Protokoll der Sitzung vom 16.09.2016

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wo kommen wir eigentlich her?

(Hendrik Schmitz [CDU]: Duisburg!)

Herr Kuper, das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen. Die Auflösung der Befrachtung – das Land hatte in

den Jahren 2005 bis 2010 versucht, sich auf Kosten der Kommunen zu sanieren – umfasst einen Betrag von 1 Milliarde €. Die Wiederbeteiligung der Kommunen an der Grunderwerbsteuer bedeutet 1,5 Milliarden €. Wir haben den Kommunen also 2,5 Milliarden € gegeben, die Sie ihnen vorher – in Ihrer Regierungszeit, Herr Kuper – entzogen haben.

Zur Wahrheit gehört ebenso – und das fällt auch in Ihre Regierungszeit –: 2010 hatten wir in NordrheinWestfalen 138 Kommunen im Nothaushalt. In mehr als einem Drittel der Kommunen galt das Nothaushaltsrecht. Das sind inzwischen nur noch neun, Herr Kuper. Das hat damit zu tun, dass wir die kommunalen Finanzen insgesamt so gestärkt haben, dass sie sich haben freischaufeln können.

Letztendlich gehen wir mit dem Stärkungspakt – an diesem Punkt gebe ich Ihnen wirklich recht, Herr Kuper – nicht an die Ursachen heran, sondern wir versuchen, denen zu helfen, denen das Wasser bis zum Hals steht.

Die eigentlichen Ursachen, das sind die Sozialausgaben.

Wir haben die Situation, dass alle Fraktionen, die in diesem Haus sitzen – mit Ausnahme der Piraten –, in den letzten Jahren oder Jahrzehnten in irgendeiner Weise dafür gesorgt haben, dass jedes Sozialgesetzbuch im Bund stark ausdifferenziert und definiert wurde und dafür gesorgt wurde, dass die größten Teile davon die Kommunen zu finanzieren haben. In Nordrhein-Westfalen müssen die Kommunen 40 % ihrer Haushaltsmittel zur Deckung der Sozialausgaben aufwenden – so viel wie in keinem anderen Bundesland.

Deshalb glaube ich, Herr Kuper, dass die zweistelligen Milliardenbeträge, die Herr Schäuble im Bund erwirtschaftet, letztendlich auf Kosten der Kommunen erwirtschaftet werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Bund gibt Dinge vor, die die Kommunen finanzieren müssen. Das ist die Hauptursache.

Die kommunalen Spitzenverbände sagen: Dieser Stärkungspakt ist unter finanziellen Gesichtspunkten alternativlos.

Ich will noch einen Gesichtspunkt hinzufügen. Der Rat der Stadt Duisburg hat im letzten Jahr – Herr Krüger hat es angemerkt – für den Haushalt 2016 einen ausgeglichenen Haushalt beschlossen. Kein Mitglied des Rates der Stadt Duisburg hatte eine solche Situation zuvor aktiv in seiner kommunalpolitischen Tätigkeit erlebt – kein einzelnes. Über Jahrzehnte immer nur neue Schulden, neue Schulden, neue Schulden.

(Zuruf von der SPD: 25 Jahre!)

In dieser Phase hat nicht mehr der Rat entschieden, wie die Stadt gestaltet wird, sondern letztendlich hing alles davon ab, ob ein Beamter der Kommunalaufsicht dies zugestanden hat oder nicht zugstanden hat.

Es ist ein Gewinn an kommunaler Demokratie, dass die Räte jetzt wieder eigenständig und autark darüber entscheiden können, wie ihre Kommune gestaltet wird. Es ist ein Zugewinn an Demokratie. Das ist auch ein wichtiger Aspekt, Herr Kuper, dieses Stärkungspaktes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Jetzt hat sich für die CDU noch einmal Herr Kuper gemeldet. – Bitte schön, Herr Kuper, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, das kann man so natürlich nicht im Raum stehenlassen. Wenn Sie das eine nicht im Raum stehenlassen, dann müssen wir das andere auch nicht im Raum stehenlassen.

Wenn Sie sich gerade damit preisen, dass Sie die Anzahl der Nothaushaltskommunen reduziert haben, dann muss man ganz deutlich sagen: Reine Makulatur!

(Beifall von der CDU)

Das war natürlich Ihre einfachste Aufgabe. Wie haben Sie es gemacht? Sie haben einfach mal eben die Definition dessen, wer Nothaushaltskommune ist und wer Haushaltssicherungskommune ist, verdreht, die Zahlen getauscht. Das war die Lösung des Problems an der Stelle.

(Beifall von der CDU – Zuruf von den GRÜNEN)

Ansonsten können wir hier nur wieder das wahrnehmen, was tagtäglich passiert: immer nur der Ruf nach dem Bund, wenngleich der Bund in diesem Jahr Milliarden mehr in Richtung Kommunen auf den Weg gebracht hat, was wir auch komplett richtig finden.

