Ein zweites Beispiel: Will ein Kunde im fortgeschrittenen Lebensalter sein Objekt barrierefrei umbauen und ein vom Wert der Immobilie in allerhöchstem Maße gedecktes Darlehen aufnehmen, führt die Richtlinie ins Feld, dass die Rückführung des Darle
hens eventuell nicht mehr erlebt wird, und lässt unberücksichtigt, dass mit der Modernisierung Werte geschaffen werden.
Das ist schlicht und ergreifend Altersdiskriminierung. In der Praxis kommt es zu zahlreichen weiteren Hemmnissen, die nicht gewollt sein können.
Ich muss Ihnen sagen, dass mich verunsichert, dass Herr Witzel während meiner Rede mehrfach „So ist es“ sagt. Das bin ich nicht gewohnt. Deswegen muss ich leider jetzt meine Trumpfkarte ziehen.
Meine Damen und Herren, es gibt eine Veröffentlichung des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken sowie des Bundesverbandes deutscher Banken, die heute, wenige Minuten vor dem Beginn unserer Debatte, Herr Pörner, Geschäftsführer des Bankenverbandes NRW übersandt hat. Er stellt dar, dass die beiden gerade genannten Verbände keine Rückgänge bei ihren Kreditvergaben verzeichnen, wohingegen das der Bundesverband Öffentlicher Banken wie auch der DSGV anders sehen.
Letztere setzen sich jetzt dafür ein, dass das Gesetz geändert wird. Erstere setzen sich dafür ein, dass das Ganze mit einem Rundschreiben der BaFin erledigt wird.
Das sind, meine Damen und Herren – Herr Witzel, da werden Sie mir zustimmen müssen –, sehr unterschiedliche Herangehensweisen, das mit einem Rundschreiben zu machen oder ans Gesetz heranzugehen.
Deswegen habe ich die herzliche Bitte: Lassen Sie uns jetzt keine Schnellschüsse machen, die der Sache nicht dienlich sind. Wenn sich die vier Bankenverbände nicht einig sind, sollten wir es nicht noch besser wissen als sie.
Daher plädiere ich dafür, heute die Landesregierung aufzufordern, den Markt zu beobachten und in den Ausschüssen in den kommenden Monaten Bericht zu erstatten. Dann können wir mit den Erkenntnissen der vier eben genannten Verbände und mit dem, was uns die Landesregierung zur Kenntnis geben wird, gemeinsam beraten, um keinen Schnellschuss zu machen, sondern etwas, was der Sache wirklich dienlich ist. Dann können wir auf Basis einer seriösen Datenlage entsprechende Beschlüsse fassen.
Deswegen werbe ich in diesem Sinne für Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass es heute die Gelegenheit gibt, diesen Tagesordnungspunkt zu behandeln. Denn es gibt in der Tat, wie die beiden Vorredner geschildert haben, aus der Praxis deutliche Hinweise auf Fehlentwicklungen bei der Vergabe von Wohnraumkrediten auch infolge der Umsetzung der Brüsseler Regelungen.
Genau das ist am vergangenen Dienstag auf der Tagung der haushalts- und finanzpolitischen Sprecher der Unionsfraktionen in Aachen festgestellt worden. Wir haben auf dieser Basis als CDU-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen unseren Entschließungsantrag aufgebaut.
Insofern gibt es einen breiten Konsens darüber, dass an dieser Stelle ganz besonders aufgepasst werden muss, dass beim Wohneigentum keine Entwicklungen passieren, die in dieser Form von niemandem gewollt werden.
Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher ist im März 2016 in deutsches Recht umgesetzt worden. Der Bundesjustizminister hatte dem Bundestag entsprechende Vorschläge gemacht.
Vor dem Hintergrund ausländischer Immobilienkrisen, in denen viele Verbraucher mit der Rückzahlung von Immobilienkrediten überfordert waren, ist es durchaus nachvollziehbar, dass die EU-Kommission und das Parlament sicherstellen wollen, dass eine Kreditvergabe verantwortbar ist. Ich muss zugeben – ich zitiere den Kollegen Kämmerling –: Auch ich bin es nicht unbedingt gewohnt, Ihnen jetzt an mehreren Stellen zustimmen zu müssen, aber hier haben Sie Richtiges gesagt.
Insbesondere müssen Kreditverträge für beide Vertragspartner für die Dauer des Vertrags erfüllbar sein. Gleichwohl dürfen Regulierungsmaßnahmen im Bankensektor nie isoliert betrachtet werden. Die europäischen Vorgaben zur Kreditvergabe müssen insbesondere bei den Wohn- und Immobilienkrediten mit Augenmaß umgesetzt werden.
Wenn es Hinweise gibt – Kollege Kämmerling und Kollege Witzel haben dazu eben Beispiele genannt –, dass es bundesweit zwar ganz erhebliche Unterschiede gibt, aber die einheitliche Einschätzung besteht, dass man sich sehr genau anschauen muss, was da passiert, dann könnte es durchaus sein, dass der Bund bei der Umsetzung der Richtlinie ein Stück zu weit gegangen ist.
