die Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen, über die wir mit den Berliner Ministerien sprechen.
Ich denke, dass wir auch eine Diskussion über die direkte Förderbarkeit von kommunalen Unternehmen brauchen. Wir merken doch, dass die beiden Varianten, die wir haben, das Decken der Lücke, der nicht rentierlichen Kosten einerseits und die Unterstützung von Betreibermodellen andererseits, an ganz vielen Orten eine kommunalpolitische Debatte darüber haben entbrennen lassen – auch deswegen gibt es vielleicht manche Verzögerung –, ob man sich diesem Verfahren aussetzen will, wo dann die Telekom „Hier!“ ruft und sagt: „Das mache ich schon in drei Jahren“, und die anderen Wettbewerber quasi raus sind, oder ob man sagt: Wir machen mal ein Betreibermodell; denn da, wo das in Nordrhein-Westfalen erfolgreich ist – Ballungsraum hin oder her –, nicht nur in Köln, sondern zum Beispiel auch in Gelsenkirchen, wo die Ausbaurate besonders hoch ist, hat man genau diesen Weg gewählt. Man hat nicht auf andere sogenannte Telekommunikationsunternehmen, die am Markt sind, vertraut, sondern man hat es mit eigenen Mitteln gemacht.
Deswegen ist auch die direkte Förderbarkeit solch kommunaler Unternehmen meines Erachtens eine wichtige Frage, der wir uns zuwenden müssen.
Darüber hinaus sind wir mit dem Kollegen Groschek und anderen darüber im Gespräch, wie wir die Möglichkeiten ausschöpfen, den Netzausbau durch Nutzung von Synergien preiswerter zu machen, andere Verlegetechniken etc. Auch das stößt vor Ort – das
wissen Sie doch auch, die Sie in der Kommunalpolitik sind – durchaus immer wieder auf Skepsis, ob das alles so schon geht.
Wenn wir über die Deutsche Glasfaser als niederländisches Unternehmen reden – Herr Wüst hat das in einem anderen Zusammenhang angesprochen – und über die Dynamik, die wir in den Niederlanden beobachten: Da haben ja solche praktischen Dinge, wie tief das eigentlich in die Erde rein soll und welche Standards wir erledigen müssen, eine große Rolle gespielt. – Dass Sie da den Kopf schütteln, zeigt schon, dass es eben nicht so einfach ist.
Ich wollte Ihren Punkt nur zum Anlass nehmen, noch mal auf die Niederlande hinzuweisen, die beim Thema „Verlegetechnik“ eben auch etwas ganz anderes machen, als es alter deutscher Standard ist. Sie haben über ein anderes Thema aus den Niederlanden gesprochen: das Thema „Banken“. Das habe ich wohl verstanden; ich habe Ihnen ja zugehört.
Ich wundere mich – deswegen mache ich das jetzt mal am Ende der Debatte –, dass hier ein Thema fast gar keine Rolle gespielt hat, nämlich die Versorgung der Gewerbegebiete. Auch da bitte ich um einen ganz differenzierten Blick. Warum? Ich habe Ihnen durch die MICUS-Studie ein Argument an die Hand gegeben, mit dem Sie jetzt seit einigen Monaten unterwegs sind – unternehmer nrw hat das übernommen –, nämlich die Zahl, nur 10 % der Gewerbegebiete seien versorgt. Das steht so in der MICUSStudie.
Jetzt haben wir vor einigen Monaten vom TÜV eine Untersuchung gehabt. Die haben gesagt: 71 % der Gewerbegebiete sind versorgt – nicht 10 %.
Zwei Gutachten, zwei Zahlen! Dann macht man sich auf den Weg. Wir sind den Weg gegangen, jetzt schrittweise gemeinsam mit Breitband.NRW ganz konkret zu erheben und zu analysieren, wie denn die Lage tatsächlich ist, um unsere Förderung für Glasfaser in Gewerbegebieten auch wirklich passend zu machen. Die konkreten Ergebnisse werden wir Mitte November erwarten können.
Aber schon jetzt lässt sich absehen, dass wir weit weg sind von den 10 %, aber leider auch noch nicht bei den 70 %, sondern dass wir bei etwas über 50 % in der Versorgung von Gewerbegebieten liegen, was wiederum im Umkehrschluss heißt, dass unsere Förderstrategie, auch mit eigenem Geld ganz gezielt auf die Anbindung von Gewerbegebieten zu setzen mit dem Thema „Glasfaser“, richtig ist.
Herr Schick, nur eine Anmerkung: Wir sind ja total lernfähig. Damit man nicht mehr unterscheiden muss zwischen „Aktuelles“ und „Veranstaltungen“, wird
Ein letztes Wort zu den ländlichen Räumen; denn auch da darf man mal etwas differenzierter hingucken. Es darf hier in Reden nicht der Eindruck erweckt werden, der ländliche Raum an sich sei komplett abgehängt und gerade dort, wo die Hidden Champions sitzen, sei Internet sozusagen noch in weiter Ferne, geschweige denn schnelles Internet.