Meine Damen und Herren, Sie verschweigen auch, wenn es um die Aufgabenbelastung der Kommunen geht, dass wir hier in NRW bundesweit den höchsten Kommunalisierungsgrad haben. Das heißt, Sie sind diejenigen, die den Kommunen sehr viele Aufgaben auflasten, und zwar ohne die entsprechende Finanzmittelausstattung mitzugeben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Sozialausgaben!)

Vor dem Hintergrund dieser Situation können die Kommunen noch so strampeln. Wenn Sie es nicht an der Wurzel anpacken, wird es nicht gelingen. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kuper. – Als nächster Redner für die SDP-Fraktion Herr Hübner.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kuper, Sie können hier nicht dauerhaft davon ablenken, dass Sie kein tragfähiges Konzept zur Entlastung der Kommunen vorgelegt haben. Sie haben zu Beginn dieser Legislaturperiode ein Konzept vorgelegt; das hieß KomPAsS. Ich habe Ihnen hier schon mehrfach vorgehalten, dass dieser KomPAsS bei Ihnen offenbar verlorengegangen ist.

Das Einzige, was Sie vorgeschlagen haben, war, weiterhin den schwachen Kommunen in die Tasche zu packen, indem Sie eine Befrachtung ins Gemeindefinanzierungsgesetz von insgesamt 700 Millionen € schreiben wollten, um die schwachen Kommunen weiter zu schwächen. – Das, was Sie hier vortragen, ist absolut unredlich.

Sie verkennen noch eines: Die Soziallasten sind der entscheidende Baustein, der die Schwierigkeiten bei den Stadtfinanzen in Nordrhein-Westfalen ausmacht – im Übrigen auch in vielen anderen Bundesländern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Solange Sie sich nicht in Ihrer Bundesregierung bei Ihrem Finanzminister dafür starkmachen, dass es zu einer tatkräftigen Entlastung bei den Soziallasten kommt, so lange kann ich Sie als Gesprächspartner hier wirklich nur begrenzt ernst nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Hübner. – Jetzt spricht als nächster Redner Herr Rasche von der FDP. Danach spricht Herr Krüger für die Grünen. Auf diese Art halten wir ein wunderbares parlamentarisches Prinzip aufrecht, nämlich das von Rede und Gegenrede. Schöner kann Parlamentarismus gar nicht sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Präsident, es ist schon fast fantastisch, wie geschickt Sie diese Sitzung leiten. Großes Kompliment! Ich meine es ernst, wirklich, wie das Nächste auch.

Der Minister tut so, als wären alle abundanten Gemeinden steinreich, als hätten sie das Geld auf der Bank liegen und bräuchten es Städten wie Duisburg nur rüberzuschieben.

(Zuruf von der CDU: Er kennt sich nicht aus! – Zuruf von Minister Jäger)

Es mag die eine oder andere Stadt so reich sein. Aber es gibt eine ganze Reihe insbesondere von kleinen Städten – zum Beispiel die Stadt Erwitte; die hat ein Haushaltssicherungskonzept; das Ende ist noch gar nicht in Sicht, dass das wirklich funktioniert –, die Jahr für Jahr den Soli über Kreditaufnahme finanzieren müssen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn das Ihre Ansicht ist, eine Umverteilung zwischen den Kommunen, bei der die einen Kommunen etwas zugesteckt bekommen und die anderen es über Kredit finanzieren müssen, Herr Minister, dann passt bei Ihnen irgendetwas nicht.

(Anhaltender Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Rasche. – Und jetzt spricht Herr Krüger für die grüne Fraktion. Bitte schön, Herr Krüger.

Herr Kuper, Michael Hübner hat gerade ausgeführt: 2010 liefen Ihre Vorschläge zur Finanzierung des Stärkungspaktes Stadtfinanzen darauf hinaus: Wir stellen 700 Millionen € pro Jahr zur Verfügung und finanzieren das über Befrachtungen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz, das heißt komplett – komplett! – aus den kommunalen Kassen. Sie wollten kein eigenes Geld dazugeben.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Wir bringen 70 % der Gelder für die Stufe 1 und die Stufe 2 aus dem Landeshaushalt selbst bei – rund 3,6 Milliarden € –, und wir finanzieren die Stufe 3 aus dem Rücklauf der Gelder der Stufen 1 und 2, die abgebaut werden. Wir werden voraussichtlich 250 Millionen € für die Stufe 3 einsetzen. Das sind 175 Millionen € an Landesgeldern. – Das ist die Wahrheit.

Ich bin ab und zu vor Ort, unter anderem in kleineren Gemeinden wie Laer. Dort habe ich auch mit den örtlichen CDU-Vertretern darüber gesprochen, warum sie sich nicht freiwillig um Stufe 2 bemüht haben. Die Antwort lautete: Das hätten sie gerne getan, aber vonseiten des Landesverbandes der CDU sei ihnen vorgegeben worden: Lasst bloß die Finger davon! – Und sie haben gemeinsam mit uns erkennen müssen: Es wäre gut gewesen, wenn sie seinerzeit Anträge zur Teilnahme an Stufe 2 gestellt hätten. – Das ist die Wahrheit.

(André Kuper [CDU]: Quatsch!)