Wenn die deutschen Sparkassen beispielsweise berichten, dass im ersten Halbjahr 2016 rund 8,9 % weniger Wohnbaukredite als im Vorjahr zugesagt worden sind, und andere Branchenvertreter das teilen, dann muss einen das angesichts der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt im Übrigen, angesichts des Zinsumfelds und angesichts der sonstigen Rahmenbedingungen eher nachdenklich machen.
Denn wir wollen doch gerade, dass junge Familien in der Lage sind, Eigentum zu erwerben und es als Altersvorsorge einzusetzen, wenn sie es sonst schon immer schwerer haben, in einem Nullzinsumfeld Eigentums- und Altersvorsorge zu treffen.
Bei Senioren kommt hinzu, dass nicht alle eine Immobilie über ein laufendes Erwerbseinkommen finanzieren, sondern da hat auch in der Vergangenheit schon Vermögensbildung stattgefunden, jedenfalls bei den allermeisten, die es sich zutrauen, dann noch einen solchen Wohnkreditvertrag für den Bau einer Immobilie zu starten.
Insofern bedarf es immer der Gesamtbetrachtung. Ich glaube, es ist in der Tat so: Unabhängig von dem Mittel, das man einsetzt, um die Beobachtung dann in die Tat umzusetzen, ist wohl doch erkennbar, dass der Bundesjustizminister in seinem Umsetzungsvorschlag ein Stück zu weit gegangen ist. Das wird man doch wohl sagen können.
Zu der Frage, ob da ein Anwendungsschreiben der BaFin reicht: Wie gerichtsfest ist das denn? Wie verbindlich ist das – außer für diejenigen, die bei den Banken arbeiten – für alle anderen? Wie kann man sich darauf berufen?
Es wäre gut, wenn die Kollegen von der SPDLandtagsfraktion, Herr Kollege Kämmerling, und die Landesregierung auf den Bundesjustizminister zugehen und vorschlagen würden, das Ganze so zu korrigieren, dass es eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie ist und nicht mehr.
Ich verweise insoweit auf unseren Entschließungsantrag, bitte aber um Verständnis, auch bei der FDP, dass wir angesichts der etwas drastischen Formulierung wie Bevormundung – das teilen wir so nicht – Ihrem Antrag nicht zustimmen können.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Markert.
Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ziel der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist es, bei Immobilienkreditverträgen die nachhaltige Kreditvergabe zu fördern und ein hohes Verbraucherschutzniveau zu schaffen.
Herr Dr. Optendrenk, das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen. Man hat ja fast das Gefühl, wenn man Sie hier reden hört, dass Sie Probleme mit Ihrer eigenen Bundesregierung haben. Wir haben uns im Gesetzgebungsverfahren schon für Änderungen gegenüber Ihrer Bundesregierung eingesetzt, die Sie im Moment offensichtlich gar nicht mehr als Ihre ansehen. Wer jedenfalls Ihre kritischen Worte zum Schluss hier vernommen hat, konnte den Eindruck gewinnen, dass da ein Oppositionspolitiker redet. Das ist schon noch Ihre Bundesregierung? Ich hoffe, das habe ich nicht falsch verstanden.
Im Gesetzgebungsverfahren – da sind wir Grüne, die in Nordrhein-Westfalen regieren und noch nicht im Bund, im Vorteil – haben wir uns dafür eingesetzt, dass ein umfassender Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie einfließt. Ich darf noch einmal zitieren, was wir im Bundesrat vorgetragen haben:
„Dabei bittet der Bundesrat, dafür Sorge zu tragen, dass die Kreditvergabe an bestimmte Zielgruppen (junge Familien, Senioren, Menschen mit stark schwankendem Erwerbseinkommen) nicht unnötig eingeschränkt wird.“
Leider muss man sagen, Herr Dr. Optendrenk: Ihre Bundesregierung und der ihr folgende Bundestag haben diesem Anliegen nicht Rechnung getragen und sind dem Weg im Bundesrat nicht gefolgt.
Nun hat das, was dann am Ende bei dem Gesetz herausgekommen ist, wie so oft bei solch diffizilen Angelegenheiten, Licht und Schatten.
Positiv ist aus unserer Sicht zu bewerten, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung im Einzelfall nur dann negativ ist, wenn sie aufgrund einer Wertung sämtlicher Umstände zu dem Ergebnis kommt, dass der Verbraucher bzw. die Verbraucherin den Kredit in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr bedienen kann. In diesem Fall ist es aber auch – darauf hat der Kollege Kümmerling eben schon hingewiesen …
In diesem Fall ist es sinnvoll, Verbraucherinnen und Verbraucher vor Verträgen zu schützen – darauf hatten Sie, lieber Kollege Kämmerling, eben hingewiesen –, die sie finanziell überfordern.
Problematisch ist hingegen, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung im Ergebnis zu einer Erschwernis der Eigentumsbildung für junge Familien führen kann. Insofern, Herr Witzel: Ja, auch dieser Kritik kann man etwas abgewinnen, die Sie in der Tat etwas drastisch vorgetragen haben.